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Seite 2 „Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 133 14. Juni 1898 Das Neueste am Schlusse dieser Woche ist, daſs Graf Thun, wie man in Böhmen sagt, „ab- gebauert“ hat. Das war für Diejenigen, welche Grafen Thun von früherher kennen, zwar längst kein Geheimnis mehr; aber die offenkundige That- sache kommt doch dem ganzen Publikum überraschend. Der Reichsrath wird kaum mehr den bisher festge- setzten Termir, bis 17. d. M. zu tagen, einhalten, er wird schon früher „vertagt“ werden, wahrschein- lich auf Nimmereinberufung. Nach officiösen Meinungsäußerungen liegt der Schwerpunkt der Situation in den Verhandlungen, welche darüber geführt werden, ob es möglich sei, die Debatte über die Sprachenfrage rasch zum Abschluss zu bringen und eine Abstimmung über die Wahl eines Sprachen- ausschusses mit einem positiven Resultat vorzu- nehmen. Also deutsch gesagt, darin, ob die Deutschen geneigt sein werden, einen Sprachenausschuſs zu wählen, bevor die Verordnungen zurückgezogen sind. Da' das so ziemlich fest steht, daſs solches die Deutschen nicht thun werden, kann auch der Aus- gang der Krise leicht vorausgesagt werden. Wenn das Haus vertagt wird, dann beginnt der zweite Theil der Tragödie, die parlamentslose, die verfassungslose Zeit. In dieser muss Graf Thun den zweiten Theil seiner Mission vollbringen und alle jene Regierungsacte mit dem § 14 vollziehen, die mit dem Parlamente hätten vorgenommen werden sollen. Und dann soll die Aenderung der Ver- fassung kommen, mit der Neuwahl aus den Land- tagen mit der vernewerten Geschäftsordnung des Parlaments ꝛc. ꝛc. Eine Cur frei nach Dr. Eisen- batt. Man zerschlägt dem Kranken den Oberkiefer, weil ein Zahn schlecht ist. Daher hätte man eigent- lich den Grafen Thun nicht gebraucht, das hätte der Gautsch auch getroffen. Aber si quo faciunt idem, non est idem; was man dem Gautsch als Ungeschicklichkeit ausgelegt hätte, lobt man an Thun. Schön muss man sein und reich muss man sein, sagt der Volksmund. Graf Thun wird die Ab- murksung der Verfassung unter dem Jubel seiner Getreuen vornehmen; man jubelt ihm auf gewisser Seite schon heute zu. Die Polen jubeln aus Cour- toisie, die Jungtschechen aus Herzensfreude, die Volkspartei nur — weil der Wolf eine so „anti- kirchliche“ Bemerkung über den Bozener Bischof gemacht hat. Der liebe, nackensteife Baron Dipauli! Nur weil Wolf geschimpft hat, folgt er seiner Herzensneigung, Minister zu werden. Als ob er jemals ein treuer Deutscher geworden wäre, auch wenn der Wolf Ministrant in Botzen geworden wäre. Als ob es ihm nicht ein Vergnügen wäre, einen Vorwand gefunden zu haben, um in der Majorität bleiben zu können. Hätte nur auch der Dr. Bärenreither einen solchen Vorwand! Nun man kaum im Minister- sessel warm geworden ist, soll man ihm schon wieder ade sagen. Darauf kann der verfassungstreue Großgrundbesitz schon noch eine Weile warten. Wenn ein Minister nicht mehr von seinem Amte haben sollte, als daſs er seinem Schwager die Baronie verschafft, was wäre das für eine Ministerschaft. Die Exekutivcomitelichung in Prag wäre vorläufig vertagt, weil Dr Bärenreither keine Zeit hat für solche Lappalien. Ob und wann sie stattfinden wird, das wird nicht von den Großgrundbesitzern ab- hängen. Wenn der Reichsrath vertagt wird, gehen Monate ins Land, bevor den Minister wieder Jemand gemahnen kann, an sein Versprechen zu denken und bis dahin bleibt man eben Minister. Für den Herrn Handelsminister ist eben die Sache noch nicht spruchreif, über welche sein Volk längst abgeurtheilt hat. Lassen wir dem Herrn Minister die Galgen- frist. Es nützt ja doch nichts, das Ende muss kommen, dessen Anfang schon da ist. Es mag nur kommen. Besser ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende. Verhältnisse, in denen Officiere in tschechischen Städten des Lebens nicht mehr sicher sind, weil sie deutsch sprechen, müssen ein Ende nehmen, so oder so, Compromisse nützen nichts, wenn sie mit Leuten geschlossen werden sollen, auf die kein Verlass ist. Und auf ein Compromiss mit Baron Dipauli ist eben kein Verlass; das