Text na stránkách 1
Text:
26. October 1894
„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 245.
Seite 3
hinterlegt. Die Jura-Simplon-Gesellschaft zieht
Betrieb durch Locomotiven vor. Hier weichen die
Experten von ihren Vorschlägen ab. Sie empfehlen
lebhaft den elektrischen Betrieb wegen geringeren
Schwierigkeiten mit der Ventilation und geringerer
Abnutzung des Oberbaues. Im Gotthardtunnel,
wo natürliche Ventilation besteht, hat man beobachtet,
daſs die Euftjäule des Tunnels bisweilen zwölf
Stunden lang unbeweglich bleibt und sich nur lang-
sam in Bewegung setzt. Der Kohlendunstgehalt
dieser Luft erreicht bis 25%0! Es sind aber nie
ernste Klagen dieserhalb laut geworden. Beim
System des Simplontunnels glauben die Ingenieure
auch unter Voraussetzung eines lebhaften Betriebes
von täglich 48 Zügen, mit viel weniger, mit acht
pro Mille loszukommen. Die Antwort der italienischen
Regierung auf die Rote des Bundesrathes steht
noch aus. In der Westschweiz, wo man von der
Bahn einen großen wirthschaftlichen Aufschwung
erwartet, dringt alle Welt auf möglichst energische
und schnelle Inangriffnahme. Die übrige Schweiz
ist dem Project nicht gerade sympathisch; man ist
vielfach der Ansicht, daſs es vorderhand mit dem
Gotthard genug wäre. Aber die West-Schweizer,
wenn sie zusammenhalten, sind politisch so mächtig,
daſs sie dieses Widerstreben wohl besiegen können.
Tokal-Nachrichten.
(Stadtverordneten-Sitzung.) In der
gestern fortgesetzten Sitzung des Stadtverordneten-
Collegiums machte Bürgermeister Schäffler die
Mittheilung, daſs die Poste und Telegraphenstation
in Prag die Anlage einer Telephonverbindung im
Teplthale behufs entsprechender Meldung einer
Hochwassergefahr genehmigt habe. Es gelangen
fünf Haupistationen und eine Unterstation zur Ec-
richtung. Die Gesammtkosten werden sich auf
4630 fl. stellen. Die Angelegenheit kommt erst in
einer nächsten Sitzung zur Berathung. — Der
Ufermauerbau längs des Kiesweges vom Lützow-
stege aufwärts wird an den Mindestbietenden Herrn
Maurermeister Carl König um den Betrag von
17946 fl. vergeben. — Die Canalisationsarbeiten
in der Helenenstraße, von der Röhrengasse auf-
wärts längs des israelitischen Hospitals und am
Laurenziberge werden nach Antrag des Stat trathes
auszuführen beschlossen, ebenso die den Grund der
Herren Schlesinger und Consorten begrenzenden
Straßenherstellungen. — Die vor dem Hause
Nr. 110' in der Andreasgasse befindliche Rampe
wird behuss Straßenerbreiterung für den Betrag
von 2000 fl. käuflich erworben. — Die restliche
Stützmauerherstellung an der Stefanspromenade
inclusive Eisengeländer wird an den Baumeister
Herrn Heller für den Betrag von 1034 fl.
35 kr. vergeben. — Den Hausbesitzern in
der Hirschensprunggasse wird für die Pachtung
ihrer Vorgärten der -Meter mit 25 kr. vorge-
schrieben. — Die Gesuche des Herrn Rurolf Kohn
(Neubau neben dem Hause „Wielandt“) um Er-
richtung eines Hotels, sowie der Herren Wenzl
Patrak („Kaiser Rudolf“) und Charwat um Con-
cession zur Ausübung des Schankgewerbes resp.
