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4. October 1899
Larlsbader Badeblatt und Wohenblatt“ Nr. 225
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Tschechisierung des Finanzministeriums)
Das „Grazer Tagbl.“ bringt folgende, aus bester Quelle
stammende interessante Mittheilungen. In jedem De-
dartement des Finanzministeriums befinden sich derzeit
überwiegend tschechische Finanz-Conceptsbeamte; die
Deutschen muſsten in die Provinz abgeschoben werden,
um für die Tschechen Platz zu schaffen. Jedes dieser
Kaizl-Protectionskinder genießt 600 fl. Personalzulage.
Sie verstehen fast gar nichts, so daſs der Dienst unge-
mein darunter leidet. Kaizl hat allmählich alle maß-
gebenden Stellen den Tschechen eingeräumt, damit bei
seinem Abgange das Heft in tschechischen Händen ver-
bleibe. Das Finanzministerium bietet der ischechischen
Volitik besondere Vortheile, weil es die Geldvertheilung
an die Provinzen vorzunehmen hat. Die Beamten des
Finänzministeriums haben den Auftrag erhalten, solche
Gesuche, die von Abgeordneten der Rechten befürwortet
würden und mit einer Chiffre Kaizls versehen waren,
unbedingt bewilligend zu erledigen. Eine Weigerung
hätte Jedem die Stellung gekostet. Alle Bitten von
Deutschen wurden abgewiesen, die tschechischen Betteleien
jedoch rücksichtslos und auch gegen den Antrag der Unter-
behörden und ohne Rücksicht auf die mangelnde Budget-
genehmigung des Parlamentes erfüllt. Bei deutschen
Gesuchen wurde mit ungewohnter Feinfühligkeit abschlägig
daraut hingewiesen, daſs der § 14 St. G.-G. dauernde
Belastungen des Staatsschatzes nicht gestatte. Nach der
Versicherung unseres wohleingeweihten Gewährsmannes
war die verrufene Polenwittschaft noch ein goldenes Zeit-
alter zu nennen im Vergleiche mit dem tschechischen Re-
gimente im Finanzministerium. Sollte die Arbeitsfähig-
keit eines österreichischen Parlaments jemals wieder
erwirkt werden, so wird es eine gewiſs freudig über-
nommene Aufgabe unserer deutschen Abgeordneten sein,
den Kaizl'schen Augiasstall mit eisernem Besen auszufegen.
(Ein „Genosse“ über das allgemeine Wahl-
recht) In der socialistischen „Leipziger Volkszeitung“
beschäftigt sich Genosse Friedrich Stampfer mit dem na-
tionalen Problem in Oesterreich. Er hält sehr wenig
von der Einführung des allgemeinen, gleichen und directen
Wahlrechtes. Ein nachsichtiger Kritiker, meint er, mag
die Behauptung, das allgemeine Wahlrecht werde die
nationale Frage verschwinden oder wenigstens stark in
den Hintergrund treten lassen,“ als eine gutgemeinte
Verstärkung der ohnehin zahlreichen Gründe, die für
die gewünschte Wahlreform sprechen, immerhin gelten
lassen. Er wird sich aber der Erkenntnis nicht verschließen
dürfen, was das allgemeine und gleiche Wahlrecht in
nationaler Hinsicht bedeuten würde — eine ungeheuere
Stärkung der slawisch-nationalen Parteien... Darin
liegt eben der große Rechenfehler derer, die das allgemeine
und gleiche Wahlrecht — unbeschadet seiner sonstigen
Nothwendigkeit und Vortrefflichkeit — als das Allheil-
mittel für Oesterreich preisen. Der Sieg des allgemeinen
gleichen und directen Wahlrechtes wäre in seiner natio-
nalen Bedeutung ein Sieg des slawischen und reactio-
nären Centralismus, und es ist schlechthin keine Ver-
fassungsänderung denkbar, die plötzlicher und gewaltsamer
die Vertheilung der nationalen Macht umgestalten könnte.
Es war ein wirklicher Verzweiflungskampf, den die na-
tionaldeutschen Parteien gegen die Taaffe'sche Wahlreform
gekämpft haben und nie — so lange die heutige centra-
listische Verfassung besteht — werden bürgerliche Deutsche,
die nicht auf dem Standpunkt des „fiat justitia pereat
mundus“ stehen in Oesterreich demokratisch denken und
fühlen lernen.
(Die Ablasskrämerei) steht noch im vollen Flor.
nur hat sie, schreibt die „Aufsig.=K. Volksztg.“, andere
Formen angenommen, als zu Tetzels hochseligen Zeiten.
Heute verkanft man grell bemalte Ablassbildchen, auf
welchen rückwärts ein frommes Tractätlein aufgedruckt oder
aufgeklebt ist Uns liegt ein derartiges vor, welches in
Mariaschein in Verschleiß gebracht wird. Da wird am
Schlusse eines Gebetleins dem Verrichter desselben 300 Tage
Ablass versprochen. Denselben kann er selbstverständlich
nur erlangen, wenn er sich in Besitz eines solchen Bildchens
setzt, wodurch er zur Kenntnis des Ablaſsgebetes gelangt.
