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Nr. 271
Dienstag, 28. November 1899.
23. 39. Jahrgang.
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Graf Clary sitzt nun richtig in der Mause-
falle drinn, die, um ihn zu fangen, die Majorität
aufgerichtet hat. Von allem Anfang an rechnete
die Majorität darauf, daſs Graf Cla y in der
wichtigsten seinem Regiment obliegenden politischen
Frage, in der des § 14, die echt österreichische
Eigenschaft der Halbheit in allen großen Dingen
bewähren werde. Sie rechnete darauf, daſs er,
um der Linken zu gefallen, für seine Person, be-
ziehungsweise Regierung, den § 14 nicht zu miss-
brauchen versprechen, daſs er aber auch, um anderen
zu gefallen, seine Aufhebung bekämpfen werde.
Dann war er gefangen. Denn dann brauchte die
Majorität nur auf irgend eine Weise die recht-
zeitige parlamentarische Bewilligung der dringlichen
Regierungsvorlagen zu verhindern und Graf Clary
musste zurücktreten, weil dann wieder eine § 14.
Episode unvermeidlich war, die er, durch sein Ver-
sprechen gebunden, nicht mitmachen konnte. Gegen-
über diesem Plan gab es für den Grafen Clary
nur eine Rettung: er musste ein Ganzer sein, ent-
weder ein ganzer Absolutist, der nicht nur den
§ 14 für andere conserviert, sondern auct selbst zu
jeder Schandthat auf Grund dieses Paragraphen
bereit ist, oder ein ganzer Coastitutionalist. der den
Paragraphen nicht nur für sich aus der Verfassung
streicht, sond ra auch für die anderer, die nach dem
Ebenbilde der Thun und Kaizl geschaffen sind. Aber
Graf Clary hat seine Gegner nicht enttäuscht.
Seine Erklärung in der § 14 Debatte war genau
jene H lbheit, auf welche die Rechte speculiert hatte,
nicht anders, als wenn die Rechte sie ihm selber
conc piert hätte. Und seit diesem Augenblick zappelt
er in der Mausefalle.
Wenn die Art, wie Graf Clary, trotz aller
Warnungen, hineingestiegen ist, nicht sonderlich für
sein politisches Verständnis sprach, so ist wieder
die Art, wie er herauszukommen versucht, nicht ge-
rade ein Beweis von politscher Charaktergröße.
Nicht als ob er sich's jetzt wieder überlegt und den
§ 14 nun doch auch zu missbrauchen sich entschlossen
hätte. Davon hält ihn nicht nur die gräfliche
Cavaliersehre ab — die allerdings den nicht minder
cavaliersmäß'gen Grafen Thun nicht gehindert hat,
seine anfänglichen „verfassungsmäßigen“ Ver-
sprechungen zu missachten; dem Grafen Cla'y der,
im Unterschied zum Grafen Thun, keine Majorität
hinter sich hat, droht, wenn er den § 14 miss-
braucht ernstlich die Gefahr des Staatsgerichts-
hofes, den seine Vorgänger nur mit dem Aermel
gestreift haben. Von ihm hat der § 14 keinen
Missbrauch zu fürchten. Graf Clary ist denn
auch auf ein anderes Auskunftsmittel verfallen. Er
versucht es mit dem G wissenszwang, den er auf
die Parteiführer der Rechten wirken lässt.
Die wesentliche Voraussetzung des connitutio-
nellen Systems ist die absolute Freiheit der Ent-
schließung der Abgeordneten. Diesem Zwecke dienen
verschiedene Bestimmungen der Verfassung, so die
Immunität, das Verbot eines imperativen Man-
dats. Moralische Nöthigungen anderer Art schließt
die Verfassung nicht wörtlich aus, shon weil sie
undefinierbar, ungreifbar, unstrafbar sind, und in-
soferne ist Graf Clary bei dem von ihm beliebten
Verfahren in weiser Vorsicht den Paragraphen
glücklich ausgewichen, sowie ja auch Graf Thun
an den § 14' gewiss nicht gerührt hätte, wenn er
nicht der amnestierenden Majorität im voraus sicher
g wesen wäre. Aber vom Standpunkte eines ehr-
lichen Constitutionalismus aus ist die Clary'sche
Methode zur Bekämpfung parlamentarischer Schwie-
rigkeit n kaum minder verwerflich, als die Thun'sche,
und wer das thut, was Graf Clary gethan hat,
brauchte auch eigentlich nicht so zimperlich zu sein,
wenn es sich um den Missbrauch des § 14 handelt.
Nach seinen späteren Unternehmungen gewinnt die
§ 14 Erklärung des Grafen Clary einen anderen
Sinn, als man bisher ziemlich allgemein ange-
nommen hat. Es ist mehr parlamentarische Noth
als constitutionelle Tugend darin. Man meinte
aus ihr einen Mann herauszuhören, der strenger
gegen sich selbst ist als gegen andere, indem er sagt:
„Ich bin ein anständiger Politiker, ich will den
§ 14 nicht missbrauchen, aber ich will andere nicht
daran hindern, wenn sie minder anständig sind als
ich“ Nach den neuesten Erfahrungen, die man
mit dem Grafen Clary gemacht hat, wird man
vielleicht geneigt sein, seine Erklärung nur noch so
zu interpretieren: „Id werde den § 14 nicht miss-
brauchen, weil ich sonst als majoritätsloser Staats-
mann vor Gericht komme. Aber ich will andere,
die mir folgen werden, auch nicht daran hindern,
wenn sie in der Wahl ihrer parlamentatischen
Freunde numerisch glücklicher sind als ich.“
Diesen letzteren Fall herbeizuführen, sind in-
zwischen die Jungtschechen zugestandenermaßen be-
müht. Aus der heimlichen Obstruction der ganzen
Die parlamentarische Mausefalle.
