Text auf der Seite 7
Text:
Diemstag. 13. Juli 1926.
Ascher Zeitung.
Seite 7.
obigen Regeln auf ihn nicht passen. Er hat die
bräunliche Farbe der Kartoffel, welcher er auch in
der Gestalt ähnelt. Er ist sehr giftig und schon
durch seinen widerlichen, scharfen Geruch als un-
genießbar erkenntlich.
Nachdem wir jetzt dem Pilzsucher die Möglich-
keit an die Hand gegeben haben, mit Sicherheit
giftige Pilze zu vermeiden, müssen wir doch noch
auf folgendes hinweisen: Die Fälle von Pilzvergif-
tungen, von denen man in den Zeitungen liest,
sind durchaus nicht immer auf den Genuß von
Giftpilzen zurückzuführen. Die Pilze zersetzen sich
nämlich außerordentlich rasch und auch genießbare
Pilze werden im Zersetzungszustand giftig. Es ist
daher erforderlich, die gesammelten Pilze, wenn ir-
gend möglich, noch am Tage des Sammelns zuzu-
bereiten und zu verzehren. Hiemit hat es natürlich
nichts zu tun, daß man einige Pilzsorten wie den
Steinpilz, den Champignon und andere, trocknen
kann, ohre der Genießbarkeit Abbruch zu tun, aber
es empfiehlt sich auch in diesem Fall, die Pilze
möglichst schnell zu putzen und zum Trocknen vor-
zubereiten.
Ferner soll man weder nach langer Trockenheit
moch an Regentagen auf die Pilzjagd gehen. Nach
langer Trockenheit sind die Pilze nämlich gewöhnlich
durch Maden und Schnecken zerfressen. Außerdem
läßt längere Trockenheit die Pilze nicht ausreifen
und macht ihr Fleisch zäh und ungenießbar. Während
des Regens aber gepflückte Pilze zersetzen sich leich-
ter. Am besten sammelt man daher einige Tage
nach ausgiebigem Regenfall. Man vermeide feuch-
tes Walddickicht sowie modrig riechenden Boden als
Standort der Pilze und schließlich sammle man nur
junge, gesunde, feste, also nicht zerfressene und übel
riechende Exemplare.
Daß man beim Sammeln die Pilze nicht mit
der Wurzel herausreißt, ist wohl selbstverständlich.
Die alte Streitfrage, ob man Pilze abschneiden oder
abdrehen soll, ist heute wohl ziemlich allgemein für
das Abdrehen entschieden. Damit wäre alles Wis-
senswerte gesagt.
Wenn es durch diesen Artikel bewirkt werden
sollte, daß die herrliche Gabe, welche die Natur al-
len, auch den Bedürftigen geschenkt hat, immer mehr
zur Volksnahrung werden sollte, und daß die Pilz-
sammler sich unbesorgt und ohne schädliche Folgen
befürchten zu müssen, dem Genuß ihrer Mühe hin-
geben können, so wäre der Zweck dieser Zeilen er-
Dr. E. L.
füllt.
Neues vom Tage.
Eine Sanonenhugel aus dem Schwedenkriege gefunden.
Olmütz, 11. Juli. Beim Neubaue des Gebäudes
der Olmützer Staatsbahndirektion wurde eine 30 Kilo-
gramm wiegende Kanonenkugel gefunden, welche wahr-
scheinlich aus der Zeit stammt, als die Schweden im 30-
jährigen Kriege Olmütz belagerten. Interessant ist, daß
die Kuger von demselben Arbeiter gefunden wurde, welcher
beim Neubau des Gebäudes für die Sozialversicherung
beim Kino „Gdison“ einen Topf mit 200 böhmischen
Groschen fand. Da er damals nur eine geringe Entloh-
nung erhielt, verkaufte er die Schwedenkugel an einen
Alteisenhändier.
Faschisten-Terror in Süd-Tirol.
Bozen, 11. Juli. Wie aus Gries gemeldet wird,
wurde der Schulleiter der deutschen Schule in Melten auf-
gefordert, Leute in Vorschlag zu bringen, die in Tiroler
Rationaltracht (!) bei der Grundsteinlegung des Denkmales
„Des italienischen Sieges“ am 12. d. M. teilnehmen
sollen. Dem deutschen Lehrer wurde eröffnet, daß er
seines Amtes enthoben werde, falls es ihm nicht ge-
länge, deutsche Tiroler zur Teilnahme an dieser italienischen
Feier zu gewinnen. Die Musikkapelle von Melten hat
ihrerseits eine Mitwirkung bereits abgelehnt.
