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„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 37
15. Feber 1896
In der That kann bei den gegebenen Verhältnissen
kein Zweifel vorhanden sein, daſs der Sultan jetzt
mit seinem Vorschlage nirgends Anstoß erregen wird.
Ruſsland und Frankreich werden ihre Zustimmung
gewiss nicht verweigern; ohne die vorherige
Anfrage an dieser Stelle würde ja der Sultan
schwerlich aus seiner gegen Bulgarien bisher be-
obachteten Reserve hervorgetreten sein. In Oester-
reich war man schon seit einiger Zeit auf eine der-
artige Wendung in der bulgarischen Frage gefasst, und
es ist kein Grund vorhanden, anzunehmen, daſs in
Wien Schwierigkeiten gegen die Anerkennung des
Fürsten erhoben werden könnten. So oft in Bul-
garien Unruhen auszubrechen pflegten, gab dies in
Oesterreich Veranlassung zu Klagen gegen Ruſsland,
welches durch seine Schmollpolitik eine rechtliche
Regelung der bulgarischen Berhältnisse verhindere
und so allen unternehmungslustigen Abenteurern
ein Operationsfeld für ihren Thatendrang schaffe.
Man wird daher in Oesterreich gewiss Alles ver-
meiden wollen, was geeignet wäre, die österreichische
Balkanpolitik in's Unrecht zu setzen, zumal die
friedlichen Tendenzen der russischen Orientpolitik
auch in Wien anerkannt werden. Bestätigt sich
übrigens die Nachricht, daſs Natschewitsch, der in
Wien persona grata ist, dorthin als bulgarischer
Gesandter geht, so kann man dies als einen sichern
Beweis dafür ansehen, daſs man in Sophia auf
ein freundschaftliches Verhältnis zu Oesterreich
Wert legt, und daſs Ruſsland gegen eine solche
Politik nichts einzuwenden hat.
Daſs aber die anderen Großmächte irgend
ein Interesse daran haben könnten, den Bulgaren
die Freude zu verderben, ist gewiss nicht anzuneh-
men. In England mag man vielleicht peinlich
davon derührt sein, daſs in Stambul der russische
Einfluſs so mächtig geworden ist; indess wird man
von englischer Seite schwerlich wieder zu der fal-
schen Politik greifen, die üble Laune wegen der
eigenen Fehler an Anderen auslassen zu wollen.
Nach dieser Seite hin hat England vereits genug
Fehler begangen und wird es gewiss bei den üblen
Folgen einer solchen verkehrten Politik, die es in
ausreichendem Maße zu spüren bekommen hat, be-
wenden lassen. Deutschland hingegen hat alle Ur-
sache, diese Wendung der Dinge auf dem Balkan
mit Befriedigung zu begrüßen; für die deutsche
Politik bleibt die Rolle des uneigennützigen Vermitt-
lers des ehrlichen „Maklers“, die sie länger als
ein Jahrhundert auf dem Balkan beobachtet, auch
für die Zukunft vorbehalten. Das Deutsche Reich
hat im Orient keine unmittelbar eigenen Jnter ssen
von politischer Bedeutung wahrzunehmen und ist
deshalb am besten geeignet, bei den vorhandenen
Gegensätzen schlichtend und vermittelnd zu wirken.
Das Misstrauen, welches vor Jahren von gewisser
Seite aus gegen den „Orleans-Sprössling“ auf
dem bulgarischen Thron angefacht und unterhalten
worden ist, hat in unsern Tagen keinen rechten
Sinn mehr; in Deutschland kann man es nur er-
freulich finden, dass Bulgarien nunmehr aufhört,
der wunde Punkt in Europa zu sein. Irgend
welchen Widerspruch wird daher die Anerkennung
des Prinzen Ferdinand als Fürst von Bulgarien
wohl nirgends hervorrufen.
Fürst Ferdinand ist für das schwere Opfer,
das er mit dem Uebertritt seines Sohnes zum
griechisch-orthodoxen Glauben bringt, nach welt-
lichen Begriffen sehr reichlich belohnt worden. Frei-
lich wissen wir noch nicht, welche Schritte in Rom
gegen Fernando Apostata, wie er in den dem Vati-
can ergebenen Blättern genannt wird, noch bevor-
stehen. Schon jetzt wird nicht mehr in der katho-
lischen Kirche zu Sophia das übliche Gebet für
den Landesherrn gesprochen. In diesem Conflict
mit Rom sind die Familienangehörigen des Fürsten
im gegnetischen Lager zu finden und das Verhalten
de. Prinzessin Clementine, der Mutter des Fürsten,
in diesem confessionellen Streit erinnert einiger-
maßen an Scenen aus der neuesten Tragödie von
Wildenbruch. Wenn man auch hoffen darf, daſs
Bulgarien nunmehr in ruhige Bahnen einlenken
werde, so muss man doch in dem häuslichen Zwist
des Fürsten so mancher Ueberraschung gewärtig
sein. Im Vatican ist man nicht nur über den
Fürsten Ferdinand ungehalten, sondern auch im
Allgemeinen gegen die griechisch-orthodoxe Schwe-
sterkirche in gereizter Stimmung. Und doch sprach
man noch vor wenigen Jahren von einem Drei-
bund Ruſsland Frankreich-Vatican. Aus Aerger
über das „kirchenschänderische“ Italien schien man
damals im Vatican nicht nur Frankreich seinen
Abfall von der monarchis en Staatsform, sondern
sogar Ruſsland sein religiöses Schisma zu ver-
zeihen. In Rom vergaß man in jenen Tagen aus
Freundschaft für Russland das katholische Schmer-
zeuskind Polen. Auch in dieser Beziehung scheint
nun die neueste Wendung in der bulgarischen Frage
eine andere Gestaltung der Dinge bewerkstelligt zu
haben. Zwischen Rom und Petersburg werden jetzt
journalistische Auseinandersetzungen in einem ziem-
lich gereizten Ton geführt. Aber auch da wird
hoffentlich die Zeit mildernd versöhnend wirken;
wenigstens sind deshalb keine europäischen Verwi-
ckelungen zu befürchten.
