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Nr. 11 Samstag den 15. Jänner 1898 XXII XXXVIIl. Jahrgang Sadeblatt Karlsbader Redaktion und Administration und im Hause „Bellevue“, Stefanspromennde Abonnements-Preise: Für Karlsbad: Telephon-Nr. 59. Virteljährig ....2 f. .. Inferate werden nur gegen Vorauszahlung an- �albjährig4f. genommen. Preis der -mal gespaltenen Bett- 8 1. Wochenblatt. zeile 6*r. Zustellung ins Haus pro quartat 20 kr. Inserate, für den nächsten Tag bestimmt, Mit Hostversendung. Erscheint ganzjährig tüglich mit Ausnahme nach werden nur bis 2 Uhr Nachmittags in der Vierteljahrig3 fl. Inland: �dmintratton und in derse Sonn- und Feiertagen. Halbjährig6 fl. t„3 Tämmer“Markt engegen- 12 fl. en.“ Virijahrg...6 M. Manuseripte werden nicht zurücktgegeden ... 12„ ahrig24„ Ausland: Herausgeber: Ernest Franiech. Inserate übernehmen die Annoncen-Bureaus Haasenstein & Vogler in Wien, Rudolf Mosse in Berlin und Wien und sämmtliche anderen Filialen dieser beiden Firmen. Das Bedeutungsvollste in der gegenwärtigen Tagung der Landtage sind die Grüße, welche zwischen den Deutschen der einzelnen Kronländer hin- und herfliegen und die Anträge bezüglich der Sprachenverordnungen, welche in Ländern gestellt wurden, die davon direct gar nicht berührt werden. Die Steirer, die Kärntner, die Ober- österreicher schicken Begrüßungen an die kämpfenden deutschen Abgeordneten in Prag und die Auf- hebung der Sprachenverordnungen für Böhmen und Mähren wird in fast allen Landtagen der deutschen Alpenländer verlangt und nur Nieder- österreich hat es in dieser Angelegenheit gar nicht eilig, weil Herr Dr. Lueger noch nicht weiß, was er seiner Partei in dieser Angelegenheit gestatten oder verbieten soll und Herr Bielohlawek, einer der Hausknechte Luegers, „auf die Deutschböhmen pfeift“, wie er sich geschmackvoll ausdrückte. So hat denn der tolle Angriff Badeni's auf die Deutschen, den er sich mit den Sprachenverordnungen erlaubt hat, weil die Schlachzizen, Feudalen und Slaven- parteien die Deutschen mit dem Hader unter- einander beschäftigt sahen, zu einer Verständigung unter den Deutschen geführt, die noch zu großen Dingen berufen sein kann. Alles hängt davon ab, daſs dieses Zusammenhalten der Deutschen von Dauer ist. Dann werden sie mit der feudalen Ver- schwörergilde, die bisher die innere Politik Oester- reichs beherrscht hat, binnen kurzem fertig sein. Die Stanczyken sind nur die polnischen Feu- dalen und die tschechischen Feudalen die Stanczyken von Böhmen. Wenn sie zeitweilig aufeinander eifersüchtig waren, wenn den böhmischen Feudalen Graf Badeni auch als Eindringling erschien, zuletzt hatten sich doch beide in der Majorität gefunden, um ganz Oesterreich in ihren gemeinsamen Sack zu stecken. Der blitzschnell erfolgte Zusammenschluss der Deutschen, welcher selbst die Zweifelhaften mit- zulaufen nöthigte, entrifs der feudal-slavisch cleri- calen Coalition die Beute. Aengstlich horchen nun die Majoritätsparteien an den Schlüssellöchern der Berathungsstuben der Deutschen, ob sich denn nicht baldigst wieder ein Zwiespalt unter den Deutschen aufthun werde, welcher der Majorität erlauben würde, neue Hoffnungen zu schöpfen. Schon ge- legentlich der Leitmeritzer Versammlung meinten die wohlmeinenden Herren, die Deutschen würden über die Beschickung oder Nichtbeschickung des Land- tages in Prag in