ist auch ein Trost für die Zukunft. Wenn ein pol- uisches Blatt meint, daſs der katholischen Volks- partei, insbesondere deren Führern Dipauli und Kathrein, noch keineswegs zu trauen sei, Baron Dipault und Genossen schon so vielemale in den wichtigsten Momenten des parlamentarischen Kampfes unbarmherzig das Vertrauen der Rechten getäuscht haben, daſs es jetzt schwerfällt, Zusagen und Ankändigungen dieser Herren eine größere Bedeutung beizulegen, daſs ihre zweideutige Politik schon bis- her jede energische Action der Rechten und Regierung verhindert und die Obstruction zum Aus- harren auf dem einmal eingeschlagenen Wege an- geeifert und es sich unmöglich leugnen lasse, daſs die Erfolge von Wolf und dessen Anhang dem überaus heuchlerischen Vorgehen der deutschen Clericalen gegen die mit ihnen angeblich verbündeten Czechen und Polen zuzuschreiben seien, so hat das Blatt den Nagel auf den Kopf getroffen. Mag sich Graf Thun nur mit dieser Art Leuten verbunden; die Deutschen werden dann nicht die Getäuschten sein. 13. Juni. Was erwartet wurde, ist eingetroffen. Der für Dienstag anberaumte Reichsrath ist auf unbe- stimmte Zeit vertagt. Trotzdem werden sich die Abgeordneten in Wien zusammenfinden, denn sie sind für morgen einberufen. Was nun? Die Situation ist gegenwärtig die folgende: Die Regierung verschafft sich trot Budgetverwei- terung und trotz Stillstand des Parlamentes ohne jede Schwierigkeit die Mittel zur Fortführung des Staatshaushaltes. Alle übrigen Functionen des Parlamentes stocken. Es wäre nun vielleicht in einem anderen Staate möglich, hiedurch einen Druck auf die Majorität und auf diesem Umwege auf die Regierung auszuüben. Bei uns ist dies völlig aus- geschlossen. Wer ist denn diese Majorität? Die Polen. Sie haben nicht die geringste Sehnsucht nach neuen Gesetzen, sie haben sich ihr Schächen bereits unter den alten in das Trockene gebracht. Anders steht es mit der zweiten Gruppe der Majorität. Die Jungtschechen haben an dem Zu- standekommen einer Reihe von Gesetzentwürfen ein unleugbares Interesse. Aber die Hoffnung, daſs durch den gegenwärtigen Stillstand der Gesetzgebung sich der verhasste Centralismus endgiltig ad ab- surdum führe, überwiegt bei weilem den Wunsch nach positiver Arbeit. Die Feudalclericalen endlich finden die gegenwärtige Lage sowohl aus den Gründen der Polen als auch aus denen der Tischechen durchaus angemessen. Niemand sieht sich so ver- anlaſst, der Opposition ernst entgegenzutreten. Die Majorität nicht, weil sie erkannt zu haben glaubt, daſs die Obstruction nur Wasser auf ihre Mühle treibe. Die Regierung nicht, weil sie überzeugt ist, ihr Geld auch so zu bekommen, und ihr das übrige gleichgiltig ist. Eine österreichische Regierung ver- tritt ja nicht das Volk, sondern die privilegiertesten unter den privilegierten Classen. Mag das Volk sich Gesetze geben oder nicht. Graf Thun begnügt sich damit, bei den Völkern Oesterreichs das Geld für Soldaten und Beamte einzucassieren. sacal-Nachrichten. (Frühlingsfest der Ortsgruppe Karlsbad des Deutschen Schulvereins.) Donnerstag den 16. d. M. findet im Stadtparke ein von den hiesigen Ortsgruppen des Deutschen Schulvereins veranstaltetes Frühliugsfest statt. Der Beginn desselben ist auf 7 Uhr abends jestgesetzt und wird außer dem Concerte der Kapelle des 91. Infanterie-Regimentes Ritter von Fröhlich, unter Leitung deren Kapellmeisters Herrn Felix Dorfner eine Confettischlacht stattfinden. Der Stadt- park wird von 6 Uhr abends ab mit Bewilligung Der Anfang vom Ende. Wien, 12. Juni. (O-B.) Wenn schon der Aufenthalt an Bord eines Schooners, wo man, eingeengt und der Kälte aus- gesetzt ein freudloses Dasein führt, zu den unan- genehmsten menschlichen Erfahrungen zählt, so legt ein Torpedoboot seiner Mannschaft Entbehrungen auf, die fast aus Unerträgliche grenzen. Gerade jetzt, wo den Torpedoböten die Pflicht des Hafen- schutzes obliegt, werden sie in höherem Maße als visher Gegenstand des öffentlichen Interesses, und die Teilnahme des Publitums wendet sich gleicher- weise den Torpedomannschaften zu. Ein Torpedoboot hat stets lange, schmale und niedrige