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24. August 1898
„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 192
ein Schnelldampfer ausgesendet, um den gestern
von Sau Francisco abgegangenen Transport-
Dampfer zurückzuholen.
San Jrancisko, 23. August. Nach einer
Meldung aus Honolulu wurde die hawaiische Flagge
am 12. August von den öffentlichen Gebäuden ent-
fernt und sodann die amerikanische Flagge gehisst.
Hierauf wurde eine Proclamation Mac Kinley's
verlesen, welche besagt, dass sämmtliche gegen-
wärtigen Beamten ihre Posten beibehalten, jedoch
den Eid der Treue gegenüber oen Vereinigten
Staaten zu leisten haben werden.
New Vork, 23. August. Vier Transportschiffe
mit 1400 Mann Soldaten sind in Mondank Point
angekommen.
sowie Herr Erzherzog Karl Stefan mit Frau Erz-
herzogin Eleonora sind hier eingetroffen.
Dresden, 23. Aug. Die Prinzessin Friedrich
August wurde heute Abend in Villa Wachwitz von
einer Prinzessin entbunden, welche kurz nach der
Geburt starb.
Paris, 23. Aug. Ein großer Sturm hat
die bisherige heiße Temperatur abg kühlt.
Paris, 23. Aug. Mehrere Blätter glauben
versichern zu können, dass Untersuchungsrichter
Fabre morgen seine Verfügungen treffen und
Picquart und Leblois auf Grund des Artikels 1
und 2 des Spion gegesetzes verfolgen lassen werde.
Das „Journal“ fügt bet, daſs die Durchführung
dieses Processes Ueberraschuagen bringen dürfte.
Die Untersuchung hätte Anhaltspunkte dafür er-
geben, daſs ganz andere Personen zu beschuldigen
wären, und zwar in ernster Art und mit vollstäu-
digen Beweisen. Es wird der öffentlichen Meinung
in viel ausgiebigerem Maße, als man es zu er-
warten gewagt hätte, Genugthuung geboten werden.
Constantinopel, 23. August. Die Pforte hat
auf die Noten der serbischen Gesandschaft vom
26. Mai und 9. August mit einer Note geantwortet,
worin sie erklärt, daſs Saad Edin Pascha beauf-
tragt sei, über die in den serbischen Noten angeführten
Gewaltocte in Uesküb eine Untersuchung zu eröffnen.
Vokohama, 23. August. Die Streitigkeiten
wegen der Wahlunregelmäßigkeiten sind durch den
Rücktritt des Viceministers der Justiz, Yamada,
beendet worden.
Kapstadt, 23. August. (Meldung des Reuter'-
schen Bureaus.) Die Stadt George wählte zwei
Candidaten des Afrikaner-Bonds; Robertson, von der
Partei Rhode's, welcher den Wahlkreis zwanzig
Jahre hindurch vertreten hatte, ist gegen eine große
Majorität unterlegen. Der bisherige Verlauf der
Wahlen ist entschieden gegen Rhodes.
Madras, 22. Aug. In der Zeit vom 13.
bis 19. d. M. kamen hier 91 Toresfälle an Cholera
vor. Die Ep'demie breitet sich immer weiter aus.
Madrid, 23. Aug. Das Amtsblatt meldet
die Verlethung des Ordens Cul III. an eine
Reihe französischer Würdenträger, u. zw. das G oß-
kreuz an den Minister des Aeußern Delcassé und
die Botschafter Cambon und Patenotre, das
Comthurkreuz mit dem Stern an die Botschafts-
secretäre Thiebaut und Pasteur und das einfache
Comthurkrenz an die Militäraltaches Exelmans
und de Grandprey und an den Botschaftsseccetär
de Siynes.
Telegrapsiische Nacirichiten.
Wien, 23. August. Prinz Danilo von
Montenegro ist heute vormittags nach Karls-
bad abgereist.
Wien, 23. August. Das Landes- als Appell-
gericht hat heute das Urtheil des Bezirksgerichtes,
durch welches über den Director des Wiener Magi-
strates und mehrere Magistratsbeamte wegen Miß-
brauchs der Amtsgewalt, begangen durch Hausdurch-
suchung der im kaufmännischen Vereine Angestellten
größere Strafen verhängt wurden, bestätigt.
Wien, 23. August. Gestern abend hielt ein
Sicherheitswachmann einen jungen, anscheinend dem
Handwerkerstande angehörenden Burschen an und
führte ihn behufs der Vorweisung der Legitimationen
auf die Wachstube. Als der Bursche das Wach-
zimmer betrat, zog er, ohne daß ihn jemand hindern
konnte einen Revolver aus der Tasche und feuerte
einen Schuß gegen sein Herz ab. Der Selbst-
mörder, der keinerlei Papiere bei sich trug, hat am
rechten Unterarme die Tätowierung „15. 21.“ und
am rechten Oberarme die der Zahl „15.“
Ischl, 23, August. Der holländische Pianist
Martinius Sievskin unterließ es gestern,
als ein katholischer Priester eine Procession
führte, den Hut abzunehmen. Da legte
sich von rückwärts die Hand des Geistlichen auf
die Schulter des Fremden. „Warum ziehen Sie
nicht den Hut“ fragte der Geistliche. Sievekin,
der Protestant ist, antwortete in französischer Sprache
er verstehe nicht. Darauf erwiderte Priester: Ob
Sie ein Jude, Mohamedauer oder Atheist sind,
Sie haben in einem katholischen Lande den Hut
zu ziehen. Nun soll der Künstler eine barsche Ant-
wort gegeben haben. Die Menge ergriff Partei
gegen den Holländer und drang in seine Wohnung.
