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„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 27
4. Feber 1898
der Sprachenverordnungen sind die Tschechen bereits
nachgiebiger geworden, seitdem sich die Regierung
wenigstens so weit aufgerafft hat, eine Abänderung
als bevorstehend zu verkünden. Nicht das Tüpfelchen
auf dem I wollten sich anfangs die Tschechen von
den Sprachenverordnungen entreissen lassen; sie
sind geschmeidiger geworden. Es ist aber vonnöthen,
sie windelweich zu machen, wie die Bedingungen
Herolds zeigen. 1. Volle Aufrechthaltung der Un-
theilbarkeit des Königreiches Böhmen. Das ist uns
wahrhaftig schon bis zum Ekel vorgesagt worden,
und hat mit der Sprachenfrage gar nichts zu thun.
Seit Jahrhunderten wurde in Theilen Böhmens
deutsch in anderen tschechisch gesprochen und amtirt
und Böhmen ist dadurch nicht getheilt worden.
Jedermann weiß jedoch, wo das hinauswill, ebenso,
was es mit der zweiten Forderung: Gleich-
berechtigung und Gleichwertigkeit beider
Landessprachen auf sich hat. Der Deutsche soll
durch Zwang genöthigt werden, tschechisch zu lernen,
weil der Tscheche durch die Umstände genöthigt ist
deutsch zu lernen. Die ungeheure Albernheit dieses
tschechischen Dogmas wird von dem Tage an all-
gemein erkannt werden, an welchem die Aussicht
geschwunden ist, den Deutschen diesen Zwang auf-
zuerlegen. Wir hoffen die Zeit ist nicht ferne, und
stellen es den Tschechen vollkommen frei, deutsch zu
lernen oder nicht — worin allein die wahre Gleich-
berechtigung hergestellt ist. Wenn aber 3. Herold
verlangt, daſs eine Verbesserung der Badenischen
Sprachenverordnungen nur im gegenseitigen
Einverständnisse beider Volksstämme
geschehe — dann möchte man über die Vergesslichkeit
des Dr. Herold wirklich aus der Haut fahren.
Sind denn etwa die Sprachenverordnungen vom
5. April im „gegenseitigen Einverständnisse“ zustande
gekommen? Solcher Vergesslichkeit gegenüber, die
nur von Selbstüberschätzung eingegeben sein kann,
muss man wirklich auf den Gedanken kommen:
Mit den Tschechen ist in alle Ewigkeit ein Einver-
nehmen nicht möglich. Auch das ist eine Erleuchtung,
zu welcher sich nur die österreichischen Staatsmänner
bis heute nicht aufschwingen konnten.
Local-Nachrichten.
(Zur Wahl. ) Das Bürgermeisteramt erläſst
folgende Kundmachung: „Auf Grund des § 19
der Gemeinde-Wahl Ordnung finde ich die Neuwahl
des Stadtverordneten-Collegiums in den drei Wahl-
törpern wie folgt anzuordnen: für den III. Wahl-
törper: Donnerstag den 10. Feber l. J. für die
Wahlberechtigten mit den Nummern von 1—1200
(Erste Lesung). Beginn der Wahlhandlung 8 Uhr
früh. Ort der Wahlhandlung großer Kurhaussaal.
Fortsetzung und Schlujs der Wahlhandlung Freitag
seine Noth zu lndern und ihm die Mittel zur
selbständigen Erwerbsthätigkeit zu bieten, zum min-
desten aber dem Mitmenschen in der Ausübung
seiner Rechte und moralischen Thätigkeit nicht hin-
derlich zu sein.
Die Moral verlangt Wahrheit und Redlich-
keit im Rechtsleben, schleunige Durchsetzung des
Rechtes und Schutzes der gleichen persönlichen Rechte
aller; sie verlangt von einem jeden Individuum
das ſtete Bewussksein der Pflichten, welche ihm mit
der Verleihung von Rechten auferlegt werden, und
verbietet ihm die Ausnützung eines bestimmten
Rechtes ohne gleichzeitige Erfüllung der damit dem
Nächsten und der menschlichen Gesellschaft gegen-
über verbundenen Pflichten.
Das Recht gestattet z. B. dem Eigenthümer
einer Sache die unbeschränkte Verfügung über sein
Eigenthum, ausgenommen gewisse öffentlich-rechtliche
und nachbarliche Beziehungen, verbietet ihm aber
nicht und kann ihm auch wirksam nicht verbieten
die lieblose Ausnützung dieses Rechtes gegenüber
dem Nichtbesitzenden. Hier hat die Moral ein-
zutreten, das Recht zu ergänzen und alle Besitzes-
berechtigten zu verpflichten, sich ihres Verhältnisses
gegenüber der Allgemeinheit bewuſst zu werden.
Das Recht verbietet dem Creditgeber lediglich den
Leichtsinn, die wirtschaftliche Nothlage und die Un-
erfahrenheit des Creditnehmers auszunützen, Wucher
zu treiben; es verpflichtet ihn aber nicht, anderen
schweren Nachtheilen, welche dem Creditnehmer eine
Beeinträchtigung seines Credites bringt, vorzubeugen
den 11. Feber 1898 für die Wahlberechtigten mit
den Nummern von 1201—2148' (Erste Lesung).
