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„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 277
5. December 1899
genannten drei Reiche nicht das geringste Interesse
haben, miteinander Krieg zu führen, dagegen das
größte Interesse gemeinsam den Weltfrieden anfrecht
zu erhalten. Niemand wird bestreiten, daſs die ge-
nannten dreich Reiche die ersten Culturländer der
Welt sind, den Frieden wünschen, und, wenn sie
zusammenhalten, den Frieden erzwingen und wie
keine andere Gruppierung der Mächte die Cultur
auf dem ganzen Erdball fördern können.
Von einer wirklichen Allianz mit aggressiver
oder auch nur defensiver Tendenz war eigentlich
nicht die Rede und konnte auch nicht die Rede sein.
Deutschland denkt nicht daran, den Engländern in
ihrem Handel mit den Buren direct oder indirect
Hilfe zu leisten, höchstens wird es bereit sein, seinen
Einflufs zu Gunsten eines anständigen Vergleichs
in die Wagschale zu werfen. Chamberlain hat von
einem Ziele aufs innigste zu wünschen gesprochen,
da nicht etwa Leu und Schaf zusammenweiden,
sondern da friedliebende Mächte, die keinen Grund
zum Streit haben, friedlich zusammengehen. Hätte
es nicht ein gewisses Interesse gehabt, einer alten
Wahrheit einen actuellen Anstrich zu geben, etwas
im Grunde Selbstverständliches als etwas Beson-
deres hinzustellen, dann hätte er gewiſs nicht von
einer Alllanz und Tripelallianz, kaum von einem
„Einverständnis im Geiste der Staatsmärner der
drei betreffenden Länder“, sondern nur schlicht von
einer Tendenz der drei Nationen ihrer Staats-
männer und Staatschefs gesprochen.
Man kann also die Rede Chamberlains zu-
gleich zurückweisen und auch billigen. Was er ge
sagt hat, ist im Allgemeinen wahr, es ist nur nicht
in dem üblichen engeren politischen Sinne wahr.
Tendenz ist nicht Allianz.
Local-Nachrichten.
(„Ueber Sinnesempfindungen der
Thiere“) sprach am Samstag im Kurhause Prof.
Herrmann Dexker aus Prag. Es war der erste
vom hiesigen Volksbücherei-Ausschusse veranstaltete
Vortrag aus dem Cyclus der vom Prager Verein
„Lotos für allgemeine Volksbildung arrangirten
populär-wissenschaftlichen Vorträge, umso bedauer-
licher war es daher, daſs der Besuch ein gar so
spärlicher war. Der Bildungstrieb scheint bei uns
in gewissen Kreisen auch nur als Geschmacksache be-
handelt zu werden und über Geschmack lässt sich
bekanntlich nicht streiten. Besonders auffallen musste
es jedoch, daſs auch die Arbeiterkreise fast gar nicht
vertreten waren, trotzdem für diese kein Eintritts-
geld verlangt wird. Zwar vermag man, für gestern
wenigstens, als Entschuldigung gelten lassen, daſs
die Entréeblocks zu spät in die Hände derselben ge-
langten, aber es war ja im Vorjahre auch nicht
besser. Den socialdemokratischen „Führern“ über-
sandte man genügend Karten zur Vertheilung, doch
weder diese selbst, noch ihre Vasallen erschienen zu
den Vorträgen. Man wollte diese Erscheinung mit
weil er dem Hauptkriegsschauplatze bei Ladysmith
und der Hauptmacht der Buren am nächsten ge-
legen ist. Die Entfernung von Durban nach Lady-
smith beträgt 185—200 km und entspricht etwa
der Entfernung von Iglau bis Pressburg, dazwi-
schen Pietermaritzburg, der Gegend von Stockerau
bei Wien. Der zweite Ausschiffungspunkt, Cap-
stadt, entspricht im Verhältnis unseres Vergleiches
etwa Barcelona. (Capstadt — Pretoria etwa 1500
Kilometer.) Er ist von der am weitesten nach
Südwest vorspringenden Grenze des Oranje-Frei-
staats annähernd 750 km entfernt. (Hopetown
und Colesberg 720 km.) Bis Kimberley beträgt
die Luftlinie etwa 840 km, die Entfernung nach
der vielfach gewundenen Bahnlinie etwa 980 km
und bis Majeking weitere 350, also 1330 km.