Im Allgemeinen gewinnen die Aussichten auf
einen fortdauernden Frieden in Europa immer
mehr an Boden; von diesem Gesichtspunkt aus
Tocal-Nachrichten
(Der Dank des Statthalters.) Aus
Anlass der Verleihung des goldenen Bließes an
Se. Excellenz den Statthalte Grafen Thun
richtete der Stadtrath Karlsbad nachfolgendes
Telegramm als Gratulation und Dankeskundgebung
an Seine Excellenz:
„Sr. Excell. Franz Grafen Thun, k. k. Statt-
halter in Böhmen, geb. Rath, Ritter des Ordens
vom goldenen Vließ, Ehrenbürger von Karlsbad
Dc. ꝛc.
Prag!
Euere Excellenz! Der Stadtrath von Karls-
bad bittet Eure Excellenz die ergebensten Glück-
wünsche zur erfolgten Ernennung als Ritter des
goldenen Bließes, der höchsten Auszeichnung
Oesterreichs entgegenzunehmen. — Der Stadt-
rath gibt gleichzeitig dem tiefen Bedauern Aus-
druck, in Eurer Excellenz den stets hilfbereiten,
unerwüdlich an dem Wohle des Landes arbeiten-
den, durch prosundes Wissen, Gerechtigkeit und
Unparteilichkeit ausgezeichneten, von jedem billig
Denkenden hochverehrten Landeschef verlieren zu
müssen. — Eure Excellenz wollen die Versiche-
rung hinnehmen, daſs die Bürgerschaft von
Karlsbad nie aufhören wird, Eurer Excellenz in
Liebe und Dankbarkeit zu gedenken, Eure Ex-
cellenz mit Stolz zu den Ehrenbürgern unserer
Stadt zu zählen.
Stadtrath Karlsbad.“
Als Antwort langte gestern nachstehendes
Telegramm Seiner Excellenz des Herrn Statt-
halters ein:
„Bürgermeister Ludwig Schäffer Karlsbad!
Ich bitte Sie und den verehrten Stadtrath,
meinen tiefgefühlten Dank für die Glückwünsche,
anlässlich der mir zutheil gewordenen allerhöch-
sten Auszeichnung entgegenzunehmen, ebenso danke
ich herzlichst für die liebenswürdigen Worte des
Bedauerns über meinen Rücktritt und für die
mir in so warm empfundener Weise ausge-
sprochene Anerkennung meines amtlichen Wirkens.
Ich kann Euer Wohlgeboren nur versichern, daſs
mir diese Kundgebung bei meinem Scheiden aus
dem Amte eine große Freude bereitet hat, um
so mehr, als dieselbe von der Vertretung der
sind die neuesten Ereignisse in Bulgarien als solche
erfreulicher Natur zu bezeichnen. Bulgarien hört
hoffentlich für die Zukunft auf, ein „interessanter
Punkt“ unseres Welttheils zu sein. (B. B. C.)
wieder auf die Insel nieder — wie ein kräftiger
Nebenfluss in einem Strom eine Strecke lang seine
eigenen Wege zieht, bis er von dem mächtigeren
Strome im Bogen an das Ufer gedrängt wird und
schließlich ganz verschwindet. Auf Helgoland er-
kennt auch der Beobachter aus der Stellung der
Möven, daſs der aufsteigende Wind mehrere hundert
Meter hoch ist und je höher um so weiter sich ins
Meer erstreckt. In dieser aufsteigenden Luftströ-
mung schweben ohne Flügelschlag Scharen von
Möven. Auch weit vor einem Waldsaume werden
sie die unteren Luftschichten aufnehmen müssen, um
über den Wald zu kommen, der als Hinderniss
durch den aufwärts prallenden Luftstrom noch erhöht
wird. Auch in solcher aufwäressteigenden Luftströ-
mung sieht man ja oft Raubvögel unbeweglich
schweben. Und ebenso wie bei Windstille die Möven
nicht an der Küste schweben können, so vermögen
auch die Raubvögel bei Windstille sich nicht ohne
Flügelschlag schwebend in der Luft zu erhalten.
