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Telegramme des Correspondenz-Bureau. Wien, 31. Mai. Das Abgeordnetenhaus er- ledigte heute das Unfall-Versicherungs-Gesetz bis inclusive §. 11; bei §. 9, bei welchem die Majori- tät des Ausschusses die territoriale Organisation und die Minorität die berufsgenossenschaftliche Or- ganisation beantragen, wird, nachdem der Regie- rungsvertreter Hofrath Weinbach das territoriale System vertheidigte, der Antrag der Minorität ab- gelehnt und der Majoritäts-Antrag mit dem Zu- satze Nadeyski's angenommen, daß der Minister des Innern die Entscheidungen über die Abgrenzungen der Versicherungs-Anstalten nach Einvernehmen der betreffenden Landesausschüsse zu fällen habe. Budapest, 31. Mai. Im Unterhause ant- wortete Tisza heute auf die Interpellation wegen Entfernung dee Hentzi=Monumentes, indem er auf seine bereits im Jahre 1882 ausgesprochene Ansicht verwies, daß nach hergestellten Frieden die Ver- gessenheit ebenso wie die Gestattung der Bewahrung der Denkmäler Pflicht beider Theile ist und daß nur uncivilisirte Völker Denkmäler zerstören. — Tisza bemerkt hiezu, daß er heute dieselbe Ansicht habe, weßhalb er keinerlei Verfügung in Aussicht stellen könne. Im Interesse des guten Einver- nehmens zwischen der Armee und der Nation dürfen keinerseits die Wunden der Vergangenheit aufge- rissen werden. Die Antwort wurde mit überwiegen- der Majorität zur Kenntniß genommen. Privat-Bepeschen des „Karlsbader Badeblatt“. Wien, 31. Mai. Die Abendblätter melden, daß eine hiesige Ministerkrisis bevorstehend wäre und die Demission des Gesammt- Ministeriums möglicher Weise schon morgen erfolgen könne. Wiesbaden, 31. Mai. Der Erbgroßherzog von Baden trifft am 15. Juni a. c. zum Kurge- brauche hier ein. Paris, 31. Mai. Der Graf von Paris ist hier eingetroffen. Eine hefkige Zeitungspolemik zwischen den monarchischen und republikanischen Blättern ist wegen der Prinzenfrage ausgebrochen. Wien, 31. Mai. Wetterprognose der meteoro- logischen Central-Anstalt: „Warm, Gewitter. Börse: Wien, 31. Mai. Die heutige Börse er- öffnete ohne ausgesprochenen Charakter, weil be- merkenswerthe Nachrichten von Auswärts nicht vorlagen. — Die Pariser Ultimoliquidation um- faßt dieses Mal große Transaktionen, weil das 600 Millionen Anlehen im laufenden Monate negocirt wurde; — die Meinungen, ob die Liqui- dation zu Gunsten der Hausse- oder Baisseparthei ausfallen werde, sind getheilt. Hier eröffnete man für Kreditaktien 282.10 bis 282.40, Staatsbahn 236.-, Galizier 1981/2, Ungarische Goldrente 105.30 um zu den späteren Notirungen zu schließen. Wien, 31. Mai. Kreditaktien notirten Mittags 282.50, Rubel 123.50; — Abend schlossen Erstere 282.70. Berlin, 31. Mai. Kreditaktien 455.- Parie, 31. Mai. Rente 109.22. London, 31. Mai. Consols 102.06. Politische Nundschau. Wlien, 30. Mai 1886. Die Majorität unseres Abgeordnetenhauses führt in diesem Augenblicke eine Komödie auf, die man amüsant finden könnte, wenn sie nicht einen recht traurigen Hinter- grund hätte. Um einem durch die gegenwärtige Praxis der Petroleumbesteuerung ermöglichten, geradezu demoralisiren- den Unfug ein Ende zu machen, hat nämlich, wie bekannt, der Abgeordnete Prof. Dr. Ed. Sye5 einen Abänderungs- antrag eingebracht, gegen dessen Correktheit die entschiedensten, um nicht zu sagen, fanatischesten Anhänger des Kabinets Taaffe nichts einzuwenden wissen. Zum Ueberfluß erweist sich der Sueß'sche Antrag