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„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 250
3. November 1899
struction nur das Entgegenkommen, zu welchem die
Regierung jetzt verpflichtet ist, in die Schanze
geschlagen. Warum die Regierung einer Ver-
pflichtung entheben? Wir Deutsche stünden gerade
dort, wo die Jungtschechen von ihrer hirnlosen
Politik geführt wurden, vor einem Fiasco, das ja
immer dort eintritt, wo der Verstand mit der
Leidenschaft durchgeht. Ueberspanntheiten strafen
sich selber, ob es nun deutsche oder ischechische
sind. Sowie die Tschechen jetzt gut thäten, die
letzte Mahnung des alten Rieger zu befolgen
und sich zu einer Ausgleichspolitit herbeizufossen,
so dürfen gerade wir Deutsche der Regierung ver-
nünftiger Weise den Weg zu den Deutschen nicht
vollständig verrammeln. Wer da denkt
wird das begreifen.
Snsal-Aachrichten
(Allerseelen.) Tausende von Menschen
wanderten gestern und vorgestern nach den Fried-
höfen, besonders begünftigt vom herrlichsten Herbst-
weiter und wie alle Jahre zeigten sich auch heuer
wieder Pomp, Glanz und Lichterpracht neben Ar-
muth, Schlichtheit und einfachem Kerzenschimmer!
Die Kunstblumenindustrie und auch die Treibhaus-
pflanzen einer natürlichen Flora zierten die Grab-
stätten und manch schöneg Product war zu be-
merken. Besonders schön, gerade durch ihre
Schlichtheit, machten sich die mit frischem Gras
bewchenen Reihengräter und hoben sich ar-
genehm inmitten des künstlichen Laxus ab, wie
überhaupt die peinliche Ordnung und Sauber-
keit am Friedhofe angenehm berührte. Heuer
fielen auch einige neue Grab- und Gruftdenkmale
auf, die von hervorragenden Künstlern geschaffen
wurden. So die Mattom'sche Famillengruft am
oberen Ausgange der ersten Friedhofsabtheilung,
welche in Form einer unüberdachten Halle und
durch die lebensgroß, verschleierte Marmorfigur
(Niobe) künstlerischen Wert besitzt, nicht minder aber
auch die vom Bildhauer Kompaischer in Bozen ge-
schaffenen Christusköpfe an den Grabmalen der
Johann Becher'schen und Kugler'schen Ruhe-
stätten, welche durch ihren Gesichtsausdruck
jeden Kunftverständiges fesseln. Kompatscher
ist auch der Schöpfer der Büste auf der Grust des
verewigten Bürgermeisters Zörkendörfer. Von künst-
lerischem Werte ist ferner das Grabmol der Familie
Spriegel, welches vos Kühne in T plitz geschaffn
wurde. — Wie immer versammelte gestern die Kur-
kapelle durch den Vortrag mehrerer Choräle ein
vielhundertköpfiges Publikum am älteren Theil des
Friedhofes, welches mit Andocht den erhebenden
Klängen des Blasorcheiters lauschte.
(Schützenamt.) Das alljährlich übliche
Schützenamt (Gedenkmesse), dem das Schützencorps
anwohnen wird, findet morgen 10 Uhr in der
hiesigen Decanalkirche statt.
(Zur Frage der elektrischen Bahr.)
An anderer Stelle unseres heutigen Blattes ver-
öffentlichen wir die Kundmachung der k. k. Bezirks-
hauptmannschaft, mittelst welcher die Vornahme der
Trassenrevision und Stations-Commission betreffend
das Project einer elektrischen Bahn vom Franz
Josefspark (vis-à-vis Hotel Trautwein) nach Ach—
Hans Heiling mit Abzweigung nach dem Rennplatz
und die Auflegung der Pläne durch 14 Tage vom
30 October angeordnet wird! — Angesichts dieses
Umflandes sollte man meinen, da's es nun endlich
höchste Zeit werde, im Schoße des Stadtverord-
neten-Collegiums wenigstens im Principe sich in
der Frage der elektrischen Bahn sich auszusprechen
und einen Beschluſs zu fassen. — Das hier
jetzt fragliche von auswärts sich einschiebende
Project einer bis ins Stadtinnere dringenden
Bahnaklage nöthigt jetzt geradezu die Stadt-
Vertretung das beliebte Vogel Stranß Spiel auf-
zugeben und principielle Beschlüsse zu fassen. Man
wusste doch, was bevorsteht, und doch ließ man
eine Reihe von Monaten verstreichen, ohne in der
Frage auch nur einen Schritt zu unternehmen. —
Der die Bahnfrage ventilierende und voraussehende
Bericht des Gaudirectors ist bekanntlich schon aus
der ersten Sommerhälfte datiert und heute ist man
sich noch nicht einmal über das Prinzip klar, ob man
überhaupt eine Stadtbahn will und braucht oder nicht!
