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Nr. 11
Samstag den 15. Jänner 1898
XXII XXXVIIl. Jahrgang
Sadeblatt
Karlsbader
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Das Bedeutungsvollste in der gegenwärtigen
Tagung der Landtage sind die Grüße, welche
zwischen den Deutschen der einzelnen Kronländer
hin- und herfliegen und die Anträge bezüglich der
Sprachenverordnungen, welche in Ländern gestellt
wurden, die davon direct gar nicht berührt
werden. Die Steirer, die Kärntner, die Ober-
österreicher schicken Begrüßungen an die kämpfenden
deutschen Abgeordneten in Prag und die Auf-
hebung der Sprachenverordnungen für Böhmen
und Mähren wird in fast allen Landtagen der
deutschen Alpenländer verlangt und nur Nieder-
österreich hat es in dieser Angelegenheit gar nicht
eilig, weil Herr Dr. Lueger noch nicht weiß, was
er seiner Partei in dieser Angelegenheit gestatten
oder verbieten soll und Herr Bielohlawek, einer
der Hausknechte Luegers, „auf die Deutschböhmen
pfeift“, wie er sich geschmackvoll ausdrückte. So
hat denn der tolle Angriff Badeni's auf die Deutschen,
den er sich mit den Sprachenverordnungen erlaubt
hat, weil die Schlachzizen, Feudalen und Slaven-
parteien die Deutschen mit dem Hader unter-
einander beschäftigt sahen, zu einer Verständigung
unter den Deutschen geführt, die noch zu großen
Dingen berufen sein kann. Alles hängt davon ab,
daſs dieses Zusammenhalten der Deutschen von
Dauer ist. Dann werden sie mit der feudalen Ver-
schwörergilde, die bisher die innere Politik Oester-
reichs beherrscht hat, binnen kurzem fertig sein.
Die Stanczyken sind nur die polnischen Feu-
dalen und die tschechischen Feudalen die Stanczyken
von Böhmen. Wenn sie zeitweilig aufeinander
eifersüchtig waren, wenn den böhmischen Feudalen
Graf Badeni auch als Eindringling erschien, zuletzt
hatten sich doch beide in der Majorität gefunden,
um ganz Oesterreich in ihren gemeinsamen Sack
zu stecken. Der blitzschnell erfolgte Zusammenschluss
der Deutschen, welcher selbst die Zweifelhaften mit-
zulaufen nöthigte, entrifs der feudal-slavisch cleri-
calen Coalition die Beute. Aengstlich horchen nun
die Majoritätsparteien an den Schlüssellöchern der
Berathungsstuben der Deutschen, ob sich denn nicht
baldigst wieder ein Zwiespalt unter den Deutschen
aufthun werde, welcher der Majorität erlauben
würde, neue Hoffnungen zu schöpfen. Schon ge-
legentlich der Leitmeritzer Versammlung meinten
die wohlmeinenden Herren, die Deutschen würden
über die Beschickung oder Nichtbeschickung des Land-
tages in Prag in Zwist gerathen. Es war damit
nichts. Nun sind neue „Streitpunkte“ aufgeworfen.
Abstinenz oder Obstruction? — Die Herren mögen
sich beruhigen; die Deutschen werden auch darüber
sich nicht zanken und vorziehen, sich darüber gegebenen-
falls zu verständigen und abermals gemeinschaftlich
zu handeln. Das gleisnerische Wohlwollen, welches
von den Gegnern bald der einen bald der anderen
Gruppe der Deutschen erwiesen wird, die „guten“
Rathschläge, „festeren Halt“ zu suchen, werden gar
keine Wirkung haben, da jene sich hinlänglich über-
zeugten, daſs der festeste Halt für die Deutschen
einzig und allein im Zusammenhalten besteht und
daſs es vielleicht nicht so sehr darauf ankommt,
was die Deutschen unternehmen, als daſs sie dies
einträchtig unternehmen. Was sie allesammt mit-
einander in Eintracht in die Hand nehmen, das
wird gelingen und wenn es noch so gewagt wäre.
Daher muss es ihre größte Sorge sein, ihr Zn-
sammengehen tactisch noch weiter auszubilden,
um die Wucht der Schläge, welche sie zu führen
gedenken, noch nachdrücklicher zu machen.
Um die Sprachenverordnungen wogt zunächst
der Streit und schon in den nächsten Tagen wird
die Regierung ihren eigenen Standpunkt enthüllen
müssen. Wenn uns jetzt gesagt wird, der Antrag
Buquoy habe schon von vorneherein die Zu-
stimmung der Jungtschechen und die Jungtschechen
sind in dieser Frage mit der Regierung handels-
eins, so könnte das nur Bedenken auf deutscher Seite
wecken. Sind denn die Tschechen plötzlich so zahm
geworden, daſs sie geneigt wären, eine volle Be-
friedigung der Deutschen zuzulassen? Haben denn
die Tschechen plötzlich all ihren Hochmuth, ihre
vermessenen Pläne, dem Deutschthum im Wenzels-
staate den Garaus zu machen, aufgegeben? Das
müsste min erst sehen, ehe man es glauben könnte.
Es steht also gar sehr zu fürchten, daſs Herr von
Gautsch den Deutschen entweder Nichtgenügendes
antragen lassen wird, oder daſs er eine solche Will-
fährigkeit der Tschechen mit Opfern erkauft hat,
die in letzter Linie doch wieder das Deutschthum
oder der Staat zahlen müssten. Im letzteren Falle
müsste sich die Lage sehr schnell ändern; die
Deutschen müssten sofort wieder ihr verschanztes
Lager beziehen, — das Verlangen auf sofortige
Aufhebung der Sprachenverordnungen; im anderen
Falle wäre der Endkampf um die berechtigte
Stellung der Deutschen in Oesterreich nur ver-
schoben. Denn daſs die Deutschen noch weiter
Opfer bringen, ist gänzlich ausgeschlossen.