als außerordentlich vortheilhaft für die durch die jetzige Petroleumbesteuerung arg benach- theiligte Petroleumindustrie Galiziens. Der Sueß'sche An- trag vereinigt also alle Eigenschaften, welche dem österr. Parlamente wenigstens dessen Annahme geradezu zur Pflicht machen. Er ist vernünftig, gerecht und wendet in loyalster Weise einer Industrie Vortheile zu, welche der Begünsti- gung bedarf, eine solche verdient, bislang aber auf nicht zu rechtfertigende Weise künstlich gedrückt wurde. Selbst in Ungarn sind es im Grunde genommen nur die auf Kosten sowohl der österreichischen Petroleum-Konsumenten als der galizischen Petroleum-Produzeuten auf eine un- bestreitbar unmoralische Weise bevorzugten Petroleum- Raffineure, welche aus ihrem Eigeninteresse den Muth schöpfen, nach Scheingründen gegen den Sueß'schen Antrag zu suchen. Die königl. ungarische Regierung begnügt sich klüglich damit, auf dem neuen Zolltarif, wie auf einer Ab- machung zu bestehen, deren Abänderung einem Vertrags- bruche gleichzuachten wäre. Es unterliegt nun aber keinem Zweifel, daß das österreichische Abgeordnetenhaus diesen Shylock-Standpunkt als berechtigt nicht anerkennen darf, wenn es verhüten will, daß seine „Berathungen“ nicht als eitel Spiegelfechterei und Humbug angesehen werden. Entweder — oder! Entweder der österreichische Reichsrath hat das Rechtl die Zollsätze in Beziehung auf ihre Wirkung auf die Verhältnisse der österreichi- schen Produzenten und Konsumenten zu prüfen und auf die Wahrung der diesfälligen Interessen Bedacht zu nehmen; dann ist es auch seine Pflicht dort Abänderungen kategorisch zu verlangen, wo dies erweislich nothwendig ist, wie in dem vorliegenden Falle. Oder der österreichische Reichsrath hat dieses Recht nicht; dann ist aber wirklich nicht abzu- sehen, wozu man die Herren Mitglieder der beiden Häuser des Reichsraths zwingt, bei dieser Hitze in Wien zu bleiben. Der österreichische Reichsrath muß also von der Voraus- setzung ausgehen, daß ihm das Recht der Amendirung auch an Gesetzentwürfen zustehe, bezüglich welcher zwischen den Regierungen beider Reichshälften feste Abmachungen ge- troffen worden sind und da erwiesener Maßen der Sueß'sche Abänderung antrag sozusagen unablehnbar ist und nament- lich von den polnischen Abgeordneten nicht zurückgewiesen werden kann, mußte Se. Exzell. der Herr Finauzminister Dr. v. Dungjewski die Eventualität in's Auge fassen, daß der Zolltarif in der wichtigen Position des Petroleumzolles im Sinne des Sueß'schen Antrags abgeändert werden dürft“. Um diese Eventualität zu verhindern, entschloß er sich das schärfste Pressionsmittel anzuwenden, das ihm zu Gebote steht; er drohte, wie den regierungsfreundlichen Blättern mitgetheilt wurde, mit der Demission und als die polnischen Abgeordneten gleichwohl erklärten, sich auch durch jene Drohung nicht von der Erfüllung dessen abhalten zu lassen, was sie u. z. mit Recht als ihre Pflicht erkannten, wurde die für Samstag angesagte Sitzung des Zollausschusses — vertagt. Der Zollausschuß vertagt! Was hat das zu bedeuten? .. Es bedeutet, daß die parlamentarische Hauptaktion wieder einmal hinter die Koulissen verlegt wurde. Es ist dies eben der Ort, wo die Versöhnungspolitik von jeher ihre höchsten und traurigsten Triumphe geseiert hat. Und wenn John Stuart Mill noch so überzeugend nachweist, das eigent- lich Segensreichste am Parlamentarismus sei die durch den- selben bedingte aufklärende öffentliche