Ein Rekord in der Geschichte des Diebstahls.
Berlin, 10. Juli. Nach Blättermeldungen wurde in
Ostende die Anzeige gemacht, daß ein großes Wasser-
flugzeug gestohlen worden sei. Die belgischen Kennzeichen
sollen in schwedische umgewandelt worden sein.
Fliegerunglüch.
Brüssel, 10. Juli. Ein holländisches Flugzeug der
Linie Rotterdam-Berlin ist infolge ungünstigen Wetters
südöstlich von Brüssel abgestürzt. Der Flugzeugführer
und der an Bord befindliche Passagier, ein Holländer,
wurden getötet.
Higewelle in Amerika.
London, 12. Juli. Man meldet aus Newyork:
Ganz Amerika leidet unter einer fürchterlichen Hitzewelle,
die gestern einsetzte. In Chicago sind vier Todesfälle
durch Hitzschläge zu verzeichnen. Hunderte von Personen
brachen auf der Straße zusammen und mußten in den
Unfallstationen behandelt werden. Auch in Minneapolis
und in St. Paul' ist je ein Todesfall durch Hitzschlag
zu verzeichnen. In Chicago verbrachten über 100.000 Per-
sonen die Nacht am Seeufer.
Zentral-Theater Asch.
Heute zum letztenmale der große Gaumontfilm:
„Der Weg zum Ruhm“.
Von Dienstag bis Donnerstag
abermals ein Spitzenwerk deutscher Filmkunst:
opal der Gasse
Mit Werner Kraus und Margarete Kupfer.
Als Einlage:
„Die Fünfhundertjahrfeier der Stadt Selb“.
die Teilnahmslosigkeit der englischen
Oeffentlichkeit an den Kolonialbestrebun-
gen Deutschlands. Die Diskussion über die Ko-
loniefrage, die durch Berichte aus dem Ausland bis-
her immer noch in Fluß gehalten wurde, hat durch
die vorsätzliche Erklärung des Ministerprälidenten
Baldwin, wonach England die ostafrikanischen Man-
date nicht aufzugeben beabsichtige, ihr vorläufiges
Ende gefunden. Die Erklärung selbst hat die englische
Oeffentlichkeit nicht überrascht, denn sie kam nicht
unerwartet. Für England ist es heute vollendete
Tatsache, daß das gesamte Ostafrika ob als Kolonie,
Protektorat oder Mandatsgebiet auf ewig ungeteilt
bleiben soll. Aus diesem Grunde ist es nicht ver-
wunderlich, daß alle Hinweise auf die im Verlauf
der Locarnoverhandlungen gemachten Verspre-
chungen von allen amtlichen Kreisen mit
äußerster Zurückhaltung behandelt wer-
den. Theoretisch gesteht man Deutschland für
die Zukunft zwar das Recht zu, ebenso wie jedes
andere Völkerbundsmitglied Anspruch auf ein Kolo-
nialmandat zu erheben. Die
Frage der praktischen Durchführung
dieses Problems läßt man indessen vollkommen offen.
In nicht unmaßgebenden Kreisen sind in den letz-
ten Monaten zahlreiche Versuche unternommen wor-
den, die deutschen Kolonialbestrebungen auf ein an-
deres Gebiet zu bringen. Besonders regsam war in
dieser Hinsicht die konservative Zeitschrift „Qutlock“,
die verschiedentlich darauf hinwies, daß die Regelung
der deutschen Östfragen eine viel wichtigere Angele-
genheit sei, als alle deutschen Kolonialbestrebungen.
Inwieweit diese Einstellung realpolitische Hintergründe
hat, muß dahingestellt bleiben. Das gesamte Kolo-
nialproblem ist heute Monate vor der Völkerbund-
tagung in Genf in ein Stadium getreten, das keinen
Anlaß zu weitergehenden Hoffnungen auf den Völ-
kerbund gibt. Solange England seine unnachgiebige
Haltung nicht aufgibt, umsomehr als es von en eren
Staaten noch unterstützt wird, ist mit einer auch nur
annähernd befriedigenden Lösung der Frage kaum
zu rechnen.
