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Mittwoch den 5. Jänner 1898
XXII XXXVIII. Jahrgang
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Die faule Majorität.
Abg. Dr. Menger hat sich jüngst in einem
Vortrage mit der juristischen Natur der letzten
Vorgänge im Parlamente in der zweiten Halfte
des November befasst. Der Vortrag, das Ergebnis
eingehender Studien und eines unparteiischen Rechts-
bewuſstseins fand ungetheilten Beifall. Die Aus-
führungen sind die eines öffentlichen Anwaltes in
einer Rechtsangelegenheit und sie sind eine für
Jedermann dringend nöthige Ergänzung zur Kennt-
nis der parlamentarischen Vorgänge in jenen denk-
würdigen Tagen. Jasoferne ist es wohl für Jeder-
mann, der sich mit unseren öffentlichen Angelegenheiten
befasst, unumgänglich nothwendig, den juristischen
Commentar Mengers zu der dreizehnten Parlaments-
session selbst in die Hand zu nehmen und sich ein-
gehend damit zu befassen. Dieser kurze Aufsatz
kann nur den Zweck verfolgen, dies Jedermann
dringend zu empfehlen
Es ist eine sehr feine und höchst richtige Be-
merkung, wenn Menger als die unterste Wurzel
der stürmischen Vorgänge im Reichsrathe die mit
List und Gewelt durchgeführten Wahlen in
Galizien erkennt. Die Uebungen der Schlachta
in Galizien kamen mit Badeni und seiner Um-
gebung nach Wien und nun sollten dort im Reichs-
rathe die Gesetze ebenso und auf dieselbe ge-
waltthätige Weise durchgeführt werden wie
die Wahlen in Galizien; ja die ganze Politik sollte
schlachtamäßig gemacht werden. Die Sprachen-
verordnungen vom 5. April sind ein echtes
Schlachzizen stück: Mit Gewalt verhängt, gesetz-
widrig und aus List und Trug geboren. Ein Jahr
lang hatte Badeni die „Vereinigte Deutsche Linke“
mit falschen Versicherungen betrogen. Ihre Schuld
freilich ist es, daſs sie sich beschwatzen ließ und
Dienste leistete, die dann echt schlachtamäßig mit
Wortbruch bezahlt wurden. Aber die galizischen
Wahlen fanden ihre Rächer in den polnischen Ab-
geordneten der V. Curie und der Landgemeinden,
die dann bei dem Kampfe um die Sprachenver-
ordnungen und um das Ausgleichsprovisorium in
erster Schlachtlinie gegen Badeni standen — Rächer
aus dem eigenen Volksthume Badeni's!
Wenn es nun dazu kam, daſs sich Badeni
und seine Mehrheit, die bei den galizischen Wahlen
und bei den Sprachenverordnungen bereits über
Recht und Gesetz hinweggeschritten waren, sich im
Parlamente immer mehr in Rechtsbruch und
Gesetzwidrigkeit verstrickten, wenn im Reichs-
rathe nicht blos die inneren Staatsgesetze, wie
Menger nachweist, auch das Gesetz zum Schutze
der persönlichen Freiheit, die strafrechtlichen
Normen über das Verbrechen der öffent-
lichen Gewaltthätigkeit, über den Missbrauch
der Amtsgewalt u. s. w. mit Füßen getreten
wurden — so hat sich das so recht nach der Ver-
brechererfahrung entwickelt. „Mit Kleinem fängt
man an, mit Großem hört man auf.“ Die Majorität,
geführt von der Schlachta, war schließlich zu faul,
sich Zeit zu lassen und ihre Missethaten, zu denen
als Hausknechte die Jungtschechen beordert wurden,
mit einigem Bedacht einzuleiten und durchzuführen.
Rohe Gewalt schien dieser Majorität, die vor Nacht-
sitzungen zurückscheute, auch nicht lange sich den
Kopf darüber zerbrechen wollte, wie wenigstens die
äußeren Rechtsformen bewahrt wären, ausreichend;
70 Polizisten sollten die Arbeit thun.
Allein zu dieser Tragödie fehlt Eins — die
Sühne. Menger konnte nur auf die Schuldigen
hinweisen; das beleidigte Rechtsbewuſstsein aber
fordert' Sühne — der Zukunft wegen
„zur Wahrung des Gesetzes.“
Die Todten des Jahres 1897.
Berlin, 3. Jänner 1898. [O.-C.]
Ehe wir das neue Jahr mit seinen voraus-
sichtlichen Kämpfen, Irrungen und Wirrungen be-
ginnen, ehe wir mit dem alten Jahre abschließen,
das einem in den ersten Tagen doch noch in den
Gliedern steckt und beim Schreiben des Datums
wohl noch manches Mal aus der Feder laufen
wird, wollen wir der hochgestellten und der großen
Todten des nunmehr auch todten Jahres 1897
nochmals gedenken.
Ein deutscher Souverän, der Großherzog
Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin
und die Gemalin eines deutschen Souveräns, die
Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar sind
in der ersten Hälfte des Jahres 1897 gestorben.
