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Nr. 252 Samstag den 5. Nonember 1898 XXII XXXVIII. Jahrgang. Abonnements-Freise: Für Karlsbad: Vierteljährig ...2 fl. .4 f. Bustellung ins Haus pro Quartat 20 kr. Mit Hoſtversendung. Inland: Vierteljahrtg3 fl. albjr6h. 12f. Vierttjrg6 .12„ aähr24 Ausland: Gadeblatt Sarlsbade und Wochenblatt. Erscheint ganzjährig täglich mit Ausnahme nach Sonn- und Feiertagen. Inferate werden nur gegen Voranpzahlung mn- genommen. Prets der Amal gespalteen zeile 6 kr. Vnserate, für den nächsten Tag bestimmt, ds2Uhr NachmiktagsinW ratton und in dera eit„3 Tämmer“, aratentgegen enomen Kanuseriytt werden nicht zurückgegeden Redaktion und Administration ten Huuse „Bellevue“, Stefansprom nade Televhon-Ne. 59. Herausgeber: Ernest Traniech. �it an5 Inserate übernehmen die Annoncen=Bureaus Haasenstein & Vogler in Wien, Rudolf Mosse in Berlin und Wien und sämmtliche anderen Filialen dieser beiden Firmen. Tschechischer Uebermuth. Wenn man wissen will, bis zu welchem Ueber- maß von Selbstüberschätzung — man kann dem Worte „Frechheit“ kaum entgehen, — die Tschechen in Oesterreich bereits gekommen sind, so braucht man neben der Rede Strauskys nur die vor kurzem gehaltene Rede Herolds herzunehmen. Wir Deutschen sind an die tschechischen Ueberhebungen bereits so sehr gewöhnt, wie manche Familien an die Ungezogenherten und Lümmelhaftigkeiten irgend eines kleinen oder halberwachsenen Beugels, der oft die ganze Familie tyrannisiert. Es gibt in solchen Familien Leute, die sich an den Streichen solcher ausgearteten Fratzen sogar noch ergötzen. Wir sind auch schon daran gewöhnt und gehen zu- meist auf die tschechischen Bengelhaftigkeiten gar nicht ein. Wir glauben noch immer, es werde einst schon wieder der Tag erscheinen, an dem der Hoch- muth vor den Fall kommt. Zuweilen ist es aber doch vonnöthen, den bissigsten Köter von den Waden abzuwehren. Aus den Worten Herolds spricht entweder der helle Wahnsinn oder die ab- gefeimteste geschmackloseste Heuchelet. Die Tschechen benützen einfach die Verlegenheit der Regierung, welche einen verderblichen, ungerechten Ausgleich um jeden Preis durchbringen soll, indem sie dieser Regierung ihre Stimmen für nationale Zugeständ- nisse geben. Sie thun aber so, als ob sie diesen Ausgleich selbst verurtheilen würden, für unan- nehmbar erachteten. „Wir fürchten die österrei- chischen Regierungen nicht“, sagt Herold, diese der Regierung, aber er und seine Leute schachern mit dieser Regierung. „Wir fürchten den § 14 nicht“ — aber die Tschechen verlangen von der Regierung, dass sie ihnen ihre Beute auch „Stütze“ ausliefere, selbst wenn der Ausgleich mittels § 14 gemacht würde. Es ist einfach eine Beutepolitik, welche von den Tschechen seit Jahren betrieben wird, sie sind bereits in Böhmen die alleinigen Herren und ihre Ueberhebung geht bereits so weit, daſs sie gegen die deutsche Heeressprache sich auflehnen, aber sie heucheln noch immer die „Zu- rückgesetzten“ und „Benachtheiligten“. Es ist die nackteste Heuchelei, wenn Herold sagt: „Wir sind für eine gesetzliche Regelung der Sprachenfrage“. Das ist einfach nicht wahr. Jeden Versuch einer solchen Regelung haben die Tschechen noch vereitelt, weil sie sich von den Verlegenheiten der Regierungen und von der Gönnerschaft der Feudalen noch immer mehr erhofft haben, als