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Ur. 250. Freitag, 3. November 1899. 23. 39. Jahrgang. Abonnements-Preise: Für Karlsbad: Rateljährig ......2 fl. Helbjährig.4 f. Eenzjährig..8 fl. Karlsbader Redaktion und Administration: im Hause „Bellevue,“ Stefaus- promenade. Zustellung ins Haus: pro Quartal 20 kr. Mit Postversendung: Inland: Decteljährig ...3 fl. Helbjährig6 fl. Hanzjährig......12 fl. Ausland: Dierteljährig .......6 M. Halbjährig....... 12 M. Eunzjährig...24 M. Einzelne Nummern 5 kr. Gadeblatt (Wochenblatt) Erscheint ganzjährig täglich mit Ausnahme nach Sonn- und Feiertagen. Celephon-Nr. 59b. Inserate werden nur gegen Voraum zahlung angenommen. Preis der 40 gespaltenen Petitzeile 6 kr. Inserate, für den nächsten Tag be- Himmt, werden nur bis 3 Uhr nich- mittags in der Adminiſtration und ie der Franieck'schen Leihbibliothek Manie „5 Lämmer“ entgegengenommen. Manuscripte werden nicht zurückgegeben Einzelne Nummern 5 kr. Herausgeber: Ernest Franieck. Inserate übernehmen die Annoncen-Bureans Haasenstein k Vogler in Wien, Rudolf Mosse in Berlin und Wien und Fämmtliche anderen Filialen dieser beiden Firmen. In der Kunstpaule. Nach Vornahme der Delegationswahlen ist in den Sitzungen des Abgeordnetenhauses eine Pause eingetreten. Der Zwischenvorhang bleibt nun etwa acht Tage vor der Bühne. Ein Rückblick über den bisherigen Verlauf der Rechsrathssitzung und deren Ergebnisse gestaltet sich vor der Hand nicht un- günstig für die Regierung des Grafen Clary, welcher unläugbar auf Erfolge zurückblichen darf. Denn es ist ihm gelungen, die Obstruction der Deutschen zu beseitigen, allerdings, nachdem die Sprachenverordnungen, der Anlass dazu in aller Form hinweggeränmt worden waren. Die Re- gierung hat ferzer durch den Vollzugserlals hiezu an die Gerichte des Weit ren gezeigt, daſs sie die tschechischen Zumuthungen, die Zustände trotz Aufhebung der Sprachenverordrungen nach wie vor bestehen zu lassen, von der Hand gewiesen hat und vollzog damit einen Act politischer Ehrlichkeit. Die ebenso komödienhaften als flegelhaften Anvempe- leiea der Jungischeches, zumal gegen den Jufliz- minister, haben nur die Tschechen selber in ihrem Ansehen geschädigt; denn außer einer verdienten Kopfwaschung durch den Socialisten Daszyaskii muſsten sie èinen noch unangenehmeren kalten Kopf- gus über sich ergehen lassen, den ihnen das Weih- wasser des Herrn Kathrein beibrachte. Die Herren Struwelpeter wurden nämlich über Betreiben der Clericalen vom Vollzugeausschufs der Majorität förmlich unter Caratel gestellt, so daſs sie ohne geädige Erlaubuis des erwähnten Aus- schusses, will sagen, der Herren Jaworski und Kathrein Licht mehe über die Sträege springen dürfen, wenn sie nicht mit zerschundenen Rücken heit kommen wollen. Die gegen das Cabinet Clary geschleuderten jungtschechischen Lasso's sind nunmehr den Schleuderern selber um den Hals geworfen worden und der Löwe aus Tschechien muſs theater- heiser sein, so lange ihm nicht von Jaworski Brüllfreiheit ertheilt wird. Den Herren aus Tsche- chien dämmert nun zumal nach den letzten Erfolgen des G afen Clary, nach den Delegationswahlen allgemac die Erkenntnis auf, es könnte doch dem Cabinet Clary eine längere Lebensdauer beschieden sein, als ihren und anderen Herren lieb ist; auch Herr Ebenhoch ahet, aus einem provikorischen Cabinet Clary könne leicht ein definitives werden, denn der Gesundungsprocess nehmhe seinen Gang, das Parlament arbeitet wieder und der Glaube an geordnete Verhältnisse gewinnt mehr und mehr Boden. Uns Deutschen kanns recht sein; so lange die Regierung nichts gegen die Deutschen unternimmt, ist auch die Haltung der Deutschen als neutrale von selbst gegeben; zum Mindesten dürfen wir nicht flörend in den Beruhigungsprocess eingreifen; stören wollen eben die Tschechen; sie darin zu unterstützen, wäre aufgelegte Thorheit. Allerdings ist es richtig, dass die Deutschen triftige Gründe hatten, vor den Delegationswahlen eine Beschinssfassung gegen den § 14 und eine Ecklärung der Regierung abzuwarten; allein deswegen, weil die Mehrheit dazu genöthigt wurde, die Wahlen zu vollziehen, einen Pelidecke lärm anzuheben, wäre doch weit über das Ziel ge- schossen gewesen. Nehmen wir an, über eine neue deutsche Obstruction wäre Clary gestürzt — was nachgekommen wäre, würde ein stockeractionäres Ministerium gewesen sein, das sofort den Tschechen Alles, was diesen beliebt, zugestanden hätte, und man hätte sich dabei noch auf die Deutschen be- rufen und sagen können: Nun sind die Sprachen- verordnungen gefallen, derentwillen Ihr, wie auch die Rad calen stets betonten, allein Oöſiruction ge- macht habt; nun treibt Ihr's so weiter! Glaubt Ihr, über Nacht den Systemwechsel er- lärmen zu können? Darum müssen denn