Diskussion, in Oester- reich versteht man sich besser darauf. In Oesterreich zeigt es sich vielmehr, daß nichts gefährlicher ist, als die auf- klärende öffentliche Diskussion und daß es daher zu den wichtigsten Aufgaben eines Ministers gehört, eine solche wo möglich zu verhindern. Der Zollausschuß vertagt, d. h. so viel als: Stehen wir von jeder öffentlichen Distussion des Sueß'schen Antrages ab und suchen wir uns in einer Weise zu — verständigen, die es dem neugierigen Kerl Publikus unmöglich macht zu erfahren, auf welcher Grundlage diese Verständigung erzielt wurde. Publikus braucht nicht Alles zu wissen. Wenn er etwa aber doch fragen wollte, wozu der Zollausschuß vertagt wurde, so kann man ihm ja ungenirt sagen, daß dies geschah, weil Herr v. Dunajewski es für nothwendig erachtet, sich mit der ungarischen Regierung über den Sueß'schen Antrag in's Einvernehmen zu setzen. Glaubt er es, ist's gut; will er aber daraus Konsequenzen ziehen, so hat man ja die „Wiener Abendpost“, die ihm mittelst eines kräftigen Dementis das Konsequenzen-Ziehen zu verleiden vermag. Der Zollausschuß wurde Samstag vertagt! Morgen tritt er zusammen. Wird derselbe den Sueß'schen Antrag annehmen? Und wenn er ihn annimmt, wird er standhaft bleiben? Wir wagen insbesondere auf dessen Standhaftigkeit nicht zu hoffen. Bereits beschwören die Orgaue der Alttschechen ihre polnischen Brüder, nicht aus „vurem Egoismus“ für einen von dem gefährlichen Deutsch- Oesterreichischen Klub ausgehenden Antrag zu stimmen und auf solche Weise die Stellung des Kabinets zu untergraben und die Polen, gefügig gemacht durch die Verhandlungen hinter den Koulissen, die sich der Kenntniß der Oeffentlich- keit entziehen, ja vielleicht gar das Licht derselben nicht vertragen, bitten bereits, daß man ihnen einen „anständigen“ Rückzng ermögliche. Aber Herr v. Dungjewsti bleibt, wie versichert wird, hart. Vertraut mit der Praxis kluger Thier- bändiger will er auch nicht einmal durch den Schein der Nachgiebigkeit Schwäche verratlen. Er besteht auf der unveränderten Annahme der mit der ungarischen Regierung vereinbarten Regierungsvorlage. Und die Polen werden sie annehmen, wenn nicht morgen, so übermorgen oder in letzter Stunde. Dann werden die „tschechischen Vertreter des Volkes“ leichtes Spiel haben, indem sie ihren verdutzten Wählern vormachen, daß sie doch wohl nichts anderes thun konnten, als Ja sagen, wenn sogar die unmittelbar inter- essirten Polen „Selbstverläugnung“ genug besaßen, den ge- rechten, vernünftigen Petroleumzoll „höheren politischen Rücksichten“ zu opfern. Ist denn aber das richtig? Handelt es sich bei dem Sueß'schen Antrag wirklich nur um die polnischen Petroleum- Produzenten? Handelt es sich nicht vielmehr darum, daß Zoll- defraudationen verhindert werden, durch welche einige reiche Unternehmer in Ungarn sich auf Kosten des armen Mannes die Taschen füllen? Handelt es sich nicht vielmehr um ein hohes, wichtiges Interesse des österreichischen Staatsschatzes? Eine schöne Selbstverläugnung das, welche das Opfer aus — fremder Tasche nimmt. Wir sind nur neugierig zu erfahren, was die Catone der klerikalen Klubs zu der nenesten Koulissenpolitik sagen werden. Der Petroleumzoll ist ein faules Ei, wo möglich noch übelriechender als die Affaire Prag-Dux-Bodenbach. Formen und in Folge der dabei verwendeten, herr- liche Bilder darstellenden Porzellanverkleidungen als eine Sehenswürdigkeit repräsentirt. Wir wollen