von einer gesetzlichen Regelung. Es ist auch nicht wahr, dass mit den „Grundzügen“ des Grafen Thun eine vollständige „Reciprocität“ der beiden Sprachen bezweckt ist, sowie die Geschichte der deutschen Schule in Zizkow eine Lüge ist, wenn sie Herold so darstellt, als ob die Tschechen diese Schule aus eigener Einsicht errichtet hälten. Diese Entstellungen liegen auf der Hand. Festgenagelt verdient zu werden, dass Herolo selbst zugibt, was die Deutschen immer behauptet haben, daſs nämlich die „Grundzüge“ Thuns eine Verschlechterung gegenüber den Gautsch'schen Verordnungen bedeuten und daſs damit, wie Herold sagt, „in Mähren die Benützung der deutschen Sprache den Gautsch'schen Verordnungen gegenüber natürlich eingeengt worden wäre.“ Der Abg. d'Elvert hat eine mit frecher Stirne vorgebrachte Lüge des famosen Dr. Stransky aus der Welt geschafft und es kehrt sich auch gegen Herold, wenn Elvert den tschechischen Uebermuth gegen deutsche Städte wie Brünn beleuchtet hat. In Brünn kann man be- Warum rüstet England? Da Frankreich in der Faschoda-Frage einen vollständigen Rückzug antreten zu wollen scheint, so wirft sich die Frage auf, weshalb wohl England in der fieberhaftesten Weise fortrüstet? Wenn man diese ungeheuere Machtentfaltung nicht als General- probe für den Ernstfall ansehen will, wird man nach realpolitischen Beweggründen für dieselbe suchen müssen. Alle Meldungen, die anderen Blättern dieser Tage aus London zugegangen sind, stimmen mit den unseren dahin überein, daſs die politische Lage ein verzweifelt ernsthaftes Antlitz zeige. Dr. Karl Peters, der ein genauer Kenner Englands ist und jetzt bekanntlich wieder seit längerer Zeit am Themse- strand weilt, berichtet der „Berliner Wissenschaft- lichen Correspondenz“, die allgemeine Stimmung in England sei zur Zeit so entschlossen und kriegerisch, daſs man die Nachgiebigkeit Frankreichs sehr be- dauere. Man hätte schon lange Abrechnung mit dem alten Colonialfeinde halten wollen und sich darauf gefreut, verschiedene fast verjährte Posten endlich in Ordnung bringen zu können. Nach anderen Stimmen aus London wären die Rüstungen in erster Linie gegen Russland gerichtet, das man wegen der Besetzung von Niutschwang zur Rechen- schaft ziehen wolle. Da aber Niutschwang nördlich von Port Arthur in Talienwan in der Provinz Schinking, also in der russischen Interessensphäre liegt, so liegt für England wohl kein Anlass vor, sich allzusehr zu erregen. Es könnte sich ja Com- sonders genau beobachten, welche Ziele die Tschechen verfolgen: die Herstellung eines tschechischen Staats- gebildes mit Hinauswurf alles Deutschen. (Original-Beitrag.) Das Berliner Premierenpublicum hat sich wieder einmal einem obendrein sehr erfolgreichen Dichter gegenüber in seiner ganzen Rohheit gezeigt. Der Verfaſser der „Jugend“ Max Halbe ist Sonn abend im Lefsingtheater ausgezischt, ausgelacht, ver- höhnt worden. Kaum daſs man sein Stück hat ausspielen lasfen. Es war eine echte und rechte „Hatz“, wie man sie so roh selten erlebt hat. Selt- samer Weise ist demselben Dichter schon einmal und in einem anderen Theater und bei einem andern Stücke dasselbe Schicksal zutheil geworden. Sein Schwank „Der Amerikafahrer“ ist genau so hinausgetrommelt, ausgepfiffen und ausgezischt worden wie seine Tragödie „Der Eroberer“. Und es muss hinzugefügt werden und