Auch wurde die Anzeige gegen ihn erstaltet. Da
er abends in einem Wohlthätigkeitsconcert auf-
treten sollte, erwirkte der Bürgermeister, daſs er bis
dahin in Freiheit belassen wurde. Doch war-
teten vor dem Locale Gendarme,
um ihn gleich nach dem Concerte zu verbafsen.
Er wurde auch thatsächlich verhaftet.
Der Vorfall erregt Aufsehen. Der Bürgermeister
und der Kurarzt werden um Audienz beim Kaiser
ansuchen. Das Publicum befindet sich in großer
Erregung. Selbst der Canonicus sprach sich ent-
schieden gegen das Vorgehen des jungen Geist-
lichen aus.
Brünn, 23. Aug. Das Brünner Ferien-
heim im Bade Groß-Uilersdorf ist gestern obends
niedergebrannt. — Vor 14 Tagen waren 120
Brünner Kinder dahin abgegangen.
Budapest, 23. August. Dem „P. Naplo“ wird
aus verlässlicher Quelle gemeldet, die Regierung be-
ich
ige die Aufhebung der Sprachenverordnungen,
um die Klärung der innerpolitischen Situation herbei-
zuführen. Die Aufhebung soll in kürzester Frist er-
folgen.
Ministerpräsident Graf Thun, Finanz-
mimist-
reither begaben sich heute nach Budapest, wo morgen
Dr. Kaizl und Handesminister Dr. Baern-
die Conferenzen der beiderseitigen Minister beginnen.
Budapest findet heute schon eine Conferenz der
Minister statt.
Lemberg, 23. August In Niemci ist die
noenarüe Kasimir infolge Unachtsamkeit von
Arge
gestellten ersoffen. 1800 Arbeiter sind infalge
ssen broblos.
Triest, 23. August. In einer hiesigen be-
lebten Straßze sprach gestern nachmittags ein Infanterie-
hauptmann mit zwei Fräulein. Ein jüngerer Handels-
gent
stieß ohne Absicht an eines der Fräulein an,
i ihm der Hut vom Kopfe fiel. Vom Officier
Rede gestellt, antwortete er in einem Tone, den
Fragesteller für beleidigend hielt. Der Haupt-
mann.
zog den Säbel und hieb ihn über den Kopf,
wobei er ihn ziemlich schwer an der rechten Schläfe
verwundete. Die angesammelte Menge brach in
Entrüstung aus. Der Hauptmann verständigte die
Polizei von dem Vorfalle. Der Verwundete begab
„zur Rettungsstation, wo man ihm die erste
Hilfe leistete.
Berlin, 23. Aug. Wie der „Localanzeiger“
„Hammerfest meldet, sind alle Bemühungen der
hber-
funden
genexpedition die Spuren Andrées aufzu-
erfolglos geblieben.
Berlin 23. Auguft. Herr Erzherzog Eugen
(Adjustirung der Landwehr Cadetten-
schüler) Laut einer Verordnung des Landes-
vertheidigung-Ministers vom 12 d. sind in Hinkunft
die Waffenröcke und Mäntel für die Zöglinge der
Landweyrcadettenschule in Form und Schnitt wie
für Cadet-Officiers-Stellvertreter der Landwehr-
Fußtruppen, die ersteren jedoch mit Achselwülsten,
zu erzeugen, demnach auch zu passepoiliren; ferner
erhalten die Zöglinge statt der schafwollenen Por-
tep és solche aus Seide. Die Gamaschen werden
aus der Adjustierung sämmtlicher Zöglinge, die
Plzröcke aus jener der Zöglinge der Cavallerie-
Abtheilung, ausgeschieden. Die noch präsenzdienst-
pflichtigen, als Lehrgehilfen oder Aufsichts Chargen
fungierenden Unterofficiere sind mit halbfeinen
Monturssorten zu betheilen.
(Die Dräten der Handlungsrei-
senden.) Das Wierer Handels- als Berufungs-
gericht fällte dieser Tage eine bemerkenswerte Ent-
scheidung. Eine Firma kündigte ihrem Reisenden,
worauf dieser nicht bloß seinen dreimonatlichen Ge-
halt, sondern auch die auf diese Zeit entfallenden
Diäten forderte. Die Firma überreichte nun beim
Bezirksgerichte in Handelssachen gegen den Rei-
senden eine Klage, worin begehrt wurde, festzustellen,
daſs der Reisende auf Vergutung der Diäten keinen
Anspruch habe. Das Bezirksgericht wies jedoch die
Klage ab, und die klägerische Firma berief an das
Handelsgericht. Dieses erkannte, daſs der Reisende
nach § 1155 a. b. Gb. ein Anrecht auf Reisediäten
während der Kündigungsfrest habe.