Jetzt, wo die Privatunternehmung (von der man
ja gerau Kenninis hatte) sich einsetzt, wird wohl
nicht mehr viel Zeit zu ruhigen sachlichen Erwä-
gungen erübriger! — Jedenfalls wird es jetzt
keinen Aufschub mehr geben, und man darf
der Frage nicht mehr engherzig aus dem Wege
gehen. Entweder Bahn, oder keine, ist jetzt die
erste Frage.
(Silberne Hochzeit) Der Restauraieur
Herr Wiltzelm Hein und Frau („Lloy dampfer“)
begingen am Dienstag das Fest ihrer silbernen
Hochzeitsfeier. Dem Paare kamen zahlreiche Glück-
wünsche zu.
(Ueber die Leistungen der Direction
Raul im Teplitzer Stadttheater) sprechen
sich die dortigen maßgebenden Journale „Teplitzer
Zeitung“ und „Teplitz-Schönauer Anzeiget“ ein-
ntimmig in der anerkernendsten Weise aus. — Es
würde wohl zu weit führen, eine Anzahl dieser die
Gesammtaufführungen sowohl wie die einzelnen
Leistungen eingehend besprechenden Referate hier
abzudrücken, aber einen Succus der Kritiken der
beiden genannten Blätter aus den letzten Tagen
wollen wir nachstehend unseren Lesern zur Kent-
nis bringen. Es sagt u. A. der „Anzeiger“ vom
25. Octoher über die Auffährungen der Operette
„Viceadwiral“ und der Oper „Die Jürin“ folgendes:
„Die sonntägige Operettenaufführung „Der Vice-
admiral“ gab unserem Ensemble wieder Gelegenheit,
sich im hellsten Lichte seiner Leistungsfähigkeit zu zeigen.
Die melodiöse Operette übte auf das Publikum, welches
alle Räume des Hauses dicht besetzt hatte, eine höchst
animirende Wirkung aus, welche sich in stürmischen
Beifallsbezeugungen äußerte, die den fast durchwegs
vorzüglichen Leistungen der einzelnen Mitwirkenden
galten.“ — Die Aufführung von Halevy's „Jüdin“
entwickelte sich zu einem Erfolge, der um so höher an-
zuschlagen ist, als Solisten, Chor und Orchester in
dieser Oper vor den größten und schwierigsten Aufgaben
stehen. Die vorgestrige Aufführung hat dargethan, daſs
unser Opernensemble in seiner gegenwärtigen Zu-
sammensetzung denselben durchwegs gewachsen ist. Die
Aufführung war eine sehr würdige und sehr befriedi-
gende, und seit Langem haben wir das Opernpublikum
nicht in so angeregter, fast enthusiasmirter Stimmung
gesehen.“
Ueber die Aufführung von Leoncavallo's
„Bajaz)“ und die Operette Waldmeister“beweilt
wieder die „Teplitzer Zeitung“ vom 31 Oclober:
„Und wahrlich, es lohnte der Mühe, der Abend (Bajazzo)
war einer der genuſsreichsten in dieser Theater-Saison.
Leoncavallo's musikalische Tragödie des Dortlomödianten-
thums wurde glänzend aufgeführt. Die Schönheiten
des Werkes traten unter der Leitung des Herrn Kapell-
meisters Hildebrand und bei der hervorragenden Or-
chesterleistung in ihr volles Recht. — Vor ausverkauftem
Hause fand am Sonntag die Aufführung der Strauß-
schen Operette („Der Waldmeister“) statt. Dieses
musikalisch ärmliche Spätlingswerk des großen Operetten-
künstlers (1895) ist nur bei einer gut vorbereiteten Auf-
führung im Stande, die Zuhörer zu unterhalten. Der
wirklich rauschende Beifall und die ungezwungene,
animierte Stimmung der letzten Vorstellung sind daher
leineswegs auf das Conto des Componisten oder gar
des Librettisten, sondern voll und ganz auf das der
Darsteller und der vortrefflichen Regie zu stellen.“
(Karlsbad auf der Pariser Welt
ausstellung.) Samktag fand hier unter dem
Vorsitze des Herrn Stadtrathes Leo von Mattoni
eine Sitzung des Specialcomilé's für die Collectiv-
ausstellung der öserreichischen Mineralquellen und
Kurorte auf der Pariser Weltausstellung statt. An-
wesend waren die Herren Leo von Mattoni,
Gießhübl-Sauerbrunn, Stadtrath Gschihay
und Stadtverordneter Haekl Marienbad, Stadt-
trath Eugen Loimann-FrazenbStadt
rath Becher-Karlsbad, Director Winter-Bilin
und Schriftführer Dr. Sipöcz. Die Zahl der
Aussteller beträgt 19 und wurde beschlossen
die Collectiv-Ausſtellung gegen Beschädigung
und Verlust während des Transportes und während
der Dauer der Ausstellung mit 40,800 Frs. zu
sich von der verblüfft Dastehenden ab, um sie ihren
Combinationen zu überlossen
Berenice presste unwillkürlich die Hand auf das
zuckende Herz.
„Sollte es wahr sein?“ flüsterte sie angflvoll,
kaum athmend, „ich kann, ich will es nicht glauben!
