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28. November 1899 „Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 271 Gelte 8 28 Kreuzer erlitt; ferner fuhr Z. am 8. v. M. auf der- selben Straße mit seinem Einspänner derart unvorsichtig, daſs er den Mauthpächter Prokisch mit dem Fuhrwerke 2mal in den Straßengraben warf und schließlich in den aus der Richtung von Fischern kommenden Zweispänner- wagen des Fabriksdirectors (Rosenthal hineinfuhr. Bei der heute wider Z. durchgeführten Hauptverhandlung wurde derselbe zu 3 Tagen Arrest und zum Ersatze von 28 Kreuzer Manthgebür an August Prokisch verurtheilt. ca. 40 m vom Sprudelsteg fluſsabwärts ein, was direct vor das Haus „3 Ringe“ deuten würde! Ich glaube indess, daſs er den Ausbruch nicht nach Maßstab, sondern blos à la vue eingezeichnet hat, denn derselbe würde auch nach eben demselben Plau („Tab. II“) gegenüber dem schmalen Ge- bäude „2 Ungarn“ gelegen gewesen sein; dies ist auch das Wahrscheinlichere und Dr. Mannl (Kaels- bad 1856; Plan vom Sprudel) zeichnet den Aus- bruch daher genau an der Grenze von „Merkur“ und „Tempel“ ein. Erst dort haben wir ihn also zu gewärtigen. Der „Kochbrunnen“ ab r, der am Sonnabend vormittags blosgelegt wurde und nicht 58. sondern 71° C. aufwies, ist heute schon weg; durch die weitere Beräumung hat sich der Austritt immer mehr gegen „Tempel“ verschoben! Nur ein kleiner Tümp'l ist geblieben, der wenig Wasser und Gas fördert und auf den Stau des 1839-Ausbruches deutet. Es ist sonach nicht richtig, wie in Ihrem Blatte zu lesen war, daſs einer der „schweren breiten Steine“, mit welchen man die Verbausäcke des 1788 S-A- bruches beschwette, jetzt wahrscheinlich aufgehoben und derselbe dadurch bloßgelegt wurde. Das soll eben verhindert werden — ein Werk zu zerstören, das „unsere Väter aufgebaut“ — wenn wir auf den gemeinten Ausbruch selbst kommen und sich derselbe völlig undicht erweisen sollte, wird an einen besseren Verbau geschritten werden müssen; es wäre übrigens möglich, dass der Verbau S gar nicht anget offen wird und derselbe „im tiefen Töpelfluss“ ruht. Dann wären die heute an mehreren Stellen sichtbaren kleineren und größeren Ausbrüche, welche keineswegs erst durch die Beräumung zum Austritte gelangten, sondern dort stets im Schut circulierten und jetzt nur dem Auge zugängig ge- macht wurden, nichts anderes, als selbständige Aus- flüsse aus kleinen Spalten und Rissen der Sprudel schole, wie sie sich wohl zu Hunderten unter dem Markte, der Mühlbadgasse und der Tepl finden mögen.“ (Das Rettungscorps) fand sich am Sam-tag zu einem Katharivakränzcheu im Restau- rant „Panorama“ zusammen. Es wurde flott ge- tanzt und die zahlreichen Besucher amüsierten sich bis in die frühen Morgenstunder. (Ernennung.) Der beim hiesigen k. k. Bezirksgerichte durch mehr als 10 Jahre als Diurnist in Verwendung stehende Herr Heinrich Pawelka wurde vom k. k. Oberlandesgerichts- Präsidium in Prag zum Kanzleigehilfen für dieses Gericht ernannt und wird derselbe seinen Dienst am 1. December antreten. (Unglücksfall.) Vorgestern um 12 Uhr nachts fanden die am Buschtiehrader Bahnhofe beschäftigten Wagenverschieber nächst dem Frachten- magazin den Fapriksarbeiter Albrecht Kaiser aus Altrohlau bewusstlos und im Gesichte bletend, auf