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Nr. 252
Samstag den 5. Nonember 1898
XXII XXXVIII. Jahrgang.
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Herausgeber: Ernest Traniech.
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Tschechischer Uebermuth.
Wenn man wissen will, bis zu welchem Ueber-
maß von Selbstüberschätzung — man kann dem
Worte „Frechheit“ kaum entgehen, — die Tschechen
in Oesterreich bereits gekommen sind, so braucht
man neben der Rede Strauskys nur die vor
kurzem gehaltene Rede Herolds herzunehmen.
Wir Deutschen sind an die tschechischen Ueberhebungen
bereits so sehr gewöhnt, wie manche Familien an
die Ungezogenherten und Lümmelhaftigkeiten irgend
eines kleinen oder halberwachsenen Beugels, der
oft die ganze Familie tyrannisiert. Es gibt in
solchen Familien Leute, die sich an den Streichen
solcher ausgearteten Fratzen sogar noch ergötzen.
Wir sind auch schon daran gewöhnt und gehen zu-
meist auf die tschechischen Bengelhaftigkeiten gar
nicht ein. Wir glauben noch immer, es werde einst
schon wieder der Tag erscheinen, an dem der Hoch-
muth vor den Fall kommt. Zuweilen ist es aber
doch vonnöthen, den bissigsten Köter von den
Waden abzuwehren. Aus den Worten Herolds
spricht entweder der helle Wahnsinn oder die ab-
gefeimteste geschmackloseste Heuchelet. Die Tschechen
benützen einfach die Verlegenheit der Regierung,
welche einen verderblichen, ungerechten Ausgleich
um jeden Preis durchbringen soll, indem sie dieser
Regierung ihre Stimmen für nationale Zugeständ-
nisse geben. Sie thun aber so, als ob sie diesen
Ausgleich selbst verurtheilen würden, für unan-
nehmbar erachteten. „Wir fürchten die österrei-
chischen Regierungen nicht“, sagt Herold, diese
der Regierung, aber er und seine Leute
schachern mit dieser Regierung. „Wir fürchten
den § 14 nicht“ — aber die Tschechen verlangen
von der Regierung, dass sie ihnen ihre Beute auch
„Stütze“
ausliefere, selbst wenn der Ausgleich mittels § 14
gemacht würde. Es ist einfach eine Beutepolitik,
welche von den Tschechen seit Jahren betrieben
wird, sie sind bereits in Böhmen die alleinigen
Herren und ihre Ueberhebung geht bereits so weit,
daſs sie gegen die deutsche Heeressprache sich
auflehnen, aber sie heucheln noch immer die „Zu-
rückgesetzten“ und „Benachtheiligten“.
Es ist die nackteste Heuchelei, wenn Herold
sagt: „Wir sind für eine gesetzliche Regelung der
Sprachenfrage“. Das ist einfach nicht wahr. Jeden
Versuch einer solchen Regelung haben die Tschechen
noch vereitelt, weil sie sich von den Verlegenheiten
der Regierungen und von der Gönnerschaft der
Feudalen noch immer mehr erhofft haben,
als von einer gesetzlichen Regelung. Es ist auch
nicht wahr, dass mit den „Grundzügen“ des Grafen
Thun eine vollständige „Reciprocität“ der beiden
Sprachen bezweckt ist, sowie die Geschichte der
deutschen Schule in Zizkow eine Lüge ist, wenn
sie Herold so darstellt, als ob die Tschechen diese
Schule aus eigener Einsicht errichtet hälten. Diese
Entstellungen liegen auf der Hand. Festgenagelt
verdient zu werden, dass Herolo selbst zugibt, was
die Deutschen immer behauptet haben, daſs nämlich
die „Grundzüge“ Thuns eine Verschlechterung
gegenüber den Gautsch'schen Verordnungen bedeuten
und daſs damit, wie Herold sagt, „in Mähren die
Benützung der deutschen Sprache den Gautsch'schen
Verordnungen gegenüber natürlich eingeengt
worden wäre.“ Der Abg. d'Elvert hat eine
mit frecher Stirne vorgebrachte Lüge des famosen
Dr. Stransky aus der Welt geschafft und es
kehrt sich auch gegen Herold, wenn Elvert den
tschechischen Uebermuth gegen deutsche Städte wie
Brünn beleuchtet hat. In Brünn kann man be-
Warum rüstet England?
Da Frankreich in der Faschoda-Frage einen
vollständigen Rückzug antreten zu wollen scheint,
so wirft sich die Frage auf, weshalb wohl England
in der fieberhaftesten Weise fortrüstet? Wenn man
diese ungeheuere Machtentfaltung nicht als General-
probe für den Ernstfall ansehen will, wird man
nach realpolitischen Beweggründen für dieselbe suchen
müssen.
Alle Meldungen, die anderen Blättern dieser
Tage aus London zugegangen sind, stimmen mit
den unseren dahin überein, daſs die politische Lage
ein verzweifelt ernsthaftes Antlitz zeige. Dr. Karl
Peters, der ein genauer Kenner Englands ist und
jetzt bekanntlich wieder seit längerer Zeit am Themse-
strand weilt, berichtet der „Berliner Wissenschaft-
lichen Correspondenz“, die allgemeine Stimmung
in England sei zur Zeit so entschlossen und kriegerisch,
daſs man die Nachgiebigkeit Frankreichs sehr be-
dauere. Man hätte schon lange Abrechnung mit
dem alten Colonialfeinde halten wollen und sich
darauf gefreut, verschiedene fast verjährte Posten
endlich in Ordnung bringen zu können. Nach anderen
Stimmen aus London wären die Rüstungen in
erster Linie gegen Russland gerichtet, das man
wegen der Besetzung von Niutschwang zur Rechen-
schaft ziehen wolle. Da aber Niutschwang nördlich
von Port Arthur in Talienwan in der Provinz
Schinking, also in der russischen Interessensphäre
liegt, so liegt für England wohl kein Anlass vor,
sich allzusehr zu erregen. Es könnte sich ja Com-
sonders genau beobachten, welche Ziele die Tschechen
verfolgen: die Herstellung eines tschechischen Staats-
gebildes mit Hinauswurf alles Deutschen.
