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Ascher Zeitung Nr. 120. Seite 4. 11. Oktober 1913. Von einem gründlichen Kenner des Gebietes der Stubalpe, der Glein- und Koralpe, der als Lehrer in den höchstgelegenen Schulen Steiermarks Gelegen- heit hatte, bei Jagden und Stitouren das betref- fende Gebiet jahrelang zu studieren, erhält die „Dtsch. Volksztg.“ folgende Mitteilung: Sollte wirklich ein Raubtier im genannten Gebiete sein Unwesen treiben, so kann es sich nur um eine inländische Katzenart handeln, und zwar um einen aus den Karpathen oder aus Bosnien eingewechselten „Luchs“. Eine ausländische Katzenart kann unmöglich in einer rauhen Gebirgsgegend in einer Seehöhe von 1400 bis 2000 Metern mit ausgesprochen kontinentalem Klima vier Monate lang leben. Jeder Menagerie- besitzer wird bestätigen, daß ausländische Katzen (Raubtiere) selbst in gut erwärmten Käfigen leicht einer Lungenkrankheit erliegen, und da sollte irgend eine Großkatze auf einem steirischen Hochgebirge den Sommerschnee oder den heurigen kalten Regensommer überstehen? Wenn es sich wirklich um ein Raubtier handelt, kann es also nur ein Luchs oder eine Luchsfamilie sein. Gleich im Anfange, als man die Spuren eines Raubtieres, nämlich das Morden und Reißen, wahr- nahm, hätte man den sogenannten „Wetterbäumen“, die den Unterstand für das Weidevieh auf den Almen bilden, erhöhte Aufmerksamkeit schenken sollen. Die „Wetterbäume“, vielhundertjährige Fichten, oftmals vom Blitze getroffen, mit ihren sogenannten Flech- ten- und „Mooshuzen“ bilden für solche Raubtiere ein undurchdringliches Versteck. Und es kann ganz sicher angenommen werden, daß die ersten Ueber- fälle auf Weidetiere von diesen Bäumen aus ge- schahen. Tagsüber verbirgt sich das Raubtier auf diesen gewaltigen Bäumen, um in der Dämmerung seinen Raubzug anzutreten und vor der Morgen- dämmerung bereits wieder seinen Schlupfwinkel auf- zusuchen und dort zu verdauen. Die meisten Berichte in den ausländischen und inländischen Zeitungen werden wohl von Leuten ge- schrieben, die entweder niemals das betreffende Alm- gebiet gesehen, geschweige auch nur annähernd kennen und nur nach der Landkarte oder aus den Geographie- büchern wissen, daß dort ein einsames Hochgebirge liegt. Nach allen Berichten müßten eine Unmenge Raubtiere sich im Stubalpengebiete aufhalten. Man müßte, auch wenn nicht eine so große Zahl von Tieren gerissen worden wäre, fast daran glauben, daß es Hunde sind, was aber wegen der Massen- reißungen unwahrscheinlich ist. Schreiber dieser Zeilen wollte in den Ferien- monaten sich in das Gebiet begeben, doch die finanziellen Kosten ließen es nicht zu. In kurzer Zeit muß es sich aber entscheiden, ob an der Raub- tierplage etwas Wahres ist. Das Vieh ist von den Hochalmen abgetrieben, das Raubtier müßte den Weidetieren in die Niederalmen, dann auf die Weide- plätze im Tale folgen oder verhungern. Der dortige schneereiche Winter wird das Tier dazu zwingen! Nehmen wir aber den Fall an, es wäre tatsächlich eine Großkatze? Was dann? Dann stehen wohl auch Menschenopfer zu befürchten. Die angenommene Großkatze wird, wie im Auslande die „Farmen“, bei uns die einschichtig gelegenen Bauerngehöfte um- schleichen, und der Hunger wird das Raubtier zum Aeußersten treiben. Einige Zeit könnte sich also die Großkatze noch in den höheren Regionen von „Wild- bret“ nähren, dies muß aber im 2 bis 3 Meter tiefen Schnee aufhören. Im Stubalpengebiete fin- den wir Bauerngüter bis in einer Höhe von 1400 