Und, wenn es dennoch wahr wäre?! O, jetzt
erst fühle ich, wie heiß ich den Grafen liebe! O
Schidsal, jede Strafe will ich gern entgegennehmen,
nur diese erlaſs mir! — Ewald ist der Erste, den
ich wahrhaft liebe, und — ja, und sollte er wirk-
lich verheiratet sein, so soll er doch noch mein
werden! O, gut, daſs Du mich gewarnt hast, Du
Thor, nun habe ich freies Feld vor mir und kann
von neuem meinen Plan entwerfen, und auch jetzt
noch traue ich mir zu, das Schicksal zu besiegen!“
12.
Als die beiden Grafen eine Strecke geritten
waren, begann der Vater plötzlich mit ernster und
doch freudig bewegter Stimme:
„Ich hoffe, Du bist unn auf immer von der
unglücklichen Leidenschaft für jene fremde Person
geheilt. Berenice hat Dich, wie uns alle bezaubert,
und mein Glück kennt keine Grenzen, wenn aus
Euch Beiden ein Paar wird!“
Ewald wollte widersprechen, doch der alte Herr
fuhr beschwichtigend fort?“
„Ich verlange ja gar nicht, daſs Du heute
schon an eine Heirat mit meinem Liebling denken
sollst, nein, ich bin zufrieden, daſs Ihr Freundschaft
mit inander geschlossen habt, alles andere über-
lasse ich einer bewährten Taschenspielerin: der Zeit.
Doch ich habe zu Dir noch gar nicht von diesem
Mädchen gesprochen, und trotzdem ist es nothwendig,
daſs Du Näheres über ihre Person erfährst. Oder
hat sie selbst Dir bereits aus ihrem Leben
erzählt?“
Ecald schüttelte verneinend den Kopf.
„Wir haben an diesem Morgen zum ersten
Male ein längeres Gespräch mit einander gehabt.
Die junge Dame sprach nur characteristisches von
sich, ihre Lebensverhältnisse hat sie aber nicht be-
rührt.“
„Das sieht ihr ähnlich,“ bemerkte der Schloss-
herr eifrig, „sie ist eine jener Naturen, die sich
rückhaltlos und unbedingt geben. Sie ist nicht
geartet wie die „höhere Tochter“ hier bei uns
zu Lande.“
„Du hast sie sehr gerne,“ bemerkte Ewald,
der mit seinen Gedanken längst nicht mehr bei der
Sache war.
„Sehr gerne wäre zu wenig gesagt, mein
Sohn. Ich liebe in diesem jungen Mädchen Alles,
was schön und stolz und urkräftig ist! Diese Stunde
bringt mich Dir sehr nahe, Ewald, und da wirst
Du mich auch verstehen, wenn ich Dir sage, dass
bei aller Harmonie, welche zwischen Deiner Mutter
und mir herscht, immer etwas unausgeglichen zwischen
uns blieb, und daran war nur Schuld, daſs Deiner
Mutter die urwüchsige Natürlichkeit fehlte. Se ist
es gewohnt, Alles durch eine gewisse Rohe, durch
ihren Takt, wie man es so neunt, auszugleichen.
Mich aber hat dieser anerzogene Gleichmuth nie-
mals — ein Sturm und danach Ruhe! Ein Ge
witter erfrischt und erquickt die Natur, so will es
auch das menschliche Daſein!“
Ewald war sehr erstaunt über den Erguſs
seines Vaters.
„Ich hatte keine Ahnung,“ entgegnete er
peiulich betroffen, daſs Du mit Mama nicht voll-
kommen im Einklange lebst“
„Mißverstehe mich doch nicht,“ fiel ihm der
Schlossherr ins Wort, „wir führen eine Musterehe,
aber noch unendlich glücklicher wäre ich gewesen,
wenn Deine Mutter dieser Berenice geglichen hätte
— solch ein Weib!“
„Verzeihung, Vater, doch da bin ich anderer
Ansicht als Du Ich kann mir nur das Glück vor-
stellen an der Seite einer Frau deren Seele der
spiegelklaren Oberfläche eines unergründlichen Sees
gleicht. Mag es auch auf dem Grunde desselben
wühlen und kämpfen, die Oberfläche zeigt nur die
leicht gekräuselten Willen, und nur wenn ein Sturm
verheerend darüber hinfährt, thürmen sich die Wellen
— die Frau, welche im Stande ist, alles Auf-
reizende in sich selbst auszugleichen, solch ein Weib
nur kann ich wie eine Heilige verehren, und darum
liebe ich auch mein Mütterchen so abgöttisch, denn
sie ist eine jener selten verstandenen Heiligen, die
dulden, ohne zu klagen, die aber ihre Freuden auf
dem Gesicht tragen, von denen es wie wärmender
Sonnenschein ausgetzt!“
„Nan, meinte Graf Feodor trocken, dann sind
wir eben verschiedene Charactere. Jedenfalls wirst
Du auch an der Seite dieser Berenice ein benei-
(Fortsetzung folgt.)
denswerthes Glück finden.“
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