Während nach diesen Kriegsschauplätzen von Cap-
stadt aus wenigstens eine directe Bahnlinie die
ungeheueren Entfernungen abkürzt und den Nach-
schuh an Verpflegung und Armeematerial aller Art
sichert, erscheint eine directe Verwendung der in
Capftadt ausgeschifften Truppen gegen die vor
Ladysmith versammelte Hauplarmee der Buren
ganz ausgeschlossen. Die Entfernung von Capstadt
dorthin beträgt etwa 1300 km Luftlinie, entbehrt
jeglicher directer Bahnverbindung und auf großen
Strecken — wenigstens ohne bedeutende Umwege —
braucharer Marschstraßen.
dem Hinweise bemänteln, daſs die gewählten Themen
zu „hoch gegriffen“ seien, doch ist dies nicht stichhältig,
es gab auch sehr volksthümliche, allgemein verständ-
liche Themen und doch erschien aus diesen Kreisen
fast niemand. Von Prager Professoren kann man
eben nicht verlangen, daſs sie im Tone eines Simon
Stark oder Lill sprechen, denn dann würden es eben
keine Volksbildungsvorträge mehr sein. — Das
Thema des Herrn Professor Dexler war sehr in-
teressant und gewiſs populär. Der Redner wusste
in so anziehender Weise die Sinnesempfindungen
der Menschenwelt mit jenen des Thierreiches zu ver-
gleichen, daſs man gespannt seinen Ausführungen
lauschte und gerne aufrichtigen Beifall zollte. Er
leitete seinen Vortrag mit einem Hinweis auf unser
sogenanntes humanitäres Zeitalter ein, welches er
in seinen Auswüchsen dadurch drastisch persiflierte,
daſs, während man vom socialen Elend umgeben,
den Kampf des Proletariats ums Dasein sehe, mit
Staunen bemerken müsse, wie in London Hunde-
friedhöfe gebaut und in Paris Hundeasyle errichtet
werden. Und doch sei auch dem Thierschutz ein
Wort zu reden. Der Vortragende kam sodann auf
die Sinnesempfindungen der niederen und höheren
Thierwelt zu sprechen, es wies an der Hand vieler
verständlicher Beispiele auf die Thatsache hin, wie
verschieden die Sinnesorgane bei Mensch und Thier
ausgeprägt seien und daſs der Mensch über manche
Sinnesempfindungen nicht verfüge, die dem Thiere,
sogar jenen der niederen Ordnung zu eigen seien.
