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Seite 2 „Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 149. 3. Juli 1898 Morgen Montag: Stadttheater. Unter der Direction Em. Raul. Gastspiel Dr. Rudolf Tyrolt, erster Charakterkomiker vom deutschen Volkstheater in Wien. Das grobe Hemd. Volksstück in vier Acten von C. Karlweis. Cassastunden von 8 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags und von 3 bis 5 Uhr nachmittags. Anfang halb 7 Uhr. Etablissement Posthof. Nachmittags Concert der Kurkapelle. 1. Marche characteristique, op. 121, C-dur von Frz. Schubert 2. Ouverture zum „Sommernachtstraum“ v. Mendels- sohn 3. Leuchtenberg. Walzer von A. Labitzky 4. Furientanz und Reigen seliger Geister a. d. Op. „Orpheus und Eurydice“ von Gluck 5. Rhapsodie hongroise Nr. 1 von Frz. Lißt 6. Danse Macabre, Poëme Symphonique v. Saint-Saëns 7. a) Herzwunden, b) Frühling, Melodien für Streich- orchester von E. Grieg. Anfang 4 Uhr. — Entree 50 kr. Stadtpark. Abend-Concert der Kur-Kapelle. Anfang halb 8 Uhr. Etablissement Pupp. Nachmittags-Concert der Pleier'schen Corcert-Kapelle. 1. Amerikanische Fest-Hymne „General Washington“ von Sieberg Ouverture z. Op. „Mignon“ von Thomas 3. Nachtschwärmer, Walzer von Ziehrer 4. Fantasie a. d. Op. „Cavalleria rusticana“ von Mascagni 5. Masch, Mazurka von Meyer-Hellmund 6. Klänge aus Amerika, Potpourri über amerikanische Nationalmelodien von Saddler 'Schatzerl! Gavotte v. F. Sabathil 8. Mutterwitz, Polka schnell von Ziehrer. Anfang 4 Uhr. Hotel gold Schild. Abend-Concert der Pleier'- schen Concert-Kapelle. 1. The Stars and Stripes Forever, Marsch von Sousa 2. Ouverture z. Optte. „Simplicius“ v. Joh. Strauß 3. Donaunixe, Walzer von Bayer 4. Chor et Lied a. d. Op. „Der Postillon von Lonju- meau“ von Adam 5. Ouverture z. Ballet-Pantomime „Struwelpeter“ von Heuberger 6. Amerika, National Airs von Moses 7. Wintergartensterne, Lieder-Walzer von Kersten 8. Kosakenritt, Polka schnell von Millöcker. Anfang halb 8 Uhr. Etablissement Jägerhaus. Nachmittags-Con- cert der Eberhart'schen Concert-Kapelle. 1. The High School Cadets, Marsch von Sousa 2. Fest-Ouverture von Leutner 3. Geschichten aus dem Wiener Wald, Walzer v. Strauß 4. 'S kommt ein Vogel geflogen, Humoresle v. Ochs 5. Spanische Fantasie für Harfe=Solo von Holy 6. Für lustige Leut, Potpourri von Komzak 7. Scene de Ballet, Intermezzo für Streichinstrumente von E. Eberhart 8. The Picadare, Marsch von Sousa. Anfang 4 Uhr. Das Ministerium Brisson. Die Zeiten sind ja längst vorbei, da die ganze Welt mit Spannung und Sorge nach Paris blickte, wenn dort ein Ministerwechsel eintrat. Frankreich ist nicht mehr die tonangebende Macht und, was mindestens ebenso erfreulich ist, es ist nicht mehr das Land, das nicht existiren zu können schien, ohne andere Länder zu beunruhigen oder Rache- und Eroberungspläne gegen Deutschland im Schilde zu führen. Dann kam eine Zeit, da die Ministerien so schnell einander folgten, daſs das Interesse des Auslandes erschöpft war. Aber dem eben in Paris neu gebildeten Ministerium Brisson bringt man doch allenthalben Aufmerksamkeit entgegen, nicht blos, weil das vorangegangene Ministerium Meline sich einer für französische Verhältnisse ungewöhnlich langen Lebensdauer erfreut hatte, sondern auch, weil es das seltsamste Cabinet ist, das seit lange in Frankreich regiert hat und auf die seltsamste Weise zu Stande gekommen ist. Ein altgriechischer Staatsmann hatte einmal gesagt, ein Kind beherrsche Griechenland. Denn er beherrsche Griechenland, seine Frau beherrsche ihn und ihr Kind beherrsche die Frau, folglich beherrschte thatsächlich das ohnmächtige Kind Griechenland. Nach dieser Analogie hat nicht Präsident Faure, nicht die Kammer, nicht Brisson das jetzige Cabinet gebildet, sondern der bemittleidenswerteste und ohn- mächtigste Franzose, der auf die Teufelsinsel ver- bannte Ex-Capitän