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Gette 4 Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 217 23. Sept ember 1899 beim Kaufe der Fahrkarten in Genua aufmerksam gemacht worden zu sein, so daſs die Mittellosen unter ihnen in Montevideo mit den größten Schwierigkeiten kämpfen, oftmals selbst die wenigen entbehrlicheren Kleidungsstücke verkaufen müssen, um ihren Lebensunterhalt während des dortigen 8--10 Tage währenden Aufenthaltes kümmerlichst zu fristen.“ (Schurfbewilligung.) Von dem Revier- bergamte zu Elbogen wurde dem Herrn Karl Thoma in Satteles Nr. 10 über dessen Ansuchen die Be- willigung ertheilt, innerhalb der Grenzen des politischen Bezirkes Karlsbad im Königreiche Böhmen mit Ausschluss der Schutzkreise für die Heilquellen in Karlsbad, Rodisfort, Zwetbau und Neudorf nach den Bestimmungen des allgemeinen Berggesetzes vom 23. Mai 1854 auf die Dauer eines Jahres vom heutigen Tage, d. i. bis 19. August 1900 schürfen zu dürfen. (Viehverladestation. ) Die Statthalterei hat in Durchführung des § 10 des Gesetzes vom 29. Februar 1880 und der Durchführungsver- ordnung vom 12. April 1880 die Eisenbahnstation Tepl der Eisenbahn Marienbad-Karlsbad als Ein- und Ausladestationen für Wiederkäuer und Schweine bestimmt. Teplitz, 20. September. O.-C.] (Verschiedenes.) Am vorgestrigen Tage versammelte sich das Stadtver- ordneten-Collegium abermals, u. zw. diesmal zu einer außerordentlichen Sitzung; den Vorsitz führte Stadtrath Dr. Carl Müller, welcher bemerkte, daſs vom Bürger- meister Siegmund eine Zuschrift an den Stadtrath gelangt sei, in welcher das Stadtoberhaupt aus Gesundheitsrück- sichten auf sein Amt als Bürgermeister resigniert. Der Stadtrath habe in einer sofort abgehaltenen Sitzung die Abordnung einer Anzahl Mitglieder des Stadtverordneten- Collegiums unter Führung des Stadtrathes Geh. Sa- nitätsrath Dr. Ig. Hirsch zum Bürgermeister beschlossen, um selben zur Zurücknahme seiner Resignation zu bewegen; es wurden 9 Mitglieder, darunter auch Fürst Clary ge- wählt. — Der amtierende Stadtrath Dr. Müller erbittet sich die Ermächtigung, im Falle Neuwahlen nothwendig werden sollen, diese erst zu Ende der nächsten Woche ab- halten zu dürfen. Ueber eine Anfrage des Vorsitzenden erklärt Stadtrath Dr. Stradal, daſs er betreffs Zurück- nahme seiner Resignation als Stadtrath sich die Ent- scheidung vorbehalte, bis sich die Verhältnisse geklärt haben; er danke übrigens dem Collegium für die Zustimmung zu dessen Antrage. — Vom Herrn Dr. Schiepek war in derselben Sitzung ein Schreiben eingelangt, in welchem derselbe auf seiner Resignation beharrt als ein Mann von Ehre. Dr. Schiepek bedauert in seinem Schreiben, daſs auch nicht Einer für ihn eintrat und auch nicht Einer für eine mildere Form der Resolution eintrat. Beide das Recht, Achtung und Ehrerbietung von Jedem zu fordern.“ „Dein Freund,“ gab Ernst mit bitterem Spott zurück, „wie das klingt! Und ich bliebe trotz Deiner Abwehr bei meinen Behauptungen, Du wirst es noch einmal bereuen, diesen Zudringlichen —“ „Kein Wort weiter, Ernst, oder Du erzürnst mich sehr. Ich dulde es nicht länger, daſs Du in diesem Ton von dem Grafen sprichst!