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Karlsbader Badeblatt Nr. 71 am 22. Juli 1892.
den kein österreichischer Patriot, sondern höchstens
die im Trüben fischenden Hetzer der Bergparteien
herbeiwünschen können.
Berlin, 31. Juli. Dem Buschhoff-Comité
der Kunstakademie
traten neuerdings der Präsident
Frentzel, die Ael-
Professor Becker, der Präsident
testen der Kaufmannschaft und Prediger Hoßbach
bei. —
Kissingen, 21. Juli. Vier Tausend
Personen aus Baden, Hessen und der Pfalz
reisen Sonntag in fünf Extra Zügen nach Kissin-
gen. —
Paris, 21. Juli. Die Regierung bereitet
den Entwurf einer Besteuerung sämmtlicher Rad-
fahrer mit 10 Francs pro Fahrrad vor. Das mit
drei Millionen bezifferte Erträgnis soll zum Theile
für die Fundirung von Hilfskassen für Unglücks-
fälle und Katastrophen verwendet werden.
Wien, 21. Juli. Fürstin Milena und Erb-
prinz Danilo von Montenegro, sowie der Minister-
präsident Petrowitsch sind heute Früh nach Glei-
chenberg abgereist.
Köln, 21. Juli. Das Berliner Weltaus-
stellungsprojekt hat, wie die „Kölnische Zeitung“
berichtet, bisher keinen einzigen deutschen Industriellen
verarlaßt, sich aus geschäftlichen Gründen für die
entschiedene Durchführung der Ausstellung auszu-
sprechen. Die Blätter, welche behaupteten, daß die
Ausstellung zustande kommen wird, wollen die öffent-
liche Meinung irreführen. Die Ausstellung er-
fordere einen Zuschuß des Reiches von dreißig
Millionen Mark, welchen der Reichstag in seiner
gegenwärtigen Zusammensetzung, angesichts der im
nächsten Jahre erfolgenden Erhöhung des Militär-
etats, nicht bewilligen werde.
70 : 30.
Das Abgeordnetenhaus hat gestern die Be-
rathung über die Münzconvention beendigt. Den
Hauptstreitpunkt bildete der Artikel X, der das
Quotenverhältniß mit 70: 30 festsetzt. Die extremen
Parteien, Jungtschechen und Antisemiten benützten
diesen Anlaß, um gegen Ungarn Sturm zu laufen
und diesen Staat mit dem ganzen Unflath ihrer
Beredtsamkeit zu übergießen. Sinn für staat-
liche Erfordernisse kann man allerdings von
diesen Politikern der Gasse nicht erwarten. Nicht
um diese Leute zu widerlegen, sondern um die
Gründe darzulegen, warum der überwiegende Theil
der Vereinigten Deutschen Linken für das Verhält-
niß 70: 30 gestimmt hat, seien die folgenden That-
sachen hervorgehoben.
Die Münzconvention setzt den Quotenschlüssel
für die Kosten der Einlösung der schwebenden
Schuld fest und dieß geschieht in der Weise, daß
Oesterreich 70, Ungarn 30 Perzent betragen soll.
Dieser Quotenschlüssel ist nicht zu verwechseln mit
der für die sogenannten gemeinsamen oder prag-
matischen Angelegenheiten festgesetzten Quote. Es
sind dieß jene Angelegenheiten, die durch den Aus-
gleich mit Ungarn als beiden Theilstaaten ge-
meinsam erklärt worden, wozu die Bestreitung
des Aufwandes für die äußeren Angelegenheiten
und das Heer gehören. Dazu werden bekanntlich
auf Grund des Gesetzes vom 8. Juni 1871 vorerst
2 Perzent zu Lasten des ungarischen Staates in
Rechnung genommen und zu der nach Abzug dessen
verbleibenden Summe haben die im Reichsrathe
vertretenen Königreiche und Länder 70 Perzent,
die Länder der ungarischen Krone 30 Perzent bei-
zutragen.
