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Nr. 125. Dienstag den 23. September 1884. VII. Jahrgang. Saison-Abonuement: Tür Karlsbad ....4 fl. — kr. Der Host, Inland6 fl. — kr. Deutsches Reich 12 Reichsmk Karlsbader Badehlatt. Saison-Tagblatt. Redaktion und Administration im Hause „Zellevue“, Stefanspromenade. Monatl. Abonnement: Zür Karlsbad .......—fl. 90 kr. Einzelne Nummer 5 kr. (Erscheint mit Ausnahme der Montage täglich.) Herausgeber: Ernest Franieck. Inserate werden nur gegen Vorausfahlung angenomme und kostet die 4spaltige Petitzeile oder dere Raum 6 kr. Pränumerationen und Inferat werden in der Administration dieses Platte und in der Keihbibliothek „3 Lämmer“, Markt, entgegengenommen. Inserate übernehmen: Haasenstein & Vogler, Annoncenburean in Wien, Prag, Hamburg, Lübeck, Berlin, Leipzig, Dresden, Breslau, Köln, Frankfurt a. M., Stuttgart, Basel, St. Gallen, Zürich, Genf und Lausanne. Rudolf Mosse in Berlin, Breslau, Hamburg, Nürnberg, Wien, Prag, Frankfurt a. M., Leipzig, Stuttgart, Halle a. S., München, Straßburg und Zürich. A. Oppelit, Wien und G. L. Daube & Co., Frankfurt a. M. Badebulletin. Von den angekommenen Kurgästen des gestrigen Tages nennen wir: Herr Anton Starec, Bräuer mit Bedienung aus Prag. (Westfalia) Herr Louis Ring, Banquier aus Berlin. (2 Störche) Herr Wilhelm Klein, Kaufmann aus Brandenburg a.d. (Madrid) Havel. Fräulein Pauline Trevelyan, Gutbesitzerstochter d. Nettle- combe court, Somerset, England. (Villa Schwalb) Fräulein Dorothea Kotzenberg, Gouvernante aus Bremen (Villa Schwalb) Herr Wilhelm Westmann, Privatier mit Gemalin aus (Palatin v. Ungarn) Döbling. Frau Annie C. Paling aus Australien und (Humboldt) Frau Henriette Frost aus Zürich. Herr Wilh. Mertens, kgl. preuß. Art. Hauptmann und Chef der herzogl. braunschweig'schen Batterie aus Wolffenbüttel in Braunschweig. (Humholdt) Herr Franz Smolka, Kaufmann a. Wien. (Helgoland) Herr dμard Hielle, Privatier mit Gemalin aus Wien. (Kanone) Herr Friedrich August Melcher, Versicherungsagent und Bevollmächtigter aus Dresden. (Weißer Schwan) Vergnügungsanzeiger. Etablissement Pupp. Nachmittags 4 Uhr. Direktor A. Labitzky. Konzert der Kur-Kapelle. Programm: 1. Krönungs-Marsch aus der Oper „Der Profet“ von Meyerbeer. 2. Ouverture zur Oper „Halka“ von Moniußko. 3. Tagunen-Walzer von Johann Strauß. 4. Tonbider aus dem Musikdrama „Walküre“ v. Wagner 5. Emmy-Polka von Granado. 6. Scene und Bolero von Josef Labitzky. Euphonium-Solo: Herr A. Garkisch. 7. Schlangenbeschwörung, Tonstück von Suppé. 8. Chromatischer Galop von Frz. Liszt. Entrée frei. Telegramme des Correspondenz-Bureau. Prag, 20. September. In der heutigen Landtagssitzung interpellirte Prof. Philipp Knoll Namens sechsundsechzig Genossen den Statthalter betreffs des agressiven Vorgehens der Czechen in den deutschen Städten und in den Zeitungen. Der Statthalter sagt die eheste Beantwortung zu. Der Antrag Herbst's wurde dem schon bestehenden Ge- meinde-Ausschuße zugewiesen, welchem Herbst an- gehört. Die Linke stimmte dagegen, weil sie durch Herbst die Zuweisung an einem besonderen Ans- schuß beantragt hatte. Berlin, 22. September. Der Kaiser hielt heute in Enskirchen die Parade über das erste Armeekorps ab — von einem Unfall ist also keine Rede. Rom, 22. September. Gestern sind im ganzen Königreich Italien 443 Erkrankungen an Tholera und 238 Todesfälle vorgekommen, wovon 305 Erkrankungen und 161 Todesfälle auf Neapel, 16 Erkrankungen und 7 Todesfälle auf Spezzia entfallen. London, 22. September. Nach einer Mel- dung des Reuter'schen Bureaus soll Wolseley em- pfohlen haben, vorläufig jede englische Truppen- Sendung nach Egypten aufzuschieben. — In Folge günstiger Berichte aus Chartum dürfte der Umfang der Nil-Expedition reduzirt werden. Privattelegramme des Karlsbader Badeblatt. Berlin, 22. September. Das „Montags- blatt“ meldet, Rußland werde an jene Kabinete, die an der Kaiser-Entrevue nicht betheiligt gewesen, eine Note richten, die Aufklärung über Zweck und Ziele der Zusammenkunft enthalten werde. Wien, 22. September. Hier verlautet, nach Zusammentritt des Reichsrathes beabsichtige eine größere Zahl von Abgeordneten die Vorlage einer perzentualen Börsensteuer einzubringen. Stutari, 22. September. Die türkisch-mon- tenegrinische Grenzregulirungsfrage hat geringe Aussicht auf friedliche Lösung. Die Haltung der albanesischen Stämme erfordert seitens der Pforte fortwährend Truppennachschübe. Wien, 22. September. Das Aufgeld bei Zollzahlungen (Silber oder Papier gegen Gold) pro Monak Oktober l. J. wurde vom Finanzmini- sterium auf 21 Prozent festgesetzt. Wien, 22. September. Börse. Kredit- ktien begannen Mittags 297.50 und notirten später 294.60, schlossen 294.90, Abends notirten dieselben zuerst 294.40 und zum Schluß 249·90. Berlin, 22. September. Kreditaktien von 498.50 auf 494.50. Die an der Börse verbrei- teten Gerüchte über einen Unfall des Kaisers Wil- helm wurden Abends offiziell dementirt. Frankfurt, 22. Septber. Kreditaktien 248. anf 246.12. Paris, 22. Septber. Rente 108.85. London, 22. September. Consols 101.25. Wien, 22. Septemb. Wetterprognose der meteo- rologischen Central-Anstalt für den 23. September: „Warm, dann Trübung, schließlich Regen.