“ Die Majorin hatte sich erhoben und um ihre schmalen, fast farblosen Lippen zuckte es in schmerz- licher Entrüstung — es mochte noch niemals vor- gekommen sein, daſs die Schwester sich so unum- wunden gegen den Bruder aufgelehnt hatte, und einen Augenblick starrt Ernst die vor ihm Stehende an. Erst jetzt konnte man bemerken, welch' eine hohe, imponierende Erscheinung Elsas Mutter war — auch hatte die Erregung tiefrothe Flecken auf ihre Wangen gezaubert, und aus diesem leichtge- rötheten Gesicht mit den blitzenden Augen leuchtete unverkennbar die reizvolle Schönheit von einst, die Aehnlichkeit mit der lieblichen Tochter hervor. Doch nur einige Minuten hielt Ernst betroffen inne. Dann brach das Ungewitter mit erneuter Kraft über die zarte Frauengestalt herein. „So weit ist es also gekommen, daſs Du mir offen zu trotzen wagest, Undankbare! So hat Dich also der Hochmuth gepackt und Du siehst Dich im Geiste bereits als die Verwandte eines hochgeborenen Grafen — es ist also Alles ausgelöscht, was noch vor wenigen Wochen zwischen uns bestand und von jeher unser Zusammenleben zu einem so schönen, (Fortsetzung folgt.) harmonischen gestaltete!“ Erklärungen nimmt das Collegium zur Kenntnis. Der Vorsitzende schließt die Sitzung mit dem Wunsche, daſs sich die Gemüther bald beruhigen und die Angelegenheit eine beruhigenden Abschluſs finden möge. — Gestern abends verschied hier der k. k. Bergrath Herr Karl Hartisch im 75. Lebensjahre. Die Leiche wird nach Görkau über- führt. — Die Actien-Gesellschaft vormals A. L. Kummer &a; Co. in Teplitz plant diesen Herbst eine große Ma- schinenfabrik zu erbauen. — Die Stadtvertretung von Klostergrab bewilligte für den beabsichtigten Bau einer evangelischen Kirche in Klostergrab unentgeltlich den Platz- Vermischtes. (Fort Chabrol Nummer Zwei.) Max Régis, der Abgott der italienischen und spanischen Weiber von Algerien, für den das französische Mutterland sich ent- schieden nicht begeistern will, traf, wie der „Post“ berichtet wird, am Montag wieder in seiner guten Stadt Algier ein, wo er mit einer sorgfältig improvisierten Kundgebung seiner Getreuen empfangen wurde. Er begab sich, nach- dem er die ihm dargebrachten Huldigungen gnädigst an- genommen, nach dem Friedhofe, wo das Grab des eigent- lichen Schöpfers des Antisemitismus in Algerien, des Journalisten Grégoire, unter einem Schwalle judenfeind- licher Reden bekränzt wurde. Nach der „Villa antijuive“ zurückgekehrt, zeigte Régis sich vom Balkon aus seinem Volke und rief: „Wenn ein Polizeicommissär heute kommt, um mich zu verhaften, so schieße ich ihn nieder!“ Dann schloss er sich in die reichlich verproviantierte Villa ein und machte sich auf eine Belagerung gefasst. Diese blieb aber aus und im Laufe der Nacht verließ Régis, der be- fürchten muſste, sich lächerlich zu machen, das „Fort“. („Svuj k svému“.) An demselben Tage, an welchem der wirtschaftliche „Nothschrei“ deutscher und tschechischer Industriefirmen in die Oeffentlichkeit gelangte, fand in Prag, wie die „Bohemia“ meldet, die feierliche Eröffnung einer von der tschechoslavischen Handelsbeseda begründeten schechischen Handelsschule statt, und einzelne der hiebei gehaltenen Reden bewiesen aufs Neue, daſs der tschechische Chauvinismus ohne Rücksicht auf den Ernst der ökonomischen Verhältnisse nach wie vor die Heilslehre vom wirtschaftlichen Kampfe predigt. Der Obmann des Comités Herr Simunek äußerte sich u. A. folgender- maßen: „Die Stellung unseres tschechischen Handels ist eine sehr gedrückte; der Großhandel in unserem industriellen Lande befindet sich in den Händen von Fremden, welche vor Jahren die Unwissenheit unseres Volkes sehr wohl auszunützen verstanden und die, das Land selbst aus- saugend, die daraus erworbenen Capitalien gegen uns in den Kampf führen.