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„Karlsbader Badeblatt“ Nr. 263
18. November 1900
kommen!!! Der Hunger ist also auch bei den In-
ternationalen, wenigstens, was die Führer anbelangt
durchaus nicht international! Jeder
Schlag, den man gegen das deutsche Volk führt,
trifft also nicht nur den Bürger, den Bauer, den
Beamten und Lehrer, sondern auch, und dies in der
empfindlichen Weise, den deutschen Arbeiter;
und das möge jeder deutsche Arbeiter bedenken, wenn
er zur Wahl schreitet, um zu zeigen, daſs er wirk-
lich aufgeklärt und nicht im rothen Aber-
glauben versunken ist.
Die Zeit der Täuschung ist vorbei und die
Wahl zwischen dem deutschen Volksgenossen Stein
und dem edlen Polen nicht schwer. Bei der Wahl
muss es sich zeigen, ob der Arbeiter für unaus-
führbare Hirngespinnste oder für ehrliche na-
tionale und wirtschaftliche Arbeit zu
haben ist.
Auf zum Kampfe für deutsches Recht und
deutsche Einigkeit. — In der Einigkeit liegt die
Macht, sei der Wahlruf. — Fort mit den rothen
Dunkelmännern, die Euch ja doch nur hintergehen!
Local-Nachrichten.
(Nachmittags-Concert der Kurkapelle.)
Wir machen hiemit nochmals auf das heute nach-
mittags 4 Uhr im Kurhause stattfindende Concert
der Kurkapelle zu Gunsten des städtischen Armen-
fondes aufmerksam.
(Zur Wahlbewegung.) Wie wir bereits
gestern meldeten, findet morgen Montag Abend
8 Uhr im Kurhause eine von deutschvölkischer Seite
einberufene Wählerversammlung statt, in welcher der
Wahlwerber der V. Curie Herr Franz Stein sein
Programm entwickeln wird. Die Versammlung ist
eine öffentliche, doch haben zur selben nur
Wähler von Karlsbad Zutritt, welche sich mit
der vom Stadtrathe herausgegebenen (weißen) Legiti-
mation (Einladung zur Wahl) ausweisen müssen. —
Vom deutschnationalen Wahlausschuſs werden wir
um Aufnahme folgender Zeilen ersucht: „In
Joachimsthal wird das Gerücht verbreitet, daſs Herr
Rafael Pacher der christlichsocialen Partei beitritt.
Trotzdem dieses Gerücht durch seine Lächerlichkeit sich
selbst widerlegt, können wir nur wiederholen, was
uns von maßgebender Seite mitgetheilt wurde und
zwar, daſs Herr Rafael Pacher auf Grund des Linzer
Programmes candidiert und sich vorläufig keiner
Partei anschließt, da es nicht ausgeschlossen ist, daſs
sich eine neue größere Partei auf Grund des Linzer
Programmes bildet, welcher ja zweifellos auch Wolf
und Schönerer beitreten werden“. — Im unteren
Stadttheile wird von socialdemokratischer Seite die
Lüge verbreitet, daſs die deutschvölkischen Wahl-
männer ihre Candidatur nicht angenommen, sondern
daſs selbe willkürlich aufgestellt wurden. Wir werden
ermächtigt mitzutheilen, daſs sämmtliche aufgestellte
Wahlmänner (wie selbe wiederholt im „Badeblatte“
publiciert werden) sich ehrenwortlich verpflichtet haben,
bei ihrer Wahl für Stein einzutreten. — Bei den
Wahlmännerwahlen in Deutsch-Liebau wurden fünf
Deutschnationale und vier Socialdemokraten gewählt.
Bei den letzten Reichsrathswahlen gehörten alle neun
Wahlmänner der Socialdemokratie an. — Außer in
Sternberg, Neutitschein, Mähr. Schönberg u. s. w.
wurden nun auch in Bärn die acht deutschnationalen
Wahlmänner gewählt. Auch in Brodek, Döschna,
Wachtl und Runarz sind die Deutschnationalen ge-
wählt worden.
(Der erste Karlsbader Krankenunter-
stützungsverein) hält heute nachmittags 2 Uhr
im Café Panorama eine außerordentliche General-
versammlung ab, deren Programm hauptsächlich in
einer Statutenberathung besteht.
(Verlängerte Tanzstunde. ) Heute Abend
findet im großen Saale des Kurhauses eine ver-
längerte Tanzstunde statt, zu welcher Tanzschüler und
Gäste Zutritt haben.
(Vom Theater Bariété. ) Wie uns
Herr Stalla mitth ilt, unternimmt derselbe nun
eine größere Reise ins In- und Ausland, um die
nöthigen Kräfte für das Variété zu engagieren.
Das Programm soll diesmal sehr reichhaltig aus-
gestaltet werden.