Das mecklenburg-schwerin'sche Fürstenhaus betrauert
außerdem den Tod des Herzogs Friedrich Wilhlem,
der als Commandeur eines Torpedobootes bei
dessen Untergang seinen Tod fand. Einen schreck-
lichen Tod fand die Herzogin von Alencon, die
einst dem verstorbenen König Ludwig von Bayern
nahe stand, indem sie bei dem furchbaren Pariser
Bazarbrande mit umkam. Der deutsche Reichs-
kanzler Fürst zu Hohenlohe hat kurz vor Jahres-
schluss seine Lebensgefährtin verloren, und sonst
starben von bekannteren Fürstlichkeiten noch der
Herzog von Ujest, der Herzog von Aumale und
Prinz Wilhelm von Baden.
Wie Hockewanzel Sylvesterabend hielt.
Zu der Zeit, in der unsere Geschichte spielt,
fiel Sylvester auf einen Freitag, der bekanntlich
unter allen Umständen, mag es Sylvestertag sein
oder nicht, ein gebotener Fasttag ist. In Hocke-
wanzel's Küche sah es aber auch ganz darnach aus
an diesem Tage. Auf dem Mittagstische stand eine
Einbrennsuppe, als er mit dem Caplan daran Platz
nahm.
„Ok zugelangt, Seff!“, redete Hockewanzel ihm
zu, da dieser noch zögerte. „Seff“ nannte er jeden
seiner Capläne, weil ihm der Name von seinem
Leibkutscher her schon so geläufig war.
„Alsdann ok nicht lange gesperrt, 's nutzt Dir
Alles nichts,“ nöthigte er ihn weiter, „Jeden Fast-
tag kann ich Dir nich Fische vorsetzen lassen bei
den schweren Zeiten. Hab'n m'r sie doch erst am
theiligen Abende gehabt; mußt ok denken, 's wär'
Fischsuppe, und 'nunter damit über's Schmeckefleckel,
in Magen is 's dann Alles eins!“
Hockewanzel that aber gar nicht darnach, als
wenn es ihm Ernst wäre mit seiner Rede. Er
legte den Löffel weg und sagte: „'s is m'r schon
ein paar Tage um den Magen gar nicht recht extra;
ich werd'n ok darben lassen, bis er sich selber wieder
meldet.“
„Was gibt's denn noch zu essen?“ rief er laut
gegen die offene Küchenthür hin.
„Abgeschmalzene Nudeln!“ tönte es zurück.
„Jesus Maria!“ sprach er leise für sich und
warf einen seiner wüthendsten Blicke auf die
dampfende Schüssel, die jetzt von der Köchin auf
den Tisch gestellt wurde. — Der Caplan aber, dem der
Schelm aus den listigen Augen blickte, rief, als wäre
er hocherfreut: „Einbrennsuppe und Nudeln! Das
ist meine Leidenschaft, für die könnt' ich durch's
Feuer gehen. Wenn Sie mir den besten Braten
hersetzen und Nudeln dazu, da wähl' ich mir die
Nudeln und lasse den Braten stehen. Aber, aber,“
setzte er bedenklich hinzu, „das wäre ja kein Fasten
nicht, wenn man sich an seiner Leibspeise satt essen
wollte; darum will ich die Enthaltsamkeit üben und
esse sie nicht!“
So that er immer. Wenn das Bier vor ihm
im Glase recht schal und trübe war, sagte er:
„Ein famoser Tropfen: aber man muss entsagen
lernen, darum will ich nur dies einzige Gläschen
trinken und mich selbst kasteien.“ Wenn es aber
hell und frisch im Becher perlte. sprach er: „Ein
miserables Getränk. Allein man muss sich selbst
überwinden,“ und trank dann zn seiner Abtödtung
ein Gläschen nach dem anderen.
Während die beiden so dasaßen und einander
ansahen wie die satten Katzen, ging die Thüre auf
und ein kleines Mädchen trat herein, in einer
Serviette einen Teller tragend, den sie vor dem
Caplan auf den Tisch stellte, und mit einem zierlichen
Knix sagte: „Ein schönes Compliment soll ich aus-
richten von meiner Mutter; weil m'r 's Schwein
haben geschlacht' heute früh, da thut sie Ihnen ein
paar Würste schicken und Sie soll'n sich's recht gut
schmecken lassen.“
„Schön mein Kind!“ erwiderte dieser und legte
die Hand auf den blonden Scheitel des Mädchens,
das sich nach einem Handkuss wieder entfernte.
„Ein sehr braves Kind, meine beste Schülerin,“
versicherte er, „und die Eltern kreuzbrave Leute.“
Damit erhob er sich, legte ein Stück Brot auf den
Teller zu den Würsten und sagte, er wolle sie nur
gleich auf sein Zimmer tragen.
Der Herr Erzdechant hatte während dieses
ganzen Vorganges stillschweigend dagesessen, aber
die Augen sehr weit aufgerissen, und als er den
Caplan mit seinem Teller so eilfertig sich entfernen
sah, saß er eine Weile gar auch mit offenem Munde
da. Hierauf erhob er sich, nahm eine gewaltige
Priese, schnalzte mit den Fingern, schleuderte nach
alter Gewohnheit den reichlich verstreuten Schnupf-
tabak auf dem Fußboden mit dem blauen Sacktuch
auseinander und murmelte leise vor sich hin: „Das
Ding, das kommt m'r verdächtig vor; warum hat
er sich denn ein Stückel Brot mitgenommen? Hm!
So ein Caplan mit hungrigem Magen mit ein'
Haufen Würsten allein in eine Stube eingesperrt,
von inwendig verriegelt, das könnte gefährlich werden.
Feuilleton.
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