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officiellen Depesche ersichtlich ist, er- achtet man vorläufig strenge Geheim- haltung für angezeigt, so dass erst aus den zu erwartenden Resultaten auf den Gang der Operationen wird geschlossen werden können. So viel ist aber schon jetzt zu erkennen, dass die Operationen gleichzeitig von mehreren Seiten in's Werk gesetzt werden, eine Division hat bekanntlich die Save vor einigen Tagen bei Brcka übersetzt, von wo die kürzeste Route nach Dolnja Tuzla führt, wahr- scheinlich ist auch bei Raca ein Ueber- gang erfolgt, um die Drina aufwärts gegen Zwornik zu vorzugehen, während Graf Szapary von Westen über Graca- nica operiren dürfte. Mit der grössten Spannung darf man daher den zu erwartenden weiteren Nachrichten ent- gegensehen. Die beabsichtigte Collectiv-Action der Mächte bei der Pforte, um diese zu einer beschleunigten Ausführung der Bestimmungen des Berliner Vertrages zu verhalten, will nicht zu Stande kommen, sie scheitert, wenn anders die bezüglichen Nachrichten den Thatsachen entsprechen, an dem Widerstande Eng- lands. Jedenfalls müssen es sehr ge- wichtige Gründe sein, welche das Ca- binet von St. James zu dieser Haltung veranlassen und es demselben vorläufig nicht empfehlenswerth oder opportun erscheinen lassen, gemeinsam bei der Pforte einzuschreiten. Nach Constan- tinopler Meldungen wäre die englische Regierung zu ihrer Weigerung durch einen Bericht Layards bestimmt worden, in welchem auf die guten Absichten der Pforte bezüglich der Ausführung des Berliner Vertrages, speciell auf die Mission Mehemed Ali Paschas und die Räumungen der Festungen hingewiesen, ferner hervorgehoben werde, dass in Bezug auf Griechenland der Congress- der Pforte zu einer Gebietsabtretung nur gerathen, diese somit das Recht habe, eine Vermittlung der Mächte ab- zuwarten, ehe sie eine Entscheidung trifft. Das Grubenunglück in der Zeche „Prince of Wales“. London, 12. September. Unglücksfälle folgen Schlag auf Schlag. Noch befindet die Untersuchung über den bei Sittingbourne statt- gefundenen Eisenbahnunfall sich im Gange, noch sind die Leichen derer, die mit der „Princess Alice“ in der Themse versanken, nicht alle zur Ruhe bestattet, so hören wir schon wieder von einem anderen Unglücke, welches der Katastrophe auf der Themse an Furchtbarkeit kaum nachsteht. In Süd Wales, etwa 21/2 deutsche Meilen von der Stadt New- port, liegt eine Kohlengrube, die den Namen „Prince of Wales-Grube“ führt, weil sie am Hochzeitstage des Prinzen im Jahre 1862 er- öffnet worden war. Sie gehört der Ebbro- Vale-C'ompany, welche grosse Eisen- und Kohlenwerke in Süd-Wales besitzt, ist an 1000 Fuss tief und liefert mit die beste Kohle für Schiffsmaschinen Die Eigenthümer standen bisher immer im Ruf, sowohl für fachmännische Ausbeutung ihrer Gruben, als auch für die Sicherheit ihrer Arbeiter das Beste gethan zu haben. Leider hat alle Vorsicht nichts ge- nützt. Gestern Nachmittag brachen in der genannten Grube schlagende Wetter aus, und zwar zu drei verschiedenen Malen innerhalb kurzer Zeitabschnitte. Drei starke Schläge, ein Blitz und eine schwarze, aus dem Schachté aufsteigende Rauchsäule verkündeten denen, die in der Nähe des letzteren weilten, nur zu deutlich, was sich in der Tiete begeben. 373 Arbeiter waren, wie sich aus der Grubenliste erwies, am Morgen eingefahren und gegen 280 derselben wurden am Abend als rettungs- los vorloren angesehen. (Nach den neuesten Berichten bezitfert sich der Verlust auf 265 Menschenleben.) Wohl wurden nach geschehener Explosion sofort alle Mittel zur Rettung auf- geboten, dennoch konnten bis zum Einbruch der Nacht nur 90, darunter mehrere Todte und Verstümmelte, zu Tage geschafft werden. Die da nämlich freiwillig eingefahren waren, um den Verunglückten zu Hülfe zu kommen, fanden die Luft zum Athmen so ungeeignet, dass sie nicht weit genug vordringen konnten und so steht nun zu befürchten, dass mit Ausnahme der oben erwähnten Geretteten die übrigen den Erstickungstod sterben mussten. Es ist immerhin möglich, dass im Laufe der Nacht und des heutigen T'ages neue Rettungs- versuche gemacht wurden. Doch hatten die anwesenden Fachkundigen allesammt die Hoff- nung nahezu autgegeben, Die Grube steht in Flammen, und wenn die letze Möglichkeit, einige der unten Befindlichen zu retten, ver- schwindet, dann bleibt zur Bewältigung des Brandes nichts Anderes übrig, als sie unter Wasser zu setzen. Der Jammer der Hinter- bliebenen soll furchtbar sein und im ganzen Bergwerksbezirk von Monmoutshire unbe- schreibliche Bestürzung herrschen. Ist dies doch das grässlichste Unglück, das sich je im Grubenbezirke von Südwales zugetragen hat, und scheint durch dasselbe auch die traurige Erfahrung bestätigt zu werden, dass alle menschliche Vorsicht nicht