Sie werden aber auch das Reich vor neuen Ein-
griffen der feudalen Staatsrechtler und Autonomie-
schwindler zu bewahren wissen.
Im Großen und Ganzen dürften die Dinge
einen raschen Verlauf nehmen. Wenn sich jetzt
auch die dirigierenden Majoratsherren zu einem
Hinausziehen der Entscheidung und zu einer
zeitweiligen Beiseitestellung ihrer staatsrechtlichen
und nationalen Forderungen verstehen wollten —
heute sind es die Deutschen, welche eine Versumpfung
Die Gemeinbürgschaft.
Berliner Plauderei.
(Original-Beitrag.)
In dieser Woche hatten in Berlin die Frauen
das Wort. Bürgerliche und vornehme Frauen in
der einen, Arbeiterinnen und überhaupt social-
demokratische Frauen in einer anderen öffentlichen
Versammlung klagten über eine große Unbill, unter
welcher die Frauen zu leiden hätten, und die
Männer mussten in diesem Falle zugeben, daſs die
Klage eine berechtigte war. In drei kurz aufeinander
folgenden Fällen hatten sich Polizeibeamte gegen
Frauen schwer vergangen. Ein schlichtes Bürger-
mädchen wurde auf offener Straße auf das bloße
Wort eines schamlosen Menschen hin nicht nur
zur Wache gebracht, sondern auch über Nacht dort
behalten und in einer Weise behandelt, die jedes
unschuldige Mädchen empören und schwer kränken
musste. Gleich darauf wurde eine Frau mit un-
nöthiger Härte zur Polizei gebracht, die im Haus-
flur ihr Dienstmädchen zur Rede gestellt hatte.
In beiden Fällen wäre es ein Leichtes gewesen,
auf eine bloße Anfrage über die vollständige Harm-
losigkeit der Personen Auskunft zu erhalten und
Ehrverletzung und Aufsehen zu vermeiden. Der
dritte Fall lag noch ganz anders. Da war der
Polizeibeamte, der für Aufrechterhaltung der guten
Sitte und Ordnung zu sorgen angestellt ist, nur
der Bock, den man zum Gärtner gemacht
Ueber diese drei Fälle, die Schlag auf Schlag
folgten, herrschte bei den Männern Berlins auch
nicht um einen Grad weniger Erregung und Ent-
rüstung als bei den Frauen. Das wurde von
diesen auch in einer Versammlung zugegeben, da
man aber in dieser Frauenwelt an den Männern
nicht gern ein gutes Haar lässt, so erklärte eine
Rednerin, die Philister seien nur deshalb so ent-
rüstet gewesen, weil Jeder dachte, dergleichen könnte
auch seiner Frau, Tochter, Schwester u. s. w.
passieren. Daſs die Rednerin damit die Frauen-
bewegung, soweit sie sich gegen die „Männer-
tyrannei“ richtet, eigentlich verurtheilt oder wenigstens
für in der Hauptsache überflüssig erklärt, ist den
Damen entgangen. Denn sintemalen und alldieweil
jede Frau, wenn schon nicht einen Mann und
Bruder, so doch einen — Vater hat, bezw. hatte,
so ist doch anzunehmen, daſs für die weitaus meisten
Frauen Jemand da ist, der sie nicht in seiner Eigen-
schaft als Mann tyrannisieren will, vielmehr ent-
rüstet ist, wenn ihnen in ihrer Eigenschaft als
Frau eine Unbill zugefügt wird. Die selbst zahl-
reichen Ausnahmen beweisen nichts der colossalen
Masse gegenüber.
Die Reden und Resolutionen der beiden Frauen-
versammlungen und die zahlreichen in den Zeitungen
und Privatunterhaltungen von Frauen gemachten
Vorschläge sind meist unpractisch, weil unausführbar.
Wünschenswert freilich wäre es, wenn die Männer
in den großen Städten, namentlich aber in Berlin,
etwas mehr die Schiller'sche Mahnung „Ehret die
Frauen!“ beherzigten. Die Gerechtigkeit verlangt
allerdings zugegeben, daſs in dem großstädtischen
Straßenleben das Verhalten vieler Frauen nicht
geeignet ist, zu besonderer Ehrerbietung im Schiller'-
schen Sinne aufzufordern, und die Frauenbewegung,
zumal in ihren Auswüchsen, ist ebenso wenig ge-
eignet, Cavaliersitien zu fördern. Aber es gibt
noch größere Städte wie Berlin, in denen die
Frauenbewegung sogar noch weiter vorgeschritten
ist. Anständige ausländische Damen stellen aber
selbst den gebildeten Berliner Herren kein gutes
Zeugnis aus. Sie sollen weniger rücksichtsvoll
gegen Frauen sich benehmen als gebildete Männer
in anderen Ländern. Das ist nicht recht von den
Nachkommen der alten Germanen, die die Frauen
so verehrten. — Man kann sich bei solcher Ent-
artung denken, daſs etwas Wahres an der Be-
hauptung ist, die weiblichen Angestellten hätten von
Princpaen, Dienstherren, Mitarbeitern oft uner-
trägliche Beleidigungen hinzunehmen.
Feuilleton.
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