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Nr. 271 Dienstag, 28. November 1899. 23. 39. Jahrgang. Abonnements-Preise: Für Karlsbad: Vierteljährig....2 sl. Halbjährig...4 fl. Ganzjährig 8 fl. Karlsbader Redaktion und Adminisiralion: im Hause „Bellevue,“ Stefans- promenade. Zustellung ins Haus: pro Quastal 20 kr. Mit Postversendung: Inland: Vierteljährig 7...... 3 fl. Halbjährig.6 fl. Ganzjährig....12 fl. Ausland: Vierteljährig ......6 M. Halbjährig ........ 12 M. Ganzjährig ...... 24 M. Gadeblatt (Wochenblatt) Erscheint ganzjährig täglich mit Ausnahme nach Sonn- und Feiertagen. Selephon-Nr. 59b. Inserate werden nur gegen Voraus- zahlung angenommen. Preis der 4mal gespaltenen Petitzeile 6 kr. Inserate, für den nächsten Tag be- stimmt, werden nur bis 3 Uhr nach- mittags in der Administration und in der Franieck'schen Leihbibliothek Markt, „3 Lämmer“ entgegengenommen. Manuscripte werden nicht zurückgegeben Einzelne Nummern 5 kr. Einzelne Nummern 5 kr. Herausgeber: Ernest Franieck. Inserate übernehmen die Annoncen-Bureaus Haasenstein &amp Vogler in Wien, Rudolf Mosse in Berlin und Wien und sämmtliche anderen Filialen dieser beiden Firmen. Graf Clary sitzt nun richtig in der Mause- falle drinn, die, um ihn zu fangen, die Majorität aufgerichtet hat. Von allem Anfang an rechnete die Majorität darauf, daſs Graf Cla y in der wichtigsten seinem Regiment obliegenden politischen Frage, in der des § 14, die echt österreichische Eigenschaft der Halbheit in allen großen Dingen bewähren werde. Sie rechnete darauf, daſs er, um der Linken zu gefallen, für seine Person, be- ziehungsweise Regierung, den § 14 nicht zu miss- brauchen versprechen, daſs er aber auch, um anderen zu gefallen, seine Aufhebung bekämpfen werde. Dann war er gefangen. Denn dann brauchte die Majorität nur auf irgend eine Weise die recht- zeitige parlamentarische Bewilligung der dringlichen Regierungsvorlagen zu verhindern und Graf Clary musste zurücktreten, weil dann wieder eine § 14. Episode unvermeidlich war, die er, durch sein Ver- sprechen gebunden, nicht mitmachen konnte. Gegen- über diesem Plan gab es für den Grafen Clary nur eine Rettung: er musste ein Ganzer sein, ent- weder ein ganzer Absolutist, der nicht nur den § 14 für andere conserviert, sondern auct selbst zu jeder Schandthat auf Grund dieses Paragraphen bereit ist, oder ein ganzer Coastitutionalist. der den Paragraphen nicht nur für sich aus der Verfassung streicht, sond ra auch für die anderer, die nach dem Ebenbilde der Thun und Kaizl geschaffen sind. Aber Graf Clary hat seine Gegner nicht enttäuscht. Seine Erklärung in der § 14 Debatte war genau jene H lbheit, auf welche die Rechte speculiert hatte, nicht anders, als wenn die Rechte sie ihm selber conc piert hätte. Und seit diesem Augenblick zappelt er in der Mausefalle. Wenn die Art, wie Graf Clary, trotz aller Warnungen, hineingestiegen ist, nicht sonderlich für sein politisches Verständnis sprach, so ist wieder die Art, wie er herauszukommen versucht, nicht ge- rade ein Beweis von politscher Charaktergröße. Nicht als ob er sich's jetzt wieder überlegt und den § 14 nun doch auch zu missbrauchen sich entschlossen hätte. Davon hält ihn nicht nur die gräfliche Cavaliersehre ab — die allerdings den nicht minder cavaliersmäß'gen Grafen Thun nicht gehindert hat, seine anfänglichen „verfassungsmäßigen“ Ver- sprechungen zu missachten; dem Grafen