Beginn der Wahlhandlung 8 Uhr früh. Ort der
Wahlhandlung großer Kurhaussaal. Die zweite
Lesung des ganzen Wahlkörpers von 1—2148 wird
am 11. Feber 1898 nach Schlufs der ersten Lesung
sofort beginnen. Für den II Wahlkörper: Mitt-
woch den 16. Feber l. J. Beginn der Wahlhand-
lung 9 Uhr vormittags. Ort der Wahlhandlung
kleiner Kurhaussaal. Die zweite Lesung wird sofort
nach der ersten Lesung vorgenommen werden. Für
den I. Wahlkörper: Donnerstag den 17. Feber l.
J. Beginn der Wahlhandlung 10 Uhr vormittags.
Ort der Wahlhandlung leiner Kurhaussaal. Die
zweite Lesung wird sofort nach der ersten Lesung
vorgenommen werden. Hievon geschieht an sämmt-
liche Wahlberechtigte die Verständigung mit dem
Bemerken, dass jeder Wahlkörper zwölf Stadtver-
ordnete und sechs Ersatzmänner zu wählen hat, dass
die Stimmenabgabe in jedem Wahlkörper nach der
zweiten Lesung für geschlossen erklärt werden wird
und daſs sodann sofort die Stimmenzählung öffent
lich in dem Ecklokale des Kurhauses (Billardzimmer)
begonnen und nach Zulass der Zeit am Wahltage,
eventuell an dem folgenden oder den folgenden
Tagen ebendaselbst zu Ende geführt wird.
(Abend-Concert der Kurkapelle.)
Heute Abend 1/38 Uhr findet im Kurhause ein
Concert mit nachfolgendem Programme statt:
1. Mussinan-Marsch von C. Carl. 2. Ouverture
zur Oper „Alessandro Stradella“ von Flotow. 3.
Lenz und Lieve, Walzer von F. von Blon. 4.
Fantasie aus der Oper „Zampa“ von Herold. 5.
Liebesrosen, Polka-Mazur von K stler. 6 Einlettung
zur Oper „Loreley“ von M. Bruch. 7 Ein Ton
aus deiner Kehle, Lied von Kéler-Béta. 8 In der
Sennhütte, Idyle von A. Labitzky. 9. Melodien-
kranz aus Koschat't Compositionen von Seidenglanz
(Der Schützen-Bali) am Dienstng im
Kurhause, war unstreitig das Elité Tanz-Fist der
bisherigen diesjährigen Ballsaison, ja man kann ruhig
sagen, daſs er zu den glänzendsten Bällen zu zählen ist,
welche das Schützencorps bis nun überhaupt veraa-
staltete. Es gibt wenig Persönlichkeiten aus den besten
Kreisen unserer Stadt, welche nicht auf diesem Ball-
feste erschienen waren und ein Animo herrschte
in der Gesellschaft wie nur selten. Die bunten
Uniformen, die diesmal besonders statk vertreten
waren, gaben dem Bilde eine glänzende Um-
rahmung und ein reicher Damenflor veranlasste
selbst die ältere Herren-Generation flolt bis zum
frühen Morgen sich dem Tactstock des Herrn Kapell-
meister Pleier zu unterordnen. Der Ball wurde
wie immer, nachdem die Corpsmitglieder sich in
Reihmn aufgestellt, und die Volkshymne gespielt
war, mit einem Hoch auf Se. Majestät vom
und den Creditnehmer zu warnen. Hier tritt die
Moral helfend ein.
Das Streben nach Geld und Genuſs auf die
Kosten der Mitmenschen beherrscht heute einen
großen Theil der Gesellschaft. Die ehrliche Arbeit
erfreut sich bei sehr Vielen einer gewissen Gering-
schätzung; ihnen scheint ein lucrativer Erwerb, rast-
lose Gewinn- und Genuſssucht das Gesellschafts-
Decorum besser zu wahren als die Schwieligkeit
der Hände, kein Gesetz verbietet dies, wohl aber
die Moral, deren Befolgung diese Verächter der
Arbeit als ihr alleiniges Privilegium mit nichten
in Anspruch nehmen.
Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber nicht,
den in seinem Dienste alt und arbeitsunfähig ge-
wordenen Arbeiter länger zu entlohnen. Der Ar-
beitsvertrag ist ein Austausch zwischen Preis und
der „Ware“ Arbeit. Kannst du mir die „Ware“
Arbeit nicht mehr bieten, entbindest du mich der
Zahlung des Preises. Änders die Moral. Sie
verficht den Billigkeitsstandpunkt gegenüber dem
arbeitsunfähig gewordenen alten Arbeiter und ver-
pflichtet den Unternehmer, ihm auch im Alter das
Nothwendige zur Bestreitung seiner Lebensbedürf-
nisse zu bieten, zumal ja vielleicht eben dieser Ar-
beiter in den Jahren seiner vollen Arbeitskraft in
dem ihm gezahlten Lohne das volle Aequivalent
seiner Arbeit nicht gefunden hat.
