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Mittwoch den 5. Jänner 1898 XXII XXXVIII. Jahrgang Karlobader Sadeblatt Abonnements-Preise: Redaktion und Administration Für Karlsbad: im Hause „Bellevue“, Stefanspromn nade Vurteljährig ....2 fl. Telephon-Nr. 59. .... ....4f. ajährig.. Inſerate werden nur gegen Vorauszahlung an- Zustellung ins Haus pro Quartat 20 kr. Wochenblatt. genommen. Preis der 4mal gespaltenen Beint- Mit Postversendung. zeilt 6 *r. Inland: Vtrteljahrig3 fl. Erscheint ganzjährig täglich mit Ausnahme nach Inserate, für den nächsten Tag bestimmt. werden nur bis 2 Uhr Nachmittags in der Halbjährig6 fl. Sonn- und Feiertagen. Adminiftration und in der Traniech'schea Viertetjahrig6 M. eiht „3 Tämmer“, Warengeg 12„ enen.“ anzjährig24„ Manuseripte werden nicht zurücktgegeben Ausland: Nr. 3 Herausgeber: Ernest Franieck. Inserate übernehmen die Annoncen-Bureaus Haasenstein & Vogler in Wien, Rudolf Mosse in Berlin und Wien und sämmtliche anderen Filialen dieser beiden Firmen. Die faule Majorität. Abg. Dr. Menger hat sich jüngst in einem Vortrage mit der juristischen Natur der letzten Vorgänge im Parlamente in der zweiten Halfte des November befasst. Der Vortrag, das Ergebnis eingehender Studien und eines unparteiischen Rechts- bewuſstseins fand ungetheilten Beifall. Die Aus- führungen sind die eines öffentlichen Anwaltes in einer Rechtsangelegenheit und sie sind eine für Jedermann dringend nöthige Ergänzung zur Kennt- nis der parlamentarischen Vorgänge in jenen denk- würdigen Tagen. Jasoferne ist es wohl für Jeder- mann, der sich mit unseren öffentlichen Angelegenheiten befasst, unumgänglich nothwendig, den juristischen Commentar Mengers zu der dreizehnten Parlaments- session selbst in die Hand zu nehmen und sich ein- gehend damit zu befassen. Dieser kurze Aufsatz kann nur den Zweck verfolgen, dies Jedermann dringend zu empfehlen Es ist eine sehr feine und höchst richtige Be- merkung, wenn Menger als die unterste Wurzel der stürmischen Vorgänge im Reichsrathe die mit List und Gewelt durchgeführten Wahlen in Galizien erkennt. Die Uebungen der Schlachta in Galizien kamen mit Badeni und seiner Um- gebung nach Wien und nun sollten dort im Reichs- rathe die Gesetze ebenso und auf dieselbe ge- waltthätige Weise durchgeführt werden wie die Wahlen in Galizien; ja die ganze Politik sollte schlachtamäßig gemacht werden. Die Sprachen- verordnungen vom 5. April sind ein echtes Schlachzizen stück: Mit Gewalt verhängt, gesetz- widrig und aus List und Trug geboren. Ein Jahr lang hatte Badeni die „Vereinigte Deutsche Linke“ mit falschen Versicherungen betrogen. Ihre Schuld freilich ist es, daſs sie sich beschwatzen ließ und Dienste leistete, die dann echt schlachtamäßig mit Wortbruch bezahlt wurden. Aber die galizischen Wahlen fanden ihre Rächer in den polnischen Ab- geordneten der V. Curie und der Landgemeinden, die dann bei dem Kampfe um die Sprachenver- ordnungen und um das Ausgleichsprovisorium in erster Schlachtlinie gegen Badeni standen — Rächer aus dem eigenen Volksthume Badeni's! Wenn es nun dazu kam, daſs sich Badeni und seine Mehrheit, die bei den galizischen Wahlen und bei den Sprachenverordnungen bereits über Recht und Gesetz hinweggeschritten waren, sich im Parlamente immer mehr in Rechtsbruch und Gesetzwidrigkeit verstrickten, wenn im Reichs- rathe nicht blos die inneren Staatsgesetze, wie Menger nachweist, auch das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit, die strafrechtlichen Normen über das Verbrechen der öffent- lichen Gewaltthätigkeit, über den Missbrauch der Amtsgewalt u. s. w. mit Füßen getreten wurden — so hat sich das so recht nach der Ver- brechererfahrung entwickelt. „Mit Kleinem fängt man an, mit Großem hört man auf.“ Die Majorität, geführt von der Schlachta, war schließlich zu faul, sich Zeit zu lassen und ihre Missethaten, zu denen als Hausknechte die Jungtschechen beordert wurden, mit einigem Bedacht einzuleiten und durchzuführen. Rohe Gewalt schien dieser Majorität, die vor Nacht- sitzungen zurückscheute, auch nicht lange sich den Kopf darüber zerbrechen wollte, wie wenigstens die äußeren Rechtsformen bewahrt wären, ausreichend; 70 Polizisten sollten die Arbeit thun. Allein zu dieser Tragödie fehlt Eins — die Sühne. Menger konnte nur auf die Schuldigen hinweisen; das beleidigte Rechtsbewuſstsein aber fordert' Sühne — der Zukunft wegen „zur Wahrung des Gesetzes.“ Die Todten des Jahres 1897. Berlin, 3. Jänner 1898. [O.