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Ur. 250.
Freitag, 3. November 1899.
23. 39. Jahrgang.
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In der Kunstpaule.
Nach Vornahme der Delegationswahlen ist in
den Sitzungen des Abgeordnetenhauses eine Pause
eingetreten. Der Zwischenvorhang bleibt nun etwa
acht Tage vor der Bühne. Ein Rückblick über den
bisherigen Verlauf der Rechsrathssitzung und deren
Ergebnisse gestaltet sich vor der Hand nicht un-
günstig für die Regierung des Grafen Clary,
welcher unläugbar auf Erfolge zurückblichen darf.
Denn es ist ihm gelungen, die Obstruction der
Deutschen zu beseitigen, allerdings, nachdem die
Sprachenverordnungen, der Anlass dazu in aller
Form hinweggeränmt worden waren. Die Re-
gierung hat ferzer durch den Vollzugserlals
hiezu an die Gerichte des Weit ren gezeigt, daſs sie
die tschechischen Zumuthungen, die Zustände trotz
Aufhebung der Sprachenverordrungen nach wie vor
bestehen zu lassen, von der Hand gewiesen hat und
vollzog damit einen Act politischer Ehrlichkeit. Die
ebenso komödienhaften als flegelhaften Anvempe-
leiea der Jungischeches, zumal gegen den Jufliz-
minister, haben nur die Tschechen selber in ihrem
Ansehen geschädigt; denn außer einer verdienten
Kopfwaschung durch den Socialisten Daszyaskii
muſsten sie èinen noch unangenehmeren kalten Kopf-
gus über sich ergehen lassen, den ihnen das Weih-
wasser des Herrn Kathrein beibrachte.
Die Herren Struwelpeter wurden nämlich über
Betreiben der Clericalen vom Vollzugeausschufs der
Majorität förmlich unter Caratel gestellt, so daſs
sie ohne geädige Erlaubuis des erwähnten Aus-
schusses, will sagen, der Herren Jaworski und
Kathrein Licht mehe über die Sträege springen
dürfen, wenn sie nicht mit zerschundenen Rücken
heit kommen wollen. Die gegen das Cabinet Clary
geschleuderten jungtschechischen Lasso's sind nunmehr
den Schleuderern selber um den Hals geworfen
worden und der Löwe aus Tschechien muſs theater-
heiser sein, so lange ihm nicht von Jaworski
Brüllfreiheit ertheilt wird. Den Herren aus Tsche-
chien dämmert nun zumal nach den letzten Erfolgen
des G afen Clary, nach den Delegationswahlen
allgemac die Erkenntnis auf, es könnte doch dem
Cabinet Clary eine längere Lebensdauer beschieden sein,
als ihren und anderen Herren lieb ist; auch Herr
Ebenhoch ahet, aus einem provikorischen
Cabinet Clary könne leicht ein definitives
werden, denn der Gesundungsprocess nehmhe seinen
Gang, das Parlament arbeitet wieder und der
Glaube an geordnete Verhältnisse gewinnt mehr
und mehr Boden. Uns Deutschen kanns recht sein;
so lange die Regierung nichts gegen die Deutschen
unternimmt, ist auch die Haltung der Deutschen
als neutrale von selbst gegeben; zum Mindesten
dürfen wir nicht flörend in den Beruhigungsprocess
eingreifen; stören wollen eben die Tschechen; sie
darin zu unterstützen, wäre aufgelegte Thorheit.
Allerdings ist es richtig, dass die Deutschen
triftige Gründe hatten, vor den Delegationswahlen
eine Beschinssfassung gegen den § 14 und
eine Ecklärung der Regierung abzuwarten; allein
deswegen, weil die Mehrheit dazu genöthigt
wurde, die Wahlen zu vollziehen, einen Pelidecke
lärm anzuheben, wäre doch weit über das Ziel ge-
schossen gewesen. Nehmen wir an, über eine neue
deutsche Obstruction wäre Clary gestürzt — was
nachgekommen wäre, würde ein stockeractionäres
Ministerium gewesen sein, das sofort den Tschechen
Alles, was diesen beliebt, zugestanden hätte, und
man hätte sich dabei noch auf die Deutschen be-
rufen und sagen können: Nun sind die Sprachen-
verordnungen gefallen, derentwillen Ihr, wie auch
die Rad calen stets betonten, allein Oöſiruction ge-
macht habt; nun treibt Ihr's so weiter! Glaubt
Ihr, über Nacht den Systemwechsel er-
lärmen zu können? Darum müssen denn auch
die Bemühungen der Schöterianer, alle übrigen
deutschen Parteien als Verräther zu beandmarken,
weil nur sie allein die echten und unfehlbaren
Vertreter des Deutschthums seien, von jedem ehr-
lichen Deutschen zurückgewiesen werden. Natürlich,
Leute, die nicht auf die Verrücktheit von
Ueberspannten speculieren, werden es
nicht begreifen, daſs die Deutschen mit Pultdeckeln
lärmen sollen, nachdem die Sprachenverord-
nungen in aller Form aufgehoben sind, werden es
nicht begreifen, daſs, wenn eine Opposition, wie
die Schönerianer wollen, rei jedem Anlasse
immer nur lärmen und spectaculieren sollte, auch
die Tschechen des Recht hätten, zu lärmen,
wenn sie etwas nicht gleich kriegen. Da würde
Verfassung und Parlamentarismus nothgedrungen
aufhören und die Feinde der Deutschen und der
Verfassung würden erst recht oben Glauben finden,
wenn sie sagen: „Es geht einmal durchaus nicht,
mit den Dentschen zu regieren, sie sind allesammt
verrückt geworden.“
Die Politik maßloser Leidenschaft wäre das
Allerschädlichste, was den Deutschen jetzt einfallen
könnte. Und säßen auf den Bänken der Deutschen
lauler Schöaerianer, so hätten sie mit der Ob-
Die Stiefschwestern.