(Original-Beitrag.)
Das Berliner Premierenpublicum hat sich
wieder einmal einem obendrein sehr erfolgreichen
Dichter gegenüber in seiner ganzen Rohheit gezeigt.
Der Verfaſser der „Jugend“ Max Halbe ist Sonn
abend im Lefsingtheater ausgezischt, ausgelacht, ver-
höhnt worden. Kaum daſs man sein Stück hat
ausspielen lasfen. Es war eine echte und rechte
„Hatz“, wie man sie so roh selten erlebt hat. Selt-
samer Weise ist demselben Dichter schon einmal
und in einem anderen Theater und bei einem
andern Stücke dasselbe Schicksal zutheil geworden.
Sein Schwank „Der Amerikafahrer“ ist genau so
hinausgetrommelt, ausgepfiffen und ausgezischt
worden wie seine Tragödie „Der Eroberer“. Und
es muss hinzugefügt werden und ist von Halbes
Verehrern selbst anerkannt worden, daſs namentlich
„Der Eroberer“ eine entschiedene Ablehnung ver-
dient hat. Die Schlechtigkeit der Stücke rechtfertigt
aber niemals die Rohheit des Publicums, zumal
desjenigen Publicums, das sich selbst jedenfalls als
das beste ansieht und über das Schicksal drama-
tischer Arbeiten und oft dramatischer Autoren ent-
scheidet. Ich habe niemals die Bewunderung für
Halbes „Jügend“ getheilt, in welcher ich einzig das
Alter interestant fand, noch weniger konnte ich mich
für seine „Mutter Erde“ begeistern. Trotzdem zeigte
„Die Jugend“, dass Halbe ein Poet ist, der etwas
zu sagen hat und es auch kann. Obwohl also nicht
zu den begeisterten Bewunderern Halbes gehörend,
muſs ich dennoch auf das entschiedenste die Art ver-
dammen, auf welche die im Uebrigen wohlverdiente
Ablehnung erfolgt ist.
Wie kommt es, daſs ein Premierenpublicum
in der Metropole der Intelligenz sich so weit ver-
gessen, so tief sinken kann? Zunächst muſs ich be-
merken, daſs es nicht nur das Berliner Premieren-
publicum ist, das sich solche Ausschreitungen ge-
stattet. Aus einer Münchener Correspondenz des
„Berl. Börs.=Cour.“ ersehe ich, daſs das Münchener
Publicum vor einigen Tagen gleichfalls eine Tragödie
ausgelacht und gegen den Verlasser Frank Wedekind
eine grausame Justiz geübt hat. Diese Duplicität
der Erscheinungen in verschiedenen Städten und
gegenüber verschiedenen Tragödien und Autoren
legt die Frage nahe, ob nicht eine gemeinsame Ur-
sache und Schuld vorhanden ist. Da können wir
nicht umhin, die Theater und die Theaterdichter
selbst zum Theil verantwortlich zu machen. Von
dem Theater geht seit Jahren eine direct verrohende
Wirkung aus. Die Dichter schwelgten geradezu in
Rohheiten. Charaktere, Scenen, Handlung, Sprache
waren roh und nochmals roh — kein Wunder, daſs
gerade dasjenige Publicum, das es sich zur Aufgabe
gemacht hat, alle Premieren zu besuchen, zunächst
und am stärksten inficiert worden ist. — Eine
andere Ursache und Schuld finde ich in der Bru-
talität, mit welcher gewisse Kritiker jede ihnen nicht
genehme, aus berechtigten oder unberechtigten
Gründen von ihnen bekämpfte „Richtung“ in der
dramatischen Production bekämpften und zu Boden
traten. Und es ist nicht einmal bei der bloß bru-
talen Rücksichtslosigkeit geblieben, obwohl diese
schlimm genug ist zumal Geistesarbeitern gegenüber.
Man wurde auch — als mildernden Umstand will
ich noch annehmen, daſs dies aus fanatischem Eifer
für die eigene „Richtung“ geschah — ganz unglaublich
ungerecht. Und Jeder, der nicht bloß eine Zeitung
las, konnte sich von dieser rücksichtslosen Brutalität
und Ungerechtigkeit überzeugen. Daſs in verschie-
denen Zeitungen die Kritiken verschieden lauteten,
ist begreiflich. Die Geschmäcker sind eben ver-
schieden. Aber es wurde direct falsch berichtet. Un-
wahres behauptet, nicht in den Kram Passendes
unterschlagen. Daſs namentlich die kleineren Kri-
tiker dogmatisch Censuren austheilten und nicht auch
nur ein Wort der Begründung übrig hatten für
ihr von dem des Publicums und oft aller anderen
Kritiker abweichendes Urtheil, sei nur nebenbei er-
wähnt. Theaterdirectoren, Theaterdichter und The-
aterkritiker haben sonach das jetzige Premieren-
publicum auf dem Gewissen.
Berliner Brief.
Název souboru:
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