(Theater im Hotel Weber.) Heute
Sonntag den 18. finden zwei Vorstellungen des
Schauspielensembles des Deutschen Theaters in Pilsen
statt. Director Galotzy, der Leiter dieser Bühne,
hat bis jetzt nur das Beste geboten, und wurde ihm
das Theater auf weitere zwei Jahre in der vor-
gestrigen Sitzung des Theatervereins-Vorstandes ver-
liehen. Sonntag nachmittags geht der treffliche
Schwank „Die dritte Escadron“ in Scene, Sonn-
tag abends Costa's Posse: „Hab'ns kan Türken
g'sehn?“
(Zentralverein der Landpost-Be-
diensteten) Wie bekannt, haben die Postmeister
in Böhmen beschlossen, einen Zentralverein der Land-
post-Bediensteten mit Ländergruppen zu gründen.
Dieser Beschluſs findet, wie aus Graz und anderen
Orten berichtet wird, lebhaften Anklang. Es ist
geplant, die dermalen bestehenden Postmeistervereine
im Centralverein zu concentrieren. Eine große An-
zahl von Postbediensteten hat bereits den Beitritt
angemeldet.
(Die drei offenen Säle), angegliedern
an die gewerbliche Fortbildungsschule zu Karlsbad,
werden gemäß dem uns von der Leitung der An-
stalt zur Verfügung gestellten Daten von zusammen
durchschnittlich 33 Theilnehmern besucht u. zw. der
für Kunstgewerbe von durchschnittlich 15, der für
Baugewerbe von 12 und der für Holzbearbeitung.
von 6 Frequentanten. Außerdem erscheinen dem
letzteren wegen schwächerer Theilnahme von Gehilfen
und Meistern, 7 Lehrlingen (6 Spengler und
1 Mechaniker) der obersten Stufe zugetheilt.
(Geschäftliches.) Wie uns Herr Eduard
Epstein mittelst Circular mittheilt, hat derselbe
eine Filiale seines bestbekannten Herrengarderobe-
Etablissements in Berlin W., Unter den Kinden 26
(Hotel Bauer) errichtet.
(Gauvorturnerstunde des Ober-
Eger-Gaues.) Heute Sonntag findet um
11 Uhr in der Turnhalle die Gauvorturnerstunde
statt; nach derselben Besprechung im Restaurant
„Heilbronn“.
(Verbotenes Heilmittel. ) Der Vertrieb
und die Anpreisung des von der Firma „H. S.
Rawitscher“ in Berlin angekündigten „antiseptischen
Mittel gegen Diphtherie, Scharlach, Masern, Bräune,
Keuch- und Stickhusten“, sowie die Reclambroschüre
„Diphterie, Anleitung zur sicheren Heilung derselben“
wurde mit dem Ministerialerlasse vom �. October
1900, Z. 33.708 verboten.
(Das Gans- und Entenschießen,)
welches heute auf der Schießstätte in Pirkenhammer
um 1 Uhr nachmittags beginnt und abends ge-
schlossen wird, wird nicht nur unsere Schützen, sondern
auch eine größere Anzahl Karlsbader Publikum nach
Pirkenhammer locken. Nachdem sich jedermann an
dem Schießen betheiligen kann, so ist einem jeden die
leichte Gelegenheit geboten, sich einen Gans- oder
Entenbraten herauszuschießen, da sämmtliche Preise
nur aus Geflügel bestehen; u. zw. ist der 1. Preis
zwei Gänse und zwei Enten, der 2. Preis zwei
Gänse und eine Ente, der 3. Preis zwei Enten und
eine Gans, der 4. Preis zwei Gänse, der 5. Preis
zwei Enten, der 6. Preis eine Gans, der 7. Preis
eine Ente, der 8. Preis eine Ente. Außer diesen
Preisen wird jeder 20er Cartontreffer extra mit
einer Ente, ferner das erste und letztgeschossene
Blättchen (Cartontreffer) mit je einem Fass ff Bier
honoriert. Man muſs unserer rührigen Schieß-
leitung das Verdienst lassen, daſs sie jederzeit eifrigst
bestrebt ist, den Schießsport in unserer Stadt zu
heben; daſs sie diese Geflügelschießen, welche auf den
Wiener, Schwechater und anderen Schießstätten schon
länger bestehen, auch hier auf unserem Schießstande
eingeführt hat, ist nur zu begrüßen. Nach Schluss
ddes heute Nachmittag abgehaltenen Schießens wird
die Preisvertheilung der Gänse und Enten im Re-
staurant „Schützenmühle“ stattfinden und zwar die-
selbe, nachdem Herr Oberschützenmeister Bernharth
in Prag weilt, Herr Oberschützenmeister-Stellver-
treter Karl Lippert vornehmen. Zur Bequemlichkeit
der Schützen wird die Fahrverbindung zur Schieß-
stätte durch die Omnibusse der Schützenmühle ver-
großartig!“ „Es ist derselbe Hut, gnädige Frau,
nur habe ich ihn umgekehrt, das Hintere nach vorn
und das Vordere nach hinten!“ antwortete die Mo-
distin triumphierend. „Das war eine großartige
Idee von Ihnen“, sagt Frau Mitterwurzer und eilt
auch schon die Treppen zur Bühne hinan, hocherfreut.
nach so viel Angst und Gefahr nun endlich voll-
kommen gerüstet auf der Bühne zu erscheinen.