Cla'y der, im Unterschied zum Grafen Thun, keine Majorität hinter sich hat, droht, wenn er den § 14 miss- braucht ernstlich die Gefahr des Staatsgerichts- hofes, den seine Vorgänger nur mit dem Aermel gestreift haben. Von ihm hat der § 14 keinen Missbrauch zu fürchten. Graf Clary ist denn auch auf ein anderes Auskunftsmittel verfallen. Er versucht es mit dem G wissenszwang, den er auf die Parteiführer der Rechten wirken lässt. Die wesentliche Voraussetzung des connitutio- nellen Systems ist die absolute Freiheit der Ent- schließung der Abgeordneten. Diesem Zwecke dienen verschiedene Bestimmungen der Verfassung, so die Immunität, das Verbot eines imperativen Man- dats. Moralische Nöthigungen anderer Art schließt die Verfassung nicht wörtlich aus, shon weil sie undefinierbar, ungreifbar, unstrafbar sind, und in- soferne ist Graf Clary bei dem von ihm beliebten Verfahren in weiser Vorsicht den Paragraphen glücklich ausgewichen, sowie ja auch Graf Thun an den § 14' gewiss nicht gerührt hätte, wenn er nicht der amnestierenden Majorität im voraus sicher g wesen wäre. Aber vom Standpunkte eines ehr- lichen Constitutionalismus aus ist die Clary'sche Methode zur Bekämpfung parlamentarischer Schwie- rigkeit n kaum minder verwerflich, als die Thun'sche, und wer das thut, was Graf Clary gethan hat, brauchte auch eigentlich nicht so zimperlich zu sein, wenn es sich um den Missbrauch des § 14 handelt. Nach seinen späteren Unternehmungen gewinnt die § 14 Erklärung des Grafen Clary einen anderen Sinn, als man bisher ziemlich allgemein ange- nommen hat. Es ist mehr parlamentarische Noth als constitutionelle Tugend darin. Man meinte aus ihr einen Mann herauszuhören, der strenger gegen sich selbst ist als gegen andere, indem er sagt: „Ich bin ein anständiger Politiker, ich will den § 14 nicht missbrauchen, aber ich will andere nicht daran hindern, wenn sie minder anständig sind als ich“ Nach den neuesten Erfahrungen, die man mit dem Grafen Clary gemacht hat, wird man vielleicht geneigt sein, seine Erklärung nur noch so zu interpretieren: „Id werde den § 14 nicht miss- brauchen, weil ich sonst als majoritätsloser Staats- mann vor Gericht komme. Aber ich will andere, die mir folgen werden, auch nicht daran hindern, wenn sie in der Wahl ihrer parlamentatischen Freunde numerisch glücklicher sind als ich.“ Diesen letzteren Fall herbeizuführen, sind in- zwischen die Jungtschechen zugestandenermaßen be- müht. Aus der heimlichen Obstruction der ganzen Die parlamentarische Mausefalle. Die Stiefschwestern. Roman von Anna Seyffert. (35. Fortsetzung.) Es muss nun endlich einmal vollständlich klar zwischen uns werden, Ewald,“ begann er dann, sich kurz umwendend mit fester harter Stimme, „ich meinerseits glaube, Dir unverhohlen gesagt zu haben, daſs ich niemals daran denken werde, dieses — diese Fremde als zu meiner Familie gehörig zu be- trachten. Ich wusste, daſs diese Frau alle Rück- sicht auf uns vergessend, am gestrigen Abend hier debütieren würde — ich habe Dich absichtlich in die Oper geführt, in der Voraussetzung, durch den Anblick, der sich Dir dort bot, Dich für immer von Deiner unseligen Leidenschaft zu heiler. Statt dessen wirfst Du Dich abermals in die Arme dieser Sirene! — Ic kann Dir viel zu gute halten, mein Sohn, doch Alles hat seine Grenzen, Du bist doch immerhin unserem Namen, der Familienehre ein gut Theil Deines Selbst schuldig, und ich verstehe Dich nicht mehr, ich begreife nicht, wie Du uns so unüberlegt einem öffentlichen Geschwätz preisgeben kannst. Heute schon wird man in den verschiedenen Tageszeitungen die ganze Angelegenheit in der her- kömmlichen Weise aufgebauscht lesen können.