auch die Bemühungen der Schöterianer, alle übrigen deutschen Parteien als Verräther zu beandmarken, weil nur sie allein die echten und unfehlbaren Vertreter des Deutschthums seien, von jedem ehr- lichen Deutschen zurückgewiesen werden. Natürlich, Leute, die nicht auf die Verrücktheit von Ueberspannten speculieren, werden es nicht begreifen, daſs die Deutschen mit Pultdeckeln lärmen sollen, nachdem die Sprachenverord- nungen in aller Form aufgehoben sind, werden es nicht begreifen, daſs, wenn eine Opposition, wie die Schönerianer wollen, rei jedem Anlasse immer nur lärmen und spectaculieren sollte, auch die Tschechen des Recht hätten, zu lärmen, wenn sie etwas nicht gleich kriegen. Da würde Verfassung und Parlamentarismus nothgedrungen aufhören und die Feinde der Deutschen und der Verfassung würden erst recht oben Glauben finden, wenn sie sagen: „Es geht einmal durchaus nicht, mit den Dentschen zu regieren, sie sind allesammt verrückt geworden.“ Die Politik maßloser Leidenschaft wäre das Allerschädlichste, was den Deutschen jetzt einfallen könnte. Und säßen auf den Bänken der Deutschen lauler Schöaerianer, so hätten sie mit der Ob- Die Stiefschwestern. Roman von Anna Seyffert. 23. Fortsetzung.) achdruc verboter.] „Ich würde es thun!“ entgegnete sie fest, „dessen sei versichert!“ „Dann wäre ja die Ehe ungiltig —“ „Hältst Du mich für ein Kind?“ fragte sie wegwerfend, „ich weiß, was ich thue und was ich zu thun babe, und ich rathe Dir, mir nicht hindernd in den Weg zu treten, es könnte Dich gerenen!“ Die Zornader auf seiner Stirn sozwoll an. „Du wagst es, mir zu drohen?!“ rief er, nur mit Mühe seine Stimme mäßigend, „Du, die ich durch ein einziges Wort zertreten, für alle Zeiten unmöglich machen kann!“ „So sprich doch das Wort!“ höhnte sie, „wes- halb schweigſt Da denn?“ „O, Du entsetzliches, Du ganz verächtliches Weib“ Sie lachte kurz und schadenfroh auf, dann er- hob sie sich und legte ihre weiße, zierliche Hand auf seinen Arm. „Du wirst das Wort, welches mir allerdings unabsehbaren Schaden verursachen könnte, nicht aussprechen!“ bemerkte sie diabolisch, „und deshalb fürchte ich Dich auch nicht, lieber Roden, und noch eins: Gefallen gegen Gefallen — wenn Du mich in Ruhe läset, so verspreche ich Dir, auch nichts gegen Dich zu unternehmen. Nun aber lass es genug sein mit dieser Unterredung, wir haben einander nichts mehr zu sagen.“ „Ich glaube doch, dass ich noch eine Neuigkeit für Dich habe, die Dich etwas aus der Fassung bringen möchte.“ Beunruhigt blickte sie zu ihm auf, dann zuckte sie leichthin die Achseln. „Betrifft es Deinen Freund?“ fragte sie nun langsam. „Ja!“ „Nun, dann gehe ich Dir im Voraus die Versichetung, dass Deine Neuigkeit mich nicht alterieren wird — jedenfalls weißt Du um irgend ein Ledesverhältnis des Grafen. Ich aber traue mir noch so viel Macht zu, um jede Rivalin aus dem Felde schlagen zu können.“ Er betrachtete sie forschend, dann fragte er ruhig: „Du liebst Graf Ewald?“ Sie hatte begonnen, mit der zierlichen Spitze ihres Sonnenschirmes Figuren in den Kies zu zeichnen, und fuhr eine Weile in dieser Beschäfti- gung sort, ohne sich stören zu lassen, dann sagte sie, sich erbebend: „Was soll ich's leugnen? Ja, ich liebe Graf Northof, doch ich liebe auch seinen Reichthum — Du kennst mich ja!“ „Wahrhaftig, zu Genüge,“ kam es zornig von Rodens Lippen, „in diesem Falle aber, meine Beste, hat das Schicksal selbst Dir eine Mauer gezogen. Mein Freund Ewald ist, gottlob, für Dich unerreichbar!“ Sie erblasste unwillkürlich, blickte aber sofort wieder zuversichtlich drein. „Das sind Redensarten! Mache Dich nur darauf gefasst, in mir und Graf Northof schon in der allernächsten Zit ein verlobtes Paar zu be- grüßen.“ Sie hatten sich von der Linde entfernt. Heller Sonnenglanz umspielte Berenice's reizvolle Gestalt. Die Hoffnung leuchtete aus ihren schönen Augen. Roden war an ihrer Seite geblieben und im Weitergehen sagte er langsam, die einzelnen Worte schwer oetonend: „Mache Dir keine Hoffnungen — ich könnte Dich ja ruhig Deinen Weg gehen lassen, Dir schadete einwal eine lüchtige Strafe nichts. Aber um meinen Freund Ewald etwaige Unannehmlichkeiten zu er- sparer, theile ich Dir mit, daſs Ewald bereite ver- heiratet ist.“ „Verheiratet?!“ Nur widerstrebend kam das Wort von ihren Lppen, und blieben diese geöffnet und ihre großen Augen schanten angstvoll zu dem Manne empor, der ihr erbitterter Feind war. „Verheiratet? — Es ist nicht war, Du belügst mich, um mich muthlos zu machen!“ „Ich habe noch niemals die Unwahrheit ge- sprochen — zu dem steht es Dir ja frei, meinen Freund selbst zu befragen.“ Mit einer verachtenden Bewegung wandte Roden
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karlsbader-badeblatt-1899-11-03-n250_5795.jp2