Die Möglichkeit, dass Vögel auch in horizontalen
Wind sich über einem Punkt schwebend erhalten,
ist ebenfalls nicht denkbar: denn die Vögel schweben
nur vom Standpunkte des Beobachters über ein
und demselben Punkt. In Wirklichkeit segeln sie
in der Luftströmung mit der Schnelligkeit des ge-
rade wehenden Windes vorwärts. Will der Vogel
schweben, so segelt er nur mit so viel Gefäll, daſs
er im Vorwärtskommen der Luftströmung gerade
das Gleichgewicht hält. Die Triebkraft ist also in
diesem Falle das Eigengewicht des Vogels, während
Flügel und Schwanz mit ihrer großen Flächenent-
wickelung das Fallen und die Schnelligkeit regeln.
Berliner Plauderei.
Nachdruck verhoten.]
Ich habe das letzte Mal von dem Automaten
berichtet, der den Kellner entbehrlich macht. In-
zwischen hat diese nützliche Maschine eine weitere
Anwendung erfahren. Schon lange entlastet er
auf den Berliner Bahnhöfen die Billetschalter-Be-
amten. Ein Perronbillet, das die einnahmelüsterne
Verwaltung ersonnen hat, wird fast nie am Schalter
gelöst. Man wirft seinen Nickel in den Automaten-
schlund und erhält sein Billet, wenn nicht der
Autonat zufällig seine Launen hat, die er, obschon
nicht Mensch, wirklich mitunter besitzt. Und das kann
dann sehr unangenehm sein. Nicht minder unan-
genehm ist es, wenn man in den letzten Minuten
angestürmt kommt, das Schalterfenster dicht um-
lagert sieht, ein Perron- oder Vorortsbillet ziehen
will, aber in dem gespickten Portemonnaie keinen
—- Nickel findet. Da ist guter Rath oft theuer,
denn in dem Wirrwarr, der auf den Berliner
Bahnhöfen zur Zeit der Abfahrt eines Eisenbahn-
zuges herrscht, ist es nicht rathsam, einen Unbe-
kannten mit der Bitte um Kleingeld zu behelligen.
Man würde unter den hastenden Menschen nur
Wenige finden, die eine dahingehende Bitte nicht
für eine unverschämte Zumuthung erklären, wenn
sie nicht Schlimmeres dahinter vermuthen würden.
In solchen Fällen soll wieder der Automat ein-
treten. Er, der bisher meist nur die untergeordne-
ten Dienst“ eines Kleinkrämers verrichtet hatte,
dann freilich auch zum Beamten avanciert war,
soll nun auch als Geldwechsler, also quasi als
Bankier sich nützlich machen. Er wird für eine
Mark ein kleines Hülschen mit Nickeln geben und
kein Aufgeld berechnen: der Vortheil der Eisen-
bahnverwaltung besteht darin, daſs man es nicht
aus Mangel an Kleingeld unterlässt, das Perron-
billet zu nehmen und nicht den Schalterbeamten
belästigt.
Der Automat auf dem Anhalter Bahnhof ent-
faltete neulich eine ungewöhnliche Thätigkeit, wie
er es sonst nur zu Beginn der Ferien oder der
Automat für Vorortsbillete nur an Sonntag Nach-
mittagen thut. Und das in aller Herrgottsfrühe
schon. Was war denn los? Was hatte die vielen
Herren und Damen zum Theil schon in vorgeschrittenen
Jahren so früh herausgelockt? Freiherr Sammer-
stein sollte ankommen und um solch einen gesuchten
freiherrlichen Gauner politischen Genres zu sehen,
scheute selbst die verwöhnte Dame, der bequeme
alte Herr nicht, früh aufzustehen, spendierte selbst
die sonst jeden Pfennig zu Rathe ziehende kleine
Beamtenfrau ihren Nickel. Ja wenn es nur etwas
zu sehen giebt! Wenn nur irgend eine gute und
noch besser irgend eine recht böse Sache einen zum
Sensationsthier g macht hat! Da fehlt es nie an
Geld. Das ist das Glück der Frau des durchge-
brannten Rechtsanwalt Fritz Friedmann, die nie
daran gedacht haben würde, sich durch ihren Ge-
sang so viel Geld zu verdienen. Jetzt spielt sie
auf einem Specialitäten-Theater eine erste Rolle,
nicht weil man sie gerne hört, sondern weil man
sie sehen will. Freilich allzulange hält eine solche
Anziehungskraft nicht vor, das hat man an der
Fürstin Pignatelli gesehen. Auch der Stern der
Barrisons ist längst erblichen, die freilich nur durch
Reclame und eine Extra-Portion Tingeltangel-
Kühnheit sich selbst den Sensationskranz auf die
londen Köpfchen gedruckt haben. „Die Barrisons
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