Ganz anders verhält es sich mit dem Quoten-
schlüssel für die Kosten der Einlösung der schweben-
den Schuld, worüber eben im Abgeordnetenhause
berathen wurde. Beim Ausgleiche wollten die
Ungarn überhaupt nichts von einer Beitragsleistung
zu den Kosten der allgemeinen Staatsschuld wissen
und erst nach langen Unterhandlungen kam der im
Gesetze vom 24. Dezember 1867 normirte Vergleich
zustande, demgemäß sich die Ungarn zur Bedeckung
der Zinsen für die bisherige allgemeine Staats-
schuld einen dauernden Jahresbeitrag zu leisten
verpflichteten. Die noch gegenwärtigen giltigen
Bestimmungen über diese Beitragsleistung ent-
stammen dem Gesetz vom 10. Juni 1863, das für
die Einlösung der Staatsnoten zum ersten Male
das Verhältniß 70: 30) festsetzt, und das seit-
dem in allen auf die Münzverhältnisse
sich beziehenden Gesetzen dasselbe ge-
blieben ist. Zieht man die Lasten in Betracht,
so ist es für Oesterreich ungünstiger, zieht man
aber den Münzgewinn in Betracht, so ist es für
Oesterreich günstiger, als das Pragmatikal-Ver-
hältniß. Die Ungarn haben es nun stets als eine
große, dem anderen Theilstaate gewährte Begünsti-
gung angesehen, daß sie diese auf das Münzver-
hältniß sich beziehende Quote auch auf die schwebende
Schuld anwendeten und 30 Perzent zur Zahlung
übernahmen. So erwünscht auch eine große Bei-
tragsleistung Ungarns wäre, so läßt sich doch nicht
leugnen, daß die Stellung der Regierung durch
jenes Präjudiz gegeben war und daß es einfach
unmöglich gewesen wäre, für den Münzgewinn, der
Oesterreich infolge der gesetzlichen Vereinbarung
mit Ungarn zugute kommt, das Verhältniß 70: 30,
für die Lasten aber eine Ungarn ungünstigere Quote
festzustellen. Das war auch der hauptsächlichste
Grund, der die Vereinigte Deutsche Linke veranlaßte,
schon am Beginne der Verhandlungen aus dem
Quotenverhältniß keinen casus belli mit Ungarn
zu machen.
Die finanzielle Mehrbelastung Oesterreichs ist
übrigens nicht so bedeutend, als vielfach geglaubt
werden dürfe. Sie beträgt nach den pessimistischen
Berechnungen kaum 150.000 fl. pro Jahr und
wird sich wahrscheinlich noch wesentlich verringern,
da ja bekanntlich bei der Einlösung eine Menge
Staatsnoten verschwinden und ebenso bei der Ein-
ziehung der Münzen. Es wäre daher politisch
und sachlich nicht gerechtfertigt gewesen, dieser An-
gelegenheit wegen gegen das ganze Gesetz zu stimmen
und einen Krieg mit Ungarn heraufzubeschwören,
Tokal- und Bäder-Nachrichten.
(Die Lebhaftigkeit der Saison)
ist dermalen eine so bedeutende bei uns in Karls-
bad, wie vielleicht noch nie zuvor. — Die Ankunft
der Gäste ist seit jängerer Zeit schon täglich eine
überaus große und vier Nummern der Kurliste ge-
langen jetzt jeden Tag zur Ausgabe, — nur der
heutige Tag macht eine Ausnahme, denn es er-
scheinen deren fünf! — Diese fünf Kurlisten ver-
zeichnen die Ankunft von beinahe einem halben
Tausend Menschen an einem Tage, das sind gewiß
Ziffern nur eines Weltkurortes! — Die Gästezahl
des Vorjahres, der höchst bis jetzt hier erreichten,
ist dermalen bereits um weit mehr als Tausend
Personen überholt, welcher Vorsprung in der ab-
gelaufenen Woche von Tag zu Tag größer wurde.
Welch große Anzahl von Gästen dermal hier weilt,
kann man am besten des Morgens an den Quellen
beobachten, wo gegenwärtig die Queues in endloser
Länge sich bilden. —
(Das Symphonie-Konzert der Kur
kapelle), das am heutigen Nachmittage im Post-
hofe staufindet und dessen interessantes Programm
die Leser im Vergnügungs-Anzeiger unseres heuti-
gen Blattes verzeichnet finden, sei dem musikfreund-
lichen Publikum ganz besonders in Erinnerung
gebracht.
(Bühnenfestspiele in Bayreuth. ) An
den Aufführungstagen der Bühnenfestspiele in Bay-
reuth, d. i. am 24, 25, 28, 29., 31. Inli, 1.
4., 5., 7., 8., 11., 12, 14., 15', 17., 18., 20.
und 21. August d. J. verkehrt von Eger ein
Separat-Schnellzug nach Bayreuth und zurück. Ab-
fahrt Eger 11 Uhr 5 Minuten Vormittags, Ankunft
in Bayreuth 12 Uhr 40 Minuten Nachmittags;
Abfahrt in Bayreuth 11 Uhr 15 Minuten Nachts,
Ankunft in Eger 1 Uhr Nachts. Zu dem von
Eger abgehenden Separat-Schnellzuge schließen
günstige Züge an: ab Karlsbad 8 Uhr 53 Minuten
Vormittags, Marienvad 10 Uhr 2 Minuten und
Franzensbad 10 Uhr 15 Minuten Vormittags.
Von Karlsbad verkehren direkte Personenwagen
nach Bayreuth.
in
(Israelitischer Gottesdienst.) Sams-
tag den 23. Juli, 10 Uhr Vormittags, findet
der hies. Synagoge Gottesdienst und Predigt statt.
(Repertoir des Karlsbader Stadt-
theaters) für die Zeit vom 24. bis 30. Juli:
Sonntag den 24. Juli „Boccaccio,“ Operette in
3 Akten von Fr. v. Suppé; Montag den 25.
„Der Hüttenbesitzer,“ Schauspiel in 4 Akten von
G. Ohnet; Dienstag den 26. „Die Fledermaus,
Operette in 3 Akten von J. Strauß: Mittwoch
den 27. „Mamzelle Nitouche,“ Operetten-Vaude-
ville in 3 Akten von Hervé? Donnerstag den 28.