der Erde liegen. Zum Bewuſstsein gebracht, gab er an, daſs er, von Weheditz kommend, sich am Heimwege verirrt habe und im betrunkenen Zu- stande bei Zettl's Gasthaus über ein eisernes Ge- länder gestiegen und dann die 6 Meter hohe aLandmauer hinabgestürzt sei. Der Schwerverletzte wurde ins allgem. Krankenhaus nach Karlsbad überführt. (Einlieferung.) Die schon vielfach wegen Diebstahl und Landstreicherei bestrafte, 30 Jahre alte Margarethe Putz wurde gestern urter dem Verdachte des Diebstahls, indem sie der Flaschenbierhändlerin Marie Bartes in Fischern ein schwarzes Kleid und einen weißer Unterrock im Gesammtwerthe von 12 fl angeblich entwendete, dem hiesigen k. k. Bezirksgerichte eingeliefert. (Jagdverpachtung) Die Ja dbarkeit Hartmannsgrün wurde von Herrn Anton Plomer auf sechs Jahre gepachtet. (Steuerbekenntnis.) Ueber eine dies- fällige Anklage, beziehungsweise staatsanwaltschaft liche Berufung, hat der k. k. oberste Gerichts- als Cassationshof entschieden, daſs der Schutz des § 246 des Gesetzes vom 25. October 1896 be- treffend die directen Personalsteuern nicht etwa nur die in ein Steuerbekenntnis eingestellten Ziffern und Beträge umfasst, sondern alle dessen Inhalt bildenden Erklärungen, Anträge und Bitten des Steuerpflichtigen, welche, wie z. B. auch der An- trag auf Ausscheidung des Vermögens der Gattin, seine Erwerbs, Vermögens- oder Einkommensver- hältnisse berühren. (Bierdruckapparate.) Anlässlich eines Ansuchens um Erleichterungen bei der Einführung von Bierdruckapparaten mittelst durch Cowpression verflüssigter Kohlensäure, hat das Ministerium des Innern eröffnet, daſs bei Benützung von flüssi- ger Kohlensäure verlässlicher Provenienz als Druck- mittel beim gewerbsmäßigen Ausschanke des Bieres anstatt der Luft, von der im § 3, Punkt f) der Verordnung der Ministerien des Innern und des Handels vom 13. October 1897 bezüglich der Prüfung der Reinheit der Kohlensäure vorge- schriebenen besonderen Bewilligung — unbeschadet der Ueberwachung der sonstigen Vorschriften der gedachten Ministerialoerordnung — abgesehen werden kann, da die Reinheit derartiger flüssiger Kohlensäure schon durch den Aggregat zustand der- selben hinreichend gewährleistet ist. (Couverts) Der Briefumschlag spielt im heutigen Verkehrsleben eine hervorragende Rolle. Im deutschen Postverkehr allein werden täglich über 4 Millioren Briefe befördert, welche in der Mehr- zahl in Umschlägen verpackt sind. Der Gebrauch des Briefumschlages ist in unserer Zeit ein ganz allgemeiner geworden: überall käuflich, selbst auf dem kleinsten Dorfe, ist er heute nicht mehr zu ent- behren und wird in solchen Unmengen verbraucht, daſs seine Herstellung und sein Verkauf sehr vielen unserer Mumenschen reichlichen Verdieust einbringt. Alle möglichen Gestaltungen in Größ-, Schwere, Haltbarkeit, Farbe und sonstiger Ausstattung an- nehmend, zeigt der Unschlag schon in seiner äußeren Hülle fast immer den Zweck seines Inhaltes an. Liebesbriefe und andere persönliche Vertrauens sachen erscheinen in Umschlägen von zierlicher Form und kernigem Papier: große Hüllen von billigem durchsichtigem Papier würden sich für diese nicht eignen; Geschäftsbrirfe verlangen einen umfäng- licheren Umschlag, doch leichten Papiers, weil sie mit dem Postgewicht