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„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 39
18. Feber 1898
beiden genannten Comitate haben viele slovakische
Bestandtheile aufzuweisen. Bis jetzt hat man zwar
noch nichts von einer nationalen Bewegung unter
den Slovaken Nordungarns gehört; aber daſs die
Unzufriedenheit dort nicht gering ist, wird man nicht
leicht in Abrede stellen können. In ruhigen Zeiten
mag dieser nationale Antagonismus dem ungarischen
Staate nicht gefährlich erscheinen, zumal der slo-
vakischen Bevölkerung eine intelligente und wohl-
habende Führerschaft fehlt. In so bewegten Zeiten
aber kann ein Funke genügen, um die Volksleiden-
schaft hell auflodern zu lassen und eine Erscheinung
zu zeitigen, wie sie Nordungarn schrecklich und
grauenerregend genug vor etwa fünfzig Jahren ge-
sehen hat. Es ist jetzt die dringendste Aufgabe der
leitenden Persönlichkeiten in Budapest, vor Allem
zu verhindern, daſs die auch ohnedies bedenkliche
sociale Bewegung in dem nationalen Gegensatz der
dortigen Bevölkerung einen günstigeren und auf
nahmsfähigen Boden findet.
Thatsächlich ist der ungarische Staat nicht von
jedem Vorwurf freizusprechen. Die ungarische
Volksvertretung verdient diesen Namen nicht ganz,
da im Reichstag eigentlich nur die wohlhabenden
Classen vertreten sind. Ein compliciertes Wahl-
system, das noch dazu auf einem Steuercinsus
basiert ist, schließt die arbeitende Bevölkerung von
der Wahrnehmung ihrer Rechte und ihrer Interessen
im Parlament aus. Bei dem Bestreben, der un-
garischen Nation die Herrschaft in den Ländern
der Stefanskrone zu erhalten, mag wohl dieses
complicierte und wenig demokratische Wahlsystem,
das den Magyaren eine überwiegende Majorität
im Reichstage sichert, unentbehrlich erscheinen. Aber
indem die herrschenden Classen den demokcatischen
Grundsatz: „Alles durch das Volk“ im nationalen
Interesse sich nicht aneignen zu dürfen wagen, ver-
nachlässigen sie auch den anderen Grundsatz: „Alles
für das Volk.“ In Ungarn geschah und geschieht
sehr wenig oder vielleicht gar nichts für die misera
contribuens plebs. In einem so wesentlich agrari-
schen Staate, wo die landwirtschaftlichen Interessen
so vielfach durch staatliche Einrichtungen und politi-
sche Maßregeln geschützt sind, wo das ganze öffent-
liche Leben von der Rücksicht auf diese Interessen
beherrscht wird, ist gleichwohl für die landwirschaft-
lichen Arbeiter nicht das Mindeste geschehen. Man
hat es ruhig mit angesehen, daſs ihre Arbeitslöhne
und die Lebens Verhältnisse auf demselben niedrigen
Niveau geblieben sind, auf dem sie vor dreißig
Jahren gestanden, während die Landwirtschaft
während dieses Zeitraums durch staatliche Hilfe
einen großen Aufschwung genommen hat, der Wert
und der Ertrag der großen Güter bedeutend ge-
stiegen sind. Wenn von agrarischer Seite auf die
„sittliche“ Bedeutung der Landwirtschaft für den
ganzen Staat hingewiesen wird, wenn sogar be-
hauptet wird, daſs die nationale Wehrkraft unter
dem Ueberhandnehmen der Industrie zu leiden habe,
so genügt der Hinweis auf die in Ungarn herr-
schenden Zustände, all diese tendenzlösen Behauptun-
gen als völlig unberechtigte zurückzuweisen. Welche
Verhältnisse das einseilige agrarische Interesse dort
geschaffen hat, sehen wir deutlich in den bedauer-
lichen Bauernrevolten. Außerdem ist es ein be-
kannte Thatsache, daſs der ungarische Staat in der
Rekrutenaushebung Jahre hindurch passiv geblieben
ist; das erforderliche Contingent lässt sich jetzt dort
nur durch geringere Ansprüche an die körperliche
Tüchtigkeit der Ausgehobenen stellen. Die land-
wirtschaftlichen Arbeiter sind somit ökonomisch und
physisch herunter gekommen.
In Ungarn gibt es einen Kleingrundbesitz, der
nicht lebensfähig ist und daher von dem Groß-
grundbesitz aufgesogen wird. Der Eigenthümer
eines solchen kleinen Bauerngutes, auf dem noch
dazu bei ungerechter Vertheilung große staatliche
und communale Lasten ruhen, muss mit seiner
Familie bei dem Gutsbesitzer für Tagelohn arbeiten,
um sein kümmerliches Dasein fristen zu können.