Roman von Anna Seyffert.
23. Fortsetzung.)
achdruc verboter.]
„Ich würde es thun!“ entgegnete sie fest,
„dessen sei versichert!“
„Dann wäre ja die Ehe ungiltig —“
„Hältst Du mich für ein Kind?“ fragte sie
wegwerfend, „ich weiß, was ich thue und was ich
zu thun babe, und ich rathe Dir, mir nicht hindernd
in den Weg zu treten, es könnte Dich gerenen!“
Die Zornader auf seiner Stirn sozwoll an.
„Du wagst es, mir zu drohen?!“ rief er, nur
mit Mühe seine Stimme mäßigend, „Du, die ich
durch ein einziges Wort zertreten, für alle Zeiten
unmöglich machen kann!“
„So sprich doch das Wort!“ höhnte sie, „wes-
halb schweigſt Da denn?“
„O, Du entsetzliches, Du ganz verächtliches
Weib“
Sie lachte kurz und schadenfroh auf, dann er-
hob sie sich und legte ihre weiße, zierliche Hand
auf seinen Arm.
„Du wirst das Wort, welches mir allerdings
unabsehbaren Schaden verursachen könnte, nicht
aussprechen!“ bemerkte sie diabolisch, „und deshalb
fürchte ich Dich auch nicht, lieber Roden, und noch
eins: Gefallen gegen Gefallen — wenn Du mich
in Ruhe läset, so verspreche ich Dir, auch nichts
gegen Dich zu unternehmen. Nun aber lass es genug
sein mit dieser Unterredung, wir haben einander
nichts mehr zu sagen.“
„Ich glaube doch, dass ich noch eine Neuigkeit
für Dich habe, die Dich etwas aus der Fassung
bringen möchte.“
Beunruhigt blickte sie zu ihm auf, dann zuckte
sie leichthin die Achseln.
„Betrifft es Deinen Freund?“ fragte sie nun
langsam.
„Ja!“
„Nun, dann gehe ich Dir im Voraus die
Versichetung, dass Deine Neuigkeit mich nicht
alterieren wird — jedenfalls weißt Du um irgend
ein Ledesverhältnis des Grafen. Ich aber traue
mir noch so viel Macht zu, um jede Rivalin aus
dem Felde schlagen zu können.“
Er betrachtete sie forschend, dann fragte er
ruhig:
„Du liebst Graf Ewald?“
Sie hatte begonnen, mit der zierlichen Spitze
ihres Sonnenschirmes Figuren in den Kies zu
zeichnen, und fuhr eine Weile in dieser Beschäfti-
gung sort, ohne sich stören zu lassen, dann sagte sie,
sich erbebend:
„Was soll ich's leugnen? Ja, ich liebe Graf
Northof, doch ich liebe auch seinen Reichthum —
Du kennst mich ja!“
„Wahrhaftig, zu Genüge,“ kam es zornig von
Rodens Lippen, „in diesem Falle aber, meine
Beste, hat das Schicksal selbst Dir eine Mauer
gezogen. Mein Freund Ewald ist, gottlob, für Dich
unerreichbar!“
Sie erblasste unwillkürlich, blickte aber sofort
wieder zuversichtlich drein.
„Das sind Redensarten! Mache Dich nur
darauf gefasst, in mir und Graf Northof schon in
der allernächsten Zit ein verlobtes Paar zu be-
grüßen.“
Sie hatten sich von der Linde entfernt. Heller
Sonnenglanz umspielte Berenice's reizvolle Gestalt.
Die Hoffnung leuchtete aus ihren schönen Augen.
Roden war an ihrer Seite geblieben und im
Weitergehen sagte er langsam, die einzelnen Worte
schwer oetonend:
„Mache Dir keine Hoffnungen — ich könnte
Dich ja ruhig Deinen Weg gehen lassen, Dir schadete
einwal eine lüchtige Strafe nichts. Aber um meinen
Freund Ewald etwaige Unannehmlichkeiten zu er-
sparer, theile ich Dir mit, daſs Ewald bereite ver-
heiratet ist.“
„Verheiratet?!“ Nur widerstrebend kam das
Wort von ihren Lppen, und blieben diese geöffnet
und ihre großen Augen schanten angstvoll zu dem
Manne empor, der ihr erbitterter Feind war.
„Verheiratet? — Es ist nicht war, Du belügst
mich, um mich muthlos zu machen!“
„Ich habe noch niemals die Unwahrheit ge-
sprochen — zu dem steht es Dir ja frei, meinen
Freund selbst zu befragen.“
Mit einer verachtenden Bewegung wandte Roden
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