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Sette 4
„Karlsbader Badeblatt“ Nr. 43
23. Feber 1900
Geschäft machen wollten? Schade, daſs man gegen
dieselben nicht strafgerichtlich vorgehen kann.
(Der Karlsbader Sängerbund) hält
nächsten Samstag den 3. März l. J. Abends seine
diesjährige General-Versammlung in seinem Vereins-
locale (Gasthof „Goldene Sonne“, Panorama-
straße) ab.
(Radfahrerverein Austria.) Der Rad-
fahrerverein „Austria“ hielt am verflossenen Mon-
tag eine zahlreich besuchte Generalversammlung im
Vereinsheim „Lloyddampfer“ ab. Der Vorsitzende
Herr Obmann Doroschkin gab einen kurzen
Rückblick über das abgelaufene Vereinsjahr und
wies darauf hin, daſs der Verein auch im abge-
laufenen Jahre, allen übrigen ähnlichen Vereinen
voran, den Radfahrsport in Karl bad förderte und
zur Geltung brachte. Außer einem Straßenrennen
auf der Petschauer Straße, einer Lampionfahrt an-
lässlich der Eröffnung des Rennmeetings, einer
Gesammtausfahrt nach Tepl ꝛc. fand ein Gesammt-
ausflug nach Herrnskretschen statt, der allen Theil-
nehmern in unvergesslicher Erinnerung bleiben wird.
Herrn Dr. Kilian Frank, dem Ehrenmitgliede des
Vereines, der sich auch im verflossenen Jahre um
den Verein wesentliche Verdienste erworben hat,
wurde der Dank durch Erheben von den Sitzen
zum Ausdrucke gebracht. — Nach Kenntnisnahme
der Berichte des Schriftwartes Herrn Alfred
Drumm, Cassawarts Herrn Fritz Schneider,
Fahrwarts Herrn Sessel und Archivars Herrn
Anton Schneider wurde beschlossen, auch im
heurigen Jahre und zwar im Laufe des nächsten
Monates wieder einen ähnlichen Unterhaltungsabend
wie im Vorjahre für die Mitglieder zu veranstalten
und die alle Samstage stattfindenden Jourfixe fort-
bestehen zu lassen. — Die Wahl des Ausschusses
fiel auf die Herren: Bergmann, Doroschkin,
A. Drumm, W. Egerer, F. Geyer, Rauch, Rippl,
A. Schneider, Fritz Schneider und Franz Sessel.
Als Schiedsrichter wurden die Herren Rupprecht,
Alex. Otto, M. Schmalwieser, N. Barthlme und
Otto Mürling, als Revisoren die Herren Carl
Bayer und F. W. Keitsch gewählt. Der Vereins-
photograph Herr F. W. Keitsch machte sodann noch
eine gelungene Gruppenaufnahme und nach Schluss
der Versammlung vereinigte eine gemüthliche Unter-
haltung mit Vorträgen die Anwesenden.
(Unglücksfall.) Gestern vormittags nach
10 Uhr ereignete sich im isr. Vereinshause
(Lothringerstraße) ein bedauerlicher Unglücksfall.
Anton Haberzettl, ein nach Engelhaus zuständiger
17 Jahre alter Anstreicher und Lackiererlehrling des
Herrn Kryza, stürzte nahezu sechs Meter von einer
Leiter herab und zog sich schwere Verletzungen zu,
welche seine Ueberführung ins allgemeine Kranken-
haus nöthig machten. Ein Verschulden trifft nie-
manden. — Wie wir später erfahren, hat sich
Haberzettl den Oberarm derart gebrochen, daſs der
Knochen das Fleisch durchbohrte.
(Geschworenen-Verein.) Für die
I. Schwurgerichtsperiode d. J., welche am 5. d. M.
begann und am 20. endete, wurden an 23 Mit-
glieder 2140 K als Entschädigung ausbezahlt und
zwar an 17 Hauptgeschworene 1702 K und an
6 Ergänzungsgeschworene 438 K. An 8 Mit-
glieder in der Stadt Eger und unter einer Meile
von Eger wohnhaft, wurden per Tag 6 K = 588 K
und an 15 Mitglieder über eine Meile von Eger
wohnhaft per Tag 8 K = 1552 K verabfolgt.
(Im Handelsregister des Egerer
Kreisgerichtes) wurde eingetragen: 1. Bei der
Firma „Theodor Pilz“ in Graslitz die Löschung
der dem Adolf Bruecklein ertheilte Procura. 2. Bei
der Firma „Franz Schröder & Co.“ in
Fischern die Löschung der gemeinsamen Firma-
zeichnung der Herren Franz Gärtner mit Camill
Schwalb, dann, daſs jeder der beiden Genannten
zur selbständigen Firmazeichnung berechtigt ist. 3.
Bei der Firma „Adolf Schmidt“ in Asch die
Löschung des Inhabers Adolf Schmidt und die Ein-
tragung des Gustav Kasimir Schmidt in Asch als
Inhaber der Firma. 4. Bei der Firma „Sigmund
Sträußler“ in Karlsbad die Löschung der
dem Ludwig Hofmann ertheilten Procura. 5.
Bei der Firma „Chr. Deisler's Nachfolger“ in
Eger der Austritt des offenen Gesellschafters Adolf
Schmidt sen.; die Löschung der Firma „Christof
Deisler's Nachfolger“ und die Errichtung einer
Handelsgesellschaft unter der Firma „Brüder Schmidt“
Dampflohgerberei in Eger. Offene Gesellschafter
sind die Herren: Adolf Ernst Friedrich Schmidt
und Wilhelm Ludwig Schmidt.