Die Arbeitslöhne sind gering, und bei dem rapiden
Niedergang des freien Bauerathums in Ungarn
werden die sich anbietenden Arbeitskräfte immer
zah'reicher, so daſs kein Grund für eine etwaige
Erhöhung der Lohnsätze vorliegt. Sache einer
vorsorglichen Regierung wäre es aber, sich von
dem crassen Egoismus der Großgrundbesitzer und
Regalienpächter nicht beherrschen zu lassen, sondern
vielmehr für die Erhaltung und Kräftigung des
freien Bauernstandes Sorge zu tragen. Mit Knebe-
lung der Piessfreiheit, die manche heißblütigen
„Gesellschaftsretter“ zur Heilung der Wunde am
staatlichen Körper unter wohlwollender Zustimmung
„liberaler“ Minister vo schlagen, wird man ebenso
wenig etwas Ersprießliches erreichen, wie man den
hellen Tag verscheucht, indem man die Augen schließt.
Mit Kugeln und Flintenkolben kann man wohl die
hungernden landwirtschaftlichen Arbeiter zur Ruhe
verweisen, und im Gefängnis zu Nyiregyhaza wird
es noch stiller zugehen — diese Friedhofsruhe wird
jedoch dem Staate gewiss nicht zum Heile gereichen.
Dadurch wird in Ungarn die sociale Frage nicht
gelößt. Das Uebel wird dort von Jahr zu Jahr
größer und könnte sich am Ende als unheilbar
erweisen, wenn man sich dauernd mit der Cur
durch Pulver und Blei behelfen zu können glaubt.
Das ist nun auch im ungarischen Abgeordneten-
hause offen ausgesprochen worden. Der Abgeordnete
Rohonczy erklärte, zur Bewältigung des Agrar-
sockalismus würden nicht drei, sondern zehn Regi-
menter Soldaten nöthig sein. Er zog aber nicht
nur gegen die Anwendung von Gewaltmitteln v
Heilung wirtschaftlicher Schäden, sondern auch gegen
die Corruption bei den Wahlen, gegen das Kortesch-
system zu Felde und erklärte, angesichts des Bauern-
elends halte er für nothwendig zu bekennen, daſs
er im vergangenen Jahre zu seiner Wahl
5000 Gulden erhalten habe. Er sei bereit, diese
zurückzuzahlen. Die liberale Partei habe drei
Millionen Gulden bei den Wahlen verausgabt;
möchten die anderen Gewählten ebenfalls das em-
pfangene Geld zurückgeben. Die Candidaten der
Volkspartei hätten von den Beschöfen Geld erhalten.
Die nächste Folge seiner offenen Darlegungen
war, daſs Rohonczy zum Austritt aus der liberalen
Partei genöthigt wurde. Damit wird die Wir-
kung seiner Worte — wir hoffen es im Interesse
Ungarns — nicht erschöpft sein. Man muss die
Wunden zeigen, wenn man sie geheilt zu sehen
wünscht.
(„B. B.-C.“)
Local-Nachrichten.
(Wahl im I. Wahlkörper.) Bei der
gestern stattgefundenen Wahl im I. Wahlkörper
gieng die Candidatenliste der deutschfortschrittlichen
Partei durch. Von den 64 Wählern dieses Wahl-
körpers wählten 27 persönlich, 12 wählten mit
Vollmachten und 6 in Vertretung, zusammen also
45 Stimmen. Es erscheinen gewählt:
Stadtverordnete:
Ernst Reinl
42 Stimmen
Karl Joh. Baier 41
Dr. Josef Pfeifer 41
Leo von Mattoni 40
Karl Pupp
Emil Teller jun. 40
Adolf Rosenfeld 39
Ernest Stark39
Franz Höller 36
10. Rudolf Mannl 34
11. Karl Anger
12. Alfred Schwalb 29
Die nächstmeisten Stimmen erhielten: Dr. Adolf
Bernhardt 17, Karl Richter (Hotel de Russie) 14,
L. C. Mader 6.
Ersatzmänner:
Johann Becher 43 Stimmen
Hans Kroh
Wilh. Gärtner
Richard Pöhl
Josef Wagner
6. Rudolf Kohn
Die nächstmeisten Stimmen erhielten: Adolf
Wiesinger 15 und Dr. Eman. Hirsch 8.
(Abend-Concert der Kurkapelle.)
Heute Abend 1/28 Uhr findet im Kurhause ein
Concert mit nachfolgendem Programme statt:
t
sie lauten: „Ich liebe Dich!“ Die drei Wörtchen,
welche sich die Vögel fortwährend zusingen, dieselben,
mein theuerer Engel, sage auch ich Ihnen: Ich
liebe Dich!“
Sie ließ sich während dessen von ihm um-
armen; er wartete auf ihre Antwort, aber sie
sprach kein Wort.
