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Nr. 223
Samstag den 1. October 1898
XXIIXXXvI. Jahrgang.
Karlsbader
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Vierteljährig
Ausland:
.
Christlich-Socialen mit den Deutschen gehen. Alle
Deutschen standen Schulter an Schulter und sagten
es dem Ministerpräsidenten offen ins Gesicht, daſs
er sie vergewaltigen, aber nicht foppen werde. Es
klang wie eine große erhabene Mahnung durch den
Saal, wie ein mene tekel....
Schon heute nachmittag hieß es, Dr. Bärn-
reither habe demissioniert; es ist kein Zweifel mehr,
daſs bei dieser Nachricht höchstens der Zeitpunkt
um einige Stunden verfrüht sein kann. Die Ge-
walt tritt in ihre Rechte, das können die Deutschen
nicht aufhalten und es ist nur selbstverständlich, daſs
ein Deutscher diese Gewaltschritte nicht mitmacht.
Der entscheidende Moment hat sie groß gefunden,
das überhebt sie jeder Sorge um die Zukunft.
Heute ist es documentiert, daſs die Deutschen uicht
schuld sind, wenn der Ausgleich mit dem § 14
gemacht werden muss. Sie haben einmüthig be-
kundet, daſs sie den Ausgleich mit Ungarn für eine
Nothwendigkeit halten, daſs sie selbst zu dem großen
Opfer bereit sind, die brennende, die vitalsten In-
teressen ihres Volkes berührende Frage der Sprachen-
verordnung für eine Zeit zurückzustellen, um den
Ausgleich zu berathen. Nun mag Graf Thun der
Krone berichten, die Deutschen wollten nicht. Selbst
der Abg. Wolf, also der Radicalste der Deutschen,
hat vor dem Opfermuth seiner Genossen die Achtung
bezeugt; er hat zwar pessimistisch den Erfolg des
Opfers bezweifelt — und den bezweifeln ja alle
Deutschen mit ihm — aber er hat die Tactik der
Genossen mit keinem Worte getadelt. Also auch
ihn hat der harte Moment groß gefunden — klein
war nur die Ministerbank und das Präsidium;
klein, erbärmlich klein. Graf Thun verkroch sich
förmlich in seinen Lehnstuhl, als ihm die böse Wahr-
heit klipp und klar ins Gesicht gesagt wurde, daſs
er sich nur ärgere, weil er die Absichten der Deutschen
nicht kenne, daſs aber sein Plan durchkreuzt sei,
Klar zum Gesecht.
[O-B.] Wien, 29. September.
Das Parlament hatte heute einen „großen
Tag“; es hat solche Tage während des letzten De-
cenniums nicht viele gesehen. Aus kleinen Anfängen
heraus, ganz unscheinbar entwickelte sich der Conflict,
der in großen, von national-patriotischem Geiste ge-
tragenen Worten die Entscheidung bringen sollte,
ob das Ministerium Thun wirklich mit Zustimmung
der Deutschen die Verfassung gewaltsam umbringen
darf. Es war bereits bekannt geworden, daſs Baron
Schwegel vom verfassungstreuen Großgrundbesitze
den Dringlichktitsantrag einbringen, resp. begründen
werde, die Ausgleichsvorlagen vor allen anderen
Anträgen zur Verhandlung zu bringen. Der Abg.
Daszeinski wollte zur Vermeidung eines Präjudiz-
falles den Gebrauch gewahrt wissen, dass vorher
Vertreter der Dringlichkeitsanträge gefragt
werden, ob sie den Vorrang einräumen. Dem
Bräsidenten Fuchs, welcher gleich nach dem Antrage
des Baron Schwegel verkündet hatte, er könne den
Dringlichkeitsantrag nicht vor der Regierungsvor-
lage zur Debatte zulassen, warf der Abg. Steia-
dender in kurzen Worten treffend das Urtheil über
slch ein Vorgehen zu: „Es ist dem Ministerium
ja gar nicht um den Ausgleich zu thun, im Gegen-
theile, man will uns reizen, damit man diesen
unge
geheuerlichen Ausgleich mit dem § 14 abschließen
könne.“ „Nehmen Sie sich in Acht,“ rief er in auf-
richtiger Entrüstung dem Grafen Thun zu „Sie
spielen nicht mit uns, sondern mit dem Staate...“
Die Worte Steinwenders waren das Signum der
Situation; die nachfolgenden deutschen Redner be-
ftätigten nur das Urtheil. Dr. Groß bespöttelte
Verfaffungssorgen des Baron Dipauli, Lueger,
obzwar durch einen boshaften Zwischenruf Wolfs
heftigen Zorn versetzt, bekundete, daſs auch die
dem Monarchen berichten zu können, es sei mit
den Deutschen nichts mehr zu machen. Wenn der
Kladderadaisch nun kommt, wird er keinen Mitternich
finden; die Pose haben die Deutschen dem Grasen
Thun gründlich verleidet.
Local-Nachrichten.
(Die Vergebung des Stadttheaters)
an Herrn Director Raul' für ein weiteres Jahr
wurde, wie bereits gemeldet, in der vorgestrigen
Stadtverordneten-Sitzung einstimmig beschlossen,
indem von einer öffentlichen Ausschreibung Abstand
genommen wurde. Herr Stadtrath Dr. Becher,
der das betreffende Referat erstattete, streifte bei
diesem Anlasse auch die im heurigen Frühjahre an-
geregte Wintertheaterfrage und hob dasselbe
Moment, welches wir wiederholt schon
ins Treffen führten, hervor, nämlich,
daſs der Stadtrath zur Ansicht kam, daſs er mit
Rücksicht auf die hohen Regiekosten und
die voraussichtliche mindere Frequenz
zumindest für die nächsten Jahre ein Wintertheater
im heutigen Stad theater und in städtischer Regie
nicht zu begründen in der Lage wäre.