Das Recht, gleichviel, ob es im Gewande
privater Satzung, des Gewohnheitsrechtes oder des
Gesetzes auftritt, berechtigt und verpflichtet ein
Subject gegen ein anderes oder aber gegen den
Corps-Commandanten Herrn Dr. Rudolf
Knoll eröffnet, hierauf folgte die Polnaise, welche
dem Reporter willkommene Gelegenheit bot, die
Gäste des Corps, Revue passieren zu lassen und es
war eine stattliche Schaar, welche der Einladung
des Corps Folge geleistet. So bemerkten wir Herrn
k. k. Bezirkshauptmann Dr. Ritter v. Maurig,
Militärstations-Commandant Herrn Oberst Ritter
v. Jaworski, Herrn Bürgermeister Schäffler
mit Gemalinnen, Vertreter der Behörden, eine
große Zahl activer und Rese ve-Officiere,“ Ver-
eins-Deputationen, Vertreter auswärtiger Schützen-
corps. Die Schützenofficiere machten die Hon-
neurs und theilten sich in das Arrangement,
während eine speciell commandierte Wachmannschaft
zrm Empfange im Stiegenhause postiert war. Der
Besuch war ein ungemein lebhafter, in zwei Sälen
wurde flott getanzt und die Hauptsache war, daſs
es nicht an Tänzern mangelte. Kurz, der heurige
Schützenball war der glänzendste der bisher ver-
anstalteten.
(Schüler-Vorstellung im Kurhause.)
Der Zweck heiligt die Mittel, aber auch Mittel
heiligen den Zweck! Beides trifft auf die vor-
gestrige Schülervorstellung im Kurhause zu. Es
hatte sich ein zahlreicher Besuch eingefunden und
dies war erfreulich im Jateresse des edlen Zieles,
für welches das Unternelmen vom Lehrkörper der
Bürgerschule veranstaltet wurde: zu Gunsten des
Fonds zur Unterstützung armer Bürgerschüler! Und
der Besuch braucht niemanden zu gereuen; die
jugendfrischen, schönen Kinderstimmen, die Pràcision
und Natürlichkeit des Vortrages — waren geradezu
überraschend, besonders die Mädchen Chöre höchst
lobenswert. Herr Lehrer Oppel konnte am Diri-
gentenpulte nur lebhafte Befriedigung genießen. —
Die Vorstellung bot eine willkommene Abwechslung
im Repertoir unseres Dilettautis mus, sie hatte aber noch
einen andern, ganz besonders hochanzuschlagenden
Wert: sie muss als ein Bindeglied betrachtet werden,
zwischen dem nothwendigen Bestreben einen innigen
Contact zwischen Schule und Elternhaus herzustellen.
Und ganz besonders von diesem Standpunkte aus,
begrüßen wir diese Veranstaltung, gratulieren dem
Lehrköper für deren Gelingen und wünschen, dass
er uns und allen Schul- und Kinderfreunden noch
öfters Gelegenheit böte, solchen schönen Versuchen
anwohnen zu können.
(Zweite Redoute im Hotel Weber)
Trotz des schlechten Wetters war die erste Redoute
im Hotel Weber sehr gut besucht, ein Be-
weis, daſs diese Art Carnevals-Unterhaltungen
stets ihren Reiz ausüben. — Am kommenden
Sonntag findet im Hotel Weber die zweite
Redoute statt. Je weiter der Fasching fort-
schreitet, desto lebhafter entwickelt sich auch die Lust
Staat als den Repräsentanten einer bestimmten
territorialen Gemeinschaft, nie enthält es Rechts-
grundsätze, an welche der Träger derselben nur
durch sich selbst gebunden wäre.
Hierdurch unterscheidet sich das Recht von der
Moral. Ein jedes moralische Princip ist eine von
seinem Träger frei angenommene Richtschnur für
sein Handeln.
Es gibt keine äußere Gewalt, welche den
Menschen zur Bethätigung dieses oder jenes mora-
lischen Grundsatzes zwingt.
Das Recht erschöpft sich in Durchschnittsregeln,
mittleren Größen, bloßen Grenzbestimmungen und
Festsetzungen allgemeinen Charakters, sagt Schäffle,
und Puchta drückt dies im § 21 seiner Pandekten
dadurch aus, daſs er sagt: Der Grundcharakter des
Rechtes sei die Herrschaft der gleichmäßig durch-
greifenden Regel über die individuelle Befugnis.
Das Recht normiert gesellschaftliche Verhält-
nisse, die gewöhnlich vorkommen und setzt für die-
selben fest, was man von einem gewöhnlich be-
gabten Durchschnittsmenschen in eben diesen Ver-
hältnissen erwarten kann.
Es lässt einen gewissen Spielraum für die
Thätigkeit des Richters und der Parteien.
Das Recht normiert die Verhältnisse weiterer
und der weitesten Lebenskreise und überlässt die
Ordnung und Reglementierung der thatsächlichen
Vethältnisse in engeren und engsten Kreisen, z. B.
im Familienleben, der Moral.
Das Recht ist Herr im Staate, und soll sich
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