Ausmessungen, und seiner Konstruktion liegt nur die Absicht zu Grunde, das Schiff zu möglichst großer Schnelligkeit zu befähigen. So hat beispielsweise ein amecikanisches Torpedoboot 100 Tonnen Gehalt, also genau so viel wie die drei spanischen Kriegsschiffe, die nach den Capverdischen Inseln geschickt wurden, ist gewöhnlich 130 bis 160 Fuß lang und hat Kohlenraum für 25 t; ferner führt es vier Torpedos an Bord und hat etwa 90 Mann an Bord. Nur ganz dünne Stahlplatten dienen zur Bekleidung, und der ganze Bau des Torpedoboots ist so zart und gebrechlich, daſs es bei einem Auflaufen oder einigermaßen harten Anprall ganz verbogen werden und seine Fasson verlieren würde. Diese bauliche Beschaff nheit erklärt, weshalb ein Torpedoboot keinen schweren Seegang vertragen kann. Die Raumnverhältnisse sind dazu so beschränkt, daſs die Mannschaft in ihren engen und niedrigen Kabinen wie einge- pökelte Heringe oder in Büchsen eingepresete Sardinen liegt. Bevorzugt sind die Kessel- und Maschinenräume. Im Kesselraum zirkulirt das Wasser durch eine fast unendliche Anzahl von Röhren. Um es in dieser feurigen Glut auszuhalten, muss die B dienungsmannschaft besonders abgehärtet sein. Die Torpedomaschinen, entweder von der fünf- zylindrigen dreifachen oder vierfachen Expansions- klasse, sind vielleicht der feinste schwimmende Mechanismus. Die Arbeit in dem Maschinenraum ist höchst gefahrvoll. Ungeben von dem überall ausströmenden heißen Dampf, haben die Leute sorgfältig Acht zu geben, daſs sie im rechten Augenblick die Ventile schließen, den Hahn aufdrehen oder das Ra) drehen. über mag der Schweiß den Leuten auch in Strömen über das Gesicht laufen, sie stehen bei ihrer Arbeit, ohne an die beständige Gefahr, die ihnen droht, zu denken. Die Unbehäglichkeit des Aufenthalts an Bord wird noch bedeutend verstärkt, wenn das Torpedoboot mit der Geschwindigkeit von 25 Kaoten das Meer durchfurcht. Dann wird Alles durch einander geschüttelt und schwankt wie unter des Stößen eines Erdbebens. An dies Rütteln und Schütteln sich zu gewöhnen, erfordert eine lange Uebung; das Stampfen eines Eisenbahnzuges ist nichts im Vergleich zu dem Rollen eines in voller Fahrt befindlichen Torpedoboots. Man kann dann kaum mit Ruhe essen und trinken, geschweige schreiben oder lesen. Vor einigen Jahren schickte die französische Marineverwaltung ein Geschwader von Torpedo- schiffen von Brest nach Toulon, eine gefahrvolle Fahrt, für die nur die erfahrensten Marinesoldaten und Offiziere, die gegen Seekrankheit und dergleichen völlig abgehärtet waren, ausgewählt wurden. Die Fahrt dauerte 4 bis 5 Tage, und schon im Busen von Bischya wurde das Geschwader von Böen erfasst, die sodann bis zur Ankunft in Toulon nicht mehr nachließen. Die Bedienungsmannschaft war am Ende so erschöpft, daſs sie nicht einmal die Kraft besaß, die Böte zur Landung in Toulon flott zu machen. Aus diesem Torpedomanöver ergab sich die wichtige Thatsache, daſs selbst bei ruhiger See die Torpedoböte es mit den Schlachtschiffen in der Fahrgeschwindigkeit nicht aufnehmen können. Außerdem zwingen der beschränkte Kohlen und Wasservorrath und die außerordentliche Ermüdung, die bei gänzlicher Unmöglichkeit, zu schlafen, der anstrengende Dienst der Mannschaft zumuthet, dazu alle drei oder vier Tage neuen Vorrath einzu- nehmen und die Bedienung zu wechseln. Also gehören die Torpedoböte auch nicht zur Schlacht- flotte auf hoher See, sondern lediglich zur Küsten- verteidigung. Die Waffe selber aber, der zerstörende Tor- pedo, ist nach dem modernen Typus selbstbeweglich und kann sich wie sein Vorbild, der Fisch, in be- liebiger Tiefe unter dem Wasserspiegel fortschnellen. Der Gattungsname für diese Torpedoclässe ist Whitehead Torpedo. In der amerikanischen Flotte existiert daneben noch der Howell Torpedo, so be- nannt nach seinem Ersinder, Commodore Howell von der Vereinigten Staaten-Flottenstation in San Francisco. Der Hochell-Torpedo ist wie der Whitehead unabhängig von dem Schiff und dem Mittel der Abfeuerung und behauptet seine Ge- Das Leben an Bord eines Torpedoboots.
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