versuchen, nachstehend eine Schilderung hievon zu geben. Der Grundriß des Pavillons bildet ein Vier- eck mit zwei abgestumpften Ecken und drei vor- springenden Thürmen; diese Thürme sind in ihrem äußeren Aufbau den chinesischen Pagoden nachge- bildet und mit Fayenceziegeln bedeckt, welche durch ihre eigenartige Form sowie durch die Reliefs in denselben der Bedachung einen eigenthümlichen Reiz verleihen. Die Dachflächen der Thürme zieren reich dekorirte Porzellanplatten u. zw. an der Vorder- fronte die bei den Japanesen dekorativ gerne an- gewendeten symbolischen Drachen verschiedener Ab- arten, darunter am Mittelthurm jener das kaiser- liche Attribut des Mikado vorstellend. Den an den äußeren Wandflächen befindlichen acht großen und vier kleinen Gemälden auf Paryanporzellan (ein Spezial-Erzeugniß dieser Fabrik) liegt als Motiv die weiters bei den Japanesen gerne angewendete Dekoration von stilisirten Vögeln in übernatürlicher Größe mit landschaftlichem Hintergrunde und in Verbindung mit den diesem Style eigenartigen arbenreichen Blumendekorationen zu Grunde. Schon jedes einzelne dieser Bilder bietet mit seinen prächtigen Emailfarben und mit den nur durch diese Farben zu erreichenden Effekten, ferner durch die Verschiedenheit der Motive bei jedem Bilde einen überraschend günstigen Eindruck; der Effekt wird aber noch durch die gelungene An- wendung von dreierlei Arten keramischer Erzeug- nisse, als Fayence, Paryan- und Hartporzellan, welche der Beschaffenheit ihres Materiales ent- sprechend geschmackvoll dekorirt sind und in har- monisch dekorativer Weise bei dem stylvoll ange- legten Objekte ihre Verwendung finden, um Be- deutendes erhöht. Jedem Besucher wird diese neue Anlage von großem Interesse sein und dem architektonischen Fachmanne wird dieses zierliche Objekt Gelegenheit geben, hieran Studien zu machen, welche demselben jedenfalls beweisen werden, daß hier nach Ueber- windung großer technischer Schwierigkeiten und bei Erreichung bedeutender Effekte, von welchen der Japanesische Porzellan-Pavillon Zeugniß giebt, der Weg gezeigt scheint, die keramischen Erzeugnisse für die schöne Architektur in Anwendung zu bringen, wodurch derselben ein hervorragend dekoratives, standhaftes Material geboten wird. Der Innenraum des geräumigen Pavillons ist als elegantes Café-Restaurant eingerichtet, das den Besuchern der Fabrik einen reizenden und überaus angenehmen Ruhepunkt bietet, welche An- nehmlichkeit noch durch die herrliche Situation des Baues erhöht wird, der auf einer wie schon er- wähnt, mit Garten-Anlagen versehenen geräumigen Teichinsel schönstens situirt ist, von wo aus man einen schönen Ueberblick über den großen, 71/2 Hektare messenden, und von Schwänen und anderem Wasser- geflügel belebten Teich bis weit über dessen Ufer- gelände hinaus genießt. — Interessant ist auch die, die Verbindung mit dem Lande herstellende, kon- struktiv originelle Brücke von 42 Meter Spann- weite, welche der ganzen Anlage trefflich angepaßt ist. Da auch für Gondelfahrten auf dem Teiche Vor- sorge getroffen ist, und die Angelfischerei in dem- selben gestattet ist, bieten sich den Besuchern dieses reizenden Aufenthaltsortes so vielfache Annehmlich- keiten, daß man annehmen kann, es werde der- selbe gewiß zahlreichen Besuches sich zu erfreuen haben — sowohl seiner Sehenswürdigkeit wie der an und für sich reizenden Oertlichkeit wegen.
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