-C.] Ehe wir das neue Jahr mit seinen voraus- sichtlichen Kämpfen, Irrungen und Wirrungen be- ginnen, ehe wir mit dem alten Jahre abschließen, das einem in den ersten Tagen doch noch in den Gliedern steckt und beim Schreiben des Datums wohl noch manches Mal aus der Feder laufen wird, wollen wir der hochgestellten und der großen Todten des nunmehr auch todten Jahres 1897 nochmals gedenken. Ein deutscher Souverän, der Großherzog Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin und die Gemalin eines deutschen Souveräns, die Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar sind in der ersten Hälfte des Jahres 1897 gestorben. Das mecklenburg-schwerin'sche Fürstenhaus betrauert außerdem den Tod des Herzogs Friedrich Wilhlem, der als Commandeur eines Torpedobootes bei dessen Untergang seinen Tod fand. Einen schreck- lichen Tod fand die Herzogin von Alencon, die einst dem verstorbenen König Ludwig von Bayern nahe stand, indem sie bei dem furchbaren Pariser Bazarbrande mit umkam. Der deutsche Reichs- kanzler Fürst zu Hohenlohe hat kurz vor Jahres- schluss seine Lebensgefährtin verloren, und sonst starben von bekannteren Fürstlichkeiten noch der Herzog von Ujest, der Herzog von Aumale und Prinz Wilhelm von Baden. Wie Hockewanzel Sylvesterabend hielt. Zu der Zeit, in der unsere Geschichte spielt, fiel Sylvester auf einen Freitag, der bekanntlich unter allen Umständen, mag es Sylvestertag sein oder nicht, ein gebotener Fasttag ist. In Hocke- wanzel's Küche sah es aber auch ganz darnach aus an diesem Tage. Auf dem Mittagstische stand eine Einbrennsuppe, als er mit dem Caplan daran Platz nahm. „Ok zugelangt, Seff!“, redete Hockewanzel ihm zu, da dieser noch zögerte. „Seff“ nannte er jeden seiner Capläne, weil ihm der Name von seinem Leibkutscher her schon so geläufig war. „Alsdann ok nicht lange gesperrt, 's nutzt Dir Alles nichts,“ nöthigte er ihn weiter, „Jeden Fast- tag kann ich Dir nich Fische vorsetzen lassen bei den schweren Zeiten. Hab'n m'r sie doch erst am theiligen Abende gehabt; mußt ok denken, 's wär' Fischsuppe, und 'nunter damit über's Schmeckefleckel, in Magen is 's dann Alles eins!“ Hockewanzel that aber gar nicht darnach, als wenn es ihm Ernst wäre mit seiner Rede. Er legte den Löffel weg und sagte: „'s is m'r schon ein paar Tage um den Magen gar nicht recht extra; ich werd'n ok darben lassen, bis er sich selber wieder meldet.“ „Was gibt's denn noch zu essen?“ rief er laut gegen die offene Küchenthür hin. „Abgeschmalzene Nudeln!“ tönte es zurück. „Jesus Maria!“ sprach er leise für sich und warf einen seiner wüthendsten Blicke auf die dampfende Schüssel, die jetzt von der Köchin auf den Tisch gestellt wurde. — Der Caplan aber, dem der Schelm aus den listigen Augen blickte, rief, als wäre er hocherfreut: „Einbrennsuppe und Nudeln! Das ist meine Leidenschaft, für die könnt' ich durch's Feuer gehen. Wenn Sie mir den besten Braten hersetzen und Nudeln dazu, da wähl' ich mir die Nudeln und lasse den Braten stehen. Aber, aber,“ setzte er bedenklich hinzu, „das wäre ja kein Fasten nicht, wenn man sich an seiner Leibspeise satt essen wollte; darum will ich die Enthaltsamkeit üben und esse sie nicht!“ So that er immer. Wenn das Bier vor ihm im Glase recht schal und trübe war, sagte er: „Ein famoser Tropfen: aber man muss entsagen lernen, darum will ich nur dies einzige Gläschen trinken und mich selbst kasteien.“ Wenn es aber hell und frisch im Becher perlte. sprach er: „Ein miserables Getränk. Allein man muss sich selbst überwinden,“ und trank dann zn seiner Abtödtung ein Gläschen nach dem anderen. Während die beiden so dasaßen und einander ansahen wie die satten Katzen, ging die Thüre auf und ein kleines Mädchen trat herein, in einer Serviette einen Teller tragend, den sie vor dem Caplan auf den Tisch stellte, und mit einem zierlichen Knix sagte: „Ein schönes Compliment soll ich aus- richten von meiner Mutter; weil m'r 's Schwein haben geschlacht' heute früh, da thut sie Ihnen ein paar Würste schicken und Sie soll'n sich's recht gut schmecken lassen.“ „Schön mein Kind!“ erwiderte dieser und legte die Hand auf den blonden Scheitel des Mädchens, das sich nach einem Handkuss wieder entfernte. „Ein sehr braves Kind, meine beste Schülerin,“ versicherte er, „und die Eltern kreuzbrave Leute.“ Damit erhob er sich, legte ein Stück Brot auf den Teller zu den Würsten und sagte, er wolle sie nur gleich auf sein Zimmer tragen. Der Herr Erzdechant hatte während dieses ganzen Vorganges stillschweigend dagesessen, aber die Augen sehr weit aufgerissen, und als er den Caplan mit seinem Teller so eilfertig sich entfernen sah, saß er eine Weile gar auch mit offenem Munde da. Hierauf erhob er sich, nahm eine gewaltige Priese, schnalzte mit den Fingern, schleuderte nach alter Gewohnheit den reichlich verstreuten Schnupf- tabak auf dem Fußboden mit dem blauen Sacktuch auseinander und murmelte leise vor sich hin: „Das Ding, das kommt m'r verdächtig vor; warum hat er sich denn ein Stückel Brot mitgenommen? Hm! So ein Caplan mit hungrigem Magen mit ein' Haufen Würsten allein in eine Stube eingesperrt, von inwendig verriegelt, das könnte gefährlich werden. Feuilleton.
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