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28. Jänner 1896
„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 21
Seite 3.
Woche Bürgermeister Stöhr und Stadtrath Dr.
Stradal aus Teplitz
nach Prag, um daselbst be-
züglich der Errichtung eines Kreisgerichtes mündliche
Verhandlungen zu pflegen.
In Karlsbad liegt die Sache allerdings viel
günstiger, nachdem nur einzig allein noch Elbogen
in Frage kommt.
Eine Anfrage des Stadtverordneten Herrn
Franz Kugler in letzter Sitzung, welche Vortheile
die Errichtung dieses Kreisgerichts für den Kurort
mit sich im Gefolge hätte, gab Herrn Stadtrath
Dr. Fleischner Gelegenheit, diese Angelegenheit
vom practischen und juridischen Standpunkte zu
beleuchten.
Der Herr Referent führte aus, dass die Vor-
theile in erster Reihe ideelle sind, indem das recht-
suchende Publicum das Recht an Ort und Stelle
finden wird. Er wies darauf hin, daſs vor allem
berücksichtigt werden muss, daſs die neue Gerichts-
norm alle Streitsachen über den Betrag von 500 fl
dem Kreisgerichte zuweist und daſs für das Be-
zirksgericht nur jene Streitsachen übrig bleiben,
welche unter dem Betrage von 500 fl. rangieren.
Durch das neue Gesetz, welches ein öffentliches und
mündliches Verfahren für alle Streitsachen ins
Leben ruft, wird der Verkehr zum Richter und
Anwalt ein directer werden, da der Richter die
Partei, um sich zu verständigen, persönlich einver-
nehmen wird, ebenso werden dann bei Berufungen
gegen Urtheile der Bezirksgerichte, Bagatellgerichte,
die Verhandlungen beim Kreis gerichte sich zur Gänze
mündlich wiederholen. Mit Rücksicht darauf, dass
in Kailsbad ein so großer reger geschäftlicher Ver-
kehr ist und besonders der Verkehr über 500 fl.
ein sehr bedeutender ist, so wird es sehr häufig der
Fall sein, daſs sich Streitsachen vor dem Kreisgerichte
abzuwickeln haben werden und das mündliche Ver-
fahren bringt es auch weiters mit sich, daſs jener
Anwalt, der den Process vorberathen, auch im
mündlichen Verfahren die Streitsache wird verfechten
müssen. Daſs nun für die Karlsbader Einwohner-
schaft ein großer Vortheil deshalb erwächst, wenn
der Sitz des Gerichtshofes sich in Karlsbad befindet,
ist daher wohl einleuchtend.
Dies die ideellen Vortheile. Materielle und
practische Vortheile liegen für Karlsbad darin, dass
ein großer Parteienverkehr nach Karlsbad gelenkt wird
und Parteien sich tagelang hier aufhalten werden;
dieselben werden auch, nachdem einmal zur Reise
gezwungen, hier ihre Einkäufe besorgen und ein
nennenswerther Vortheil erwächst infolgedessen nicht
zum mindesten der hiesigen Handelswelt.
Dies die Ausführungen des Herrn Referenten,
denen man wohl beipflichten muss.
Wenn
man besonders berücksichtigt, dass durch die Bahn-
bauten Karlsbad zu einer wirklichen Centrale für
einen weiten Umkreis wird, muss man auch wünschen,
daſs der Sitz der Gerichtsbarkeit nach dieser Cen-
trale verlegt wird.
Das Collegium ließ sich denn auch von diesen
Gesichtspunkten leiten und genehmigte einhellig den
vom Stadtrathe gestellten Antrag auf unentgeltliche
Ueberweisung des Bauplatzes im Ausmaße von
9700 m2 im approximaliven Werte von 60- bis
80000 fl und Zahlung eines Baarbetrages von
110.000 fl. gegen Ueberlassung des jetzigen Amts-
gebäudes auf der Neuen Wiese.
Tocai-Nachrichten.
(Abend-Concert der Kurkapelle.)
Heute abends halb 8 Uhr findet im Kurhause ein
Concert der Kurkapelle mit nachstehendem Pro-
gramme statt: 1. Professoren-Marsch a. d. Optte.
„Vogelhändler“ von Zeller. 2. Ouverture „Sommer-
nachtstraum“ von Mendel sohn. 3. Grubenlichter,
Walzer a. d. Optte. „Obersteiger“ von Zeller.
4. Fantasie aus der Oper „Cirmen“ von Bizet.
5. Anniebel, Polka française von A. Labitzky. 6.
a) Serenade roccoco von Meyer-Helmund b)
Serenata von Mocikowski. 7. Songe d'amour
après le bal von Czibulka. 8. Wiener am Land,
großes Potpourri von Komzak.
