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Nr. 66
Lreitag den 16. Juli 1886.
IX. Jahrgang.
Badcblatt.
Karlsbader
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Herausgeber: Ernest Franieckh.
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Nach der heute zur Ausgabe gelangenden Kurliste Nr. 222
sind bis 14. Juli 13829 Parteien mit 18151 Personen zur
Kur hier eingetroffen.
Unter den Angekommenen des gestrigen-Tages befinden sich:
Freiherr C. von Rosen, Rittergutsbesitzer aus Ehstland.
(Stadt Gotha)
Herr Nicolas Nicolaewitsch Konschin mit Nichte
Fräulein von Gortschakoff und
Herr Dr. Theodor Zulübasch aus Moskau,
Herr Cherson, Kaufmann mit Gemalin aus Rochester.
(Columbus)
Herr Heinrich von Goldberger, Fabriksbesitzer aus Wien.“
(Deutsches Haus)
Herr A. Phaland, Kommerzienrath aus Berlin,
Herr Heinrich Eisenschimmel, Kaufmann aus Jungbunzlau
(Nother Adler)
Herr Joh. Frieß, Guts- und Fabriksbesitzer a. Zborowitz.
(Cafè Elefant)
Herr Frederick Warden, Offizier aus London,
Herr John W. Britten, Fabrikant mit Gemalin u. Toch-
ter aus Newyork,
Herr Ernst Gränfeledt, Kaufmann aus Petersburg.
(Hotel de Russie)
Herr Friedrich Bonte, Brauereibesitzer mit Gemalin aus
(Austria)
Magdeburg
Herr Leopold Ritter von Cramer, k. k. General-Prokurator
aus Wien.
(Hanseatisches Haus)
Vergnügungs-Anzeiger.
Café Posthof.
Symphoniekonzert der Kurkapelle
unter Leitung des Musikdirektors August Labitzky.
Programm:
1. Marsch H-moll von Frz. Schuhert.
2. Ourerture „Richard III.“ von R. Volkmann.
3. Tarantelle von Cesar Cui.
4. Violin-Sonate für Streichorchester von J. S. Bach.
5. Largo op. 76 von Jos. Haydn.
6. Symphonie Nr. 4, A-dur von Mendelssohn.
Anfang 4 Uhr.
Entrée 50 kr.
Stadtpark.
Heute Abends 1/28 Uhr.
Abend-Konzert der Kurkapelle.
Stadttheater.
Ein Tropfen Gift.
Schauspiel in 4 Akten von Oskar Blumenthal.
Anfang 1/27 Uhr.
Etablissement Sanssouci.
Nachmittags-Konzert
der Karlsbader Konzert-Kapelle unter Leitung des
Kapellmeisters Ludwig Pleier.
Programm.
1. Sturm, Marsch von Saro.
2. Ouverture „Rübezahl“ von Flotow.
3. Fleur de Petersbourg, Walzer von Resch.
4. Adagio a. d. Oxford-Symhponie von Haydn.
5. Amazonen-Ritt von F. Spindler.
6. Nocturno a. d. „Sommernachtstraum“ v. Mendelssohn.
7. Potpourri aus „Der Feldprediger“ von Millöcker.
8. Mandolinata von Paladilhe.
9. Polnische Lieder, Quadrille von Lipinske.
Anfang 4 Uhr.
Entrée frei.
Schießstand des k. k. priv. Schützen-Corps
an der neuen Bahnhofstraße,
ist täglich zur gefälligen Benützung geöffnet.
Gut eingeschossene Gewehre u. Pistolen stehen zur Verfügung.
Telegramme
des Correspondenz-Bureau.
Wien, 15. Juli. Der Kaiser zeichnete den
Statthalter von Mähren, Grafen Schönborn,
durch die Verleihung des Großkreuzes des Franz-
Josefs-Ordens aus. Die „Presse“ betont die poli-
tische Bedeutung dieses Aktes kaiserlicher Huld,
welcher neben der Anerkennung der Verdienste des
Statthalters, ein unzweifelhaftes Dementi aller
Gerüchte über vorhanden sein sollende Differenzen
des Grafen Schönborn mit der Regierung und
auch über eine vermuthete Schwankung der letzteren
bilden.
Fiume, 15. Juli. In den letzten 24 Stun-
den ist hier nur ein neuer Cholerafall vorgekom-
men und ein bereits früher Erkrankter verstarb.
Triest, 15. Juli. Von gestern bis heute
Mittags kamen hier fünf Choleraerkrankungen vor.
Paris, 15. Juli. Präsident Grevy beglück-
wünschte bei der gestrigen Revue den Kriegsminister
wegen der guten Haltung der Truppen und er-
nannte denselben zum Großoffizier der Ehrenlegion.
Grevy empfing auch heute den von Wien in
Paris eingetroffenen gewesenen Botschafter Grafen
Foucher de Carail.
Wien, 15. Juli. Der Minister des Aeußeren,
Graf Kalnocky hat sich heute auf einige Tage nach
Ischl begeben.
Paris, 15. Juli. Der Herzog von Aumale
ist nach Brüssel abgereist.
Privat-Depeschen des „Karlsbader Badeblatt“.