Zwist gerathen. Es war damit nichts. Nun sind neue „Streitpunkte“ aufgeworfen. Abstinenz oder Obstruction? — Die Herren mögen sich beruhigen; die Deutschen werden auch darüber sich nicht zanken und vorziehen, sich darüber gegebenen- falls zu verständigen und abermals gemeinschaftlich zu handeln. Das gleisnerische Wohlwollen, welches von den Gegnern bald der einen bald der anderen Gruppe der Deutschen erwiesen wird, die „guten“ Rathschläge, „festeren Halt“ zu suchen, werden gar keine Wirkung haben, da jene sich hinlänglich über- zeugten, daſs der festeste Halt für die Deutschen einzig und allein im Zusammenhalten besteht und daſs es vielleicht nicht so sehr darauf ankommt, was die Deutschen unternehmen, als daſs sie dies einträchtig unternehmen. Was sie allesammt mit- einander in Eintracht in die Hand nehmen, das wird gelingen und wenn es noch so gewagt wäre. Daher muss es ihre größte Sorge sein, ihr Zn- sammengehen tactisch noch weiter auszubilden, um die Wucht der Schläge, welche sie zu führen gedenken, noch nachdrücklicher zu machen. Um die Sprachenverordnungen wogt zunächst der Streit und schon in den nächsten Tagen wird die Regierung ihren eigenen Standpunkt enthüllen müssen. Wenn uns jetzt gesagt wird, der Antrag Buquoy habe schon von vorneherein die Zu- stimmung der Jungtschechen und die Jungtschechen sind in dieser Frage mit der Regierung handels- eins, so könnte das nur Bedenken auf deutscher Seite wecken. Sind denn die Tschechen plötzlich so zahm geworden, daſs sie geneigt wären, eine volle Be- friedigung der Deutschen zuzulassen? Haben denn die Tschechen plötzlich all ihren Hochmuth, ihre vermessenen Pläne, dem Deutschthum im Wenzels- staate den Garaus zu machen, aufgegeben? Das müsste min erst sehen, ehe man es glauben könnte. Es steht also gar sehr zu fürchten, daſs Herr von Gautsch den Deutschen entweder Nichtgenügendes antragen lassen wird, oder daſs er eine solche Will- fährigkeit der Tschechen mit Opfern erkauft hat, die in letzter Linie doch wieder das Deutschthum oder der Staat zahlen müssten. Im letzteren Falle müsste sich die Lage sehr schnell ändern; die Deutschen müssten sofort wieder ihr verschanztes Lager beziehen, — das Verlangen auf sofortige Aufhebung der Sprachenverordnungen; im anderen Falle wäre der Endkampf um die berechtigte Stellung der Deutschen in Oesterreich nur ver- schoben. Denn daſs die Deutschen noch weiter Opfer bringen, ist gänzlich ausgeschlossen. Sie werden aber auch das Reich vor neuen Ein- griffen der feudalen Staatsrechtler und Autonomie- schwindler zu bewahren wissen. Im Großen und Ganzen dürften die Dinge einen raschen Verlauf nehmen. Wenn sich jetzt auch die dirigierenden Majoratsherren zu einem Hinausziehen der Entscheidung und zu einer zeitweiligen Beiseitestellung ihrer staatsrechtlichen und nationalen Forderungen verstehen wollten — heute sind es die Deutschen, welche eine Versumpfung Die Gemeinbürgschaft. Berliner Plauderei. (Original-Beitrag.) In dieser Woche hatten in Berlin die Frauen das Wort. Bürgerliche und vornehme Frauen in der einen, Arbeiterinnen und überhaupt social- demokratische Frauen in einer anderen öffentlichen Versammlung klagten über eine große Unbill, unter welcher die Frauen zu leiden hätten, und die Männer mussten in diesem Falle zugeben, daſs die Klage eine berechtigte war. In drei kurz aufeinander folgenden