Metern und darüber. Diese Gehöfte, welche oft stundenweit voneinander liegen, wären also der An- ziehungspunkt des Raubtieres. Eine Feststellung, ob man es mit einem Leopard oder Puma, mit einem Löwen oder Tiger zu tun habe, hätte auch ein Ein- vernehmen mit einem Menageriebesitzer ergeben. Man hätte in Käfigen einige Raubtiere in das be- treffende Gebiet bringen sollen. Namentlich zur „Raunzzeit“ hätte das „Brüllen“ der gefangenen Tiere unbedingt die unsichtbaren Bestien angelocht. Wenn es wahr ist, wie Naturforscher behaupten, daß man das Brüllen der Großkatzen meilenweit hört, dann ist es sicher auch anzunehmen, daß auf der Stubalpe das „Brüllen“ in einem Umkreise von 5 bis 6 Kilometer das gehörscharfe Raubtier wahr- nehmen müßte. Da nun bald der Winter kommt und alle Jagdversuche bisher kein Ergebnis hatten, wird also nur der Schnee das Tier verraten. Daß dann die Jagd gefährlich wird, wenn man einem ausgehungerten Tier nachsetzt, steht außer Frage. Man wird die Fährte finden und ihr so lange folgen, bis man an dem Tier ist. Wie gesagt, gefährlich wird es. Jedenfalls müssen von den Behörden Maß- nahmen ergriffen werden, um die Bewohner der ab- seits gelegenen Gehöfte zu warnen oder zu schützen. Steckenpferd- Lilienmilchseife von Bergmann & Co., Tetschen a. Elbe bleibt nach wie vor unerreicht in ihrer Wirkung gegen Sommersprossen, sowie unentbehrlich für eine rationelle Haut und Schönheitspflege, was durch täglich einlaufende Anerkennungsschreiben unwiderleglich bestätigt wird. à 80 h vorratig in Apotheken, Drogerien und Parfümerie- geschäften ꝛc. Desgleichen bewährt sich Vergmann's Lilien- creme „Manera“, wunderbar zur Erhaltung zarter Damen- hände; in Tuben à 78 h überall vorrätig. Tagesneuigkeiten. Goldfunde in Salzburg. Seit einiger Zeit wird im Goldbergbau der Valeriehütte, die am Naßfeld etwa 12 Kilometer von Badgastein entfernt liegt, nach Gold geschürft. Gegenwärtig sind Stollen in einer Länge von 11/2 Kilometern fertiggestellt und die Betriebseröffnung ist für das Jahr 1915 in Aussicht genommen. Nach den bisherigen Untersuchungen wird die Ergiebig- keit des Bergbaues eine kolossale sein; es sollen nicht weniger als für sechs Millionen Gold jährlich zu Tage gefördert werden. Dieses Goldbergwerk wird also an Goldreichtum jenes von Sumatra, sowie die afrikanischen Werke bei weitem übertreffen; es wird das reichste Goldbergwerk der Welt sein. Ein Wär in Tirol. Aus Meran schreibt man: Der Jäger Josef Preims im Altentale gewahrte am Auerberge in Hinterultem die Fährten eines Bären, der sich einige Tage vorher durch Einfälle in Schafherden unlieb- sam bemerkbar gemacht hatte. Preims bot eine Jagdgesellschaft von 28 Personen auf, um dem Bären nachzustellen. Sein Aufenthalt wurde bald entdeckt und, als er gerade beim Fraße saß, gab die Jagd- gesellschaft eine größere Anzahl von Schüssen auf ihn ab. Diese Schüsse jedoch, aus weiter Distanz abgegeben, verfehlten das Ziel und der Bär ging gereizt auf eine Gruppe der Jäger los. Nun fielen von allen Seiten Schüfse und die Kugel des Wirtes Zösch machte dem Leben des Raubtieres ein Ende. Der Bär wurde in einem Schlitten talabwärts ge- führt und in Meran verkauft. Er hatte ein Gewicht von mehr als drei Zentnern und eine Länge von 1.34 Metern. Polnische Lügen über Kaiser Wilhelm. Der in Teschen erscheinende „Dziennik Cies- zynski“ hat aus einem Gespräch, das Kaiser Wil- helm bei seinem Jagdaufenthalt in Oesterr. Schlesien mit dem Bürgermeister Staniek von Karwin gehabt hat, die Aeußerung berichtet: „Polen haben Sie auch? Da müssen Sie ja recht tüchtig dreinhauen.