“ Und der Prager Primator Herr Dr. Podlipny, welcher die Schule namens „unseres fla- vischen, königlichen, goldenen Prag“ eröffnete, plaidierte für die Nothwendigkeit der Selbständigkeit der Tschechen auch auf dem Gebiete des Handels, damit auch der Handel seinen nationalen Charakter bewahre; „nur den unglück- lichen Umständen, — meinte der Redner — denen unsere Nation Jahrhunderte hindurch ausgesetzt war, ist es zu- zuschreiben, daſs der Handel in Böhmen in uns feindliche Hände, in deutsche Hände gerathen ist ....“ Nach der Rede des Primators wurde bezeichnender Weise der Chor „Svoji k svému“ gesungen. — In den letzten Tagen wurde übrigens von tschechischen Blättern ein neues „Svuj k svému“-Unternehmen angekündigt; es soll nämlich eine „erste tschechische Hutfabrik in Prag“ ins Leben gerufen werden. „Den Gegenstand des Unternehmens — heißt es in den Blättern — wird vor allem die Erzeugung von Strohhüten im Großen, welche sich bisher überhaupt nicht in tschechischen Händen befindet, bilden, eventuell auch die Erzeugung von Filzhüten, und das wird den tschechischen Geschäftsleuten, welche bisher die Erzeugnisse fremder Fabriken bezogen, sicherlich sehr gelegen kommen ...“ (Los von der Socialdemokratie. ) Eine be- merkenswerte Nachricht kommt aus der „freien“ Schweiz, dem Idealstaate der internationalen Genossen. Gegen 200.000 Arbeiter sagen sich los von der socialdemo- kratischen Schwindelpolitik und verfolgen blos wirt- schaftliche Ziele. So beschloss der 184.000 Mann zählende Schweizer Arbeiterbund auf dem in Luzern abgehaltenen Bundestage die Umgestaltung des Gewerk- schaftswesens. Die Gewerkschaften sollen künftighin auf neutralem Boden stehen; Fragen der Politik und Re- ligion sind ausgeschlossen, ebenso solche der socialdemo- kratischen Politit. Eine Versicherung der Arbeitslosen wird gleichfalls angestrebt. Das wird der socialdemo- kratischen Partei einen gewaltigen Rippenstoss versetzen. Man sieht eben, daſs gerade in Ländern, wo sich das Volk größerer politischer Freiheiten erfreut, dasselbe auch alsbald erkennt, daſs in der Politik keineswegs das Heil zu suchen sei. Ein kluger Staatsmann wird gerade durch Ableitung des politischen Streberthums von den Brot- interessenten der Arbeiterschaft, derselben über kurz oder lang die Augen öffnen. (Die Kriegsvorbereitungen in Südafrika.) Der greise Präsident Krüger von Transvaal sendet sieben seiner eigenen Söhne und nicht weniger als 50 Groß- söhne ins Feld. Sämmtliche Mitglieder des Executivraads und alle Abgeordneten der beiden Volksraads greifen zum Gewehr und eilen zu ihren Commandos. Die Aus- rüstung der englischen Truppen befriedigt in vielen Beziehungen nicht. So weist ein hervorragender Feld- officier mit langjähriger afrikanischer Erfahrung darauf hin, daſs man den Leuten den weißen Helm wieder- gegeben, obwohl die Erfahrung des letzten Burenkrieges dessen Gefährlichkeit nachgewiesen habe. Damals fand man die meisten englischen Todten mit Schüssen durch den Kopf, weil die weißen