immer hinreicht, der entfesselten Elemente der Tiete Herr zu werden. Durch die drei rasch aufeinander gefolgten Unglückställe sind nahe an 1000 Menschen zu Grunde gegangen. Die Mildthätig- keit wird ihr Bestes thun, um den Hinter- bliebenen der Verunglückten über die erste Noth hinwegzuhelfen. Kleine Chronik. (Aus Franzensbad) bringt die österr, Badezeitung folgende Bemerkung anlässlich der Erbauung eines neuen Moorbadehauses hier: „Karlsbad gönnt den Franzensbader Badehausbesitzern auch die ohnehin reduzirte Rente aus dem Ertrage der Moorbäder nicht, und es hat, wie man von dort schreibt, das Stadtverordneten-Collegium den Bau eines neuen Moorbadehauses für den Gebrauch von Franzensbader Moorbädern beschlossen. Fran- zensbad wird den Verlust wenig empfinden, denn in den letzten Jahren haben die Karls- bader Aerzte in auffallender Weise Elster als Nachkurort zu empfehlen begonnen. Habeat sibi!“ Am vorigen Sonntag ging das neue Pa- riser Sittenbild Sardou's: „Dora“ über die Bretter. Die Direction mochte von dem löbl. Drange beseelt sein, eine der vielen ange- kündigten Novitäten zu bieten — und würde dies ihr Streben gewiss ein sehr dankbares Publikum gefunden haben, wenn — das Können mit dem Wollen in besseren Einklang ge- bracht worden wäre. Das war nicht der Fall und desshalb fand das Schauspiel, wel- ches in scenischer Reihenfolge jene bühnen- kundige Hand verräth, die besonders den französischen Bühnendichtern eigen und dessen Handlung in spannender Weise von Act zu Act mehr fesselt, wie auch der Dialog ganz dem Cirkel angepasst ist, in dem sich die Handiung bewegt, nicht jehen durchschlagen- den Erfolg, der ihm bei tieferem Studium sicher gewesen wäre. — Besonders ist das äusserst mangelhafte Ensemble zu tadeln, welches selbst den Zusammenhang des Stückes beeinträchtigte. — Das Pariser Lebensbild Sardou's mächt uns mit jenen ephemeren Ge- stalten einer internationalen Aristokratie be- kannt, welche unter den wohlklingenden Na- men: Marquise, Fürstin, Gräfin etc. ihren Kreislauf in höchsten gesellschaftlichen Cir- keln haben und gleichsam als Trabanten ihrer resp. Titel einhergehen, ohne deren Glanz sie in das schmutzigste Dunkel der Welt zurückfielen. Welt und Halbwelt — wie die russische Fürstin Bariatiu (Frl. Löffler) sich ausdrückt, begegnen sich in den glänzenden Sälen) machen Politik und spinnen Liebesintriguen, Dora (Frl. Freyenthurn), die schöne Tochter einer spanischen Marquise, deren Vermögen in dieser und 5000 Flinten, die auf dem Meere schwimmen, besteht, ist der Mittelpunkt des Ganzen — 'um sie werben Politik und Liebe. — Die 5000 Flinten- aber gehen verloren — und die ganze Hoffnung der Hochgeborenen ist auf einen reichen Schwiegersohn concentrirt. — Dieser erschein. in der Person eines André de Maurillac, der die schöne Dora heirathet; doch die Liebe triumphirt nicht lange; denn die Intriguen einer böhmischen Gräfin Ziska (Frl. Mesch), eine Abenteuerin, welche Maurillac ebenfalls liebt, und das Werkzeug des politschen Agen- ten van der Strass (Herr Pagay) ist, greiten schon am Hochzeitstage zerstörend’ in den neugeschlossenen Liebesbund und wissen Verdacht um Verdacht auf das Haupt ihrer unglücklichen Nebenbuhlerin Dora zu häufen, bis es endlich dem treuen Freund der Neu- vermählten Favrolle (Herr Röder) gelingt, den verwickelten Knoten zu lösen — die Gräfin als Verbrecherin zu entlarven und die Tugend und Unschuld der schönen Dora im glänzendsten Lichte zu zeigen. Ein ungarischer Edelmann Thekly (Hr. Emmerling), welcher in die Intrigue unschuldig mit verflochten wird und ein Bojar (man sieht, das slavische Element ist überhaupt vorherrschend) sind mehr oder minder ebenfalls in die Aktion mit verwickelt. Wir haben bereits die ungenügende Dar- stellung signalisirt, wenn auch einzelne Mit- wirkende redlich bestrebt waren, ihrem Part gerecht zu werden. Der allgemeine Fehler lag darin, dass das Stück ohne hinlängliche Vorbereitung aufgeführt wurde Den grössten Effect an diesem Abend er- zielte jedenfalls eine im Schauspiel nicht vor- gesehene Episode ausserhalb der Bühne. Als im letzten Äct der Freund Favrolle seine mo- ralische Mausefalle aufstellte und das schöne Mäuschen Gräfin Ziska an dem Köder zap- pelnd ängstlich ausrief: „Schonen Sie die Verbrecherin — denn sie ist eine Frau!“ und Favrolle entrüstet antwortete: „Haben Sie Dora geschont?“ — Da rief eine weibliche Stimme von den höchsten Regionen „A—ha!“ und um den Ernst des Augenblicks war es geschehen. Das ganze Theater brach in ein- müthiges Lachen aus, unter dessen Einwirkung fast der ganze Actus sich abspielte und das Pariser Sittenbild schloss. — Hoffen wir, dass dasselbe, besser vorbereitet, bald wieder zur Aufführung gelange. Dora.
Dateiname: 
karlsbader-badeblatt-1878-09-17-n138_2720.jp2