Text na stránkách 4
Text:
Seite 4
Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 3
5. Jänner 1898
folgte, zugeschickt worden war, unter dem 30. v. M.
folgendes Dankschreiben an den vorbereitenden Ausschufs
gelangen lassen: „Für das freundliche Telegramm sende
ich Ihnen und allen Theilnehmern des deutschen akade-
mischen Tages in Eger meinen herzlichsten Dank. Ich
habe lebhaft bedauert, daſs ich nicht theilnehmen konnte
und mein Bedauern hat sich noch gesteigert, als ich be-
reits gestern Abend telephonisch von dem schönen Ver-
laufe des Tages Nachricht erhielt. Ich bin gerührt über
die Treue der deutschen alademischen Jugend, der ich
nur damit erwiedern kann, daſs ich nach Kräften alles
unternehme, was zu ihrer Sicherheit und ihrem Wohle
erforderlich erscheint.
Asch, 4. Jänner. (Schriftleiter Tins freige-
sprochen.) Das gerichtliche Nachspiel des „Carbonari-
zuges“ nach Bad-Elster — so bezeichnete bekanntlich
seinerzeit das „Fremdenblatt“ die große Kundgebung auf
der Agnesruh — hat nun endlich seinen Abschluſs ge-
funden. Schriftleiter Tins wurde nach-gepflogener Haupt-
verhandlung am 30. v. M. von der ihm zur Last ge-
legten Anklage freigefprochen.
Vermischtes.
(Tausendjähriges Jubiläum der — Wurst.)
Ein gewissenhafter Historiker erinnert noch kurz vor Ablauf
des Jahres 1897, daſs der Menschheit fürwahr doch noch
eine Pflicht der Pietät zu erfüllen übrig bleibt. Wir
haben nämlich noch ein wichtiges Jubiläum, dasjenige
der, Wurst zu feiern, denn vor tausend Jahren, 897,
wurde die Wurst zum erstenmal in der Form und Zusammen-
setzung fabricirt, wie es noch heute geschieht. Man muss
bedenken fügt der fachkundige Historiker hinzu — daſs
diese Zusammensetzung zur Zeit der alten Griechen eine
ganz andere war, so daſs man jenes Gebilde, welches
schon Homer in seiner Odyssee erwähnt, nämlich einen
mit Fett und Blut gefüllten gebratenen Gaismagen,
durchaus nicht als Wurst in dem heutigen Sinne bezeichnen
kann. Auch die berühmten Lukan'schen Würstchen der
Römer lassen sich mit den späteren des Mittelalters in
keinen Vergleich bringen. Im Mittelalter bereitete man
Würste nicht nur aus Schweinefleisch, sondern aus gemischtem
Fleisch aller Art. Um das Jahr 1500 herum kamen mit
Safran und Zimmt gewürzte Würste in Mode, und
später setzte man Kalbfleisch, Milch, sogar Moschus zu.
Erst im letzten Jahrhundert und in unserem gelangte die
Fabrikation der Würste zu großer Blüthe.
(Traurige Statistik.) Ein Pariser Blatt ver-
öffentlich gelegentlich der Ermordung eines Bankkolektors
durch ein italienisches Ehepaar eine Statistik über die
„Früchte“, welche französische Verbrecher aus ihren Un-
thaten gewonnen haben. Die Niedermetzlung des Bank-
kollektors Weib hatte den Mördern über 10.000 fl. ein-
getragen. Sie vergruben das Geld und behielten nur
l.Diese gaben sie aber in so dummer Weise aus,
daſs sie sich selbst verdächtig machten und nun werden sie
für ihre grausige That ihr Haupt unter die Guillotine
legen müssen. Fast bei allen Pariser Mordthaten der
letzten Jahre haben die Mörder nicht den gewünschten
Lohn eingeheimst. Eyrand, der mit Gabriele Bom-
pard den Exekutor Gouffe erdrosselte, fand bei ihm nur
70 fl. Es kostete ihm über 800 fl., nach Canada und
Argentinien zu entkommen, wo er nachher eingefangen,
heimgebracht und quillotinirt wurde. Die schöne Gabriele
sitzt für Lebenszeit im Zuchthause. Der Italiener Pranzini
beging vier Morde, die ihm ein Paar Ohrringe, eine
brillantenbesetzte Uhr und eine kostbare Brosche, aber kein
Baargeld und dann die Guillotine einbrachten. Auch
der Spanier Prado ermordete ein Weib und fand für
mehr als fl. 9000 Juwelen, doch kein Baargeld. Der
Befitz verrieth ihn, er hatte im Ganzen fl. 100 baar
daraus eingenommen und verlor ebenfalls den Kopf.
