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„Karlsbader Badeblatt“ Nr. 52
6. März 1900
Graslitz 5. März. [E.-B.] (Fernsprecher. — Concert.
Ausstand. — Zehnstundentag. — Vieh-
märkte. — Bundesgruppen-Gründung.)
In der letzten Gemeindeausschuſssitzung wurde unter
anderem auch der Anschluss der Fernsprechleitung in
Graslitz über Klingenthal mit dem deutschen Reiche zur
Sprache gebracht und folgender Dringlichkeitsantrag von
dem Stadtv Rud. Kohlert gestellt: „Der löbliche Ge-
meindeausschufs von Graslitz wolle geeignete Schritte
einleiten, um unter Darlegung und richtiger Beleuchtung
unserer sämmtlicher Industriezweige und deren Geschäfts-
verbindungen, eventuell durch Einberufung einer In-
teressentenversammlung sowie Einvernahme mit der Stadt-
vertretung von Klingenthal an die Postverwaltung heran-
zutreten und endlich einmal den langgehegten Wunsch des
Telegraphenanschlusses mit dem Auslande erfüllt zu sehen.“
Dringlichkeit und Antrag wurden einstimmig angenommen.
— Gestern, den 3. d. M. fand hier ein Concert der
beiden jugendlichen Künstler (Violine) und Hugo Körner
(Clavier) statt, welches bereits in den bedeutendsten
Städten des deutschen Reiches auftraten und überall
stürmischen Beifall ernteten. Der 13-jährige gottbegnade-
ter Künstler, der mit spielender Leichtigkeit alle An-
forderungen der Technik beherrscht, wie sie die „Zigeuner-
weisen“ von Sarasate und „Der Hexentanz“ von Paga-
nini an den Künstler in hohem Maße stellen, zugleich
aber auch eine musikalische Auffassungsgabe und eine solche
Vertiefung musikalischer Empfindung entfaltete, wie man
sie nur beim ausgereiften Künstler ersten Ranges findet.
Das Adagio und Concert für Violine op. 26, G-mell
von M. Bruch und das „Abendlied“ von Rob. Schuh-
mann wurden mit einer derartigen Vollendung wieder-
gegeben, daſs sie ebenso wie die vorgenannten wahre Bei-
fallsstürme hervorriefen. Auch der 11-jährige Clavier-
künstler Hugo leistet für sein Alter Bewunderungswürdiges.
Der Besuch hätte viel besser sein können. — Die Drechsler
in der hiesigen Fabrik des Herrn A. K. Breinl stehen
schon einige Zeit im Ausstand. Trotzdem die social-
demokratischen Blätter vor Zuzug warnen, sind bereits
neue Arbeiter eingetreten. Die Firma Hlawatsch und
Isbary hat mit 1. d. M. den 10 Stunden-Tag einge-
führt. — Ueber Einschreiten der landwirtschaftlichen Ver-
eine des Graslitzer Bezirkes werden in Graslitz wieder
regelmäßig Viehmärkte abgehalten werden. Dieselben
finden an dem ersten Montag eines jeden Monates statt,
fällt derselbe auf einen Montag, so wird der Viehmarkt
am darauffolgenden Dienstage abgehalten. = Im Orte
Grünberg fand am Sonntag, den 4. d. M. die gründende
Versammlung einer neuen Ortsgruppe des Bundes der
Deutschen in Böhmen statt, in welcher Bürgerschullehrer
Schreiter aus Graslitz über „Zweck und Ziele der
Deutschen in Böhmen“ sprach. Vertreten waren neben
zahlreichen anderen Gästen die Ortsgruppe „Arminia“
(Graslitz) und die Ortsgruppe Silberbach des Bundes der
r—2.
Deutschen in Böhmen.
Constantinbad bei Weseritz, 1. März 1900. (E.-B.)
(Besetzung.) Herr Med.-Dr. Ed. Lenz, welcher
gegenwärtig in Marienbad als Distrikts- und Badearzt
thätig ist, wurde an Stelle des im December v. J. ver-
storbenen Dr. Dlouhy zum Kurarzte für die hiesige
Bade- und Heilanstalt ernannt. Derselbe war längere
Zeit an der Klinik des Herrn Regierungsrathes Prof.