„Orpheus in der Unterwelt,“ Operette in 3 Akten
Wiener Theater- und Musikausstellung.
(Originalbericht des „Karlsbader Badeblatt.“)
Wien, 19. Juli.
Dr. K. Der volle Bauch studirt nicht gern,
oder richtiger gesagt — überhaupt nicht, und nur der
Hunger macht scharfsinnig, das beweist uns die
Thatsache, daß die Kinder der Reichen meist minder
oder weniger vertrollt sind, das Genie dagegen am
häufigsten aus den Hütten der Armut und Dürftig-
keit hervorgeht. Und so ist es gewiß als ein gün-
stiger Umstand zu begrüßen, daß unsere Ausstellung
keineswegs in einer goldenen Wiege das Licht der
Welt erblickt hat und frühzeitig durch Deficitsorgen
gepeinigt, sich bemühen muß immer vielseitiger und
anziehender zu werden. Sie würde sonst auch, wie
andere glückliche Kinder, nunmehr die Hände mit
den Worten „Gott sei Dank, ich habs nicht nöthig“
in den Schoß legen und in den todähnlichen Schlaf
alles großstädtischen Lebens im heißen Monat Juli
verfallen. Statt dessen bespannt sie die Reclame-
trommel mit einem neuen Fell und lädt die Wiener
allwöchentlich wenigstens zu drei Festen in ihre
Räume ein. Und stehe da, Wien ist gar nicht so
leer, wie man nach anderen Jahren urtheilen möchte
und von fern und nah verlassen die Wiener ihre
reizenden Sommeraufenthalte, um sich in der Aus-
stellung Stelldicheins zu geben. Ja, die bösen
Zungen behaupten, daß die vielen Besucher gar
nicht alle vom Land hereinkämen, wenn sie auch
solches versichern. Gar viele Familien sollen da-
runter sein, die sich Sommers über mit ihren
Töchtern sorgsam versteckt halten, denn es ist nicht
chik, ja sogar creditgefährdend und die Heiraths-
aussichten der Töchter gewaltig beeinträchtigend,
wenn man nicht aufs Land geht. Und so schenken
die Ausstellungsfeste vielen armen Kindern, die sonst
durch die Bornirtheit unserer Gesellschaftszustände
Sommers über in qualvoller Bleidächergefangen-
schaft gehalten werden, wenigstens für einige Stunden
Licht und Freiheit.
Am letzten Sonntag lockte wieder ein italieni-
scher Costümcorso mit daranhängendem Balle
und Feuerwerk ein nach Tausenden zählendes Publikum
in die Ausstellung. Zehn färbige Papierregenschirme,
unter denen Confetti feilgeboten und nicht gekauft
wurde, eine aus Weinlaub improvisirte Osteria mit
Wein, Schinken, Salami, einer schönen, schüchternen
Verkäuferin und anderen kalten Herrlichkeiten, be-
ständig von einer dichten Schaar „Zuschauer“ um-
lagert, dazu etliche Hundert Papierlampions, ein
mit einem Räuberhut bekleideter italienischer Affen-
hälter aus Lerchenfeld, etliche Leierkästen nicht zu
vergessen, genügten, verbunden mit der herrschenden
Schwüle, uns in die erforderliche italienische Jllusion
zu versetzen. Dabei geschah an diesem Tage endlich
einmal etwas für die Hebung des Kleingewe
indem wenigstens die Maskenleihanstalten, auch
das hohe Protektorat des Prinzen Carneval,
besten Geschäfte machten. Wenn es nun das A
Kleingewerbe auch nur einmal einsehen lernen wol
wie wenig ihm hochfürstliche Protektionen nütze sind.
Ueberall herrschte die heiterste Stimmung, nur
armen Confetti-Verkäuferinnen konnte man nich
ohne Mitleid betrachten. Man sah, wie ihnen jed
Wort schwer ward und doch redeten sie in ein
fort. Ein ungalantes Sonntagspublikum, das nur
für Bier Geld hatte, drückte sich nicht mit
Takte des Cavaliers scheu an den Verkaufsständen
vorüber, es blieb vielmehr stehen, machte
Witze und taxirte die verkaufenden Mädchen
Gestalt und Schönheit. Das Comité soll
Vorwurf bleiben, aber die bereitwilligen Y
die keine Gelegenheit versäumen, ihre Töch“
lächerlich aufgeputzt auf den Markt zu bringe
wissen nicht, was sie thun, und sollen deshalb
gebung erlangen, aber nicht mehr oft. Und
thörichte Mädchen aus dem Volke wandelt
Armc eines treuen ehrlichen Kerls an dem
gekleideten Opferlämmchen vorüber und denkt nei
und verbittert: „O, könnte ich nur auch
meine Jugend so genießen.“ Sie weiß nicht
dem beschäftigungslosen, liebeleeren, öden
der höheren Tochter.
auf
Feuilleton.
Název souboru:
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