Die Stiefschwestern.
Roman von Anna Seyffert.
(35. Fortsetzung.)
Es muss nun endlich einmal vollständlich klar
zwischen uns werden, Ewald,“ begann er dann, sich
kurz umwendend mit fester harter Stimme, „ich
meinerseits glaube, Dir unverhohlen gesagt zu haben,
daſs ich niemals daran denken werde, dieses —
diese Fremde als zu meiner Familie gehörig zu be-
trachten. Ich wusste, daſs diese Frau alle Rück-
sicht auf uns vergessend, am gestrigen Abend hier
debütieren würde — ich habe Dich absichtlich in
die Oper geführt, in der Voraussetzung, durch den
Anblick, der sich Dir dort bot, Dich für immer von
Deiner unseligen Leidenschaft zu heiler. Statt
dessen wirfst Du Dich abermals in die Arme dieser
Sirene! — Ic kann Dir viel zu gute halten, mein
Sohn, doch Alles hat seine Grenzen, Du bist doch
immerhin unserem Namen, der Familienehre ein
gut Theil Deines Selbst schuldig, und ich verstehe
Dich nicht mehr, ich begreife nicht, wie Du uns so
unüberlegt einem öffentlichen Geschwätz preisgeben
kannst. Heute schon wird man in den verschiedenen
Tageszeitungen die ganze Angelegenheit in der her-
kömmlichen Weise aufgebauscht lesen können.“
Der Graf hatte absichtlich ruhig gesprochen.
Er hoffte, so am besten auf seinen Sohn einwirken
zu können.
Ewald war weit von seinem Vater zurückge-
treten und maß ihn mit tief erstaunten Blicken.
[achdrust verboten.]
„Wir verstehen uns allerdings nicht mehr,
Vater,“ entgegnete er traurig, „und ich glaube auch
kaum, daſs wir bei solchen Meinungsverschieden-
heiten uns einigen werden. Mir ist es unbegreiflich,
daſs unser Name durch das Unglück und schließlich
durch den Heroismus, welchen dieses jugendliche,
unglückliche Weib gezeigt, geschändet sein soll. Ich
bin stolz auf mein Weib, und, fügte er demüthig
hinzu, „lass es gut sein, Vater, ich will nichts Un-
mögliches von Dir verlangen. Wenn Du Elsa
vorläufig nicht sehen magst, so bleiben wir fern von
Dir, doch — sei nicht unversöhnlich!
„Ich sage Dir mit klaren Worten,“ erwiderte
Graf Feodor, sich unwillkürlich höher aufrichtend,
„Du hast zu wählen zwischen mir und jenem un-
seligen Weibe! Kannst Du Dich aus den unwür-
digen Fesseln nicht befreien, so bist Du — mein
Sohn nicht länger!“
Die letzten Worte waren doch nur schwer
widerstrebend über die Lppen gekommen, und dann
sank der Graf wie erschöpft auf den nächsten Stuhl.
Wie er dort saß, mit halb gesenktem Kopf,
die Hände in einander geschlungen, bot er ein gar
mitleiderregendes Bild.
Fast einem Schrei glich die Bitte, welche er
jetzt ausstieß:
„Thue mir das nicht an, Ewald mein Sohn!
Lass ab von jener Frau und wende Dich Deinen
Eltern wieder zu! — Sieh,“ fuhr er gemäßigter,
doch eindringlich fort, „hier bei uns winkt Dir das
schönste Glück. Hast Du denn gar keine Augen
für die Schönheit unserer theuren Berenice? Dieses
entzückende Geschöpf habe ich Dir zur Gattin be-
stimmt, und sie — davon bin ich überzeugt —
wartet sehnsuchtsvoll darauf, dass Du Dich ihr zu-
neigst. Sie liebt Dich, Ewald, mit der ganzen
Kraft ihres jungen, heißen Herzens. Weise dieses
köstliche Kleinod nicht von Dir — es würde Dich
einst gereuen!“
„Nun lasse mich auch einmal klar und ruhig
sprechen,“ bat Ewald, gewaltsam seine Erschülterung
und die tiefe Erregung bekämpfend. „Meiner An-
sicht nach ist jenes Mädchen unserer Zuneigung
nicht wert. In dieser verführerischen Hülle steckt
entschieden ein häſslicher, berechnender Charakter.
Ich habe sie scharf beobachtet und halte sie für
eine jener Glücksjägerinnen, die unfähig zum Lieben
sind, denen statt dessen jedoch um so besſere Mttel
zu Gebote stehen, um sich so zu sagen eine Zukanft
zu gründen. Dieser Berenice gelüstet es nach
meinem Reichthum. Besäße ich beides nicht, so
wäre ihr meine Person sicher unendlich gleichgiltig.“
„Ich habe vergeblich versucht, Dein Vorurtheil
gegen Berenice zu bekämpfen, Ewald, und ich will
Dich nicht weiter zu beeinflassen suchen. Bist Du
nicht geneigt, auf meinen Lieblingswunsch einzu-
gehen, so suche Dir eine andere Lebensgefährtin —
jedoch aus unseren Kreisen, nicht —“
„Lass uns dies Gespräch beenden, Vater!“
unterbrach ihn Ewald stürmisch. „Ich wiederhole
Dir, daſs ich niemals meine Eisa verrathen werde,
sie ist und bleibt das höchste Kleinod, welches ich
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