Dr. Pribram und an der chirurgischen Klinik des Herrn
Hofrathes Prof. Dr. Gussenbauer thätig.
Teplitz, 4. März. [E.-B.] (Aus dem Collegium.)
Vor Erledigung der Tagesordnung wird der Direction
des Duxer Hermannschachtes, welche die bisher der Stadt-
gemeinde gelieferte Kohle nicht in Rechnung stellt und
auch weiterhin bereit ist, während der Dauer des Strikes
täglich zwei Fuhren Kohle zur Vertheilung an Arme der
Gemeinde zu liefern, der Dank des Collegiums ausge-
sprochen. Die Anträge des Stadtrathes und der Finanz-
section (Referent St-R. Husak) betreffend die Leistungen
der Stadtgemeinde zur Errichtung einer Oberrealschule
in Teplitz-Schönau, dahingehend, die Stadtgemeinde sei
bereit, im Falle ihr das Unterrichts-Ministerium die an-
gestrebte Errichtung einer k. k. Staatsrealschule zusichert,
für entsprechende provisorische Unterbringung der ersten
Classen dieser Anstalt im angekauften Gewerbehause, so-
wie für Erhaltung, Beleuchtung, Beheizung, eventuell
auch Bedienung zu sorgen, 2. auch für die spätere Unter-
bringung der ganzen Anstalt zu sorgen, ferner auch die
vollständige innere Einrichtung beizustellen, eventuell auch
einen Neubau aufzuführen, und hiefür einen Credit von
320000 K zu bewilligen, werden einstimmig angenommen.
Beim 2. Programmspunkte, betreffend die Erhöhung der
Biersteuer, entspann sich eine längere Debatte, in welcher
namentlich seitens der Gastwirtegenossenschaft in einer zur
Verlesung gelangten Zuschrift das Collegium ersucht wird,
von einer beabsichtigten Erhöhung der Biersteuer abzu-
sehen. Der Referent bemerkt, daſs eben die beabsichtigte
gleichmäßige Vertheilung der Steuern den Grund bilde,
daſs die Bierumlage erhöht werden soll. Redner schildert
die ohnehin genügende Belastung der Hausbesitzer und
sagt, daſs nicht die Gastwirte, sondern das consumierende
Publicum die erhöhte Umlage wird übernehmen müssen.
Der Antrag des Stadtrathes, daſs vom 1. Mai 1900 an
bis 1903 (restliche Dauer der bewilligten Getränkeumlage)
die Erhöhung auf 1 fl. 70 kr. ver Hectoliter eintrete,
wird sodann angenommen. — Zwei neuernannten Lehrer-
innen an der Volksschule in Schönau wird eine Theuerungs-
zulage von je 100 fl. bewilligt. — Betreffend die Rück-
erstattung von Gemeindeumlagen an die Dux-Boden-
bacher Eisenbahn hat bekanntlich der Verwaltungsgerichts-
hof zugunsten der letzteren entschieden: der Landesaus-
schuſs habe nunmehr der Gemeinde auf Grund dieses
Erkenntnisses die Rückzahlung von 109.941 fl. 08 kr. auf-
zutragen; die Dux-Bodenbacher Eisenbahn habe nun einen
Vergleichsantrag gestellt, daſs sie sich mit einem binnen
30 Tagen zu zahlenden Betrag von 80.000 fl. zufrieden-
stellt, wogegen die Stadt diese Angelegenheit als erledigt
betrachtet. Der Antrag auf Annahme des Vergleiches
wird angenommen.
Telegrapsische Naciriciten.
Wien, 5. März. Unter dem Vorsitze des
Obmannes Abg. Baernreither begann heute die vom
Subcomité des socialpolitischen Ausschusses einbe-
rufene Expertise über die Frage der Verkürzung der
Arbeitszeit im Bergbau. Seitens der Regierung
waren anwesend Ackerbauminister Frhr. Giovanelli.