Wien, 15. Juli. Bei der heutigen Ziehung
der Fürst Salm-Lose gewann Nummer 21603
den Haupttreffer per 20.000 fl., Nummeu 63725
gewinnt 2000 fl. und Nummer 20949 gewinnt
1000 fl.
Wien, 15. Juli. Heute fand auch die Zieh-
ung der Graf Waldstein-Loose statt; bei der-
selben gewannen: Nummer 21 746 den Haupttreffer
zu 20000 fl., Nummer 9419 deu Treffer zu 2000
fl. und Nummer 180069 jenen mit 1000 fl.
Paris, 15. Juli. Die Parlaments-Session
wird heute geschlossen.
Badebulletin.
15. Juli.
Es gibt in deutscher Sprache keine eintönigere,
trockenere und gleichzeitig traurigere Lektüre, als
den Berliner Polizeibericht, den die Berliner Zei-
tungen so menschenfreundlich sind, weiter zu ver-
breiten. Da werden die großen und kleinen Un-
glücksfälle, Verbrechen, Selbstmorde u. s. w. mit
der denkbar größten Theilnahmslosigkeit aufgezählt,
und unwillkürlich geht etwas von dieser Theilnahms-
losigkeit auch auf den Leser über, der mit der größ-
ten Gemüthsruhe bei seinem Frühstückskaffee ein
halbes Dutzend, manchmal auch mehr, Selbstmorde
herunterliest, ohne sich weiter etwas dabei zu den-
ken. Um dem Leser ein Pröbchen zu geben von
der Objectivität des Berliner Polizeiberichts, den
meine Leser ja Gott sei Dank! zu lesen nicht nö-
thig haben, will ich hier ein paar Zeilen aus einem
der letzten citiren:
Der Arbeiter X. hatte sich in der und der Straße
auf einen Prellstein gesetzt und sank vom Schlage
getroffen todt nieder. Ebenso starb zu derselben
Zeit eine Frau plötzlich in der A.=Straße. Die
Leichen wurden nach dem Leichenhause gebracht. —
An demselben Tage Nachmittags machte ein Kauf-
mannslehrling in der W.=Straße den Versuch, sich
zu erhängen, wurde aber noch rechtzeitig losge-
schnitten. Bald darauf wiederholte er den Versuch,
wurde aber auch diesmal gerettet und auf ärzt-
liche Anordnung nach dem städtischen Krankenhause
gebracht. — Zu derselben Zeit entstand in dem
Lagerkeller eines Kaufmanns da und da Feuer u. s. w.“
Man sieht, es ist mit der größten Ge-
schicklichkeit alles Tragische und Aufregende aus-
gesogen, so daß man den Bericht wirklich wie
irgend welche statistische Aufstellung lesen und da-
bei ganz ruhig seinen Kaffee trinken kann. Den-
noch hat sich Berlin in diesen Tagen selbst über
den gewohnten Polizeibericht aufgeregt. Da der
Bericht ebenso trocken wie früher abgefaßt wird,
mußte also das Berichtete von außerordentlicher
Furchtbarkeit sein. Und so verhält es sich auch.
Der betreffende Bericht lautet:
„Es war mitgetheilt worden, daß die 31/2
Jahre alte Tochter des Produktenhändlers Dietrich,
Waßmannsstraße Nr. 44, wohnhaft im Hause
Pallisadenstraße 77, aus dem Fenster des zweiten
Stockes auf den Hof hinabgestürzt und schwer ver-
letzt nach dem städtischen Krankenhanse im Friedrichs-
hain gebracht worden ist; dort ist das Kind an den
erlittenen Verletzungen bereits gestorben. Wie sich
durch die nachträglichen Ermittelungen herausgestellt
hat, liegt kein bloßer Unglücksfall vor. Es hat
sich vielmehr ergeben, daß das Kind durch die 12
Jahre alte Schülerin Marie Schneider, die Tochter
einer in der Pallisadenstraße wohnenden Frau
Schneider, von der Straße nach diesem Hause ge-
lockt worden ist, um sie dort der goldenen Ohr-
ringe zu berauben, und daß sie das weinende Kind
sodann, um sich vor Entdeckung zu sichern, absicht-
lich, mit voller Ueberlegung aus dem Flurfenster
auf den Hof hinabgestürzt hat.“
Also ein 12 jähriges Kind, wenn auch bereits
hoch aufgeschossen, hat das furchtbarste und gemeinste
Verbrechen, das es giebt, einen Raubmord began-
gen. Da durfte sich selbst der hartgesottene Groß-
städter aufregen, denn Dergleichen passirt denn doch
Gottlob selten genug Und man beachte wohl, es
handelt sich nicht um eine bloße Vermuthung, um
eine noch unbewiesene Anklage. Die 12 jährige
Raubmörderin hat vor der Polizei wie vor dem
Richter ein volles Geständniß ihrer ruchlosen That
abgelegt, und namentlich auch die absichtliche Töd-
tung des Kindes zugestanden. Ein mit Ueberlegung
geplanter Raub, ein mit Absicht ausgeführter Mord,
und beide Verbrechen verübt von einem Schulmäd-
chen. Und selbst das ist kaum noch das Entsetz-
Berliner Feuilletonbrief.
Dateiname:
karlsbader-badeblatt-1886-07-16-n66_1675.jp2