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Ur. 78 Dienstag den 6. April 1897. XXI XXXUIl Jahrgang. Vierteljährig Wierteljahrig Dierteljährig albjag ar... Abonnements-Preise: Für Karlsbad: ...2 fl. ...4 fl. -.....8 fl. Mit Postversendung. Inland: .... 3 ft. -......12 fl. Ausland: ......... 6 m. ....12 ........24„ Wadeblatt tarlshade und Teleyhon-Nr. 59. Inserate werden nur gegen Vorauszahlung an- Jochenblatt. genommen. Preis der Amal gespaltenen Patit- peile 6 kr. Erscheint ganzjährig süglich mit Ausnahme nach Sonn- und Feiertagen. Herausgeber: Ernefl Franieck. Inserate, für den nächsten Tag bestimmi, werden nur bis 2 Uhr Nachmittags in e? Kdministration und in der Trantecn'schen rht,3 Tämmer“, Markt entgegen- Manuseripte werden nicht zurückgegeben Redaktion und Administration im Hause „Bellevue“, Stefanspromennde Inserate übernehmen die Annoncen-Bnreaus Haasenstein & Vogler in Wien, Audoks Mosse in Berlin und Wien und sämmtliche anderen Filialen dieser beiden Firmen, Zur Aufklärung. Die „Neue Fr. Presse“ vom 3. April l. J. veröffentlicht Aeußerungen eines „Staatsmannes, welcher angeblich den vollen Einblick in die innere Situation habe.“ Ohne dieselben auf ihre Stich- hältigkeit im Ganzen prüfen zu wollen, erlaube ich mir nur auf eine Stelle aufklärend hinzuweisen. Es wird mitgetheilt, daſs der Ministerpräsident in Anwesenheit der Vertreter der Deutschen Böhmens und der Hungtschechen erklärte „er sei bereit, namens der Gesctamtregierung die bestimmte Zusage zu machen, daſs die Regierung in der nächsten Session des böhmischen Landtages das Curiengesetz (Wahl- eurien) einbringen und mit Nachdruck für dessen Zustandekommen eintreten werde“, dann heißt es weiter: „Als Graf Badeni diese Erklärung abge- geben hatte, verharrten die deutschen Abgeordneten in Schweigen. Nur Dr. Schlesinger erklärte, „das Curiengeset sei für die Deutschen keine Concession.“ Aus dieser Fassung der Ministeräußerung könnte leicht geschlossen werden, als ob nur ich — die übrigen drei Vertreter der Deutschböhmen aber nicht das Wahlcuriengesetz als keine nationale Con- cession betrachten würden, was gewissermaßen durch ihr Schweigen erhärtet werde. Ich kann mich nun nicht erinnern, ob in den vielstündigen Conferenzen auch meine anwesenden Parteigenossen sich über die Wahlcurien ausge- sprochen haben, soviel kann ich aber mit Bestimmt- heit behaupten, daſs alle drei auch in dieser Frage mit mir vollkommen eines Sinnes waren und sind; daſs ich aber nicht erst während der Conferenzen und angesichts der geplanten Sprachenverordnung z1 meiner Ansicht über die Wahlcurie gelangt bin, das beweisen meine diesbezüglichen Reden im vor- jährigen und heurigen Landtage. Ich citiere nach dem stenographischen Protocolle nur folgende Stellen aus der am 15. Feber 1897 von mir gehaltenen Begründungsrede über den Antrag betreffend die Einführung der nationalen Wabicurien: „Wenn die Regierung von der Ansicht ausgeht, daſs sie in einer Nachsession des höhmischen Landtages den Curienantrag, den sie selbst einbringt, durchbringen könne, so muss sie doch von der Hoffnung erfüllt sein, in der Zwischenzeit die jungtschechische Partei dafür gewonnen zu haben. Das ist doch ganz logisch. Nun frage ich aber, mit welchen Mitteln soll denn die jungtschechische Partei gewonnen werden? Das, meine Herren, kann nur immer wieder auf unsere Kosten geschehen und da möchte ich sagen, daſs sich Derjenige einer sehr groben Täuschung hingibt, welcher da meint, daſs wir den Curien- antrag als das Object eines Tauschhandels ansehen, durch welchen wir wiederum einen neuerlichen Ab- bruch unserer nationalen und politischen Stellung im Lande und Reiche erfahren müssten.“ Weiters bemerkte ich: „Was nun aber die Haupteinwendung gegen unseren Curienantrag be- trifft, die fortwährend und unausgesetzt betont wird, daſs man nämlich die Lösung der Chrienfrage mit dem Complexe aller anderen böhmischen Fragen in Verbindung bringen müsse, gerade dieser Elu- wand zeigt am allerdeutlichsten, welches grobe Missverständnis über das Wesen unseres Antrages besteht. Wir erblicken in unserem Antrage nicht im Entferntesten etwa einen Theil eines neuen Ausgleichs zwischen den beiden Nationalitäten. Unser Antrag ist überhaupt nur bestimmt, unser Verbleiben im Landtage mit Anstand und Ehren zu ermöglichen. Unser Antrag ist die Stellung einer Vorfrage, deren Erledigung erst alle weiteren Verhandlungen formal möglich machen soll. Um die Erledigung dieser Vorfrage zu erleichtern, haben wir uns in den allerbescheidensten Grenzen gehalten. Wir haben nur Wahlcurien verlangt, ohne meri- torische Comperenz, wir tasten den Bestand der Großgrundbesitzercurie nicht im Entferntesten an, wir stellen uns lediglich auf den Standpunkt der Wiedererstattung eines uns durch mehr als 30 Jahre gewährten und zugekommenen Rechtes. Es wäre daher vollständig verfehlt, wenn man meinen würde, dass uns durch die Gewährung der Wahlcurien eine nationale Concession zugewendet werde, für welche wir zu Gegenleistungen verpflichtet wären.