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Seite 4 Karlobader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 60 15. März 1898 (Aerztliche Personalnachricht. ) Herr kais. Rath Dr. Alfred Grünberger trifft von seinem Prager Winteraufenthalte morgen wieder hier ein und wird seine ärztliche Prax's eröffnen. (Arbeiter-Demonstration). Anläßlich der fünfzigsten Wiederkehr des Gedenktages an die Märzgefallenen des Jahres 1848 veranstalteten vorgestern nachmittags die organisierte Arbeiter- schaft eine große Demonstration, indem aus der ganzen Umgebung die Arbeiter herbeigeströmt waren. Die Demonstranten versammelten sich bei der alten Gasanstalt und in einem langen an 2000 Per- sonen fassenden Zug bewegte sich diese Colonne übers rechtsseitige Teplufer bis über die Johannis- brücke und über den Markt, Gartenzeile retour wo bei der Gasanstalt nach Absingung des Liedes der Arbeit die Auflösung des Zuges erfolgte. Ruhig verlief die ganze Demonstration. (Bauarbeiter-Streik.) Auf den hiesigen Bauten des Herrn Baumeister Waldert und zwar auf den Bauen des Hotel „Drei Fasanen“ und „Coburg“, Marienbaderstraße haben die Bau- arbeiter die Arbeit eingestellt. Als Grund der Arbeitseinstellung wird Lohndifferenz angegeben. (Schurfbewilligung.) Von dem Revier- hergamte zu Elbogen wurde den Herren Dr. Fidelis Reiner, Advocaten in Buchau und Dr. Franz Zahn, Advocaten in Luditz (Erster Bevollmächtigter) die Bewilligung ertheilt, innerhalb der Grenzen der Catastralgemeinden des Revierbergamts-Bezirkes Elbogen im Königreiche Böhmen mit Ausschluss der Schutzkreise für Karlsbad, Marienbad, Rodis- fort, Sangerberg, Zwetbau und Neudorf und mit der Beschränkung an der Landesdemarcation keine Veränderung vorzunehmen, nach den Bestimmungen des allgemeinen Berggesetzes vom 23. Mai 1854 auf die Dauer eines Jahres bis 27. Jänner 1899 schürfen zu dürfen. (Diebstahl.) Dem Obsthändler Josef Zettl in Eichenhof wurden in der Nacht von 8. zum 9. März mittelst Einbruches 40 Klg. edelrothe Tiroleräpfel und etwa 13 Klgr. große Strudel- äpfel entwendet. Die Gastwirte und alle welche derartiges feines Obst kaufen, werden darauf auf- merksam g macht. (Verhaftung) Zu dem Raubmorde auf den „Goselhäusern“ bei Graslitz ist zu berichten, daſs endlich der Thäter am 11. d. M. in Voigt- berg in Sachsen ergriffen worden ist. Es ist dies der Steinbrecher und Holzhauer Louis Reinhold Leonhardt aus Obersachsenberg, 35 Jahre alt. Er ist ein sehr übelbeleumundetes Individuum und sehr oft bestraft. Seine Verhaftung wurde da- durch herbeigeführt, daſs die im Amtsgerichte zu Oelsnitz aufgenommene Photographie des Ver- brechers an die Schönbacher Ankäufer der den ver- unglückten Bewohnern gehörigen Sachen geschickt wurde, welche in dem Bilde sofort den Verkäufer erkannten. Er ist auch bereits geständig und gibt als Mitschuldigen einen Tagarbeiter aus Roßbach an. Beide waren vor der That im Schönauer Revier Holzhauer und wollten bei dem verunglück ten Sandner Wohnung haben, was ihnen jedoch verweigert wurde. (Dem Monat März) wird im Volks- glauben, in Wetterprophezeiungen und bäuerlichen Redewendungen eine hohe Bedeutung beigemessen. Die Germanen betrachteten ihn als einen wichtigen Zeitabschnitt; wenn der Frühlingsgott Donar mit seinem glühenden Hammer nach heißem Ringen die Frost- und Reifriesen, die Sturm- und Hagelriesen aus dem Lande trieb, wenn Frau Holda in der weißen Mittagssonne sich badete und kämmte, nahten die Zugrögel aus fremden Zonen als Vor- boten des beginnenden Frühlings. Die Schwalbe, als Vermittlerin zwischen Helheim und der Mensch- heit, stand in hohem Ansehen, und ihr Einnisten galt als günstige Vorbedeutung. Der 22. März wurde als der festreiche Siegestag begangen, an dem den Lichtgottheiten geopfert wurde. Ausge- lassene Freude herrschte in den Gauen, daſs die Mächte des Lebens und Lichtes über das Reich des Todes und der Finsternis triumphiren durften. Von Lengez, d. i. Längerwerden, hat diese Zeit den Namen Lenz erhalten. Auch für den Bauer war der März von maßgebender