(Neue Telephon-Anschlüsse.) Alle
jene Parteien, welche bis jetzt dem hiesigen Telephon-
netze als Abonnenten nicht beigetreten sind, den
Anschluss zu demselben noch vor Beginn der Saison
wünschen, werden in ihrem eigensten Interesse ein-
geladen, die bezüglichen Telephonbeitrittserklärungen
längstens bis Mitte Feber 1896 bei dem . Post-
und Telegrafenamte in Karlsbad Stadt einzu-
bringen. Blanquette für Beitrittserklärungen ver-
abfolgt das erwähnte Amt, wie es denn auch be-
reit ist, in dieser Angelegenheit entsprechende Aus-
künfte zu ertheilen. Schließlich wird besonders
darauf die Aufmerksamkeit gelenkt, daſs nach dem
15. Februar 1896 angemeldete Anschlüsse vor
Saisonbeginn keine Berücksichtigung mehr finden
können, zumal die bezüglichen Vorerhebungen
langere Zeit erfordern und der Ausführungen dieser
Anschlüsse in spät rer Zeit während der Saison
mannigfache Hindernisse entgegenstehen.
(Tranung.) Am 9. Feber, 12 Uhr mittags
findet in der hiesigen Decanalkirche die Trauung
des Frl. Anna Zimmermann (Haus „Wallen-
stein“) mit Herrn Max Jähnig, Hofmusiker in
Stuttgart, früher Solocellist der hiesigen Kur-
kapelle, statt.
(Die Nachmittags-Concerte der Kur-
kapelle), welche zu Gunsten des Armenfondes
im Kurhause stattfinden, erweisen sich als eine sehr
schätzenswerte Einführung. Nicht allein, daſs dem
städtischen Armensonde ein reicher Erlös hiedurch
zugeführt wird, dieselben bilden während der Winter-
monate auch den willkomenen Anlass zum Rendez-
vous des hiesigen und auswärtigen musikfreund-
lichen Pudlikums, welches sich ungemein zahlreich
zusammenfindet. So war beispielsweise das vor-
gestrige Concert eines der stärkstbesuchtesten der
Wintersaison; aus fast allen benachbarten Orten
ja selbst aus Elbogen, Falkenau und Neudek re-
krutiert sich ein Stammpublikum das sich die
günstige Gelegenheit, ein gediegenes Concert zu
hören nicht entgehen lässt und die vorzüglichen
Leistungen unserer Kurkapelle mit lautem Beifalle
quittierte. — Wenn einmal die Bahnverbindungen
hergestellt sein werden, dürfte der Besuch dieser
Concerte, die voraussichtlich nimmer aufgelassen
werden — sich erheblich steigern.
(Krondorfer Stefaniequelle) In
der Academie zu Paris kam kürzlich das Gesuch
der Stephaniequelle in Krondorf bei Karlsbad um
Verkaufsgenehmigung in Frankreich zur Verhand-
lung. Der Gesuchsteller hatte sich verpflichtet, das
Wasser keinerlei Manipulationen des Klärens oder
Imprägnierens zu unterwerfen, welche seine chemi-
sche Zusammensetzung verändern könnten. Das Ge-
such wurde genehmigt.
(Eliteball im „Hotel Weber“.) Zu
dem am 4. Feber im „Hotel Weber“ stat findenden
Eliteball gibt sich vielfaches Interesse kund und
hat bereits eine Anzahl notabler Persönlichkeiten
ihr Erscheinen zugesagt. Das Reinerträgnis des
Ballfestes wird, wie wir bereits mitgetheilt haben,
dem Schulkreuzerverein in Fischern zugeführt. —
Reclamationen wegen Einladungen sind an Herrn
Hartmann, Haus „San Remo“ und an Herrn
Stalla zu richten.
(Trauung.) Am 11. Feber 1 Uhr mittags
findet in der hiesigen evangelischen Kirche die
Trauung des Herrn Michael Gottfrieo, Director
der D. Stark'schen Bergwerke und Fräulein Frieda
von Stein, (Tochter des Herrn M. Dr. v. Stein
in Chodau) statt. — Das Hochzeitsfestmahl wird
im Kurhause serviert werden.
(Richtigstellung.) Herr Restaurateur
Kohl ersucht uns mitzutheilen, daſs die von ihm
uns gemachte Meldung, dass am 9. Feber ein
Poffbeamten Kränzchen im Kurhause stattfindet, in-
soferne richtigzustellen sei, daſs dieses Kränzchen
nicht die Postbeamten veranstalten, sondern eine Tisch-
gesellschaft.
„Auf Wiedersehen,“ sagte er und sah mich
strahlend an.
Ich aber flächtete auf mein Zimmer und
weinte Ich könnte heute nicht sagen, warum ich
mich solcher Zeitvergeudung hingab, es war aber
jedenfalls in jener Stunde eine unumgängliche
Nothwendigkeit, zu weinen.
Das Diner am nächsten Tage verlief glänzend,
und ich war sehr liebenswürdig gegen Jedermann,
nur nicht gegen Herrn Haibinken. Natürlich
stellte mich meine Tantr hinterher darüber zur
Rede, aber ich ließ sie nicht weit kommen.