“ Der Graf hatte absichtlich ruhig gesprochen. Er hoffte, so am besten auf seinen Sohn einwirken zu können. Ewald war weit von seinem Vater zurückge- treten und maß ihn mit tief erstaunten Blicken. [achdrust verboten.] „Wir verstehen uns allerdings nicht mehr, Vater,“ entgegnete er traurig, „und ich glaube auch kaum, daſs wir bei solchen Meinungsverschieden- heiten uns einigen werden. Mir ist es unbegreiflich, daſs unser Name durch das Unglück und schließlich durch den Heroismus, welchen dieses jugendliche, unglückliche Weib gezeigt, geschändet sein soll. Ich bin stolz auf mein Weib, und, fügte er demüthig hinzu, „lass es gut sein, Vater, ich will nichts Un- mögliches von Dir verlangen. Wenn Du Elsa vorläufig nicht sehen magst, so bleiben wir fern von Dir, doch — sei nicht unversöhnlich! „Ich sage Dir mit klaren Worten,“ erwiderte Graf Feodor, sich unwillkürlich höher aufrichtend, „Du hast zu wählen zwischen mir und jenem un- seligen Weibe! Kannst Du Dich aus den unwür- digen Fesseln nicht befreien, so bist Du — mein Sohn nicht länger!“ Die letzten Worte waren doch nur schwer widerstrebend über die Lppen gekommen, und dann sank der Graf wie erschöpft auf den nächsten Stuhl. Wie er dort saß, mit halb gesenktem Kopf, die Hände in einander geschlungen, bot er ein gar mitleiderregendes Bild. Fast einem Schrei glich die Bitte, welche er jetzt ausstieß: „Thue mir das nicht an, Ewald mein Sohn! Lass ab von jener Frau und wende Dich Deinen Eltern wieder zu! — Sieh,“ fuhr er gemäßigter, doch eindringlich fort, „hier bei uns winkt Dir das schönste Glück. Hast Du denn gar keine Augen für die Schönheit unserer theuren Berenice? Dieses entzückende Geschöpf habe ich Dir zur Gattin be- stimmt, und sie — davon bin ich überzeugt — wartet sehnsuchtsvoll darauf, dass Du Dich ihr zu- neigst. Sie liebt Dich, Ewald, mit der ganzen Kraft ihres jungen, heißen Herzens. Weise dieses köstliche Kleinod nicht von Dir — es würde Dich einst gereuen!“ „Nun lasse mich auch einmal klar und ruhig sprechen,“ bat Ewald, gewaltsam seine Erschülterung und die tiefe Erregung bekämpfend. „Meiner An- sicht nach ist jenes Mädchen unserer Zuneigung nicht wert. In dieser verführerischen Hülle steckt entschieden ein häſslicher, berechnender Charakter. Ich habe sie scharf beobachtet und halte sie für eine jener Glücksjägerinnen, die unfähig zum Lieben sind, denen statt dessen jedoch um so besſere Mttel zu Gebote stehen, um sich so zu sagen eine Zukanft zu gründen. Dieser Berenice gelüstet es nach meinem Reichthum. Besäße ich beides nicht, so wäre ihr meine Person sicher unendlich gleichgiltig.“ „Ich habe vergeblich versucht, Dein Vorurtheil gegen Berenice zu bekämpfen, Ewald, und ich will Dich nicht weiter zu beeinflassen suchen. Bist Du nicht geneigt, auf meinen Lieblingswunsch einzu- gehen, so suche Dir eine andere Lebensgefährtin — jedoch aus unseren Kreisen, nicht —“ „Lass uns dies Gespräch beenden, Vater!“ unterbrach ihn Ewald stürmisch. „Ich wiederhole Dir, daſs ich niemals meine Eisa verrathen werde, sie ist und bleibt das höchste Kleinod, welches ich
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