Hofrath Zechner, Hofrath Dr. von Mataja, Hof-
rath Dr. von Hasenöhrl und Ministerialsecretär
Dr. Bacher. Der Vorsitzende Dr. Baernreither be-
grüßte die erschienenen Experten mit folgender An-
sprache: „Ich erlaube mir die erschienenen Herren
zu begrüßen und Ihnen für Ihr Erscheinen unsern
Dank zu sagen. Wir haben die schwierige Aufgabe uns
in kurzer Zeit ein Bild zu machen von dem actuellen
Stande einer Frage, welche hinsichtlich der Produc-
tion der Wirtschaft und der Humanität von größter
Wichtigkeit ist. Wir werden einige Einsicht in die
Bedingungen und Wirkungen einer Verkürzung
der Arbeitszeit im Bergbau aber nur dann
gewinnen, wenn es uns gelingt, die Fragen
und Antworten klar ohne überflüssige Weitläu-
figkeiten und gemeinverständlich auszutauschen.
Es ist vielleicht erlaubt, darauf hinzuweisen, daſs
wir unter nicht gewöhnlichen Verhältnissen über
ein Thema sprechen, welches heute leider der
Gegenstand eines erbitterten Kampfes fast in
allen Kohlenrevieren Oesterreichs ist, und ich spreche
gewiſs nur die Ueberzeugung aller Anwesenden
aus, wenn ich sage, daſs wir unter sochen Ver-
hältnissen unsere Worte doppelt gewissenhaft ab-
zuwägen die Pflicht haben. (Zustimmung.) Sie
werden deswegen ebenfalls als selbstverständlich
ansehen, daſs von unseren Erörterungen jede Be-
zugnahme auf die actuellen Strikeverhältnisse in
den verschiedenen Kohlenrevieren unbedingt ausge-
schlossen bleiben muss. Auf diese Weise wird es
hoffentlich gelingen, über die Dauer der Arbeitszeit
beim Bergbaue uns soweit zu orientieren, daſs wir
zu den vom Abgeordnetenhause gestellten Anträgen
werden Stellung nehmen können, d. i. in gleicher
Weise den Bedingungen der Bergwerksproduction,
sowie der von uns allen lebhaft gewünschten Ver-
besserung der Lebensverhältnisse der Bergarbeiter
Rechnung tragen werden. Der Vorsitzende theilte
sodann die Namen der Experten mit, die heute zur
Vernehmung gelangen. Es wurde hierauf mit der
Einvernehmung begonnen.
Wien, 5. März. Das „Vaterland“ bemerkt
gegenüber dem Dementi seiner Samstägigen Buda-
pester Mittheilung über die Wahlfonddifferenzen
Banffy's und Szells, daſs in der Mittheilung von
einer Insinaution gegen die Ehrenhaftigkeit Banffys
keine Spur enthalten sei. Die Mittheilung behan-
delt die Differenzen zwischen dem gewesenen und
jetzigen Ministerpräsidenten, die soweit gehen, daſs
Banffy dem Ministerpräsidenten von Szell nicht
einmal den etwa noch vorhandenen Theil des eigent-
lich nicht gebrauchten 1898er Wahlfonds, den man
selbst vom Auslande Banffy zur Verfügung stellte,
auslieferte.
Gerade eine solche, auch für die nächsten
Wahlen wichtige Stellungnahme Banffys gegen
seinen Nachfolger muss thatsächlich unter Umständen
Missfallen erregen und mit der Stellung am
ungarischen Hofe nicht gut verträglich erscheinen.
Das deutet die Mittheilung des „Vaterland“ an.
Wenn die liberalen Journalisten“ aber anderes
darin zu lesen vermeinten, so ist das für ihre Auf-
fassung characteristisch.
Wien, 5. März. Im Herrenhause hielt heute
vormittag das Exekutiv-Comite der Verfassungsparti
eine Besprechung ab, worauf sich das Plenum der
Verfassungspartei versammelte, dem auch bereits die
neuernannten Herrenhausmitglieder, Dr. v. Plener
und Prof. Karl Menger, welche dieser Partei bei-
getreten sind, beiwohnten. Als erster Redner in
der morgigen Debatte über die Regierungserklärung
ist Fürst Karl Auersperg bestimmt.
