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6. October 1896
„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ 228
Seite 5
Paris, 5. October. Präsident Faure reiste
gestern um 11 Uhr vormittags in Begleitung des
Ministerpräsidenten, des Ministers des Aeußern,
des Marineministers, der Präsidenten des Senats
und der Kammer, sowie des russischen Botschafters,
Baron Mohrenheim, nach Cherbourg, um den Kaiser
von Ruſsland zu empfangen. Eine ungeheure
Menschenmenge war auf dem Wege vom Elysée
bis zum Bahnhof angesammelt und acclamierte den
Präsidenten.
Cherbonrg, 5. October. Präsident Faure ist
gestern um 7 ühr abends hier eingetroffen.
Paris, 5. October. Erzbischof Richard erließ
ein Hirtenschreiben, in welchem er unter Hinweis
auf die päpstliche Encyclika über die Einheit des
christlichenGlaubens Dankgottesdienste während
der Festlichkeiten zu hren des russischen Kaiser-
paares anordnet, um zugleich die Dankbarkeit dem
Souverän zu bezeugen, welcher die Besichtigung
der Baudenkmäler mit der Notre Dame-Kirchebe-
ginnt.
London, 4. October. Der Kaiser und die
Kaiserin von Ruſsland verließen gestern abends
bald nach 10 Uhr Balmoral in Begleitung des
Herzogs und der Herzogin von Connaught, nach-
dem sich die Königin herzlich von den Majestäten
verabschiedet hat e. Um 11 Uhr 11 Minuten reiste
das Kaiserpaar von Ballester ab und passierte nach
Mitternacht Aberdeen.
London, 5. October. Kurz vor dem Passieren
des Zarenzuges wurde in der Nähe von Garstang
ein großer Holzblock auf den Schienen gefunden.
Eherbourg, 5. October. Nachdem das Wetter
erst schlecht dann wechselnd war, erfolgte die Ein-
fahrt des Zarenschiffes bei wolkenlosem Himmel
nachmittags 2 Uhr.
Portsmonth, 5. Oclober. Das russische
Kaiserpaar ist gestern um 51/2 Uhr abends hier einge-
troffen, wurde von den Mlitär- und Seebehörden
empfangen und begab sich sodann an Bord des
„Polarstern.“
Portsmouth, 5. October. Gestern Abend
fand an Bord der Yicht „Polarstern“ ein Bankelt
statt an welchem unter anderen der Herzog und
die Herzogin von Connaught, der Herzog von
Albani, der russische Botschafter, der erste Lord der
Admiralität Goschen und die Spitzen der Marine-
und Militär behörden theilnahmen. Nach dem Bankett
begaben sich der Herzog und die Herzogin von
ght an Bord der Yacht „Victoria und
u-
Alber1?
Portsmouth, 5. October. Das russische
Kaiserpaar ist heute um 7 Uhr früh an Bord des
„Polarstern“ nach Cherbourg abgereist.
Cherbourg, 5. October. Es herrscht sehr
schlechtes Weiter, heftiger Nordwestwind und hoher
Seegang. Der „Semaphor“ hilste das Signal
für Sturm. Trotzdem sind die Quais von einem
überaus zahlreichen Publikum besetzt. Das Nord-
geschwader lichtete um 7 Uhr morgens die Anker
und formierte sich in zwei Reihen, um dem Kaiser
von Russland entgegenzufahren. Auch einige Ver-
gnügungshachten gingen, dem schlechten Wetter
trotzend, auf die hohe See, während die übrigen
auf der Rhede verblieben. In der Mitte des
Canals angekommen, entsandte das Geschwader zwei
Schiffe voraus, um die Ankunft des Kaisers zu
signolisieren.
Verlin, 5. October. Nach der „Post“ dürfte
das Farenpaar den Kaiser nicht in Poisdam be-
suchen, wahrscheinlich aber im Taunus mit ihm
nochmals zusammentreffen.
Budapest, 5, October. Der Reichstag wurde
heute um 11/4 Uhr Vormittag von Seiner Majestät
dem Kaiser mit einer Thronrede geschlossen. Eine
große Menschenmenge wohnte der Auffahrt der Mit-
glieder des Reichstages bei, die zumeist in prächtiger
ungarischer Gald erschienen waren. Die Allerhöchste
Ansprache, mit welcher der Reichstag geschlossen
wurde, gedenkt des Umstandes, daſs die tausend-
jährige Feier des Bestandes Ungarns in den zu
Ende
gehenden Abschnitt des ungarischen Reichstags
fällt, dankt erneuert der göttlichen Vorsehung, welche
es gestattet habe, diese Feier im Genusse des Frie-
dens zu begehen, erinnert an die Schaffung zahl-
reicher gemeinnütziger und cultureller Schöpfungen
aus diesem Anlasse und fährt fort: „Erst vor
einigen Tagen kehrten wir von der Feier der Er-
öffnung des Eisernen Thorcanals an der unteren
Donau zurück. Dieses Regulierungswerk hat auf
Grund des im Berliner Vertrage unserer Monarchie
ertheilten Mandats Ungarn vollführt. Ihre Maj.