Erweiterung desselben werden in befürwortendem
Sinne erledigt. — Die Gesuche um Stipendien
u. zw. des Richard Teschnec in Leitmeritz und
Anton Zuleger in Karlsbad werden bewilligt und
zwar mit je einem Betrage von 50 fl. — Die Be-
stellung der Lehrkräfte für die Nebenfächer an
dem Kaiser Franz Josef-Realgymnasium wird
wie im Vorjahre beschlossen und für den
Turnunterricht Herr Lehrer Jomrich neubestellt. —
Die folgenden Punkte wurden, als Personalien be-
treffend, in vertraulicher Sitzung verhandelt u. zw
wurde der Supplent am R algymnasium Herr Dr.
Ludwig zum provisorischen Lehrer ernannt, der er-
ledigte städtische Ingenieurposten dem Competenten
Herrn Odon Starek verliehen und das Ausuchen
des Straßenmeistets Herrn Slama um definitive
Anstellung genehmigt. — Zu unserem Berichte
über die Sitzung in der gestrigen Nummer uns res
Blattes haben wir heute berichtigend nachzutragen,
daſs Herr Dr. Tycnauer nicht zum Leiter des
neuen Kaiserbades, sondern zum beaufsichtigenden
Arzte der Kaltwasser-Heilanstalt daselbst, berufen
wurde.
(Geschworenen-Auslosung.) Für
die am 5. November beginnende VI. Schwur-
gerichts-Periode wurden am 12. d. M. bei dem
Egerer k. k. Kreisgerichte folgende Geschworene
ausgelost und zwar a) als Hauptgeschworene die
Herren: Joh. Stark, Gasthausbesitzer in Schlacken-
werth; Joh. Fr. Kopp, Hausbesitzer in Franzens-
bad; Anton Schwalb, Forstverwalter in Wildstein;
Franz Kubat, gräfl. Rentmeister in Plan; Leop.
Brumlik, Kaufmann in Königberg; J kob Kranner,
Thierarzt in Franzensbad; Julius Wiehl, Forst-
meister in Waltsch; Gg. Lohr, Restaur. in Eger;
Wilh. Künzt, Bäcker in Asch; Friedr. Ritter von
Pelikan, k. k. Notar in Wildstein; Mathes Blech-
schmidt, Kunstmühlenbesitzer in Eger; Gg. Hof-
mann, k. k. Notar in Asch; Joh. Schmid, Kauf-
mann in Eger; Emil Baruch, Hotelbesitzer in
Marienbad; Ludw. Dörfler, Brauereibesitzer in
Heinrichegrün; Florian Habermann, Gastwirt in
Falkenau Franz Müller, Buchh. in Eger; Karl
Wiedermann, Geldwechsler in Franzensbad; Eman.
Heidl, Kaufmanu und Hausbesitzer in Königswart;
Karl Frankl, Gastw. in Elbogen; Andr. Zeidler,
Färber in Asch; Ant. Plaß, Kaufm. in Falkenau;
Wzl. Roßmeißl, Gärber in Schlackenwald; Donar
Zebisch, Schlemmereibesitzer in Zettlitz; Gustav
Drumm, Hausbes. in Karlsdad; Adolf Anger,
Instrumentenmacher in Graslitz; Franz Barthlme,
Gastw. in Tepl; Karl Baumgartl, Hausbesitzer in
Neudek; Ant. Bernkopf, Bräuer in Plan; Anton
Soukup, Obergärtner in Franzensbad; Jos. Michl
Wildner, Bäuer in Eger (Lange Gasse); Ign.
Herzig, Weinhändler und Hausbesitzer in
Karksbad; Fz. Riedl, Kaufm. in Graslitz;
Anton Schmieger, Hausbesitzer in Eger; Josef
Riedl, Fleischer und Hausbes. in Eger Nr. 463;
Gg. Napp rt, Hausbesitzer in Echelberg; b) als
Ergänzungs-Geschworene die Herren: Gg. Steger,
Oekonom in Mühlbach; Josef Komma, Rest. in
Egee, Bruckthor; Andr Schmidt, Gastwirth in
Reicher dorf; Joh. Schmucker, Gastw. in Schlada;
Andr. Schwäger, Bäcker und Hausbesitzer in Eger;
Incob Klier, Tischler in Eger; Franz Viererbl.