“ Zur Eröffnung der Arlbergbahn. Von Herzen darf sich unsere Regierung gra- tuliren, daß das Werk, dessen Inangriffnahme schon vor 26 Jahren in Aussicht genommen wurde, nun- mehr vollendet, der allgemeinen Benützung über- geben und damit eine ganz auf österreichischem Boden befindliche Verbindung zwischen Wien und dem Bodensee hergestellt worden ist. Feuilleton. Nach der todten Saison. Die Hitze brennt uns zwar noch grausam in den Nacken, aber schon zieht eine Abschiedsstimmung durch die sommerliche Landschaft. Draußen im Freien gewahrt man gelbe Blätter und dorrende Zweige und ein herbstlicher Hauch streicht leise, kaum merkbar über den Wald. In der Stadt sind die Bäume der alten Wiese schon zur Hälfte verfalbt, die Gassen unserer lieben Sprudelstadt werden stiller und immer stiller; steht auch der Stadtpark noch in grüner Pracht, so verkünden doch schon hundert kleine Zeichen den Uebergang zu etwas Anderem. Bald wird sich der Boden des Kur- lebens wieder verschieben, die Völkerwanderung nach den Centren des großen Verkehrs wieder beginnen. Der Sommer geht zu Ende, die Natur ver- räth trotz ihrer seit vielen Tagen schimmernden von der goldenen Sonne beleuchteten Herrlichkeit Spuren der Müdigkeit und über kurz oder laug heißt es in der blöden Sprache der Modefigurinen: die Saison ist todt, es lebe die Saison! Die todte Saison, die stille Zeit, Sauregurken- monate, Brütewochen der Enten und Seeschlangen was sind dieß Alles für trügerische falsche Namen gewesen! Es galt als ausgemacht, daß während der Sommermonate in der Welt so viel wie nichts geschehen darf, die Politik mußte feiern, ins Ge- birge oder ins Seebad gehen und es den armen Zeitungen überlassen, die Menschheit mit Neuig- keiten zu versorgen. In solchen Tagen stellt man sich denn auch den Zeitungsmann als einen krank- haft angeregten Phantasten vor, dessen Hirn schon bei 25 Grad Reaumur zu sieden anhebt und die wunderlichsten Blasen wirft. In Ermanglung von Thatsachen, so glaubt man, schwitzt der Unglückliche wahnwitzige Träume aus, stenografirt Gaukelbilder, telegraphirt Visionen und man findet dieß im Grunde natürlich. Nirgends ist die Zeitung so begehrt als in den Kurorten, Karlsbad voran — sie ist ein heißhung- riger Lindwurm, der sein tägliches Brot begehrt, jeden Morgen, jeden Abend sperrt das Ungeheuer sein Riesenmaul auf und schnappt nach Fraß; die gähnenden Spalten müssen vollgestovft werden, die leeren Blätter wollen Druckerschwärze saugen und weiß man nichts, so erfindet man; kriegt man kein besseres Wild, so rupft man gemeine Enten; wird keine Geschichte gemacht, so wird Geschichte gelogen. Die Zeitungen machen sich selber lustig über die öde Zeit, beehren sie mit allerhand Spitznamen, spötteln mit Galgenhumor über die eigene Verlegen- heit und da ist wohl nicht zu wundern, daß das Publikum bisweilen glaubt — im Sommer, wenn Politik und Theater ruhen, brauche der Journalist vor allen Dingen einen phantasmagorischen Apparat zur Erdichtung falscher Nachrichten, denn wolle er bloß Wahrheit drucken, so müsse er sich darauf beschränken, von Hitze und Frost zu sprechen, über den befremd- lich raschen Gesinnungswechsel des Thermometer zu klagen und entweder Briefe vom Nordpol zu dichten oder ein Hundtagsbuch zu schreiben — in dieser Zeit beneidet man die Kurorte um ihr frisch pul- sirendes, stets Abwechslung bietendes Leben, welches wohl dem Feuilletonisten reichen Stoff gewährt, aber politischen Fischfang nicht fördert und doch ist die feststehende, eingewurzelte Idee über die — todte Saison — deren Ende da ist — grundfalsch. Die Theaters sind Sommers geschlossen, bloß in den Kurorten wird schlecht und recht gemimt, aber die anderen Komödienhäuser, in deren Räumen die Welt regiert wird, bleiben weit geöffnet. Die Komödie der Politik, die Komödie der Börse, der Kunst und Wissenschaft spielt nach wie vor und wenn man auch nur um etliche Jahre rückwärts blickt, wird man bemerken, daß gerade zur Sommers- zeit am meisten geschah und das berühmte Rad der Weltgeschichte am emsigsten schnurrte. Bald war es der russisch-türkische Krieg, der in den Ferientagen der Politik ausbrach, bald der bosnische Aufstand, bald der tunesische Feldzug oder der Kanonendonner um Alexandrien, der den Sommer
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