der König v. Rumänien und der König v. Serbien so-
wie die Vertreter der Signatarmächte des Ber-
liner Vertrages, dann die Regierung und De-
putationen der legislativen Körperschaften Unserer
im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Län-
der waren Zeugen seines glänzenden Erfolges,
welchen bei der Vollführung dieses Regulierungs-
werkes der menschliche Geist und die Thatkraft in
der Behebung der von der Natur geschaffenen Schiff-
fahrtshindernisse errungen haben, welcher für immer-
dar Kunde geben wird von dem Ruhme ungarischer
Fachmänner. Mit Freude benützten wir diese Gelegen-
heit, um Se. Maj. dem König von Rumänien in
seiner eigenen Hauptstadt zu besuchen und um auch
hier die zwischen uns schon seit langem bestandenen
innigen, freundschaftlichen und guten Beziehungen zu
kräftigen.“ Die Thronrede gedenkt weiter der zahl-
reichen wichtigen, auf kirchenpolitischem Gebiete, auf
den Gebieten der Verwaltung, des Justizwesens,
des öffentlichen Unterrichts, des wirtschaftlichen Ver-
kehrs, sowie des Ackerbauwesens geschaffenen Gesetze
und gesetzlichen Verfügungen und fährt dann fort:
„Mit mehreren Staaten namentlich mit dem benach-
barten Ruſsland, mit Rumänien und Serbien wurden
unsere Handelsverhältnisse durch Verträge geregelt
und stabilisiert“. Die Thronrede zählt sodann die
zahlreichen in der letzten Session geschaffenen legis-
lativen Maßnahmen auf und schließt mit der An-
führung der Gründe für die Auflösung des Reichs-
tages, welcher bis zum Ablaufe seines Mandates
nicht über die nothwendige Zeit verfügte, um die
ihm gestellten hochwichtigen Aufgaben mit der er-
forderlichen Ruhe und reifen Erwägung zu ver-
handeln. Die Allerhöchste Thronrede spricht den
Reichstagsmitgliedern für ihr patriotisches Wirken
und ihre eifrigen Bemühungen den Allerhöchsten
Dank aus und erklärt den Reichstag für geschlossen.
Die Thronrede wurde äußerst beifällig aufge-
nommen, insbesondere die Stellen vom Eisernen
Thore, vom Kaiserbesuch in Bukarest, sowie der
Friedenspassus.
Wien, 5. Oclober. Laut telegraphischer Mel-
dung geht Seiner Majestät Schiff „Alvatros“
von Cooktown nach Sydne) in Station. Auch ist
die erfreuliche Nachricht eingelangt, daſs sämmt-
liche Verwundete und Kranke nunmehr genesen
sind.
Wien, 5. October. Das Leichenbegängnis
des Vicepräsidenten des Herrenhauses Fürsten
Schönburg-Hartenstein gestaltete sich zu einer im-
posanten Trauerkundgebung. Der Einsegnung in
der Kirche wohnten bei, in Vertretung des Erz-
herzogs Franz Ferdinand, der Rittmeister Pronay,
Ministerpräsident Graf Badeni, die Minister Graf
Welsersheimb, Baroa Gautsch, Ritter v. Bilinski,
Graf Ledebour, Freiherr Glanz v. Eicha, Ritter
v. Guttenberg, der erste Obersthofmeister Seiner
Majestät des Kaisers Prinz Liechtenstein, Marine-
commandant Admiral Sterneck, Statthalter Graf
Kielmannsegg, das diplomatische Corps, die Staats-
und Hofwürdenträger, die Generalität nnd überaus
zahlreiche Mitglieder beider Häuser des Reichs-
rathes. Die Leiche wurde zur Beisetzung nach
Ischl überführt.
Prag. 5 October. Der Professor der gericht-
lichen Medizin an der tschechischen Universität und
Gerichtsarzt, wurde nachmittags im Laboratorium
todt am Fußboden liegend aufgefunden; neben der
Leiche befanden sich zwei Flaschen, deren eine die
Vignette „Strychnin“ trug und mehrere Visi karten
des Inhalts, aſs er einen Selbstmord verübte,
was auch die ärztliche Untersuchung constatierte.
Wien, 5. October. Die Vereinigte Deutsche
Linke trat heute Vormittag zu einer Beratung über
die politische Lage zusammen. Die Debatte war
eine ungemein lebhafte. Von Seite einiger Abge-
ordneten wurde auf das Entschiedenste verlangt,
die Partei solle in die ernsteste Opposition eintreten
und gegen die Erledigung des Budgets wirken.