“ Wie die „Nordd. Allg. Ztg.“ berichtet, ist diese an- gebliche Aeußerung des deutschen Kaisers dreist er- funden. Im Dampfbad verbrüht. Aus Görlitz, 10. d. M. wird gemeldet: Ein junges Mädchen Marta Hans von hier, das heute nach kurzem Krankenlager aus dem hiesigen Kranken- hause entlassen werden sollte und vorher noch ein Dampfbad vom Arzt verschrieben bekam, wurde in Gegenwart einer Schwester so stark am ganzen Kör- per verbrüht, daß der Tod bald nach dem Bade eintrat. Das junge Mädchen klagte schon 10 Mi- nuten nach Beginn des Bades über die unerträgliche Hitze. Nach 14 Minuten verlangte die Badende wie- derholt ihre Freilassung, weil sie Krämpfe bekam. Darauf wurde das Dampfbad abgestellt. Das Mäd- chen fiel aber sofort in eine tiefe Ohnmacht, aus der es nicht wieder erwachte. Die Haut des jungen Mädchens war, wie die Untersuchung ergab, am ganzen Körper verbrüht. Fürft Katsura †/. Aus Tokio wird berichtet: Der ehemalige ja- panische Ministerpräsident Fürst Katsura ist hier im Alter von 65 Jahren gestorben. Kleine Nachrichten. München. Wie aus Bregenz berichtet wird, wurde am Fuße der „hohen Felswand“ die Leiche eines Touristen gefunden, der allem Anschein nach über die Felswand abgestürzt ist. Es dürfte sich um einen gutsituierten reichsdeutschen Ausflügler han- deln, der vom Schwindel erfaßt wurde und die Wand hinunterstürzte. Neuyork. Mittwoch nachmittags erfolgte die Beseitigung der letzten Schranke an der Gamboa- bucht des Panamakanals, die den Kanal noch vom Meere trennte, sodaß sich nun die Gewässer des Atlandischen Ozeans und des Stillen Ozeans ver- einigen werden. Paris. Der französische Handelsminister läßt Versuche anstellen, ob es möglich sei, daß mit Aero- planen den ausfahrenden oder noch nicht weit von der Küste entfernten Paketdampfern die letzten Briefschaften und Pakete auf dem Luft- wege noch zugestellt werden könnten. Lausanne. In einem hiesigen Hotel wurden Das Raubtier auf der Stubalpe. Roman von Anny Wothe. (Fortsetzung). An langen, weißen Holztafeln saßen die Zög- linge der Anstalt emsig bei der Arbeit. Frische, rot- wangige Kinder, und blühende, halb erwachsene Mäd- chen. Sie zogen feine Goldfäden durch duftige Ge- webe, und eine junge Schwester ging ab und zu, den Zöglingen Anweisung zu den herrlichen Sticke- reien zu geben, die als geschätzte Kunsterzeugnisse hinausgingen in die Welt. Auch hier empfand Heinrike wieder das Wohl- gefühl köstlichen Friedens. Immer weiter folgte sie ihrer freundlichen Füh- rerin. Die Schulzimmer, die Spielzimmer, alles wurde in Augenschein genommen. Auch in die Kapelle traten sie noch, wo eine Schar Kinder den Altar mit bunten Herbstblumen schmückte, während die Orgel leise summte, und die hohen Stimmen der Nonnen feierlich vom Chor herniederschwebten, die dort oben ihre Singübungen hielten. Und dann stand Heinrike wieder mit der Oberin in dem Klostergarten, glücklich, daß Irmele ihre runden Fingerchen jetzt auch zutraulich in ihre Hand geschoben hatte und leise fragte: „Du, wie heißt denn dein kleiner Junge, mit dem ich pielen oll?“ „Jobst von Eschenbach, Irmele. Wirst du ihn lieb haben?