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Selte 2 �Karlsbader Badeblatt“ Nr. 233 13. October 1900 Socal-Nachrichten. (Leichenbegängnis.) Am gestrigen Nach- mittage wurde die sterbliche Hülle der verewigten Inhaberin unserer Druckerei-Firma, Frau Josefine Franieck, unter einer Theilnahme zu Grabe ge- leitet, die in unzweideutigster Weise erkennen ließ, daſs die Verblichene der Achtung und Sympathien aller Kreise der Stadtbewohnerschaft sich zu erfreuen hatte. — Nicht nur die Zahl der der Familie aus Nah und Fern zugekommenen Condolenzen war eine ungemein große, sondern auch die Fülle herrlichster Blumenspenden, die von allen Seiten der Verewigten auf den Sarg gelegt wurden, war eine so reiche und die Betheiligung am Leichenbegängnisse eine so allge- meine, daſs die trauernde Familie erhebenden Trost in diesem Ausdrucke der Sympathien finden musste. Das Leichenbegängnis fand um halb 5 Uhr nach- mittags vom Trauerhause „Bellevue“ aus statt. Schon am frühen Morgeu füllte sich das Gemach in dem die Leiche aufgebahrt war, mit den herr- lichsten Blumenspenden und bis Nachmittag war die Zahl der Kränze auf beinahe ein halbes Hundert gestiegen. Die Verblichene war eine Freundin der Blumen, und inmitten dieser ihrer Lieblinge lag sie gebettet und überschüttet von Rosen, die ihr die Liebe der Enkelkinder in den Sarg mitgaben. — Der Leichenzug, an dessen Spitze das Druckerei- Personale, Kranzspenden tragend, schritt, nahm eine weite Ausdehnung, denn in langer Reihe schlossen sich Leidtragende dem Sarge an. Die Bestattung erfolgte über Wunsch der Verblichenen in dem Grabe ihres ihr vor dreißig Jahren im Tode vorangegangenen Gatten. — Die Heimgegangene lebte seit Dezennien, nachdem sie manch herben Schicksalsschlag ertragen — der unerbittliche Tod raubte ihr den Gatten und fünf Kinder, da- runter drei verheiratete Söhne im blühendsten Mannesalter — zurückgezogen, nur dem Wohle ihrer Familie ihr ganzes Schaffen widmend. Ihre Herzensgüte und ihren urbanen Sinn wird jeder, der mit ihr zu verkehren Gelegenheit hatte, ihr über das Grab hinaus nachrühmen und ihren Kindern und Enkelkindern war sie allzeit eine lie- bende und fürsorgliche Mutter — ihr Andenken bleibt in deren Herzen ein gesegnetes! Möge ihr die Erde leicht sein in ihrem ewigen Schlafe? (Für die Trinkwasserversorgung Berghäuselns) sollen ins nächstjährige Budget der Stadt 9000 K eingestellt werden. Wir halten diese Wasserbeschaffung für sehr dringend noth- wendig. Ob selbe gelingen wird, ist zwar noch eine andere Frage, auf alle Fälle aber darf nicht verabsäumt werden, alles mögliche in dieser Be- ziehung zu unternehmen. Die letzte trockene Witte- rung hat die Wassernoth in diesem Stadttheile wieder einmal eclatant vor Augen geführt. Hiebei handelt es sich aber nicht um die Trinkwasserfrage allein, sondern auch um die Nutzwasserfrage, denn der Wassermangel in jener Gegend ist ein sehr fühlbarer. Auch vom feuerpolizeilichen Standpunkte aus ist die Erörterung dieser Angelegnnheit dringend nothwendig, denn wenn heute dort ein Brand zum Ausbruch käme, man wüsste thatsächlich nicht, woher das zum Löschen nöthige Wasser zu beschaffen wäre. —- Als im Sommer dieses Jahres Professor A. E. Baron Nordensktöld hieher kam, hat sich der- selbe einer Einladung des Stadtrathes zufolge be- reitwilligst einer Expertise unterzogen, indem er insbesonders betonte, daſs Bohrungserfolge im Karls- bader Gebirge von eminent geologischer Bedeutung wären. Baron Nordensktöld hatte in den letzten Jahren viele und bedeutende Erfolge mit der Er- dohrung von Trinkwasser in dem Granitgebirge von Schweden erzielt, welches Gestein im allge- meinen bisher als nicht wasserführend betrachtet wurde. Ueber das Resultat dieser Expertise: Ob auch hinsichtlich des Karlsbader Granitgebirges die Möglichkeit bestehe, Wasser durch Diamantbohrungen zu erhalten, ist uns weiter nichts bekannt. Wir glauben an ein negatives Ergebnis, denn wäre ein Erfolg zu verzeichnen gewesen, so hätte man nicht Ursache gehabt, denselben zu verschweigen; die seiner- zeit ins Auge gefaſsten oberflächlichen Quellen aber im Erz- und Karlsbader Gebirge waren in der heurigen Jahreszeit versiegt. Daſs diese ober- flächlichen Quellenläufe überhaupt keinen großen Wert haben, beweist