Die Mörder Lageney, Ferrand und Kriesgen, welche die
Baronesse von Palley erdrosselten, fanden bei ihr gegen
90 fl. Sie hatten noch nicht die Hälfte davon ausge-
geben, als sie ihr verdientes Schicksal erreichte. Diese
Leute hatten noch große Summen gefunden, andere waren
weniger „glücklich.“ So fanden Georges, Voty, Frank,
Chottin, Coche bei ihren Opfern nur etwa je 50 kr.
Ollivier eine Talmiuhr und 8 kr., König ebenfalls nur
8 kr., Bouillon, Bernard, Servant schlugen Menschen
todt, um sie zu berauben, fanden bei den Erschlagenen
keinen Heller. Allesammt aber erhielten sie dann durch
die Guillotine den richtigen Sündensold.
(Um den großen Arbeitsaufwand zu
vermeiden,) welchen horizontale Thonmauken mit
dem Betriebe eines Ringofens entsprechendem continuir-
lichen Betrieb verursachen, ordnet E. Cramer in Berlin
eine verticale Thonmauke an, welche einen Schlot von
großem Querschnitt darstellt. Der Arbeitsvorgang erfolgt
in der Weise, daſs die Füllung des Schlotes von oben
mittels Elevators oder Aufzugs geschieht, während das
Entleeren durch einen von unten am Schlot angebrachten
Schieber erfolgt. Sofern es sich um preſsfähige Masse
handelt, ist die Entleerung selbstthätig. Durch die senk-
rechte Anordnung wird eine allmählige Steigerung des
Druckes auf die Massen erzielt, wodurch ein großer Theil
der Luft ausgetrieben wird (Mitgetheilt vom Interna-
tionalen Patentbureau Carl Fr. Reichelt Berlin NW. 6.)
(Ein Waggon „Powidel“ militärisch be-
wacht). Ein humoristischer Zwischenfall ereignete sich, wie
die „Lid. Noviny“ berichten, am Brünner Bahnhofe.
Am 23. December v. J. wurde nach Brünn telegraphisch
berichtet, daſs mit dem Abendzug ein Waggon Munition
für die dortige Besatzung einlange. Der Magazinsvor-
stand ersuchte sogleich um militärische Bewachung des
Waggons. Dem diensthabenden Beamten und dem Sta-
tionsaufseher vergaß er aber mitzutheilen, daſs er um
militärischen Schutz angesucht habe. Alsbald erschienen
ein Führer und drei Mann und meldeten sich beim dienst-
habenden Beamten. Da dieser, sowie der Stationsauf-
seher von dem Zwecke der militärischen Bewachung keine
Ahnung hatten, verfielen sie auf den Gedanken, daſs ein
Waggon, der vorher auf ein Seitengeleise geschafft wor-
den war, des Schutzes bedürfen werde und wiesen die
Wache dahin. Am anderen Morgen, als der Waggon
geöffnet wurde, zeigte es sich erst, daſs eine Ladung
„Powidel“ die ganze Nacht hindurch militärisch bewacht
worden sei.
Vom Büchertisch.