Dreyfus. Denn nach allgemeiner Ueberzeugung ist ein Cabinet Brisson nur möglich geworden, weil Cavaignac das Kriegsportefeuille erhalten und Brisson das Justizportefeuille nicht übernommen hat und Beides geschah lediglich aus Rücksicht auf die unselige Dreyfusfrage. Nicht daſs nicht Brisson so gut und mehr wie die meisten französischen Staatsmänner Anspruch hätte auf die Leitung der Staatsgeschäfte. Brisson erfreut sich eines tadellosen Rufes; er gehört zu den sehr wenigen französischen Staatsmännern, die sich nicht an Staats-, Panama- und anderen Geldern be- reichert haben. Er lebt ärmlich und ist arm und wird wegen seiner strengen Rechtlichkeit „der Strenge“ „l'Austerl“ genannt. Selbst die in Paris wie nirgends heimische und verbreitete Schmutzpresse hat es nicht gewagt, diesen Mann mit ihrem Geifer zu bespritzen. Und das will viel sagen nach den Er- fahrungen, die man in Paris mit ersten Männern gemacht hat, nach den niederträchtigen Angriffen, die man sich gegen Männer von so zu sagen welt- berühmter Ehrenhaftigkeit wie Scheurer Kestaer, Zola. Picquart und viele Andere mehr erlaubt hat. Brisson war Kammerpräsident, d. h. hatte den dritten Ehrenposten der Republik inne gehabt, war nach Ferry's Sturz im Jahre 1885 Cabinetschef gewesen, hatte also den zweiten Ehrenposten inne, und ist wiederholt bei der Besetzung des ersten Ehrenpostens, desjenigen eines Präsidenten der Republik ernsthaft in Betracht gekommen. Es ist also durchaus nicht absonderlich, dass dieser Mann den Auftrag zur Cabinets bildung er- halten, übernommen und ausgeführt hat. Absonder- lich ist nur, daſs dies gerade jetzt geschehen ist. Denn die neugewählte Kammer hat durchaus keinen allzu radicalen Anstrich; glaubte man doch in ihr sogar eine Majorität zu' finden für das Ministerium Meline, das doch alles andere eher als radical war. Absonderlich auch ist, daſs Brisson Ministerpräsident wird, wenige Tage nachdem die Kammer ihn, aller- dings mit nur sehr schwacher Majorität als ihren Präsidenten abgelehnt hat. Das weitaus Sonder- barste aber ist, daſs dieser streng rechtliche Mann es über sich genommen haben soll, ein Cabinet zu bilden, das, wie anscheinend die Aufnahme Cavaig- nacs beweist, die Aufgabe hat, eine der himmel- schreiendsten Ungerechtigkeiten, welche die Weltge- schichte kennt und welche die zeitgenössische Welt der Intellectuellen aller Länder so scharf als nur möglich verurtheilt hat, zu dulden, fortdauern zu lassen, d. h. die R vision des Dreyfus-Prozesses zu verhindern. Wenn das gar so sonderbar ist und im Widerspruch steht mit der ganzen Vergangenheit Brissons, möchten wir dann es noch keineswegs glauben. Mindestens hat eine von den Esterhazy- schen Schreiern angekünd gte dahingehende Erklä- rung im Programme, das Brisson der Kammer darlegte und das von dieser mit der immerhin großen Majorität von 86 Stimmen gutgeheißen worden ist, keine Stelle gefunden. Im Gegentheil möchten wir in dem Passus des Programmes, welcher sich nachdrücklich gegen jeden Eingriff in die Unabhängigkeit der Laiengesellschaft und die Suprematie der bürgerlichen Ge- walten windet, einen Fingerzeig erblicken, dass die Zeiten vorüber sind, da der Generalstab die Justiz meuchelte. Auch die prompte Zurückweisung, die Cavaignac in der Kammer den Deroulède und Castelin angebethen ließ, als diese ihr besonderes Zum IX deutschen Turnfest in Hamburg. Wie wir bereits meldeten, wird an dem IX. deutschen Turnfeste in Hamburg auch der hiesige Turnverein (gegr. 1860) durch eine großen Mit- gliederzahl vertreten sein. Ueber das Fest selbst entnehmen wir der „Deutschen Warte“ folgende Mittheilungen, die gewiss alle Turnfreunde unter unseren Lesern interessiren dürften. — — Die großen deutschen Turnfeste haben ihre Geschichte. Der Begründer des dutschen Turnens, Vater Jahn, hat sie zwar nicht mehr erstehen sehen, er legte zu früh, verbittert und