„Ach lass doch, Tantchen, Landwirte sind so
langweilig.“
„Langweilig? Haibinken hat studirt und jetzt
nur das väterliche Gut übernommen, Nun ist er
hier, um Berlin einmal von der fröhlichen Seite
kennen zu lernen, und da behandelst Du ihn so
steif wie einen Eindringling.“
„Nun, und ich erkläre Dir gleich heute, Tante,
ich nehme ihn doch nicht, niemals!“ rief ich, denn
nun war der Trotz ganz über mich gekommen.
„Will er Dich denn schon?“ spottete Tantchen.
Aber ich kannte sie besser und nahm mir vor, bei
meinem eingewurzelten Widerwillen gegen jedes
„Verfügen über meine Person“ mir aus Herrn
Haibinken absolut nichts mehr zu machen.
Als wenn das so leicht gewesen wäre! Ich
war ihm doch schon so herzlich gut, und jedesmal,
wenn ich ihn wiedersah, musste er mir besser ge-
fallen. Ich wollte aber nicht nachgeben. Und so
brach denn jetzt die aufreibenste Zeit an, die ich
jemals durchgemacht habe. Wo ich hinkam, in
Gesellschaft auf's Eis, in Concerte; überall traf
ich ihn. Und ich kann gar nicht einmal sagen,
daſs er sich mir auffallend näherte.
Wären nur die Tanten und Basen nicht ge-
wesen! Aber je mehr man mir diese „Partie“
anpries, um so mehr lehnte ich mich dagegen auf.
Und dann, daſs ich's nur gestehe, der dumme
schreckliche Traum von damals ließ mich nicht los.
Ich redete mir allerlei Albernheiten ein, als sei
der Traum schon eine „Warnung“ vor ihm ge-
wesen.
Eines Tages trat Thauwetter ein, und wir
mussten eine, freilich sehr unfreiwillige Pause im
Eislauf eintreten lassen. Denn das war nicht zu
leugnen, solche herrliche Stunden wie mit Hans
Halbinken auf dem Eise hatte ich noch nie vorher
genossen; es lief sich so sicher und geborgen an
seiner Hand, und dort war ich auch immer freundlich
zu ihm!
Kurze Zeit darauf wurde es wieder Frost-
wetter, und nach drei Tagen kam „der Herr mit
den weißen Händen“ und meldete, daſs die Ronsseau-
Insel wieder eröffnet sei.
Tantchen ließ sich den Pelz bringen, ich holte
die Schlittschuhe, und wir führen nach dem Thier-
garten. Aber ach, nur die Mittelbahn war frei, rechts
und links waren Stricke gezogen, die das Weiter-
laufen verhinderten. Man hatte dort große Löcher
ins Eis gehauen, um die Stärke der Fläche zu
messen, und dort durfte man doch nicht hin. Ueber-
müthig wie immer, erklärte ich aber, daſs ich mich
an das Verbot nicht kehren würde, und gesagt,
gethan, ich schlüpfte unter dem Tau hindurch und
lief auf der weiten, menschenleeren Bahn vergnügt
weiter. Herr Hatbinken war mir gefolgt und gutt
bald neben mir dahin.
„Geben Sie mir Ihr Händchen,“ bat er, „auf
diesem gefährlichen Wege muss ich Sie beschützen.
Aennchen,“ sagte er leise und innig, „heut muss
es heraus, wollen Sie mir nicht erlauben, immer
und überall Ihr Beschützer zu sein?“
Mir sauste es in den Ohren; fern am Ufer
sah ich die Tante, neben mir die hohe Gestalt —
mit einem Male überkam mich die Erinnerung, an
meinen Traum und mein kindischer Trotz zu zugleich.
Ich riss meine Hand aus der seinen und rief wild:
„Nein, niemals!“
Er sah mich einen Augenblick in solchem
Schrecken an, daſs mir selbst ganz kalt wurde,
und während er bis in die Lippen hinein erblaßte,
fragte er:
„Warum?“
„Weil es abgekartetes Spiel ist,“ rief ich ver-
wirrt, „weil ich mich nicht heirathen lasse!“
Er sah mich traurig an.
„Also habe ich mich getäuscht,“ sagte er, „und
Sie haben mich kein Bischen lieb.“
Ich biss die Zähne zusammen und sagte kein
Wort. Mir war so schlecht zu Muthe, daſs ich
kaum noch aufrecht stehen konnte.
Er machte eine Bewegung zum Umwenden,
und wir liefen nun schweigend neben einander
zurück. Als wir ziemlich nahe bei der großen Bahn
wieder angekommen waren, nahm er den Hut
grüßend ab.
„Leben Sie wohl, Aennchen,“ sagte er leise
und lief wohl um mich noch im Auge zu behalten
rückwärts fort.
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