Bermischtes
(Aus der Fülle von Bismarck-Erinnerungen.)
mögen nachstehend noch einige hervorgehoben werden: Bei
den Verhandlungen über die Kriegsentschädigung Frank-
reichs zwischen Jules Favre und Bismarck war auch der
Bankier Gerson von Bleichröder als Sachverständiger zu-
gegen. Favre war außer sich über die Forderung von
fünf Milliarden und meinte, um seinem Gegner das Ueber-
triebene derselben einleuchtend zu machen, selbst wenn man
von Christi Zeiten bis auf diese Stunde zählen wollte, so
würde man mit einer solch ungeheueren Summe nicht
zu stande kommen. „O“, erwiderte Bismarck, „seien Sie
außer Sorgen. Dafür habe ich diesen Herrn mitgebracht“,
er deutete dabei auf Bleichröder, „der zählt von Erschaffung
der Welt an.“ — Vom Einzuge der deutschen Truppen
in Paris erzählt Bismarck folgende Episode: „Ich konnte
der Versuchung nicht widerstehen, wenigstens ein Stück mit
hineinzureiten; die Leute am Thore muſsten mich erkannt
haben und blickten mich finster und drohend an, besonders
aber die Männer. Ich kannte aber meine Leute. So ritt
ich auf einen zu, der besonders trotzig und verwegen aus-
sah, zog eine Cigarre heraus und bat ihn höflich um Feuer-
Sogleich gab er mir seine kurze Thonpfeife, und zwar mit
verbindlichster Geberde.“ — Ein anderes Mal bemerkte
Fürst Bismarck drastisch: „Man kann dem Franzosen Fünf-
undzwanzig aufzählen; wenn man ihm dabei nur eine
schöne Rede von der Freiheit und Menschenwürde hält
die sich darin ausdrückt, und die entsprechende Attitude
dazu macht, so bildet er sich ein, er wird nicht geprügelt.“
(Ueber das Testament des Fürsten Bismarck)
wird der „Danz. Ztg.“ von einem ihrer Berichterstatter
mitgetheilt: Mir lag das Testament des Fürsten v. Bis-
marck vor. Danach hat Graf Wilhelm die sämmtlichen
pommerschen Güter erhalten, außer Rheinfeld im Kreise
Rummelsburg, das an den Fürsten Herbert v. Bismarck
fiel. Der Fürst erhielt ferner sämmtliche Kleinodien usw.
die mit einem Werte von einer Million angegeben sind
und bei Bleichröder deponiert waren. Hieraus hat der
Fürst Herbert an seinen Bruder noch 300.000 M. zu
zahlen. Die Töchter des Grafen Wilhelm, drei an der
Amerika und Spanien.
Madrid, 23. August. Ein Telegramm des
stellvertretenden Generalgouverneurs der Philippinen
General Yaudenes am 20. August meldet, er habe
die Depesche der Regierung über die Unterzeichnung
des Friedensprotokolles nicht erhalten. Der Ge-
neral fügt hinzu, die Insurgenten fahren fort, die
spanischen Truppen anzugreifen. Das Telegramm
nimmt ferner auf frühere Meldungen Bezug, welche
Einzelheiten über den Fall Manila's enthielten.
Man vermuthet, daſs diese Meldungen, welche nicht
eingetroffen sind, von den Amerikanern abgefangen
wurden.
Madrid, 23. August. Die Minister beobachten
über die letzte Ministerrathssitzung, bei welcher die
Discussion namentlich inbetreff der inneren Politik
sehr ledhaft gewesen sein soll, strenge Zurück-
haltung. General Yaudenes beklagte sich in einer
Dep sche darüber, daſs alle verfügbaren Localitäten
in Manila von den Amerikanern besetzt worden seien;
die spanischen Soldaten schlafen massenweise in
Kirchen oder sonst wo immer, sodass man den
Ausbruch einer Epidemie befürchtet.
Gibrattar, 23. Angust Die bei Algec ras
b findlichen panischen Jngenieur Compagnien er-
vielten den Befehl, nach M drid abzugeben. Eine
Abtheilung der spänischen Artillerie, welche kürzlich
nah Alg ctras entsendet worden war, erhielt den
Befehl sich nach Sevilla zu begeben.
New-York, 23. August. Commodore Schley
ist erkrankt. Nach einem Telegramm aus Havannah
habe der Insurgentenführer Garcia neuerlich seine
Demission als Commandant der cubanischen Truppen
gegeben. Die Dem ss on sei angenommen worden.
Walhington, 23. Aug. Nach den Philippinen
sollen keine Truppen mehr abgehen. Es wurde
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