enttäuscht, sein müdes Ha pt zur Rube; aber diese Feste waren es, welche den Geist des deutschen Turnens, wie Jaha es sich gedacht, wieder belebten, und das dentsche Turawesen auf seine jetzige Höhe führten. Der politische Charakter, den die Reaktion dem Turnwesen aufgedrückt, trug seine Früchte, und als sich nach der Amnestie das Turnwesen als ein „nothwen iger Bestandtheil der Volkserziehung“ frei entwickeln konnte, trieb es, getragen von dem Frühlingssturm des Jahres 1848, in das politische Leben hinein. Die Männer, welche vor dem Jahre 1849 national dachten und dem Fortschritt huldigten, hatten es als Mittel der Volkserziehung in die Hand genommen und in das politische Treiben mit hineingerissen. Das war aber nicht das Turnen nach dem Sinne Jahns, und der Greis, dem man nach seiner Befreiung als Heilmittel für die schwere Wunde, die man durch den Kerker ihm am Nerv seines Lebens geschlagen, nachträglich das eiserne Kreuz verlieb, stand verständnislos diesem Thun gegenüber. Sonnenschein gab es zuerst dann wieder, als 1860 in der Residenz des Herzogs Ernst von Coburg, des einzigen Fürsten, der damals der nationalen Sache huldigte, am Jahrestage der Schlacht bei Bellealliance das erste deutsche Turnfest gefeiert werden konnte. Zwar waren es kaum Tausende, die auf den Ruf von Kallenberg und Georgii her- zugeeilt waren, aber es waren kluge Leute, welche aus den Fehlern von 1848 gelernt hatten. Voll Liebe zum deutschen Vaterland und voller Hoffnung, daſs die „gefährliche Lehre der deutschen Einheit“ zur That werden würde, schlossen sie den Bund der deutschen Turner. Und er wuchs wie ein gesundes Samenkorn, das in einen kräftigen Boden fällt. Auf dem dritten deutschen Turnfest fanden sich im Jubeljahre der Leipziger Schlacht mehr als 20.000 Turner in der Lindenstadt Leipzig zusammen, zu dem ersten großen deutschen nationalen Volksfest. Im Geiste war das ganze deutsche Volk hier schon eine, nur das feste äußere Band fehlte noch, das es zusammenschloß. Das brachten die glor- reichen Jahre 1866 und 1870/71. Das große Turnfest zu Frankfurt a. M., welches das achte Jahrzehnt abschloß, war ein Glanzpunkt in der Geschichte des Turnwesens. Dann kam das Jahr 1885, wo Sachsens König das Turnfest in seiner Residenz sah, dann weiter das Münchener Fest, auf dem der bayerische Thronfolger zu den Turnern sprach, und endlich das Breslauer, — alles Fiste, getragen von echtem, treuen deutschen Geiste, denen das desjährige Hamburger Fest am 23 bis- 27. Juli wurdig anreihen wird. Auf dem Hamburger Festprogramm in den Tagen vom 23. bis zum 27. Juli ist dem ernsten Turnen ein breiter Raum eingeräumt worden Man will es vermeiden, dem Fiste des Charakter einer bloßen Vergnügungsfeier zu geben, wie dies oft bei derartigen Anlassen geschieht. Turnerisch betrachtet, soll das Hamburger Fest noch eine besondere Bedeutung erh lien. In der deutschen Turnerschaft stehen sich die Vertreter des althergebrachten Musterriegenturnens, die Freunde des Kunstturnens und die der volksthümlichen Uebungen gegenüber. Jedem ist nun auf diesem Feste Platz eingeräumt, seine Vorzüge zu zeigen, und man verspricht sich, daſs dieses nicht wenig zur Klärung in diesen schwierigen Fragen beitragen wird. Das Fest selbst großartig auszuge- stalten, dazu ist in Hamburg Alles vorbereitet. Zunächst die Metropole des Nordens selbst, die erste See- und Handelsstadt des Continents mit ihrem eigenartigen Leben und Treiben. Mitten in dem Häusermeer, welches die mehr als 800000 Einwohner von Hamburg und Altona bevölkern, dicht an der Hafenstadt S. Pauli, wenige hundert Schritt von dem gewaltigen Strome, der geduldig und rastlos die ungeheuren Lasten der Schiffe dem deutschen Meere zuträgt, liegt der Festplatz, das Heilige Geistfeld, 29 Hektar gross. Eine kleine Stadt ersteht jetzt darauf, die Festhalle ist von ihm
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