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Ur. 78
Dienstag den 6. April 1897.
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Zur Aufklärung.
Die „Neue Fr. Presse“ vom 3. April l. J.
veröffentlicht Aeußerungen eines „Staatsmannes,
welcher angeblich den vollen Einblick in die innere
Situation habe.“ Ohne dieselben auf ihre Stich-
hältigkeit im Ganzen prüfen zu wollen, erlaube ich
mir nur auf eine Stelle aufklärend hinzuweisen.
Es wird mitgetheilt, daſs der Ministerpräsident in
Anwesenheit der Vertreter der Deutschen Böhmens
und der Hungtschechen erklärte „er sei bereit, namens
der Gesctamtregierung die bestimmte Zusage zu
machen, daſs die Regierung in der nächsten Session
des böhmischen Landtages das Curiengesetz (Wahl-
eurien) einbringen und mit Nachdruck für dessen
Zustandekommen eintreten werde“, dann heißt es
weiter: „Als Graf Badeni diese Erklärung abge-
geben hatte, verharrten die deutschen Abgeordneten
in Schweigen. Nur Dr. Schlesinger erklärte, „das
Curiengeset sei für die Deutschen keine Concession.“
Aus dieser Fassung der Ministeräußerung könnte
leicht geschlossen werden, als ob nur ich — die
übrigen drei Vertreter der Deutschböhmen aber nicht
das Wahlcuriengesetz als keine nationale Con-
cession betrachten würden, was gewissermaßen durch
ihr Schweigen erhärtet werde.
Ich kann mich nun nicht erinnern, ob in den
vielstündigen Conferenzen auch meine anwesenden
Parteigenossen sich über die Wahlcurien ausge-
sprochen haben, soviel kann ich aber mit Bestimmt-
heit behaupten, daſs alle drei auch in dieser Frage
mit mir vollkommen eines Sinnes waren und sind;
daſs ich aber nicht erst während der Conferenzen
und angesichts der geplanten Sprachenverordnung
z1 meiner Ansicht über die Wahlcurie gelangt bin,
das beweisen meine diesbezüglichen Reden im vor-
jährigen und heurigen Landtage. Ich citiere nach
dem stenographischen Protocolle nur folgende Stellen
aus der am 15. Feber 1897 von mir gehaltenen
Begründungsrede über den Antrag betreffend die
Einführung der nationalen Wabicurien: „Wenn
die Regierung von der Ansicht ausgeht, daſs sie in
einer Nachsession des höhmischen Landtages den
Curienantrag, den sie selbst einbringt, durchbringen
könne, so muss sie doch von der Hoffnung erfüllt
sein, in der Zwischenzeit die jungtschechische Partei
dafür gewonnen zu haben. Das ist doch ganz
logisch. Nun frage ich aber, mit welchen Mitteln
soll denn die jungtschechische Partei gewonnen werden?
Das, meine Herren, kann nur immer wieder auf
unsere Kosten geschehen und da möchte ich sagen,
daſs sich Derjenige einer sehr groben Täuschung
hingibt, welcher da meint, daſs wir den Curien-
antrag als das Object eines Tauschhandels ansehen,
durch welchen wir wiederum einen neuerlichen Ab-
bruch unserer nationalen und politischen Stellung
im Lande und Reiche erfahren müssten.“
Weiters bemerkte ich: „Was nun aber die
Haupteinwendung gegen unseren Curienantrag be-
trifft, die fortwährend und unausgesetzt betont wird,
daſs man nämlich die Lösung der Chrienfrage mit
dem Complexe aller anderen böhmischen Fragen
in Verbindung bringen müsse, gerade dieser Elu-
wand zeigt am allerdeutlichsten, welches grobe
Missverständnis über das Wesen unseres Antrages
besteht. Wir erblicken in unserem Antrage nicht
im Entferntesten etwa einen Theil eines neuen
Ausgleichs zwischen den beiden Nationalitäten.
Unser Antrag ist überhaupt nur bestimmt, unser
Verbleiben im Landtage mit Anstand und Ehren
zu ermöglichen. Unser Antrag ist die Stellung
einer Vorfrage, deren Erledigung erst alle weiteren
Verhandlungen formal möglich machen soll. Um
die Erledigung dieser Vorfrage zu erleichtern, haben
wir uns in den allerbescheidensten Grenzen gehalten.
Wir haben nur Wahlcurien verlangt, ohne meri-
torische Comperenz, wir tasten den Bestand der
Großgrundbesitzercurie nicht im Entferntesten an,
wir stellen uns lediglich auf den Standpunkt der
Wiedererstattung eines uns durch mehr als 30 Jahre
gewährten und zugekommenen Rechtes. Es wäre
daher vollständig verfehlt, wenn man meinen würde,
dass uns durch die Gewährung der Wahlcurien
eine nationale Concession zugewendet werde, für
welche wir zu Gegenleistungen verpflichtet wären.“
Diese meine Aeußerungen haben die allge-
meine Zustimmung nicht nur von Seite der fort-
schrittlichen sondern auch seitens der deutschnationalen
Abgeordneten gefunden.