Es werden also immer noch von einer speculativen In-
dustrie, welche sich zumeist in Händen „christlicher Buch-
drucker“ befindet, Ablässe verkruft.
(Jagdsportworte. ) Wieder kaallt es lustig draußen,
der älteste Sport, der Jagdsport, ist wieder en vogue.
Aber gerade weil er der älteste ist, hat er eine förmliche
Literatur in besonderen Ausdrücken, von denen viele ins
gewöhnliche Leben übergegangen sind, da man bekanntlich
Sportausdrücke gern allgemein anwendet. — „Auf Knall
und Fall“ bedeutet den Schufs und das gleichzeitige Zu-
sammenstürzen des Wildes. — „Einem die Haut über die
Ohren ziehen“, rührt vom Abbalgen des Wildes her. —
„Eine feine Nase haben“ deutet auf die Spürnase des
Hundes bin. — „Kurz angebunden“ stammt vom Kurz-
halten des jagdlustigen Handes her. — „Sich drücken“ heißt
so viel, wie sich durch Niederducken den Blicken des Jägers
entziehen. — „Durch die Lappen gehen“ erinnert an das
Umzännen des Jagdgebietes mit Garn, Netzen, Tüchern-
welch' letztere im Winde flatternd das Wild vom Durch-
bruch abhalten sollten, allein oft ohne Erfolg. — „Prellen“
war früher ein beliebtes Waidmannsvergnügen bei der
Fuchsjagd, wobei der Fuchs auf straff gespannten Tüchern
in die Höhe geschnellt und wieder aufgefangen wurde. —
„Auf den Leim gehen“ rührt von dem Vogelleim her, den
man zum Vogelfang benutzt; „Pechvogel“ war der, der an
dem Leime kleben blies. — „Pfiffig“ war der Jäger,
welcher die Vogelstimmen zum Locken gut nachpfeifen konnte
und alle Pfiffe verstand. — „Ausgehetzt“ ist der, dem man
durch keine Hitze beikommen kann. — Sogar das Wort
„Kaeipe“ ist aus der Spottsprache der Vogelfäuger und
bedeutet eine Spalte in einem Holz, die klemmt und fest-
hält, sowie das Stellholz bei den Sprenkeln, wodurch die
Vögel gefangen und festgehalten wurden. Diese Vogel-
fänger naunten die Schenkſtuben. in deuen sie wie festge-
nagelt saßen, „Kneipen“. Es war eben der Ort, wo man
die „lockeren“ Vögel fing.
Vom Büchertisch
Die soeben zur Ausgabe gelangte Nr. 38 des „Re-
porter“, Illustriertes Weltblatt, Berlin, (Wreis 10 Pfg.,
Postzeitungsliste 6327) hat folgenden Inhalt: Der Schleier.
Ein interessanter Fall. — Eie Katastrophe am Dent
blanche (mit 1 IJllustration). — Ein brennender Dampfer
(mit 1 Illustration). — Der Hauptmann in Aengsten.
Die Alten und die Jungen (mit 2 Illustrationen). —
Miſs Elise Grav (mit 1 Illustration) — Freiherr von
Rheinbaben (mit 1 Illustration) — Die Blutthat eines
Achtzigjährigen (mit 1 Illustration) — Das Sieges- und
Friedensdenkmal auf dem Werdetberge bei Edenkoben
(mit 1 Illustration). — Mixedpickles. — Oberpräsident
Studt (mit 1 Illustration) — In Monte Carlo (mit
1 Illustration). — Geschäftliche Mittheilungen. — Hand-
schriften-Beurtheilung. — Brieftasten. — Mäe. Guerre
mit 1 Jlustration). — Mile. Dartoise (mit 1 Illu-
stration). — Unter uns.
Vermischtes.
A..
2971*2
Kundmachung.
Nr. 18561
Das 1
KAISERBAD
vollständig geschlossen.
wird mit Donnerstag den 5. October l. J.
Stadtrath Karlsbad, am 3. October 1899.
Der Bürgermeister: Ludwig Schätfler.
0)
L
SUQ1. Ingenieur, Wien III., Reisnerstrasse 6,
Generalrepräsentant der Aufzugsfabrik A. Stigler in Mailand empfiehlt
Personen- und Lasten-Aufzüge
für hydraulischen und electrischen Betrieb.
Ferner für Oelhochdruck-Betrieb, letztere unübertroffen, beste Aufzüge der Neuzeit (in Wien in
zahlreichen Ausführungen, geliefert an das k. k. Hofbau-Comité, an die k. k. Statthalterei für Nieder-
österreich, an den Magistrat der Stadt Wien u. s. w.)
2907
Vertreter für Karlsbad und Umgebung: Amtom �a1zQ1', Sonnengasse, Haus »Kulmbach«.
Dateiname:
karlsbader-badeblatt-1899-10-04-n225_4685.jp2