Das Land des Umsturzes.
Ein neuer Staatsstreich in Portugal.
Lissabon, 12. Juli. General Carmona unternahm
einen neuen Staatsstreich gegen die Regie-
rung des Diktators Gomez da Costa, der
diesen völlig unvorbereitet traf und von vollständigem
Erfolg begleitet war. General Carmona hat sofort die
Regierung übernommen. — Hierzu berichtet Havas weiter-
hin? Die politische Lage sei vollkommen ver-
worren. Die Armee habe sich gegen den Präsidenten
der Republik, General Gomez Costa, erklärt und dessen
Rücktritt gefordert. Es gehe das Gerücht, daß ein Ko-
mitee aus drei Generalen und zwei Admiralen in der
Bildung begriffen sei, das den Auftrag habe, ein neues
Ministerium, in das auch Zivilisten eintreten sollen, zu
bilden.
England und die deutschen Kolonieansprüche.
London, 12. Juli. Je näher die Genfer Völker-
hundstagung heranrückt, umso augenscheinlicher wird
sie nach kurzer Begrüßung; „aber da unsere Unterre-
dung keinen Aufschub mehr duldet, und zudem im
engen Zusammenhang mit meinem Befinden steht,
so wollen wir so schnell als möglich zur Sache
kommen.“ Sie fuhr sich über die Stirn und sagte
mit scheuer Hast:
„Ich muß Ihnen die für mich furchtbare Er-
öffnung machen, daß ich meinen gegenüber einge-
gangenen Verpflichtungen nicht nachkommen kann?.“
Und als fürchte sie schon, daß er aufspringen
könnte und sie packen, so duckte sie sich tief in die
Kissen hinein.
Aber Franz Lützenkirchen saß ruhig auf seinem
Stuhle. Nur sein Kopf hatte sich steif aufgereckt und
seine Stimme klang kalt und energisch.
„Ich bitte, daß Sie sich verständlicher ausdrücken
wollen!“
Es war, als ringe sie eine Weile nach Kraft
und Mut. Endlich sagte sie tonlos:
„Ich vermag es nicht, Ihnen die vereinbarte Mit-
gift auszuzahlen. Eine Verkettung unglückseliger Um-
stände macht es mir vollkommen unmöglich.“
Lützenkirchen gab nicht sofort Antwort. Aufste-
hend ging er mit schweren wuchtigen Schritten hin
zum Fenster und schob die Gardinen zurück.
„Welche unglückseligen Umstände wären das?“
Er stand aufrecht Frau Klara gegenüber, sein
Gesichtsausdruck war hart und starr.
„Sie stöhnte auf. „Verluste, unsolide Papiere
„.. Ich bin eine arme Frau ... eine kleine
Leibrente ist alles, was mir geblieben ist ...“
„Und .. all das Unglück hat sich ereignet ...
nach meiner Verheiratung mit Ihrer Tochter?“
„Ich wußte es vordem nicht so.
Sie stotterte, suchte nach Worten; Lützenkirchens
unheimliche Ruhe wirkte beängstigender auf sie, als
wenn er in wilder Heftigkeit getobt hätte.
„Ich hoffte, glaubte — o wie felsenfest glaubte
Er war noch einen Schritt näher an sie heran-
getreten, stand hart an dem Ruhebett.
„Also ..betrogen
Mit der schmetternden Wucht der Verachtung fiel
das Wort auf sie herab. Und der Schlag traf. Frau
Mengers richtete sich aus den Kissen empor und
streckte die gefalteten Hände gegen Lützenkirchen aus.
„Ich bitte Sie, haben Sie Mitleid mit einem
armen Kinde, wie Gertrud!“
Da ging eine furchtbare Veränderung über sein
Gesicht, dunkle Glut schlug ihm darüber hin, und
seine Stimme dröhnte.
„Was hat der Name meiner Frau zu schaffen
mit all dieser gemeinen Lüge und Betrügerei!“
Es blieb still ein paar Sekunden lang. Augen-
blicke, in denen das Muttergefühl und ein Rest tro-
higen Stolzes, die sie zu einem vollen, wahrhaftigen
Bekenntnis hatten zwingen wollen, in sich zusammen-
sanken und nur eine grimmige Erbitterung in ihr
die Herrschaft behielt.