„Neue Revue“. Die Wiener Wochenschrift für Politik
Wissenschaft, Kunst und öffentliches Leben „Neue Revue“
veröffentlicht in Heft Nr. 1 (IX. Jahrg.) vom 1. Jänner
1898 folgende Aufsätze:
A. Menger, Härten der neuen Executionsordnung. —
*Der Panslavismus in Oesterreich. — J. Gaukle,
Höfische Kunst. — L. Sokal, Chemische Forschung und
Technik. — F. Herczeg, Der Sohn der Frau v. Olah.
Citeratur. — Miniaturbilder aus der Zeit.
Vierteljährlicher Abonnementspreis mit Porto fl. 1.95,
(Mark 3.50). — Probehefte dieser Zeitschrift, die allen
Freunden einer ernsten und anregenden Sectüre bestens
empfohlen werden kann, gratis durch alle Buchhand-
lungen und durch die Expedition, Wien, I. Wallnerstraße
Nr. . — Die Abonnements beginnen am 1. eines jeden
Monats.
Die Oesterreichische Musik- und Theaterzeitung in
Wien, I., Seilerstätte 15, versendete gleichzeitig mit ihrer
reichhaltigen Weihnachtsnummer eine hübsche Gratis-
Prämie für ihre Jahres-Abonnenten, den „Almanach der
Oesterreichischen Musik- und Theaterzeitung“, welcher
interessante musikalische Fachartikel, Original-Novellen.
Poesien, satyrische Gedichte, sowie Künstler-Biographien
mit vielen Jüustrationen enthält und franco jeder deutschen
und österreichischen Poststation zu Mt. 3 oder fl. 1.50
ö. W. erhältlich ist.
Telegramme.
Prag, 4 Jänner. Die Versammlung der
deutschböhmischen Abgeordneten ist für den 9. Jän-
ner nach Leitmeritz einberufen. Vormittags
findet daselbst eine Versammlung des Ex cutiv-
comités statt.
Prag, 4. Jänner. Die „Narodni Listy“
knüpfen an die Ankündigrng, daſs die Deutschen
im böhmischen Landtage gegen die Gewaltthaten
am Deutschthum Protest erheben werden und an
die angebliche Aeußerung der Abg. Lippert, Schle-
singer und Funke, daſs an eine ruhige Arbeit der
Deutschen im böhmischen Landtage heuer nicht zu
denken sein werde, folgende Drohung: Die Herren
wollen im Landtage des Königreiches Böhmen of-
fenbar ihre unterbrochene, berühmte Thätigkeit aus
dem Wiener Parlamente wieder aufnehmen. Nun,
sie sollen es nur wagen; beim ersten Skandal werden
wir hier die Herren Mores lehren, daſs sie ein
für allemal den Unterschied erkennen zwischen dem
böhmischen Landstabe und dem Wiener Abgeord-
so Geringes, zu erleichtern, war Bothwell's Be-
streben und seine Wärme steigerte sich, als er er-
fuhr, daſs der Leidende selbst in der 2tunde des
Unglücks seiner Interessen gedacht hatte.
„Leider wird das Haus, das ich gewählt habe,
erst in drei bis vier Monaten bewohnbar sein“,
wandte er ein.
„Was thut das? Sie können in Penmorval
wohnen, bis ihr Haus fertig ist. In unserem
weitläufigen Schloss können sich ein halbes Dutzend
Familien herumtummeln. Niemand wird Sie in
Ihren Privatgeschäften stören und Hilda's Gegen-
wart wird meine arme Frau aufheitern. Beeilen
Sie Ihre Hochzeit, so lange Heathcote in der
Laune ist, Sie anzunehmen, und lassen Sie sich
durch Ihre abgeschmackten Hausgeschichten nicht
abhalten.“
Er sprach mit fieberischer Ungeduld, mit der
Reizbarkeit eines Kranken, dessen Willen man nichts
entgegensetzen darf.
„Mein lieber Julian, Bothwell wird nur zu
glücklich sein, Deinen Rath befolgen zu dürfen,“
sagte Dora beschwichtigend.
„So soll er es thun und keinen Unsinn von
Häusern schwatzen,“ versetzte Wyllard.