Tragweite. Das stürmische Gefolge des Winterkönigs musste an den Frühling die Herrschaft abgetreten haben, wenn nicht trübe Ahnungen in der Seele des Land- mannes aufsteigen sollten. Aus der Handels- und Gewerbekammer. Die Egerer Handels- und Gewerbekammer versendet den in Druck vollendeten Bericht über die volkswirtschaft- lichen Zustände ihres Bezirkes für die Jahre 1890-1895 mit Beiträgen zur Wirtschaftsgeschichte desselben in den letzten Jahrzehnten. Der Bericht enthält nach dem an das Handelsmini- sterium gerichteten Vorwort ein Mitgliederverzeichnis der Kammer unter Aufzählung der Persönlichkeiten, welche ihr seit 1851 angehört und als Vorstände derselben fun- giert haben, sowie der correspondierenden Mitglieder. In der Einleitung wird die Form der Berichter- stattung — die Vergleichung des heutigen Standes mit dem früherer Jahrzehnte näher begründet, und schließt sich daran eine Uebersicht der Bevölkerung in Bezirken, Städten, Märkten und Industrialorten nach dem Stande vom Jahre 1869 und 1890. Die Verhältnisse der Landwirtschaft, wie sie sich ge- staltet haben, werden unter Hervorhebung der Handels- pflanzencultur näher dargelegt. Bei der Forstwirtschaf- wird eine Uebersicht des Waldstandes, der Brettsägen und der Holzstoff-Fabriken nach dem Jahrbuch des Ackerbau- ministeriums pro 1895 gegeben, in der Abtheilung Berg- bau unter Verweis auf frühere Zeiten der gewaltige Auf- schwung im Kohlenbergbau dargelegt. Den Haupttheil des Berichtes nimmt die mannig- faltige Industrie des Kammerbezirkes ein und werden nach einer vergleichenden Uebersicht der Induſtrialien (Groß- und Mittelbetriebe) in den Jahren 1863 und 1897 die hervorragendsten Industriezweige in ihrer Entwicklung besprochen, als da sind: die Eisen- und Metallwaren- Industrie mit der Maschinen-Fabrikation, die Waffen- Erzeugung in Weipert, die Instrumenten-Fabrikation im Erzgebirge, die Porzellan-, Thon- und Glaswaren-In- dustrie, die Industrie in Nahrungs- und Genuſsmitteln (Brauerei, Müllerei, Zuckerfabrikation), die chemische In- dustrie mit den Gasanstalten, die Erzeugung von Holz- und Spielwaren, Knopf- und Kurzwaren, die Papier- industrie und Handschuhfabrikation, dann die Textilindustrie mit ihren Unterabtheilungen: Garne und Gewebe aus Baumwolle, Garne und Gewebe aus Schafwolle, Weberei gemischter Garne (die Industrie des Ascher Gebietes), Wirkwaren-Industrie, Posamenten-Industrie, Stickerei- Industrie, Spitzenmanufactur. Daran schließen sich Be- merkungen über Hausindustrie und Heimarheit und eine Darstellung des Verhältnisses der Hausindustrie zum Ge- werbsbetrieb bei der Drechslerei, der Posamentenerzeugung, der Erzeugung von Musikinstrumentenbestandtheilen, und Daten über die Verwendung der Dampftraft im Bezirke. An die Besprechung der gewerblichen Verhältnisse reiht sich eine Uebersicht der Gewerbegenossenschaften nach Be- zirken mit Angabe der Zahl ihrer Mitglieder und An- gehörigen. In dem Kapitel „Handel und Verkehr“ wird der Handel des Bezirkes in seiner Entwickelung und seinen Formen unter Hervorhebung des Hausierhandels be- sprochen, der Ausbau des nordwestböhmischen Bahnnetzes mit dem Eisenbahnknotenpunkt Eger dargelegt, weiters die Curorte des Egerer Kreises mit einer Uebersicht ihrer Frequenz vom Jahre 1848—1896. Den Schluſs bildet das Capitel „Credit und Ver- sicherungswesen“, unter welcher Aufschrift die Entwickelung der Credit-Institute geschildert und eine Uebersicht der Credit-Genossenschaften gegeben wird. Die Besprechung der Versicherungsanstalten wird mit einer Verwaltungsübersicht des Vereines St. Florian, mit einem Verzeichnis der freiwilligen Feuerwehren ab- geschlossen. Im Anhange wird auszugsweise das Ergebnis der Gewerbezählung nach der Instruction vom 28. Juli 1895 mit dem Stichtage 1 Juni 1897 in Industrie und Ge- werbe, Handel und Verkehr mit Erwähnung der Cumu- lattvbetriebe, und eine Uebersicht der Veränderungen im mit jedem Tag lieber gewann, gestattete ihr auch Einblick in ihre Schmucksachen. Es waren meist alte, aber sehr kostbare Gegenstände, welche Frau Schwartzkopf von ihrer Mutter geerbt hatte. „Dieser Ring ist das einzige Geschenk meines Mannes,“ sagte sie, „er hält nicht viel von Schmuck- sachen, daher ich sie auch fast nie anlege.