Fällen hatten sich Polizeibeamte gegen Frauen schwer vergangen. Ein schlichtes Bürger- mädchen wurde auf offener Straße auf das bloße Wort eines schamlosen Menschen hin nicht nur zur Wache gebracht, sondern auch über Nacht dort behalten und in einer Weise behandelt, die jedes unschuldige Mädchen empören und schwer kränken musste. Gleich darauf wurde eine Frau mit un- nöthiger Härte zur Polizei gebracht, die im Haus- flur ihr Dienstmädchen zur Rede gestellt hatte. In beiden Fällen wäre es ein Leichtes gewesen, auf eine bloße Anfrage über die vollständige Harm- losigkeit der Personen Auskunft zu erhalten und Ehrverletzung und Aufsehen zu vermeiden. Der dritte Fall lag noch ganz anders. Da war der Polizeibeamte, der für Aufrechterhaltung der guten Sitte und Ordnung zu sorgen angestellt ist, nur der Bock, den man zum Gärtner gemacht Ueber diese drei Fälle, die Schlag auf Schlag folgten, herrschte bei den Männern Berlins auch nicht um einen Grad weniger Erregung und Ent- rüstung als bei den Frauen. Das wurde von diesen auch in einer Versammlung zugegeben, da man aber in dieser Frauenwelt an den Männern nicht gern ein gutes Haar lässt, so erklärte eine Rednerin, die Philister seien nur deshalb so ent- rüstet gewesen, weil Jeder dachte, dergleichen könnte auch seiner Frau, Tochter, Schwester u. s. w. passieren. Daſs die Rednerin damit die Frauen- bewegung, soweit sie sich gegen die „Männer- tyrannei“ richtet, eigentlich verurtheilt oder wenigstens für in der Hauptsache überflüssig erklärt, ist den Damen entgangen. Denn sintemalen und alldieweil jede Frau, wenn schon nicht einen Mann und Bruder, so doch einen — Vater hat, bezw. hatte, so ist doch anzunehmen, daſs für die weitaus meisten Frauen Jemand da ist, der sie nicht in seiner Eigen- schaft als Mann tyrannisieren will, vielmehr ent- rüstet ist, wenn ihnen in ihrer Eigenschaft als Frau eine Unbill zugefügt wird. Die selbst zahl- reichen Ausnahmen beweisen nichts der colossalen Masse gegenüber. Die Reden und Resolutionen der beiden Frauen- versammlungen und die zahlreichen in den Zeitungen und Privatunterhaltungen von Frauen gemachten Vorschläge sind meist unpractisch, weil unausführbar. Wünschenswert freilich wäre es, wenn die Männer in den großen Städten, namentlich aber in Berlin, etwas mehr die Schiller'sche Mahnung „Ehret die Frauen!“ beherzigten. Die Gerechtigkeit verlangt allerdings zugegeben, daſs in dem großstädtischen Straßenleben das Verhalten vieler Frauen nicht geeignet ist, zu besonderer Ehrerbietung im Schiller'- schen Sinne aufzufordern, und die Frauenbewegung, zumal in ihren Auswüchsen, ist ebenso wenig ge- eignet, Cavaliersitien zu fördern. Aber es gibt noch größere Städte wie Berlin, in denen die Frauenbewegung sogar noch weiter vorgeschritten ist. Anständige ausländische Damen stellen aber selbst den gebildeten Berliner Herren kein gutes Zeugnis aus. Sie sollen weniger rücksichtsvoll gegen Frauen sich benehmen als gebildete Männer in anderen Ländern. Das ist nicht recht von den Nachkommen der alten Germanen, die die Frauen so verehrten. — Man kann sich bei solcher Ent- artung denken, daſs etwas Wahres an der Be- hauptung ist, die weiblichen Angestellten hätten von Princpaen, Dienstherren, Mitarbeitern oft uner- trägliche Beleidigungen hinzunehmen. Feuilleton.
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