Fesselnd wuſste der Redner das bekannte sentimen-
tale Sprichwort „Quäle nie ein Thier zum Scherz,
denn es fühlt wie du den Schmeaz“ zu beleuchten
und stellte eie Thatsache fest, daſs bei der niederen
Thierordnung von einer Schmerzempfindung kaum
die Rede sein kann und diese Empfindung nur bei
den Warmblütlern in Betracht komme. Für die
Richtigkeit seiner Anschauung führte der Vortragende
eine ganze Menge interessanter Beispiele an und
verwies besonders auf die Seldstverstümmelung nie-
derer Thiere, welche, wie z. B. die Krabben, Fuß-
theile, die sonst nur mit großer Gewalt ausgerissen
werden können, ruhig dem stärkeren Gegner überlassen
resp. bei gewissen Stellen abstoßen, wenn es gilt sich zu
retten. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf die
Sinnesempfindungen der höheren Thiere hin, bringt
Beispiele vom Pferde, das er als das „dümmste
Thier“ bezeichnet u. s. w. und kommt schließlich zu
folgendem Resume: man möge die Thiere schützen,
alle Thierschutzvereine seien daher zu fördern. Er
kann auch nur mit Freuden constatieren, daſs das
Sprichwort („quäle nie ein Thier zum Scherz,“) all-
gemeine Verbreitung gefunden habe und daſs man
nur mehr wenige Menschen nur vorfinde, die roh
genug wären, aus der Qual eines Thieres sich ein
Vergnügen zu machen. Er müsse aber auch die
Jäger in Schutz nehmen, denn nicht immer die rohe
Lust am Morden und Jagen eifere den Jäger an,
sondern vielmehr ein gewisser Reiz zur Ueberwin-
windung von Hinderniffen und Fährlichkeiten — er
müsse jedoch auch Stellung für die Vivesection
nehmen, der man die grausame Thierquälerei in
die Schuhe schiebe, denn er verweise auf die medi-
cinischen Erfolge an Menschen Dank dieser Vivi-
section — aber er appelliere hinwiederum an die
Hausfrau, sie möge die Thierquälereien in der Küche
abschaffen. Die Auswüchse der Verzärtelung gegen-
über Thieren, speziell Hausthieren, Hunden, wusste
Redner jedoch auch humoristisch anzunageln und über-
haupt seinem Vortrage einen fesselnden Reiz zu
geben. Der reiche Applaus, welmer ihm am Schlusse
seines Vortrages zutheil wurde, war daher ein wohl-
verdienter.
(Nicolo.) Heute Abend kommt der Ncolo.
Oder sollt' es am Ende gar der garstige Crampus
mit der Ruthe sein? Diese entscheidungsvolle Frage
wird manches Kinderherz schon heute höher schlagen
machen; denn wer fühlt sich ganz frei von Schuld
und Fehl? Und wenn er trotz alledem sehnsuchts-
voll erwartete Abend naht, wenn sich die Schatten
der Dämmerung niedersenken, da spähen sie alle
hinaus in die Dunkelheit, die tausend leuchtenden
erwartungsvollen Kinderaugen! Horch, ists nicht
als ob in der Ferne ein leis's Klingen, wie Glocken-
geläute ertönt? Nein! Aber jetzt hallen draußen
Schritte. Höher pochen die jugendlichen Herzen. In
den Jubel mischt sich die bange Erwattung? Sollt'
es am Ende gar der böse Crampus sein? Nein“
es ist der gute Nicolo! welch' ein Glück! Und er
breitet seine schönen Gaben aus, Aepfel, Nüsse und
was sonst das Kinderherz erfreuen mag. — Freilich
zu den schlimmen Kindern kommt der schwarze
Crampus mit der rothen Zunge, — und da gibts
dann keinen fröhlichen Abend. In manche Kinder-
stube kommt wieder der Nicolo noch der Crampus.
Wie schade! Das ist eine derbe Enttäuschung Aber
solchen Kindern erscheint der Nicolo gewiſs im
Traume und bringt ihnen die allerschönsten
Sachen mit!
(Abend-Concert der Kurkapelle)
Heute Abend 71/2 Uhr findet im Kurhause ein Concert
der Kurkapelle mit nachstehendem Programe statt:
1. Marche characteristique von Frz. Sche
— 2. Ouverture z. Op. „Barbier von Sevilla“
von Rossini. — 3. The star spangled Banner,
amerikanisches Volkslied. — 4. Fantaste a. d. Musik-
drama „Cavalleria rusticana“ von Mascagni.
— 5 Perpetuum mobile, Violin Ensemble von
A. Labitzky. — 6. Ungarische Tänze Nr. 5 u. 6
von J. Brahms. — 7. Vorspiel und Scene a. d.
Op. „Das Nachtlager in Granada“ von Kreutzer.