Prag, 4. April 1897.
Dr. Ludwig Schlesinger.
Zur Ministerkrise
wird uns aus Wien (allerdings von den Ereignissen
mittlerweile überholt) geschrieben:
Es war eine große Ungeschicklichkeit auf die
Schwierigkeiten des Ausgleiches mit Ungarn noch
die Schwierigkeiten des deutsch tschechischen Aus-
Der Tod des Jaren Paul I.
Motto:
Von Theodor Hutter.
(nachdruck verboten.)
„Zähl' auf die Freuden, die Dein Leben barg,
Zähl auf die Tage frei von Ungemach,
Und wisse, wer Du auch gewesen seist,
Viel besser ist es, nicht zu sein Byron.
Es war am 22. März 1801. Ueber dem
Häusermeere und zahllosen Thürmen, Kuppeln und
Palästen der Zarenstadt aus der Newa breitete ein
düsterer, woltenschwangerer Nachthimmel sich aus.
Die kalten zugigen Gassen, durch welche der rohe
Nord in tollen Wirbeln dichte Schneeflocken trieb,
waren schier menschenleer, nur einzelne in warme
Pelze gehüllte Wanderer oder schnellen Rossen
bespannte Schlitten velebten sie.
Die Uhr an der Paulskirche schlug die zehnte
Stunde.
Da saß in einem der prächtigen Gemächer
des Michgelkspalgstes, welcher das Heim des Zaren
Paul I. war, ein ernster, finster blickender Mann.
Das behaglich erwärmte Gemach war wahrhaft
königlich ausgeschmückt. Die Decke war bunt bemalt,
kostbare persische Teppiche bedeckten den Fussboden,
die Wände waren mit prächtigen Oelgemälden
verziert. Unweit der hohen Fenster standen farben-
prächtige, exotische Blumen. Der Schreibtisch war
aus sein geglättetem, lappländischem Knieholze, und
neben demselben, das Gemach hell erleuchtend, stand
ein großer wertvoller, silverner Kandelaber. Der
Mann, welcher erst sinnend allein in diesem präch-
tigen Gemache an dem Schreibtische saß, trug ein
nur einfaches, dunkles Hauskleid. Seine hohe weiße
Stirne war tief gefurcht, die dichten, graumelirten
Haare hatte er nach rückwärts gekämmt, die Wangen
zeigten eine krankhafte Blässe. Das feurige Auge
ruhte auf einem aufgerollten Pergamente, unter
welchem eine Karte von Europa ausgebreitet lag.
Dieser ernste einsame Mann war Zar Paul I.,
der Sohn der Katharina, der despotische Herrscher
aller Reußen, ein großer Verehrer Napoleon's und
zugleich der erbittertste Feind Englands und der
mit dem letzteren koalirten Mächte Oesterreich und
Deutschland.
Von der Vorsehung auf den Thron eines
Reiches berufen, das sich von den Küsten des
Schwarzen Meeres bis zu den Tundren an den
Gestaden des nördlichen Eismeeres, von den Ufern
der Weichsel bis zum Anadir im nordöstlichen
Asien erstreckte, war er Despot und Menscherver-
ächter, weniger aus natürlicher Veranlagung, als
aus politischer Berechnung und aus Furcht und
Miſstrauen gegen die Großen seines Reiches, deren
Hände ja vom Blute ermordeter Zaren befleckt waren.
Auch an diesem Abende beschäftigten ihn, wie
es schien, sehr einste Gedanken. Wiederholt schon
hatte er das am Tische liegende Schriftstück durch-
gelesen, als er tief aufsenfzend, sich vom Stuhle
erhob und mit langen Schritten das Gemach durch-
maß. Bisweilen blieb er auch aufhorchend stehen
und blickte nach der Thüre, als ob er Jemanden
erwarte. Und in der That wurden herannahende
Schritte hörbar. Jetzt ward auch die Thüre ge-
räuschlos geöffnet und herein trat ein in die russische
Generalsuniform gekleideter Mann, der ehrfurchtsvoll
in gemessener Entfernung stehen blieb.
Der Zar blickte den Eintretenden scharf an.
„Graf Pahlen!“ sprach er mit gedämpfter
Stimme, „ich habe Sie trotz der vorgerückten Stunde
rufen lassen, denn ich habe eine sehr ernste Frage
an Sie zu richten.“
Der Angeredete verneigte sich demüthig. „Euer
kaiserlichen Mojestät treuester Diener wünscht Ihre
Befehle zu hören,“ gab er in ruhigem Tone zur
Antwort.
Ein spöttisches Lächeln zuckte um die Mund-
winkel des Zaren.
Feuilleton.
Dateiname:
karlsbader-badeblatt-1897-04-06-n78_3355.jp2