Bothwell sollte am nächsten Tage in Trevena
mit seiner Braut zusammenkommen, die in Gesell-
schaft Fräulein Meyersteins das altmodische Land-
haus besichtigen wollte, mit dessen Umbau Bothwell
beschäftigt war. Eine bessere Gelegenheit konnte
es nicht geben, für sein Anliegen zu plaidiren.
Er hatte sich nie glücklicher gefühlt, als an
diesem frischen Septembertrag, wo er Hilda und
ihrer Beglriterin darlegte, wie er den Schauplatz
seiner zukünftigen Häuslichkeit gestalten wollte. Er
konnte gut genug zeichnen, um dem Baumeister zu
veranschaulichen, was er wünschte. Sein Notiz-
buch steckte voller Risse und Entwürfe zu Kaminen,
Gesimsen, Fenstern und Thüren und zierlichen Wind-
rosen.
„Man sollte meinen, Sie bauten eine Stadt,“
sagte das praktische Fräulein Meyerstein.
Als Bothwell im schwindenden Tageslicht über
die Marschen ritt, sann er über den vergangenen
Tag nach. Wie einfach häuslich hatten sie ihn zu
gebracht, so heimlich traut und süß. Mit dem Thee
in der Wirtshausstube hatte er abgeschlossen. Hilda
hatte soviel hausfräuliche Würde an den Tag ge-
legt, während sie den Thee einschenkte, als wäre
sie seit zehn Jahren mit Bothwell verheiratet. Die
Zeit der Bangigkeiten und Unruhen war vorüber.
Ihrer Liebe gegenseitig sicher, erfreuten sie sich der
Billigung derer, die sie liebten.
Wie verschieden war diese neue und lautere
Empfindung vom Fieber und der Reue der alten
Leidenschaft. Wie verschieden sein Bräutchen mit
der schlichten religiösen Gesinnung von dem Weibe,
das stets tributheischend ganz Laune war, das sich
kein Jota darum kümmerte, wie die Welt draußen
ihren Fortgang nahm, sondern unersättlich nach
Triumphen ihrer Eitelkeit haschte und litt oder
jubelte, je nachdem ihren Wünschen Befriedigung
oder Versagung zu Theil geworden war.
Es war Tischzeit, als Bothwell in Penmorval
ankam. Diese Stunde war unter sämmtlichen
Tageszeiten die melancholischste, seit der Herr des
Hauses als hilfloser Invalide im oberen Stockwerk
lag, um vielleicht nie wieder den stattlichen Speise-
saal zu betreten, in welchem der Hauswart Both-
well's Diner in derselben langsam zeremoniellen
Weise auftrug, als ob Familie und Gäste vollzählig
versammelt seien.
Bothwell sträubte sich vergebens gegen dieses
Zeremoniell.
„Lassen Sie mir doch lieber ein Kotelett
machen Stodden“, sagte er. „Ein Kartoffel und
ein Kotelett genügen mir vollständig. Ich war nie
ein Freund langer Diners, am wenigsten aber,
wenn ich sie allein berunteressen soll. Machen Sie
doch nicht so viele Umstände mit mir.“
Stodden aber schrieb alle solche Reden der
übertriebenen Bescheidenheit Herrn Grahame's zu.
Der junge Mann wusste, daſs er gewissermaßen
nicht ins Haus gehöre, und wünschte nicht, beschwer-
lich zu fallen. Das war sehr schicklich von ihm
und Stodden beschloss, daſs seine Bescheidenheit
ihm nichts schaden solle. Er setzte ihm am nächsten
Tage sogar ein noch prächtigeres Diner vor und
erwiderte auf Bothwell's Gegenvorstellungen mit
ungläubigem Lächeln:
„Sie mögen ja doch ein gutes Diner, Herr.
Sie wollen keine Umstände machen, aber ein gutes
Mittagbrot muss Ihnen doch angenehm sein. Wir
essen Alle gern ein gutes Mittagbrod. Das liegt
so in der Natur des Menschen.“
Název souboru:
karlsbader-badeblatt-1898-01-05-n3_0170.jp2