—8 Potpourri a. d. Op. „Der Freischütz“ von
C. M. von Weber.
(Theater Variété im Hotel Weber)
Morgen gelangt ein hier noch nicht aufgeführtes
Lestspiel „Desdemonas Taschentuch“ mit den Damen
Zähler, Krahl und den Herren Sppert und Wreden
in des Hauptrollen einmal zur Darstellung. Ju-
folge des Feiertags Maria Enpfängnis wurde
eine kleine Repertoireänderung vorgenommen und
findet am Freitag den 8. d. M. eine außergewöhn-
liche Vorstellung statt. Zur Aufführung gelangt
die Gesangsposse „Papageno“.
(Aus der Sitzung der Bezirksver-
tretung.) Gestern vormittags 10 Uhr fand
im Sitzungssaale des Neubades eine Sitzung der
Karlsbader Bezirksvertretung unter dem Vorsitz des
Bezirksobmannes Herrn Dr. Rudolf Knoll statt.
Aus den Mittheilungen und Beschlüssen sei hervor-
gehoben: eine größere Anzahl Gemeinden haben
Petitionen betreffs der Lehrergehaltsregulierung be-
schlossen; dieselben wurden dem Ministerium über-
reicht. Herr Director Alexander Schäferling
in Altrohlau hat infolge Domicilwechsels sein
Mandat aus der Gruppe der Höchstbeneuerten
niedergelegt. Die Ergänzungswahl wird demnächst
stattfinden. — Betreffs der Krantenversicherung der
landwirtschaftlichen Arbeiter wird ein abschlägiges
Gutachten erstattet. — Gegen das Project einer
Kleinbahn mit elektrischem Betrieb von Karlsbad
nach Aich wird Einwand erhoben. — Der Stadt-
gemeinde Lichtenstadt wird ein Betrag von 100 fl.
zur Regulierung des Wistritzbaches bewilligt.
Die R'construction der Papiermühldrücke und
Reconstruction der Verbindungsstraße von der
Schwarzeubergbrücke in Pirkenhammer zur Aerarial-
straß? Karlsbad Petschau wird beschlossen. — Die
Resignation des Districtarztes Dr. Stein in Aich
wird zur Kenntnis genommen und die Concursaus-
schreibung veranlasst. — Die Brückenmaut in
Drahowitz wird dem bisherigen Pächter um 4200 fl.
wieder verpachtet. — Herr Dr. Rziha, Districts-
arzt in Schlackenwerth, wird definitig' angestellt.
— Als Bezieksforsttechniker an Stelle des ver-
storbenen Oberforstmeistars Herrn Eugen van Aus-
loos wird der Oberförster Herr Schmalfus in
Gießhübl Sauerbrunn ernannt. — Auf einige
Einzelheiten werden wir noch zu sprechen kommen.
(der Karlsbader Begirtslehrer-
lehrer-Verein) hält, wie uns von der Leitung
dieses Vereines mitgetheilt wird, nächsten Samstag
den 9. December l. J. im „Hotel Pont“ (großer
Speisesaal, Eatré rechts) nicht wie eingeladen wurde
im „Hotel Imperial“ um 1/23 Uhr eine Versamm-
lung mit folgendem Programme ab: a) Mitthei-
lungen des Obmannes; b) des Cassiers. Bericht
über den Wiener Lehrertag (Herr E. Sacher.)
Bücherschau (Herr Oberlehrer Johann Alboth und
Herr Oberlehrer Franz Grumbach,) Vortrag über
das Zimmerturnen, gehalten von Herrn Turnlehrer
Josef Jomrich. Aus der Schulpreris. Freie An-
träge. Zahlreiches Erscheinen in Anbetracht weiterer
nothwendiger Schritte wegen der Gehal sregulierung
dringend erwünscht.
(Für die Waisenpflege. ) Die Orts-
gruppe Karlsbad des Bundes der Deutschen in
Dateiname:
karlsbader-badeblatt-1899-12-05-n277_7120.jp2