Tischler in Eger; Michael Forster, Wirtschaftsbes in
Obergil nersreuth; Josef Klarner, Oekonom in Kulsam.
(Einen Damen-Kneipabend) ver-
anstaltet am kommenden Sonntag den 28. d. M.
der hi sige Deutsche Turnverein im „Hotel Bayri-
schen Hof“. — Der Titel des Unternehmens klingt
zwar etwas neu — doch werden die Besucherinnen
dieses „Turnerdeutsch“ in unsere moderne Alltags-
sprache richtig übersetzen und nicht eine Kneiperei
für Damen, sondern einen gelungenen Unter-
haltungs-Abend vermuthen, der es auch in der That
sein wird.
(Ein Schwindler.) Aus Meran wird uns
von einem dort ansässigen Karlsbader unterm 23. d.
geschrieben: „Gestern kam in das hiesige Gasthaus
„Schönau“, dem Zisammenkunftsorte aller Karls-
bader und Egerländer überhaupt, ein Mann, mittel-
groß, mit Schnurbart, fest gebaut, und suchte sich
unter dem Vorwande, einen Musiker namens Bach-
mann suchen zu müssen, an die Karlsbader Gäste
und speciell die Mitglieder der Pleier'schen Kapelle
heranzudrängen, um schließlich, nachdem er sich in
Karlsbader Verhältnissen versirt zeigte und G.-
sproch: angeknüpft hatte, Pumpversuche zu machen,
die jedoch da man ihn nicht kannte, erfolglos
blieben. Als es ihm auf diese Weise nicht möglich
war, sein angeblich nach Kurlsbad nöthiges Reise-
geld' zusammenzubringen, stattete er den hiesigen
ansässigen Kails adern Besuche ab, richtete Grüße
von deren Angehörigen aus und versuchte bei den-
selben sein Glück im Anpumpen. Unter anderem
Früher selber ein reicher Mann, hatte er ge-
schäftliches Ungemach. Trotz seiner großen Tüch-
tigkeit ging er gänzlich zu Grunde und sank in
Folge von Verdienstlosigkeit immer tiefer. Schließ-
lich musste er betteln gehen, um seiner Familie
Brod zu verschaffen. Da die Polizei ihn beim
Betteln ertappte, wurde er eingesperrt; dann folgte
eine lange Krankheit, und als er endlich wieder
auf den Beinen war, konnte er sein Weib und
seine Kinder nicht mehr finden, sie waren ver-
schwunden. Die seelischen Qualen brachten ihn
bald so sehr herunter, daſs seine edleren Gefühle
sich beträglich abstumpften. Zwar hatte er sich der ihm
durch die Begegnung mit dem Millionär gebotenen
Hoffnung auf eine freundliche Zukunft gefreut, aber
sein neues Missgeschick ließ ihn wieder mehr oder
minder gleichgiltig.
Nur Eines duälte ihn: was der gütige Herr
von ihm denken werde, wenn er am Morgen nicht
zu ihm käme? Allein er von Hunger und Mü-
digkeit zu sehr geschwächt, um lange nachdenken zu
können, und so verfiel er bald in einen Zustand
halbbewuſster Stumpfheit und Ruhe, der nur
durch das zeitweilige Eintreffen neuer Häftlinge
und das wüste Lärmen der Berauschten gestört
wurde.