Ein Landschaftsbild bei Nacht.
Ich bin ein guter Drahowitzer. Darum ärgert
es mich immer, wenn man vom lieben Drahowitz
in so respectloser Weise spricht. Vor zehn Jahren
hatten wir blos 1000 Einwohner heute fast 4000.
Spricht das nicht für Drahowitz? Nein?
Kommt da unlängst so irgend Einer zu uns,
meint, er wäre schon weit herum in der Welt ge-
wesen, auch in Serbien und der Türkei.
Aber solche eierweiche Wege, wie in Drahowitz
seien ihm noch nirgends unter die Füße gekommen.
Der arme Mann ist wirklich zu bedauern.
Warum kommt er gerade jetzt nach Drahowitz,
wo es schon so oft und viel geregnet hat!“
Wäre er zwei Monate später gekommen, so
wären Straßen, Plätze und Wege gewiſs bomben-
fest gefroren gewesen, so daſs man der Gemeinde-
vertretung darüber nicht die geringsten Vorwürfe
hätte machen können.
So aber! Es war halt auch so ein Neu-
modischer, so ein Krittler, der immer zur unrechetn
Zeit kommt. So sprach ich vor mich hinmurmelnd,
indem ich einen Stiefel nach dem andern aus dem
Schlamme zog und mich so mühselig, wenn auch
innerlich zufrieden und stolz auf mein Drahowitz,
meiner Wohnung zu bewegte.
Ich war nie ein Freund himmelstürmender
Gedanken, immer so hübsch in der Mitte! Was
nützt auch das Himmelstürmen! Ja wenn irgend
Jemand nur so eine richtige Idee davon hätte!
Falsches Geld machen ist verboten, mit dem
Schinden und Plagen bringt man es zu nichts, so-
cialistische Führer giebts auch genug — Gaunern
ist meine Sache nicht.
Zudem bin ich in Drahowitz, dem Orte wo
Alles Gute fortkommt! Die Socialdemokraten
müssen mit Neid auf diesen Ort schauen. — Was
sie nicht haben, das haben wir hier Alles.
Wir haben die Gleichheit, denn bei uns
muſs das Ortsoberhaupt mit dem gleichen Muthe,
durch die Straßen waten, als ich elender Gemeinde-
wurm. Ist dieses Gefühl nicht erhebend?
Wir haben die Freiheit, große Umlagen zu
zahlen, die Freiheit, täglich ganz nach Belieben
zur Wasserleitung zu laufen, den Hahn derselben
beliebig auf und zuzudrehen, ob es noch nicht tröpfelt.
Wir haben die Freiheit eine Wasserleitung
zu bewundern, die schon mehr als 80.000 K kostet
und die seit vielen Monaten permanent ganz oder
theilweise im Strike ist, ohne daſs sie es nöthig
hätte, den berühmten Wunderdoctor Leo und seine
Getreuen wegen Fortsetzung oder Beendigung des-
selben in Anspruch zu nehmen! Gewiſs eine große
Ersparnis — an Wasser wie an Strikegeldern!
Diese Wasserleitung hat es gut? Sie schont
sich in der heißesten Jahreszeit und im Winter
friert sie, wenn möglich zu.
Und die Brüderlichkeit? Wer will bei
uns an der Brüderlichkeit zweifeln? Man frage
nur den Registrator beim Bezirksgerichte in Straf-
sachen oder den Registrator G. Z. V. beim Kreis-
gerichte in Eger! Die Brüderlichkeit ist damit
glänzend bewiesen! Darum lass ich auch auf mein
liebes Drahowitz .... Plautsch!! Plautz!!!
Verflixt und zugebunden! vom Äcethylen-Lichte
übergossen liege ich da! Eine schöne Bescherung!
Eine reizende Umgebung! Wenn ich nur jetzt gleich
wüsste, wo mein anderer Stiefel steckt!
Was wird mein Schneider dazu sagen? Die
schöne neue Hose! Mühsam arbeite ich mich empor,
es ist nicht so leicht! Die eierweichen Wege kommen
mir zum deutlichsten Bewusstsein.
Endlich stehe ich auf meinen Füßen... Na also!
Da ist ja auch die neue Villa des Dr. Hugo
Stark. Und gerade da musste ich mich —
Richtig! da dunkelt's mir entgegen: „Villa
Rosa“ in schwarzen Buchstaben auf schinderrothem
Grunde!
Unten gehen wohl die Stallfenster auf die
Straße, eine besondere Aufmerksamkeit des Villen-
besitzers für die Nachbarschaft und eine besondere
Fürsorge der Gemeinde! Das geht mich aber nichts
an, ich wohne ja weiter „hinten“. —
Acetylen-Licht leuchtet aus dem Stalle! Herr-
lich! An der Vorderseite klebt ein Plakat: „Wählet
nur die deutschen Wahlmänner! Wählet keinen
Socialdemokraten!“
Das ist bitter Herr Doctor! Gemein! Nieder-
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