Helme den Buren als treff- liche Zielscheibe dienten, während ihre eigene graubraune Kopfbedeckung sich von den gleichfarbigen Felsen und Terrainerhöhungen durch nichts unterschied. (Eine japanische Heiratsannonce.) Auch im Lande des Mikado streben die jungen Damen dar- nach, sobald als möglich unter die Haube zu kommen. Wenn ihnen dies auf die herkömmliche Art und Weise nicht gelingen will, scheuen sie sich durchaus nicht, ihren geheimen Herzenswunsch öffentlich bekannt werden zu lassen, indem sie ihre Zuflucht zur — Heiratsannonce nehmen. Ein vor Kurzem aus Tokio heimgekehrter Sohn Albions behauptet, daſs es keineswegs zu den Selten- heiten gehäre, in den Anzeigenspalten sapanischer Blätter eine Annonce zu flnden, die ungefähr folgenden poetischen Inhalt hat: „Ich gebe hiermit zu wissen, daſs ich ein hübsches Mädchen bin, ein blumengleiches Gesicht, reiches, schwarzes Haar, perfecte Augenbrauen und eine gute Figur besitze. Ich habe Gelg genug, um mir das Leben angenehm zu machen und meine Jahre mit einem ge- liebten Manne zu verbringen, der stets mein Gefährte bleiben darf. Sollte irgend ein schöner, talentvoller und gebildeter Mann geneigt sein, meine Hand anzunehmen, um bei Tage die lieblichen Blumen und bei Nacht den Mond und die silbernen Sterne mit mir zu bewundern, dann will ich ihm gern mein Leben lang die Treue be- wahren. Und wenn das Leben vorüber ist, bin ich be- reit, in einem Grab mit ihm zu schlummern. Telegrapsiische Racirichiten. Teplitz, 22. Sept. Nachdem Jug. Siegmund auf seiner Resignation als Bürgermeister beharrt, kommt es anfangs nächster Woche zur Neuwahl. Siegmund dürfte als Stadtrath gewählt werden. Die Conferenz? Wien, 22. Sept. Reges Leben herrschte heute im Abgeordnetenhause. Viele Mitglieder sind zu den Besprechungen der reichsräthlichen Clubs erschienen. Vormittag versammelten sich die Mitglieder der deutschen Fortschrittspartei und der duschen Volkspartei zu den Berathungen, während die Christlichsocialen ihre Versammlung im Rath- haus abhielten. Die Mitglieder der deutschen Fort- schrittspartei waren nahezu vollzählig erschienen. Die deutsche Volkspartei tagte unter dem Vorsitze des Abg. Kaiser. Abg. Dr. Lemisch hatte sich trotz seines an Dr. Funke gerichteten Schreibens zur Besprechung seiner Partei eingefunden. Als Er- gebnis der in diesen drei Clubs geführten Debatten kann hingestellt werden, daſs die morgige Obmänner- conferenz die Einladung des Präsidenten Dr. von Fuchs einstimmig ablehnend beantworten wird. Ueber den Beschluss der deutschen Volkspartei wurde folgendes Communiqué ausgegeben: „Die deutsche Volkspartei hat heute in einer fast vollzählig besuchten Clubsitzung die Stellung- nahme zu der vom Präsidenten Dr. v. Fuchs aus- gegangenen Einladung zu einer Conferenz berathen. Es wurde der einstimmige Beschluss gefaſst, den Vorstand zu beauftragen, in der am Samstag den 23. d. M. stattfindenden gemeinsamen Berathung der deutschen oppositionellen Parteien sich gegen die Beschickung der Conferenz auszusprechen.“ Auch diejenigen abwesenden Mitglieder, die ihr Ausbleiben entschuldigt haben, haben in diesem Sinne schriftliche Erklärungen abgegeben. Im An- schluss an diese Berathung fand eine eingehende Besprechung der politischen Lage statt. Die christ-
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