“ Die Suppenkelle, mit der die Klostermagd so- eben im Kreuzgang des Klosters, in dem hellge- scheuerte Tische und Bänke standen, der hungrigen, mit ihren Tellern herandrängenden Kinderschar die Abendsuppe auffüllen wollte, fiel klatschend in den Kessel zurück, so daß die Kinder, unterdrückt auf- kreischend, zurückwichen. Dann aber waltete die Magd wieder ruhig ihres Amtes; nur von Zeit zu Zeit flog ihr Blick zu den Frauen hinüber, die, das Kind zwischen sich, noch immer durch den herbstlichen Garten wandelten, um alle Einzelheiten der Uebersiedlung des Kindes in die Eschenbachsche Villa zu besprechen. Tiefer Abendfrieden senkte sich auf den Garten des Klosters zur heiligen Anna hernieder. Still wanderte hier und dort eine Nonne mit ihrem Bre- vier in der Hand die Gartenwege auf und nieder. Die sinkende Sonne webte rosenrote Streifen in ihre weißen Schleier, und in der Luft lag ein Duft von letzten, sterbenden Rosen. Vom Kreuzgang her klang der Gesang der Kin- der, die dort mit Schwester Berthaldis sangen, deren hoher Sopran wie Engelssang über den Stim- men der Kinder schwebte. Ueber kahle, fahle Hügel Streicht der Dämm'rung kühler Flügel, Dunkel, wie erstarrte Träume, Steh'n im Tal entlaubt die Bäume.“ Heinrike stand, Irmeles Händchen fest in der ihren haltend, und lauschte. Wie sie der Gesang der hellen Kinderstimmen bewegte! Ein Schluchzen drängte sich auf die Lippen. All das Leid, das ihre Seele bedrückte, löste sich in stille Wehmut, als es weiter über den stillen Klostergarten aus Kindermund erklang: Tiefe Stille, tiefes Lauschen, Keine Welle hörst du rauschen, Keine Stimme hörst du klingen, Dir des Lebens Gruß zu bringen. Nein, kein Hauch von des Lebens Kampf und Streit, von des Tages Lärm drang hier in diese Abgeschiedenheit. Nur als stummes Bild der Gnade, Wie auf Golgatha, am Pfade, Siehst du dort ans Kreuz geschlagen, Durch die Nacht den Heiland ragen. verklangen die Stimmen der Kinder feierlich durch die Abendluft. Die Oberin machte das Zeichen des Kreuzes, Abschied nehmend, über Irmeles Stirn und Mund; dann schritt Heinrike, das Kind an der Hand, durch die Pforte, hinaus in den Abend, niederwärts zum Rhein, wo das Schifflein wartend lag, das sie heim- führen sollte, dorthin, wo ihr lieber, kleiner Junge sehnsüchtig auf die Gespielin wartete, die sie ihm zu holen versprochen hatte. In dem Kloster zur heiligen Anna aber starrte die Klostermagd Traute verzweifelt auf die hohe Mauer, hinter der die kleine Irmele mit der frem- den Frau verschwunden war. „Alles umsonst!“ schrie sie dann auf, wild die Arme um sich schlagend. „Alles umsonst!“ Wie gebrochen lag sie am Boden. Die mildherzigen Klosterfrauen hoben sie liebend auf und sprachen ihr gütig zu. Sie sah um sich, dann aber lachte sie gellend auf, so daß die frommen Frauen entsetzt zurückwichen, und unheimlich glühten ihre dunklen Augen auf. Am anderen Morgen, als es zur Frühmesse rief, war Traute, die Magd, die man aus Mitleid ins ver- Kloster aufgenommen und verpflegt hatte, schwunden. Ohne Dank und Gruß war sie gegangen. Nun hatte der Herbst sein falbes Laub streut. Die letzten Blätter sanken müde zur Erde, und blasse Astern blühten nur noch hier und da am Wege. Der Herbststurm zog über die Berge und peitschte die brausenden Wellen des Vater Rhein. Dunkel ragte der Drachenfels in die neblig die vemberluft. Heinrike sah von ihrem Fenster nicht mehr um- Sonne dort oben die Ruinen der alten Burg lohen. Auch die Zinnen des stolzen Schlosses Dra- chenburg glühten nicht mehr im Rosenlicht zu hernieder. Grau in grau lag die Landschaft, und tränenschwer. Villa In der großen Halle der Eschenbachschen Mar- prasselte ein tüchtiges Feuer. Von der grauen ver- Das Tor des Lebens.
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