“ Diese meine Aeußerungen haben die allge- meine Zustimmung nicht nur von Seite der fort- schrittlichen sondern auch seitens der deutschnationalen Abgeordneten gefunden. Prag, 4. April 1897. Dr. Ludwig Schlesinger. Zur Ministerkrise wird uns aus Wien (allerdings von den Ereignissen mittlerweile überholt) geschrieben: Es war eine große Ungeschicklichkeit auf die Schwierigkeiten des Ausgleiches mit Ungarn noch die Schwierigkeiten des deutsch tschechischen Aus- Der Tod des Jaren Paul I. Motto: Von Theodor Hutter. (nachdruck verboten.) „Zähl' auf die Freuden, die Dein Leben barg, Zähl auf die Tage frei von Ungemach, Und wisse, wer Du auch gewesen seist, Viel besser ist es, nicht zu sein Byron. Es war am 22. März 1801. Ueber dem Häusermeere und zahllosen Thürmen, Kuppeln und Palästen der Zarenstadt aus der Newa breitete ein düsterer, woltenschwangerer Nachthimmel sich aus. Die kalten zugigen Gassen, durch welche der rohe Nord in tollen Wirbeln dichte Schneeflocken trieb, waren schier menschenleer, nur einzelne in warme Pelze gehüllte Wanderer oder schnellen Rossen bespannte Schlitten velebten sie. Die Uhr an der Paulskirche schlug die zehnte Stunde. Da saß in einem der prächtigen Gemächer des Michgelkspalgstes, welcher das Heim des Zaren Paul I. war, ein ernster, finster blickender Mann. Das behaglich erwärmte Gemach war wahrhaft königlich ausgeschmückt. Die Decke war bunt bemalt, kostbare persische Teppiche bedeckten den Fussboden, die Wände waren mit prächtigen Oelgemälden verziert. Unweit der hohen Fenster standen farben- prächtige, exotische Blumen. Der Schreibtisch war aus sein geglättetem, lappländischem Knieholze, und neben demselben, das Gemach hell erleuchtend, stand ein großer wertvoller, silverner Kandelaber. Der Mann, welcher erst sinnend allein in diesem präch- tigen Gemache an dem Schreibtische saß, trug ein nur einfaches, dunkles Hauskleid. Seine hohe weiße Stirne war tief gefurcht, die dichten, graumelirten Haare hatte er nach rückwärts gekämmt, die Wangen zeigten eine krankhafte Blässe. Das feurige Auge ruhte auf einem aufgerollten Pergamente, unter welchem eine Karte von Europa ausgebreitet lag. Dieser ernste einsame Mann war Zar Paul I., der Sohn der Katharina, der despotische Herrscher aller Reußen, ein großer Verehrer Napoleon's und zugleich der erbittertste Feind Englands und der mit dem letzteren koalirten Mächte Oesterreich und Deutschland. Von der Vorsehung auf den Thron eines Reiches berufen, das sich von den Küsten des Schwarzen Meeres bis zu den Tundren an den Gestaden des nördlichen Eismeeres, von den Ufern der Weichsel bis zum Anadir im nordöstlichen Asien erstreckte, war er Despot und Menscherver- ächter, weniger aus natürlicher Veranlagung, als aus politischer Berechnung und aus Furcht und Miſstrauen gegen die Großen seines Reiches, deren Hände ja vom Blute ermordeter Zaren befleckt waren. Auch an diesem Abende beschäftigten ihn, wie es schien, sehr einste Gedanken. Wiederholt schon hatte er das am Tische liegende Schriftstück durch- gelesen, als er tief aufsenfzend, sich vom Stuhle erhob und mit langen Schritten das Gemach durch- maß. Bisweilen blieb er auch aufhorchend stehen und blickte nach der Thüre, als ob er Jemanden erwarte. Und in der That wurden herannahende Schritte hörbar. Jetzt ward auch die Thüre ge- räuschlos geöffnet und herein trat ein in die russische Generalsuniform gekleideter Mann, der ehrfurchtsvoll in gemessener Entfernung stehen blieb. Der Zar blickte den Eintretenden scharf an. „Graf Pahlen!“ sprach er mit gedämpfter Stimme, „ich habe Sie trotz der vorgerückten Stunde rufen lassen, denn ich habe eine sehr ernste Frage an Sie zu richten.“ Der Angeredete verneigte sich demüthig. „Euer kaiserlichen Mojestät treuester Diener wünscht Ihre Befehle zu hören,“ gab er in ruhigem Tone zur Antwort. Ein spöttisches Lächeln zuckte um die Mund- winkel des Zaren. Feuilleton.
Dateiname: 
karlsbader-badeblatt-1897-04-06-n78_3355.jp2