zu rechnen haben; Geldbriefe erfordern ein kräftiges, häufig durch eine Leinwand- einlage verstärktes Tonvert. Trauerbriefe mit dem ernsten Rand, Glückwunschbriefe mit pessendem Z errath, Einladungen, die nicht selten schon äußer- lich durch Bilder verrathen, welche Genüsse dem Empfänger bevorstehen, kurz: fast alle Angeleg u- heiten des menschlichen Lebens fieden in der Form und Ausstattung unserer heutigen Briefumschläge ihren sinnbildlichen Ausdruck. Wohl den wenigsten, welche den Bri fumschlag zur Hand nehmen, dürfte es bekannt sein, daſs dieses alltägliche, so bequeme und schier unentbehrliche Gegenstand gewissermaßen einer Damenlanne sin Dasein verdankt. Im Anfang der vierziger Jehre fteilte ein unternehmen- den Buchhändler in Brighton zierliches Briefpapier von kleinem Formate und kleine Kärtchen zum Verkauf. Zwar kannte man damals svon der Gebrauch von Briefumschlägen, doch erfolgte deren Herstellung nicht fabrikmäßig, sondern jeder stellte sich die erforderlichen Umschläge selbst mit der Scheere her. Das viedliche Papier und die Kätt- chen fanden unter der Damenwelt allgemeinen An- klang' doch wie die dazu possenden Umschläge ebeuso zierlich und sHön herfiellen? Da kam der Buch- händler auf einen prectischen Ausweg: er ließ zu nächst Blechformen in der Größ der gewünschten Unschläge herstellen und darnach die Umschläge selbst ausschneiden und gummieren. Die ihm er- theilten Aufträge mehrten sich so, daſs er sie mit seinen einfachen Mitteln nicht bewältigen konnte. Er setzte sich deshalb mit der Firma Dohbs u. Co. in London in Verbindung, die der neuen Fabrikations. zweig fofort aufgeiff und sich dann zu einer welt. berühmten Briefumschlagfabrik entwickelt hat. Deutsch- land gehört heute zu den Ländern, welche die größten Mengen von Briefumschlägen anfertigen und hierin Hervorragendes leisten. Aus dem Gerichtssaale. (E.-B.) Karlsbad, 24. November. Mauthgebüren-Hinterziehung und unvorsichtiges Fahren. Der Fuhrwerksbesitzer Franz Z. in Fischern hat vor dem 8. v. M. bei der auf der Altrohlauer Straße be- findlichen Straßenmauth — ohne die Mauthgebür von je 4 Kreuzer zu bezahlen — im raschen Tempo fahrend —- das Mauthhäuschen 7mal passiert und den Mauth- einnehmer Prokisch durch diese listige Handlung in Irr- thum geführt, wodurch derselbe einen Schaden von Karlsbad, 24. Nov. Rohheit. Der 21jährige Kutscher Gustav M. aus Fischern, welcher am 28. September l. J. 11 Uhr nachts dem mit zwei Freunden aus dem Gasthause in seine Wohnung gehenden Ludwig Pfeifer aus Fischern ohne jeden Grund mehrere Faustschläge auf den Kopf versetzte und denselben hiebei verletzte, wurde für diese That in contumaciam zu 24 Stunden Arrest und zum Ersatze der ärztlichen Kosten per 1 fl. 50 kr. an Ludwig Pfeifer, verurtheilt. Altrohlan, 25. Nov. [E-B.] (Kindergarten. Straßenbild.) Vor sechs Jahre wurde der hie- sige Kindergarten vom „Verein zur Gründung und Er- haltung eines Kindergartens in Altrohlau“ auf Grund einer Stiftung des hiefigen Fabriksbesitzers Herrn Oscar Gutherz ins Leben gerufen. Die Gründung wurde seinerzeit freudigst begrüßt und es entspann sich ein edler Wetteifer zur Förderung derselben. Die Bevölkerung, besonders die ärmere, erkannte sofort die Wohlthat dieses Instituts und brachte und bringt