“ Ein tiefer Schmerz durchdrang Martha in diesem Augenblick. Ihre gute Meinung von Herrn Schwartzkopf war genommen Denn da Herr Roussillant nur gegen eine Bankanweisung Herrn Schwartzkopf den Schmuck aushändigte, muſste sie annehmen, daſs die Beiden schon lange mit einander in Geschäftsverbindung standen. Herr Schwartzkopf machte also von dem Gelde seiner Frau wohl Andern Geschenke? Am nächsten Tage sahen die beiden Damen Schwartzkopf nur flüchtig. Eine von seiner Frau vorgeschlagene Spazierfahrt lehnte er ab, indem er nach seinen Worten eine Jagdpartie vorhatte, zu welcher er noch die nöthigen Vorbereitungen zu treffn habe. — Hierüber innerlich sehr erregt, unternahm sie mit Martha eine Spazierfahrt. „Wie Sie es wissen, liebe Martha,“ begann Frau Schwartzkopf auf der Fahrt, „bin ich die Tochter eines der reichsten Großindustriellen Sachsens. Mein Mann war lange Zeit in dem Geschäft meines Vaters thätig. Sie müssen selbst zugeben, daſs seine Persönlichkeit dazu angethan ist, ein Weib leicht zu gewinnen. Mich ergriffen auch sehr bald glühende, leidenschaftliche Gefühle zu ihm, und ich wurde — gegen die Einwilligung meines Vaters! — seine Frau. Anfangs war unsere Ehe eine glückliche. Mein Mann behandelte mich zärtlich, und er war immer sehr aufmerksam. Auf unserer Hochzeitsreise, die sich mehrere Wochen ausdehnte, besuchten wir auch Nizza. Eines Tages wurde ein für meinen Gatten bestimmter Brief aus Ver- sehen an mich abgegeben, den ich, da derselbe offen war und ich auch nichts Schlimmes ahnte, las. Und, denken Sie sich, der Brief war von der Sängerin Ferrara, welche jetzt hier im Thalia- Theater auftritt; er war an meinen Mann ge- richtet! Ich fiel in Ohnmacht und genaß eines Knaben, welcher als nicht lebensfähig erklärt wurde und daher auch sehr bald starb. Mich brachte man nach einer Irrenanstalt, aus welcher ich erst nach Monaten als geheilt entlassen wurde. Mein Mann bat mich um Verzeihung, die ich ihm — leider nur zu gern — gewährte. Nun werden Sie begreifen, daſs ich die Ferrara, welche mir nicht nur meinen Mann abwendig gemacht, sondern auch mein Kind getödtet hat, hassen muss! „Wollen Sie mich in's Thalia-Theater be- gleiten?“ Die Gesellschafterin suchte es ihr aus dem Sinn zu reden, allein Frau Schwartzkopf erklärte, dann allein fahren zu wollen, wenn Martha sie zu begleiten sich weigerte. Unter diesen Umständen hielt Mattha es für das Gerathendste, ihrer auf- geregten Herrin zu folgen. ihre Als sie das Theater betreten und auch sehr Plätze eingenommen hatten, wurden ihre Blicke bald durch etwas zu laute Unterhallung auf ihre Umgebung gelenkt; denn die Vorstellung hatte noch nicht begonnen. In ihrer unmittelbaren Umgebung saßen einige junge Lebemänner, welche sich über die Ferrara in ungenierter Weise unterhielten. Haben Sie die Rappen der Ferrara gesehen? prachtvalle Thiere! Sie soll sie von einem gewissen Herrn Schwartzkopf erhalten haben,“ bemerkte der eine. Frau Schwartzkopf zuckte zusammen und sagte leise leise zu der Begleiterin: Haben Sie gehört, was man hier von meinem Manne spricht?“ Und noch vieles Andere wurde von den ziehung Schwartzkopf's zu der schönen Säng gesprochen, während der Vorhang aufgieng und die Aufmerksamkeit Aller sich der Bühne zuwandte. Als die Ferrara auftrat, wurde sie mit rau- schendem Beifall empfangen; als aber ihr Spiel begann, herrschte sofort die tiefste Ruhe. Die Ferrara war eine hohe, schlanke G Ihre Gesichtszüge waren regelmäßig; sie besaß ihrem Blick einen eigenartigen Zauber, der Männer zu ihren Füßen zwang und jede P des Spiels prägte sich auf ihrem ausdrucksvollen Gesicht auf's sprechendste aus. „Ist sie nicht eine wahrhaftig berückende Er- scheinung,“ sagte Frau Schwartzkopf leise zu Marath. „Mit ihr kann ich nicht concurrieren.“ (Fortsetzung folgt.)
Dateiname: 
karlsbader-badeblatt-1898-03-15-n60_2670.jp2