Göding, 5. März. Gestern ist hier die
Dampfmühle der Brüder Lechner total niedergebrannt.
Der Schaden ist umso bedeutender, als auch die
Vorräthe eingeäschert wurden. Die Entstehungs-
ursache des Brandes ist unbekannt.
Budapest, 5. März. „Magyar Nemzet“
meldet im Namen Banffy's haben die Reichstags-
abgeordneten Edmund Gygary und Gallriel Daniel
den Redacteur des „Vaterland“ telegraphisch aufge-
fordert, seine unbegründeten Behauptungen in der
nächsten Nummer zu revocierer.
Stauislau, 5. März. Der Untersuchungs-
richter, welcher in der Affaire Araten die Spur
des verschwundenen Mädchens verfolgte, weilte im
Kloster Maryampol, unterließ jedoch nach dem Ver-
hör der Oberin die Untersuchung des Klosters. Der
Untersuchungsrichter stellte fest, daſs Michaline
Araten sich bis Mitte Februar in dem von Nonnen
geleiteten Mädchenheim in Stanislau aufhielt, und
dasselbe am 9. Februar in Begleitung einer Nonne
verließ. Der Portier des Bahnhofes in Stanislan
gibt an, daſs an diesem Tage zwei tief verschleierte
Damen, deren Beschreibung auf die Nonne und das
verschwundene Mädchen paßt, abreisten. Der Unter-
suchungsrichter begab sich nun nach Zazlawiec, weil
der Verdacht vorliegt, daſs die Verschwundenen im
dortigen Nonnenkloster gegenwärtig verborgen ge-
halten wird.
Bremen, 5. März. „Boesmann's Telegra-
fisches Bureau“ veröffentlicht folgendes Privattele-
gramm aus Bucaramanga (Columbia): Wir be-
finden uns in bester Gesundheit und haben somit
durch die Revolution nicht viel gelitten. Die Ver-
bindung mit dem Auslande ist leider noch immer
gehemmt. Das genannte Bureau bemerkt hiezu:
Dieses Telegramm ist in Bogota aufgegeben und
wird durch einen besonderen Boten glücklich durch-
gebracht worden sein.
Da der Ritt von Bucaramanga nach Bogota
etwa acht Tage erfordert, so dürfte die obige Nach-
richt um etwa 14 Tage zurückzudatiren sein. Die
Verbindung von Bucaramanga über Barranquitta
nach der afrikanischen Küste ist schon seit Monaten
unterbrochen. Der letzte Brief aus Bucaramanga-
trug das Datum vom 15. October 1899.
Constantinopel, 5. März. „Serbet“ bringt
an der Spitze des Blattes folgende Meldung: Ein
muselmanischer Fürst in Centralafrika Namens
Eburbadj unternahm in den letzten Tagen auf die
Vereinigung mit den in Wadi angekommenen otto-
manischen Truppen gerichtete militärische Operationen,
um sein Land der türkischen Herrschaft zu unter-
werfeu und eine fremde Invasion hintanzuhalten.
Eburbadj verfügt über 60.000 Mann und einige
Batterien.
London, 5. März. Getreidemarkt. Tendenz
im Allgemeinen ruhig. Mais 3 d niedriger, Stadt-
mehl 23—28 sh, Rüböl 25 sh 6 d, Mais fehlt.
Zuführen Weizen 30000, Gerste 4000, Hafer
60000 Quarters. Kalt und trocken.
London, 5. März. Die „Times“ und andere
Blätter bestätigen die Nachricht, daſs Königin
Victoria ihre Absicht Bordighera zu besuchen, auf-
gegeben und sich entschlossen hat, nicht zu reisen.
London, 5. März. Die „Morning-Post“
meldet aus Washington vom 4. d.: Ein Telegramm
Dateiname:
karlsbader-badeblatt-1900-03-06-n52_2360.jp2