noch heute ihre Spröss- linge in genügender Anzahl unter. Nun aber gelangt diese humanitäre Anstalt auf die schiefe Ebene, und wenn nicht energische Hände rasch eingreifen, wird sie in kurzer Zeit verschwinden. Die Opferwilligkeit einzelner Mit- glieder hat nachgelassen, andere sind übersiedelt und für sie wurde kein Ersatz gefunden und dergleichen mehr. Kurzum der finanzielle Lebensnerv ist unterbunden. Dazu kommt noch, daſs gegenwärtig der Ortsschulrath dem Vereine das Local des Kindergartens infolge einer Vermehrung der Schulclassen — der Kindergarten ist im Schulhause untergebracht — gekündigt hat und ein an- deres entsprechendes Local sich jetzt im Orte vorfindet. So wird denn der Kindergarten noch einige Zeit ein Winkeldasein fristen, und wenn die Gemeinde mit einer Subvention nicht beihilft, werden die Kinder wie früher auf der Straße campieren. Doch wir haben gegenwärtig gar keine Straße. Durch den Ort zieht sich ein träger Kothstrom, in dem die Fuhrwerke versinken und schwäch- liche Passanten fast stecken bleiben. Zu diesen sind die 800 Schulkinder zu rechnen, von denen viele ein defectes Schuhzeug haben, andere immer noch bloßfüßig gehen. Und welchen Reiz gewährt dieses Straßenbild, wenn das sogenannte „Kohlenfischen“ beginnt, ein sehr lohnender Sport unserer armen Jugend, dem sie mit großer Selbst- aufopferung obliegt. Zur Vorbereitung versenken die schlauen Jungen größere Steine in den Kothstrom der „Aerarialstraße“. Mit Körben und Säcken ausgerüstet warten sie nun der nahenden Kohlenfuhren. Diese holpern und kollern über die Steine, daſs der Wagen in allen Fugen kracht. Der Fuhrmann aber schimpft und flucht, natürlich auf das hohe Aerar. Die Kohlenstücke werden durch diese Manipulation der Jungen aus dem Wagen geschleudert und nun beginnt das eigentliche „Fischen“, ein Raufen und Balgen um die abgestürzten im Straßen- schmutz versunkenen Kohlen. Welch eigenartiges Straßen- bild! Würdig eines großen modernen Meisters realistischer Darstellung! Wir stellen dieses ausgezeichnete Sujet gratis zur Verfügung. Wer will sich damit die Palme auf der Pariser Ausstellung erringen? Engelhaus, 27. Nov. [Eig.-Ber.] Molkerei. — Unfall. — Hausverkauf. — Cäcilienfeier ꝛc.) Die Vorarbeiten, Ausmessung ꝛc. für die zu errichtende Molkerei nächst der Johannisstatue an der Kaiserstraße Karlsbad-Buchau ist bereits vollzogen; es dürfte daher der Bau dieses begrüßenswerten Unternehmens nicht lange mehr auf sich warten lassen. — 3 Gulden Lohn für einen neun- zehnjährigen Barschen zum Gebrauche für die Landwirt- schaft sind immer noch zu viel per Monat. Deshalb hat der hiesige Haus- und Wirtschaftsbesitzer Sch. zum Ge- treideaustausch sein kleines, knarp 10jähriges Töchterchen beim Göpel verwendet. Das Mädchen kam beim Weg- nehmen des Strohes bei der Gövelstange derselben mit dem Kleidchen zu nahe, wurde von dieser erfasst und der- artig an die Wand geschleudert, daſs es noch ein Glück zu nennen ist, daſs das Kind mit einigen Contusionen am Kopfe und Verletzungen im Gesichte weggekommen ist. — Das Haus Nr. 50 das am 6. dieses Monats gerichtlich versteigert wurde, wurde durch Herrn Peter Wolf um den Betrag per 625 fl. erstanden. — Das Cäcilienfest wurde
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