Endlich tagte es und gegen neun Uhr öffneten
Wächter die Zellenthüre, um die Insassen in den
Gerichtssaal zu führen. Hier standen Neulinge
im Gebiete der Gesetzwirrigkeit neben den abge-
härtesten Verbrechern, aber auch neben gänzlich
Unschuldigen. Ein solcher Unschuldiger war Edgar
Bartlett, und dennoch sah er sich zusammengewürfelt
mit Taschendieben und Trunkenbolden, mit frchen
Weibern und anderem Gesindel! Da auch die an-
deren Zellen der Station ihr Contigent an Ange-
klagten gestellt hatten, musste der Richter sehr rasch
„arbeiten“, um vorwärts zu kommen.
Endlich durfte Bartlett eintreten.
„Er war betrunken und lärmend; auch hatte
er gestohlenes Geld bei sich,“ bericht'te der Po-
lizist.
„Wo haben Sie das Geld gestohlen?“ fragte
der Richter.
„Ich habe es nicht gestohlen. Ein Herr gab
mir's und —“
„Halt!“ unterbrach der Richter. „Sie werden
mir doch so etwas nicht einreden wollen. Wie viel
Geld war's?„
„Sichzehn Dollars,“ sagte der Beamte.
„Und das wollen Sie geschenkt bekommen
haben?“
„Gewisa“
„Und von wem denn?“
„Ich weiß den Namen nicht, aber
„Weiß den Namen nicht! rief der Richter
entrüstet. „Ein Unbekannter wird einem Vagabunden
sechzehn Hollars geben — Unsinn! Ich werde
ihnen etwas Anderes geben: sechs Monate Gefäng-
nis, verstehen Sie?“
Edgar Bartleit wurde in eine Sträflingszelle
gebracht und die Welt wusste nichts non dem
grausamen Unrecht, daſs ihm geschehen war. Der
reiche Sears, der in den Sohn des ehemaligen
Providencer Freundes vermuthet hatte, der er auch
war, hielt ihn, als er nicht im Comptoir erschien,
für einen gewöhnlichen Lumpenkerl.
Glücklicherweise suchte jener Bürger, der bei
Edgar's Verhaftung intervenirt hatte, die verlorene
Karte des Millionärs, fand sie und brachte sie
diesem mit einem Bericht über den Sachverhalt.
Dadurch kam Sears in die Lage, die Unschuld
Bartleti's aufzuklären, ihn zu befreien und ihm an
die Hand zu gehen, bis er wieder ein wohlhabender
Kaufmann wurde.
Eine einfache, aber thatsächlich lehrreiche Geschichte,
und deren gibt es sogar eine Menge, noch viel
crasserer Art, in dem Buche „Schuldlos verur-
theilt“ (erschienen in Leipzig bei Alfced Jangsen),
das besonders Richtern, Juristen und Ges'tzgebern
nicht warm genug empfohlen werden kann.
Berliner Planderei.
Mit dem Bauen wird es für einige Zeit in
Berlin nichts sein. An vierzigtausend Wohnungen
sollen leer stehen. Das kann freilich nicht jeder
controllieren, was aber die meisten Berliner zu
ihrer nicht geringen Freude bemerken, ist, daſs sie,
wenn sie umziehen oder es von ihrem bisherigen
Wirte energisch verlangen, weniger Miete zu bezahlen
brauchen. Aber auch die nicht umziehen und nicht
energisch sind, merken, daſs ein anderer Wind weht.
Die Wirte, ehedem Hauspaschas genannt und als
Tyrannen gefürchtet, sind liebenswürdig geworden
wie es sonst nur Gastwirte zu sein pflegen. Wer
sonst nichts renovieren ließ und es als einen
Gnadenact ansah, wenn er einem Mieter gestattete,
auf eigene Kosten sich die Wohnung comfortabler,
ästhetisch schöner u. s. w. zu machen, erklärt jetzt
den Mieter schon für human, der nur den Umbau
der ganzen Wohnung verlängt ohne besonders
extravagante Ansprüche hinsichtlich der Ausstattung
Název souboru:
karlsbader-badeblatt-1894-10-26-n245_4135.jp2