Erbitterung, haßerfüllte Anklage gegen die, um
derentwillen sie jetzt selber hier stand als Betrogene.
Mit hochrotem Gesicht und keuchendem Atem stand
sie Lützenkirchen gegenüber.
„Meine Tochter hat immerhin damit zu schaf-
fen, als es um ihretwillen geschah, daß ich log.
Wenn sie auch nicht von allem unterrichtet war,
was über die Mitgiftfrage zwischen uns erörtert
wurde, so wußte sie doch, daß Sie in einer
Täuschung über unsere wahren Verhältnisse befan-
gen war, daß Sie durch mich des Glaubens lebten,
mein Mann sei Bankier gewesen und nicht nur Buch-
halter bei einem solchen, wie das in Wahrheit der
Fall war.“
Sie erschrak, als sie die Wirkung ihrer Worte
gewahrte. Lützenkirchen starrte sie an, sein Gesicht
überzog sich mit fahler Blässe, seine Hand griff ins
Leere, als suche sie nach einer Stütze.
„Lüge! Gemeine Lüge!“ stieß er wild heraus.
Seine Faust hatte mit eisernem Griff Frau Klaras
Hand gepackt. Um sich selbst vor mir zu reinigen.
beschmutzen Sie mein Weib!“
Aber mit diesen Worten hatte er vollends die
sich regende Mütterlichkeit zurückgedrängt. Den Kopf
zurückwerfend sagte sie: „Ich lüge nicht. Unmittelbar
nach der Verlobung verständigte ich mich mit Ger-
trud über die betreffenden Angaben.“
Aber im nächsten Augenblick, als Lützenkirchens
Hand sich von der ihren löste u. der Arm ihm schwer
und leblos herabfiel, klang etwas aus ihr heraus,
was echte Angst, wahrhaftes Muttergefühl war:
„Seien Sie darum nicht hart mit ihr! Sie ist
jung und hat sich nichts Schlimmes dabei gedacht.
Aus Liebe schien es ihr erlaubt. Sie liebt Sie wirk-
lich! Seien Sie großmütig. Seien Sie gut zu ihr“
Mit einem langen Blicke sah Lühenkirchen sie an.
Was all ihre Worte nicht vermocht hätten, dieser
eine, echt aus dem Herzen hervorbrechende Ton von
Mutterangst grub die Ueberzeugung in ihn hinein:
es war Wahrheit Und als noch einmal die bebende
Stimme an sein Ohr klang — „Seien Sie gut zu
ihr“ —, da irrte ein wehes Lächeln um seine blas-
sen Lippen.
„Beruhigen Sie sich, ich werde ihr keine Vor-
würfe machen.
Ohne Gruß ging er davon.
Hin und her auf verschneiten Feldwegen trieb'
Lützenkirchen sein Pferd. Die Tämmerung hing grau,
vom Himmel hernieder und drängte zur Heimkehr
Ihm grauste davor.
Heim .... in das Heim, aus dem das Glück
geflohen, aus dem die Wahrheit geflohen, in dem
die Lüge einherging, die Lüge mit blauen Himmels-
augen und unschuldigem Kinderlächeln.
Sollte er sie fragen, ihr alles sagen ..? Und
ihr auf die helle Stirn die Röte der Scham, das
Schuldbewußtsein drücken, daß sie hinfort die Augen
niederschlagen mußte vor ihm und der Riß in ihrem
Leben vollzogen war, sie beide ihn sahen und ne-
beneinander hergingen, zusammengehörend, an-
einander gefesselt und doch getrennt?
Von neuem riß Lützenkirchen sein Pferd herum,
jagte es wilder hinein in den eisig kalten Dezember-
abend.
Es war dunkle Nacht, als er endlich auf völ-
lig abgehetztem Tier auf den Hof von Lützenburg
einritt. Schon im Hausflur kam ihm Gertrud ent-
gegen.
„Wie lange bist du fortgeblieben! Ich habe mich
so geängstigt um dich. Und so kalt bist du, o Gott,
so eisig kalt!“
Er schob sie von sich.
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