ist von Halbes Verehrern selbst anerkannt worden, daſs namentlich „Der Eroberer“ eine entschiedene Ablehnung ver- dient hat. Die Schlechtigkeit der Stücke rechtfertigt aber niemals die Rohheit des Publicums, zumal desjenigen Publicums, das sich selbst jedenfalls als das beste ansieht und über das Schicksal drama- tischer Arbeiten und oft dramatischer Autoren ent- scheidet. Ich habe niemals die Bewunderung für Halbes „Jügend“ getheilt, in welcher ich einzig das Alter interestant fand, noch weniger konnte ich mich für seine „Mutter Erde“ begeistern. Trotzdem zeigte „Die Jugend“, dass Halbe ein Poet ist, der etwas zu sagen hat und es auch kann. Obwohl also nicht zu den begeisterten Bewunderern Halbes gehörend, muſs ich dennoch auf das entschiedenste die Art ver- dammen, auf welche die im Uebrigen wohlverdiente Ablehnung erfolgt ist. Wie kommt es, daſs ein Premierenpublicum in der Metropole der Intelligenz sich so weit ver- gessen, so tief sinken kann? Zunächst muſs ich be- merken, daſs es nicht nur das Berliner Premieren- publicum ist, das sich solche Ausschreitungen ge- stattet. Aus einer Münchener Correspondenz des „Berl. Börs.=Cour.“ ersehe ich, daſs das Münchener Publicum vor einigen Tagen gleichfalls eine Tragödie ausgelacht und gegen den Verlasser Frank Wedekind eine grausame Justiz geübt hat. Diese Duplicität der Erscheinungen in verschiedenen Städten und gegenüber verschiedenen Tragödien und Autoren legt die Frage nahe, ob nicht eine gemeinsame Ur- sache und Schuld vorhanden ist. Da können wir nicht umhin, die Theater und die Theaterdichter selbst zum Theil verantwortlich zu machen. Von dem Theater geht seit Jahren eine direct verrohende Wirkung aus. Die Dichter schwelgten geradezu in Rohheiten. Charaktere, Scenen, Handlung, Sprache waren roh und nochmals roh — kein Wunder, daſs gerade dasjenige Publicum, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, alle Premieren zu besuchen, zunächst und am stärksten inficiert worden ist. — Eine andere Ursache und Schuld finde ich in der Bru- talität, mit welcher gewisse Kritiker jede ihnen nicht genehme, aus berechtigten oder unberechtigten Gründen von ihnen bekämpfte „Richtung“ in der dramatischen Production bekämpften und zu Boden traten. Und es ist nicht einmal bei der bloß bru- talen Rücksichtslosigkeit geblieben, obwohl diese schlimm genug ist zumal Geistesarbeitern gegenüber. Man wurde auch — als mildernden Umstand will ich noch annehmen, daſs dies aus fanatischem Eifer für die eigene „Richtung“ geschah — ganz unglaublich ungerecht. Und Jeder, der nicht bloß eine Zeitung las, konnte sich von dieser rücksichtslosen Brutalität und Ungerechtigkeit überzeugen. Daſs in verschie- denen Zeitungen die Kritiken verschieden lauteten, ist begreiflich. Die Geschmäcker sind eben ver- schieden. Aber es wurde direct falsch berichtet. Un- wahres behauptet, nicht in den Kram Passendes unterschlagen. Daſs namentlich die kleineren Kri- tiker dogmatisch Censuren austheilten und nicht auch nur ein Wort der Begründung übrig hatten für ihr von dem des Publicums und oft aller anderen Kritiker abweichendes Urtheil, sei nur nebenbei er- wähnt. Theaterdirectoren, Theaterdichter und The- aterkritiker haben sonach das jetzige Premieren- publicum auf dem Gewissen. Berliner Brief.
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