die Wassernoth in allen um- liegenden Gemeinden, in welchen fast ohne wenigen Ausnahmen selbst die bisher wasserreichen Quellen im Stiche ließen. — Auf alle Fälle jedoch wird man diesem Kapitel die größte Aufmerksamkeit zu widmen haben, denn eine wichtigere Frage als diese gibt es nicht. Karlsbad selbst freilich ist mit gutem Trinkwasser hinlänglich versehen, aber in der Umgebung und in den Vororten hat es damit seinen Haken und in dieser eminent wichtigen Frage muß im Interesse unserer Stadt auch mit diesen angrenzenden Gemeinden gemeinsame Sache gemacht werden. (Unterhaltungsabend des deutsch- völkischen Arbeitervereines.) Der deutsch- völkische Arbeiterverein feiert morgen sein zwei- jähriges Gründungsfest und veranstaltet aus diesem Anlasse einen großen Unterhaltungsabend mit darauf- folgendem Tanzkränzchen im Hotel Weber. Das Programm ist ungemein reichhaltig — den or- chestralen Theil besorgt die Eberhart'sche Concert- kapelle. — Dem Unternehmen wäre ein recht zahl- reicher Besuch zu wünschen! (Die Sicherungsbauten) am Sprudel- bergl im Teplfluſsbette dürften nächste Woche, wenn die Dämmungsarbeiten vollendet sind, begonnen werden. Wir setzen voraus, daſs seitens unseres Stadtrathes die Bevölkerung über alle diese Arbeiten streng sachlich am Laufenden erhalten werde, damit nicht wieder der hier so beliebten Sensationshascherei Thür und Thor geöffnet werden. Interessant dürften diese Arbeiten jeden- falls werden und die Vorarbeiten hiezu locken den ganzen Tag über eine Masse Neugieriger an, ein Beweis, welches Interesse man dieser Sache ent- gegenbringt. Reichsgeologe Rosival wird in den nächsten Tagen eintreffen. (Wichtig für Landsturmpflichtige.) Wir machen hiemit nochmals darauf aufmerksam, daſs sich Landsturmpflichtige morgen Sonntag von 9—10 Uhr am Stadthause zu melden haben. (Postmeistertag in Karlsbad.) Wie wir bereits gemeldet haben, findet am morgigen Sonntag ein Postmeistertag hier statt. Das be- treffende Actionscomité hat folgende Einladung er- gehen lassen: „Liebwerte Berufsgenossen! Um wieder einmal unsere Meinung über den Stand unserer Lage austauschen und uns einige Stunden in onserm Kreis angenehm unterhalten zu können, hat das gefertigte Comité beschlossen, einen Collegentag nach Karlsbad einzuberufen. Wir laden daher alle P. T. Berufsgenossen, Postmeister, Postexpedienten, Post- meisterinnen, Postexpedientinnen, Postexpeditoren und Postexpeditorinnen ferner auch alle Manipulations- diurnisten ein, Sonntag den 14. October 1900. 3 Uhr Nachmittag in Karlsbad-Bahnhof. „Hotel Bellevue“ recht zahlreich zu erscheinen. Möge unser Meinungsaustausch uns Allen zum Heil und Segen gereichen. Das Actionscomité für den Karlsbader Kreis. — Dieser Collegentag ist ausdrücklich nur für nichtärarische Postbedienstete bestimmt und haben zur selben nur solche Zutritt.“ (Mattoni-Straße. ) Die Stadt Karls- bad hat längs der bisherigen „Gießhübler Straße“ die Bezeichnung „Mattoni-Straße“ durchgeführt. Wie wir erfahren, will der Drahowitzer Verschöne- rungsverein bei seiner Gemeinde einen Plan zur Be- zeichnung von Straßen und Gassen in der Ge- meinde Drahowitz vorlegen und soll die Fortsetzung der Karlsbader „Mattoni-Straße“ ihren Namen auch in Drahowitz beibehalten. (Einen Preis von Karlsbad) gab es auch auf dem am 11. d. M. stattgefundenen Trab- fahren zu Wien. Derselbe betrug 2200 K und hatten sich zur Erkämpfung desselben 30 Bewerber gemeldet. (Von unserer Gendarmerie). An Stelle des nach Trautenau als Statthalterei-Kan- zelisten versetzten Wachtmeisters Herrn Winkel- höfer, versah Herr Tit.=Wachtmeister Homola aus Marienbad den Dienst. Herr Homola wurde nun nach Marienbad zurückberufen und als Bezirks- fahrt heimgebracht, sind noch heute Zeugen jener er- sprießlichen Thätigkeit. Unser Hotel, auch so ein ehemaliger Palazzo wie der in Bologna war, verlassend, wendeten wir unsere Schritte nach der Piazza del Duomo, wo alle „Sehenswürdigkeiten“ Pisa's sich concentrieren. Da steht der Dom und das Baptisterium, der Campo Santo und der Thurm, dessen jeder Schwer- punktstheorie hohnsprechende Bauart schon in den „Taferlclassen“ discutiert wird. Man könnte fast die Seekrankheit bekommen, wenn man, die Treppen im Innern hinansteigend, unwillkürlich der