„Ich kann nicht viele Worte machen, aber ich
liebe Dich aus dem tiefsten Grunde des Herzeus,
mein theueres Kind! Weißt Da auch, was das
heißt: Ich liebe Dich?“
Sie schwieg; unaussprechlich glücklich machte
sie sein seelenvoller Blick! Zögernd reichte sie ihm
ihren kleinen Rosenmund, den er mit glühenden
Küssen bedeckte.
„O, meine Agathe, mein süßer, theurer Engel!
Bereits seit dem Augenblick, als ich Dich zum ersten
Male sah, liebte ich Dich. Es war in Eurer grauen
alten Kirche. Als ich Dir bald darauf an der
Kirchenthür begegnete, hast Du mir mein Herz
vollständig geraubt. Seitdem lebte ich nur mit
Dir und für Dich. H'er hast Du mich. Ich lege
mich Dir zu Füßen.“
„Wie konnten Sie mich lieben, bevor Sie mich
kannten?“
„Als ich Dich zum ersten Mal erblickte, erkannte
ich Dich, und so schnell, wie man eine Rose erkeant.
Als ich Dich in der kleinen Kirche, gegenüber dem
Bilde der hl. Agathe in Andacht knieen sah, da
hätte ich fast glauben müssen, daſs diese Heilige in
eigener Person vom Himmel herabgekommen wäre,
um hier, in der andächtigen schlichten Gemeinde noch
einmal ihr Gebet zu verrichten. Und in mit —
ich kann es gar nicht schildern! — trat eine Un-
wandlung ein; meine Sinnes- und Denkungsart —
der ganze Charakter anderte sich. Ich war bis
dahin ein wilder, leichter Mensch gewesen; mir war
nichts mehr heilig. Aber seit jener Stunde ist viel
von Deiner Sanftmuth und Würde in mein Herz
übergegangen, denn ich habe wieder gelernt, mich
für alles wirklich Hohe und Edle zu begeistern.
Es war meine Absicht, in nur wenigen Tagen
Schloss Weißstein zu verlassen, um nach Wien zu
reisen. Allein seitdem ich Dich gesehen, schob ich
die Abreise auf und beschloss, so lange hier zu
bleiben, bis ich Dich mitnehmen darf. Er presste
sie an seine Brust und flüsterte ihr noch mehr süße
Worte zu.
Das unerfahrene Mädchen lauschte, sie zürnte der
Pastorsfrau und der alten Johanna, von welchen
sie vor einem Liebesverhältnis mit dem Grafen
gewarnt wurde. Hatten nun jene Beiden mit ihren
Vorhaltungen und Ermahnungen nicht sowohl dem
Grafen als auch ihr selbst ein Unrecht gethan?
Oder war es von ihnen nicht gar Neid gewesen?
Agathe war durch sie vor einer „leichten,“ „un-
aufrichtigen,“ „unkeuschen“ Liebe gewarnt worden
— von seiner aufrintigen Neigung hatten sie doch
nicht gesprochen! Und was war es anders, als
die reinste, tiefste Liebe, deren ein Mann nur fähig
sein kann! Musste sie nicht jede Unaufrichtigkeit
seinerseits für ausgeschlossen halten?
„Du schweigst noch immer, mein Engel!
Liebst Du mich nicht auch ein wenig, Agathe?
Sage, bin ich nicht im Stande, Dich glücklich zu
machen? Stoße mich nicht zurück! Ich liege vor
Dir, zu Deinen Füßen; mein ganzes Leben hängt
von Dir ab.“
Sie zögerte noch immer und betrachtete den
Blumenstrauß, welchen er ihr gegeben, die ihm
gereichte Hand zog sie langsam zurück.
„Ich bin eifersüchtig auf Deine unschuldigen
Blumen,“ fuhr er fort. „Höre auf mein inbrünstiges
Flehen! Vernimmst Du nicht die lauten Schläge
meines Herzens, die fortan nur Dir gelten?
Sie blickte freundlich zu ihm auf und weinte.
„Auch für Dich nur schlägt mein Herz, guter
Freund; auch ich habe Dich lieb — von Herzen
lieb ... aber ... der Abstand zwischen uns
Das, mein Freund, macht ja unsere Verbindung
unmöglich.
„Dass Schwierigkeiten vorhanden sind, lässt
sich freilich nicht ableugnen. Jedoch vertraue auf
die innige Liebe eines Ehrenmannes; ich werde mir
den Weg ebnen und mit Sicherheit das Ziel er-
reichen.“
5 Kapitel.
An den beiden nächsten Tagen wurde Agathe
von den Patienten ihres Vaters nicht gesehen;
vergeblich warteten die leidenden Kinder auf die
„schöne Tante,“ die kranken Frauen auf ihre Pflegerin
und Freundin. Er hatte es so gewünscht, und das
blühende Mädchen liebte ihn ja über Alles!
Auch der Graf kam nicht mehr in das Dorf
— er fürchtete die alte Dienstmagd und die Pastor-
Název souboru:
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