Andererseits sollen einige Abgeordnete aus dem
Großgrundbesitze zu einem mehr dilatorischen Vor-
gehen geraten haben. Die Debatte wurde Vor-
mitag nicht beendet und die Fortsetzung derselben
auf 4 Uhr Nachmittag anberaumt.
Wien, 4. October. Prinz Joseph Axenberg
ist nachts gestorben.
Wien, 5. October. Die gestrige Aufführung von
Smetanas „Verkaufte Braut“ im Hofoperntheater
verlief glänzend. Das reizende Werk errang einen
vollständigen Erfolg. Gleich nach der Ouverture
war starker Beifall, der nach jeder Nummer des
ersten Actes sich wiederholte. Am Schlusse des
Actes wurden alle Mitspielenden fünfmal gerufen.
Ganz enthusiastisch war der minutenlang währende
Beifall nach dem komischen Männerduett im zweiten
Act; ebenso nach dem Sextett und dem Singduett
im dritten Act.
Budapest. 5. October. Gestern Mittag fand
die feierliche Eröffnung der neuen Franz Joseph-
Donaubrücke durch Seine Majestät den Kaiser in
Anwesenheit des Erzherzogs Joseph, der Minister,
Mitglieder des Parlaments, der Hof, Militär-
und Civilwürdenträger statt. Der Kaiser übergab
die Brücke mit herzlichen Wünschen für das fernere
Aufblühen der Haupt- und Residenzstadt dem Ver-
kehr, nachdem Allerhöchstverselbe durch einen Druck
auf den elektrischen Taster die letzte Niete in der
Eisenconstruction eingefügt hatte. Der Monarch
wurde auf dem Wege von der Hofburg bis zur
Brücke und zurück von der ungeheuern Volksmenge
welche Spalier bildete, enthusiastisch begrüßt. Die
Häuser in der Umgebung der Brücke, sowie die
Brücke selbst waren schön decoriert.
Budapest, 5. October. Ihre Majestät die
Kaiserin ist gestern um 81/4 Uhr früh hier einge-
troffen. Ueber allerhöchsten Wunsch unterblieb jeder
Empfang.
Caneo, 5. October. Infolge eingetretener
Ueberschwemmung wurde ein großer Theil der Land-
straße zerstört. Die Brücke über den Po in Pae-
sana ist theilweise eingestürzt. In San Front
wurden die Dämme sowie ein Theil der Brücke
weggeschwemmt. Auch andere Brücken wurden be-
schädigt. Die Wohnhäuser in Castell grosso sind
sehr gefährdet.
Krakan, 5. October. Die Gemalin des hie-
sigen Kaufmannes Eduard Fuchs verunglückte vor-
gestern auf furchtbare Weise bei Zubereitung von
Frottiermasse mit Benzin, welches explodierte und
die Frau verbrannte. Trotz sofortiger ärztlicher
Hilfe starb dieselbe am Abend.
Athen, 5. October. Die Staatsanwaltschaft
belegte die Nummer der „Akropolis“, welche den
den König beleidigenden Artikel enthielt, mit Be-
schlag. Der Chefredacteur wurde vor den Unter-
suchungsrichter geladen, erschien jedoch nicht, um
der Präventiphaft zu entgehen.
New-Yorkt, 5 October. Bryan setzt seine
Reise durch den Süden fort, überall auf das Leb-
hafteste begrüßt; doch machen sich bei ihm schon
Anzeichen der Erschöpsung bemerkbar. Beide einander
gegenüberstehende Parteien rechnen sicher auf Erfolg.
Triest, 4. October. Der Hofrath der Statk-
halterer i. R. Franz R. v. Reya-Catelletto, der
gestern vormittags von einer Privatkutsche auf
dem Großen Platz überfahren wurde, ist infolge
der hiebei erlittenen Gehirnerschütterung heute
morgens gestorben.
Berkin, 5. October. Die Kaiserin verschob
ihre übreise nach Hubertusstock wegen Erkrankung
des jüngsten Sohnes Joachim.
Rom, 5. October. Wie die „Agencia Stefanie“
meldet, werden Prinz von Neapel und Prinzessin
Helene am 20. October abends nach Antivari ab-
reisen, am 21. früh in Barie zur Ceremonie des
Uebertrittes der Prinzessin eintreffen und abends
desselben Tages nach Rom abreisen.
London, 4. October! Der Vicekönig von
Indien Lord Elgin berichtet telegraphisch, daſs es sich
bei den gemeldeten Krankheitsfällen um die wirk-
liche Beulenpest handle. Doch sei ihr Character
ein milder. Im Distrikte Mandoi kamen täglich
11 Todesfälle vor.
Paris, 5. October. Die Zahl der bis morgen
hier eintreffenden Fremden wird auf 3 Millionen
geschätzt.
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