Neigung folgend, von der Wand zur Spindel und von dieser zur Wand torkelt. Auf eine der höher gelegener, geländerlosen Galecien hinaustretend, ist immerhin ein schwindelfreies Gemüth vonnöthen, um nicht die unangenehme Passion des Hinunterspringens laut werden zu lassen, und besonders auf der obersten Plattform, über den Glocken, macht sich das Gefühl unabweislich geltend, daſs eben gerade noch das Ge- wicht des eigenen Körpers gefehlt hätte, um den Schwerpunkt des Thurmes über seine Basis hinaus- zurücken, die ganze Masse umkippen zu machen. Wenn ich zu alledem bemerke, daſs der Cam- panile mit seinen sechs Säulengalerien, bei einer Höhe von 54 und einem halben Meter, 4 Meter 30 Centimeter überhängt, so wird mir der ver- ehrliche Leser glauben, daſs die ganze Geschichte einen sehr sonderbaren, fast beängstigenden Eindruck macht, und mir war um die gegenüberstehenden Häuser bange, in die er sich, wie es scheint „hinein- legen“ will. Nach einem Besuche des ganz in weißem Marmor ausgeführten Domes, hatten wir noch Gelegenheit, in der herrlichen Kuppel des Baptisteriums, ein eigenartiges akustisches Phänomen zu bewundern. Von einer bestimmten Stelle aus, bließ der Castellan durch die zusammengepressten Lippen, trompetenartig aber gedämpft den Vier- klang. Da schien es plötzlich unter der mächtigen Wölbung lebendig zu werden, und wie von einem vollen Orchester ausgeführt, dem Schlußaccord einer Symphonie gleichend, wurden die einfachen Töne verhundertfacht, kräftig zurückgegeben. Das wäre so ziemlich alles, was ich über unseren Aufenthalt in dieser ruhigen Stadt zu sagen gehabt hätte und der Nachmittag fand uns schon am Wege nach Genua. Hatten uns die Menge der Tunnels während der Apeninnenfahrt in Erstaunen gesetzt, so war's doch nur ein Kinderspiel gegen das, was wir hier erlebten. An der Riviera di Levante hinführend, durchbricht die Trasse, in ungefähr neunzig Tunnels die steil in's Meer abstürzenden Felsmassen und beschränkt sich die ganze Aussicht auf die hie und da durch galerieartig in die Wand gesprengte Oeffnungen oder durch einen Einschnitt, in dem gerade nur das Stations- oder Wächterhäuschen Platz hat, hereinblitzenden blauen Wogen des liguri- schen Meeres. Ihren Glanzpunkt aber erreicht diese Tunneleisenbahnfahrt in Genua selbst. Am Ost- bahnhof, der Station Piazza Brignole ankommend, gieng der Zug eine Strecke zurück; sich vorwärts wieder in Bewegung setzend, verschwand er bald in einer dunkelgähnenden Oeffnung, um im Westen, am Hauptbahnhof an der Piazza Acquaverde, wieder zum Vorschein zu kommen. Wir waren unter der ganzen Stadt durchgefahren. In der Heimat Mazzinis endgiltig angekommen, feierten wir ein fröhliches Wiedersehen mit der lustigen Gesellschaft von den Felsgestaden Capri's, welche ihrer, nach einem guten bayrischen Tropfen spürenden Nase nachgehend, uns hier, in den gast- lichen Hallen der Birreria Monsch, ganz zufällig wiederfanden. Man wird mit Recht annehmen. daſs dieses Wiedersehen nach guter deutscher Art begossen wurde und die zahlreich herumsitzenden Genueser konnten sich nicht genug wundern über die Lustigkeit der kleinen Anzahl Leute, die dem „eminent deutschen Laster“ fröhnte. Es ist aber auch wirklich ein angenehmes Gefühl, wenn man nach langen Herumsindbadisieren unter lauter fremdem Volk, auf einen oder einige gleichgesinnte, gleichsprachige Brüder und Schwestern trifft; was gibt's da zu erzählen und wie ist gleich die flotteste, anregendste Unter- haltung in Gang. Das Bild, welches der Hafen, oder vielmehr die Häfen und die angrenzeuden Straßen und Stadt- theile bieten, ist das aller anderen Hafenstädte, nur vielleicht etwas schmutziger und schmieriger, doch ist das Gewirr der Gassen und Gässchen, mit ihren Niveauverschiedenheiten, sowie das ziemlich steile Ansteigen auch der großen Straßenzüge, für Genua individuell. Langgesteckte Molen aus mächtigen Quadern, schützen die Hafenbassin's gegen die offene See und es mag wohl eine enorme Woge gewesen sein, welche im Vorjahre in einem derselben Bresche legte, die entsprechend der Gewalt, auch Riesen- dimensionen aufwies und die man noch nicht Zeit gefunden hatte, wieder auszubessern. Unweit des ehemaligen Kriegshafens, der
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