Herr Stadtrath Dr. Becher wies jedoch auf das
in zwei Jahren fertigzustellende Schützen-Eta-
blissement hin, durch welches die Möglichkeit ge-
boten sein dürfte, die Wintertheaterfrage auf abseh-
bare Zeit zu lösen. Es sei dies heute freilich noch
eine offene Frage und wäre der Stadtrath noch
nicht in die Lage versetzt worden, dieselbe zu ven-
tilieren, immerhin dürfte diese Möglichkeit nicht
außer Acht gelassen werden. — Wir haben dem
Ganzen nichts hinzuzufügen, denn Herr Stadtrath
Dr. Becher brachte dasselbe vor, was wir vor
Monaten schon behaupteten. Wäre es halbwegs
Welt-Nahrungssorgen.
In gewissen Zwischenräumen findet sich immer
irgend ein Gelehrter oder Statistiker, der uns aus-
rechnet, wann die Sonne ihre Leuchtkraft verliete,
Kohlenvorrath der Erde aufhören müsse u. s. w.
Zur Abwechslung tritt jetzt, ein übrigens sehr be-
währter Gelehrter, Sir William Crootes, auf, der
auf Grund einer ausführlichen Statistik nachzuweisen
sucht, daſs wahrscheinlich bereits für die nächste Zeit
Brotbedarf der Welt durch die Weizenernte
nicht mehr gedeckt werden, und daſs spätestens nach
einer weiteren Generation ein chronischer Brotmangel
eintreten würde, da dann aller für den Weizenbau
geeigneter Boden aufgebraucht sei oder doch im
Verhältnis zu der fortschreitenden Bevölkerungs-
zunahme aller Staaten keine ausreichende Ernte
mehr zu liefern im Stande sein würde. Um nun
ein Beispiel herauszugreifen: Die Vereinigten Staaten,
gegenwärtig das bedeutendste Ausführland für Weizen,
exportieren jetzt von diesem Getreide jährlich 150
Millionen Büschel. In wenigen Jahrzehnten aber
wird sich die Bevölterung der Vereinigten Staaten
soweit vermehrt
im Lande selbst verbraucht werden wird und
haben, daſs die gesammte Weizen-
vielleicht noch Weizen eingeführt werden muss. Dann
fällt also der gesammte jetzige Weizen-Export der
Vereinigten Staaten für den Bedarf anderer Staaten
fort. Da nun die Bevölkerungszunahme in anderen
Staaten ebenso fortschreitet, so ist es klar, daſs
sich ein schweres Missverhältnis zwischen der ver-
fügbaren Weizenmenge und dem Bedarf nach Brot
herausstellen muss. Da der Weizenbau an be-
stimmte günstige Bedingungen des Klimas und
Bodens gebunden ist, so daſs, wie gesagt, die jetzt
noch vorhandenen, für diese Cultur günstigen Ge-
biete bald zur Production herbeigezogen sein werden,
so ist denn eine Steigerung der Welternte nur
durch eine Erhöhung des Ertrages möglich. Zu
einer solchen Erhöhung des Ertrages ist das her-
vorragendste Mittel die Stickstoffdüngung der Felder.
Da kommt nun aber eine weitere Schwierigkeit in
den Weg.
Sir William Crookes weist darauf hin, daſs
der natürliche Vorrath an festem Stickstoff in den
Salpeterlagern ꝛc. in absehbarer Zeit aufgebraucht
sein wird, aber Sir W. Crookes weiß einen Aus-
weg! Er hat durch ein Experiment nachgewiesen,
daſs man den Stickstoff der Luft, die bekanntlich
einen unerschöpflichen Vorrat davon birgt, durch
einen starken electrischen Inductionsstrom in feste
Form überführen kann. Wollte man hierzu Dampf-
kraft anwenden, so würde die Erzeugung von Sal-
peter aus der Luft freilich zu kostspielig sein, als
daſs dieses Product als Dünger in der Landwirt-
schaft Verwendung sinden könnte. Anders wenn
Wasserkraft zur Erzeugung von Electricität ver-
wandt wird, und da führt Sir William Crooke
aus, daſs die Wasserkraft der Niagara-Fälle genügen
würde, soviel electrischen Strom zu erzeugen, dass
er die ganze Landwirtschaft der Welt mit künstlichem
Stickstoffdünger zu mäßigem Preise versorgen könnte.
Gott sei Dank! Falls das Experiment, das
Sir William Crookes aber, wie das oft bei Experi-
menten vorkommt, im Großen sich nicht als practisch
erweisen sollte, wird es den Lesern ein Trost sein,
daran zu danken, daſs Herrn Crookes Exempel
einen kleinen Fehler hat. Wenn das Getreide
knapper wird, hört die jetzige rapide Bevölkerungs-
zunahme auf und das propbezeite Malheur verschiebt
sich gleich wesentlich. Außerdem gebt es Pflanzen
von weit größerem Nährwett als Weizen, und man
wird sie dann bevorzugen und pflegen. So enthäl,
z. B. die Soja Bohne mehr Futter und Eiweißstoff,
als die Erbse, über d eimal mehr als Hafer und
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