(Gesellschaft zur Förderung deutscher
Wissenschaft, Kunst und Literatur in
Böhmen.) In der Hauptversammlung der Ge-
sellschaft, welche am 14. Februar 1900 stattfand,
hielt der Vorsitzende Professor v. Wieser dem dahin-
geschiedenen Mitgliede Landesausschuſs Dr. L. Schle-
singer, sowie dem vor Kurzem verstorbenen ehe-
maligen Vorsitzenden Hofrath Prof. Knoll einen
längeren Nachruf und hob speciell die großen Ver-
dienste des Letzteren um die Begründung und Ent-
wicklung der Gesellschaft hervor. Die Versammlung
erhob sich zur Ehrung der Verblichenen von ihren
Sitzen. Sodann wurden der Cassabericht und der
Rechenschaftsbericht für das Jahr 1899 erstattet
und von der Versammlung genehmigt. Zum Schlusse
wurden mit dreijähriger Functionsdauer wieder-
gewählt: zum Vorsitzenden Professor Dr. Freiherr
von Wieser, zum Vorsitzenden-Stellvertreter Prof.
Dr. Laube, zum Schatzmeister Hofrath Prof. Dr.
Krasnopolski.
Aus dem Gerichtssaale.
(E. B.) Karlsbad, am 15. Feber.
Misshandlung eines Waisenkindes.
Die 12 Jahre alte Bertha Peter aus Schlaggen-
wald wurde nach dem Ableben ihrer Elfern von ihrer
Tante Elisabeth Schürer und deren Ehegatten Franz
Schürer in Sittmesgrün in vormundschaftlicher Pflege
und zwar gegen ein Entgeld von wöchentlich 80 kr. über-
nommen. Wenngleich dieses Kind verwandschaftliche
Bande mit seinen Pflegeeltern verknüpfte, wurde es von
diesen doch äußerst schlecht und in empörender Weise re-
handelt. Die Oberlehrersfrau in Sittmesgrün, bei welcher
die Bertha Peter zu wiederholtenmalen Brot bettelte und
sich beklagte, daſs sie nicht genug zu essen bekomme, zog
nun über die Behandlung des Mädchens Erkundigungen
ein und was sie da erfuhr, war nicht geeignet, auch nur
den geringsten Grad von Nächstenliebe bei dessen Pflege-
eltern zu vermuthen. Der Gemeindevorsteher von Sitt-
mesgrün gemeinschaftlich mit der k. k. Gendarmerie-
patrouille aus Altroblau pflogen nun die Erhebungen,
welche jedem besseren Gefühle spottende Thatsachen zu-
tage förderten. — Das Kind selbst gab an, daſs es sehr
oft nichts zu essen bekomme und unter dem Dache am
Boden auf einem Strohlager schlafen müsse. An Ort
und Stelle erhoben nun die Genannten, daſs knapp unter
dem Dache, durch dessen oft fingerbreite Spalten der
Wind hindurch pfiff, eine elende Strohschütte ohne jeg-
liche Beigabe von Bett ꝛc. das Nachtlager des Kindes
auch während der bitterkalten Wintermonate — bil-
dete, während die drei leiblichen Kinder des Schürer'schen
Ehepaares mit ihren Eltern in der wohldurchwärmten
Wohnstube in Betten schliefen. Als Zudecke hatte man
dem armen Kinde einen alten zerschlissenen fadenscheinigen
Rock gegeben. — Wenn man bedenkt, daſs im December
v. J. das Thermometer oft 12—14 Grad Reaumur
unter 0 während der Nächte zeigte, so vermag man sich
eine Vorstellung zu machen, wie dieses arme Waisenkind
den Anbruch des Tages ersehnen mochte. Während der
um Weihnachten v. J. herrschenden strengen Kälte zer-
fror dem Mädchen ein thönernes Nachtgeschirr bei ihrem
Büßer ager, wofür sie nach dem eigenen Geständnisse
ihrer Pflegemutter von derselben mit dem Aufhängedraht
einer Lampe gezüchtigt wurde. Das Mädchen war in-
folge der erlittenen Misshandlungen blass und abge-
magert und hatte geschwollene Glieder, während die eigenen
Kinder Schürers gesund und kräftig aussahen. Die In-
wohner bestätigten, daſs das Kind oft um Brot und
Nahrungsabfälle gebettelt und gebeten habe, sie am Osen
etwas wärmen zu lassen. Der Gemeindevorsteher nahm
das Kind sodann in seine Obhut, wogegen die Kleine
große Furcht zeigte und anfänglich protestierte. — Das
gefühlvolle Elternpaar stand nun heute unter der An-
klage der Misshandlung des Mündels von Seite der
Vormünder vor dem Strafrichter, Herrn k. k. Gerichts-
adjuncten Emilian Ottmar, der im Voruntersuchungs-
wege auch die Verantwortung der bettlägerigen Elisabeth
Schürer abgehört und den Localaugenschein an Ort und
Stelle vorgenommen hatte. — Ein Leugnen war unter
diesen Umständen nicht gut möglich und versuchte das
Schürer'sche Ehevaar sich durch nichtige Ausflüchte zu
entschuldigen. Der Richter erkannte den Franz Schürer
der Uebertretung nach § 417 St.-G. und die Elisabeth
Schüter nach § 5, 417 St.-G. schuldig und ertheilte
Beiden einen strengen gerichtlichen Verweis,
ihnen hiebei ihre verabscheuungswürdige und unmensch-
liche Handlungsweise klarlegend und rügend, und sprach
die Entsetzung des Franz Schürer von der Vormund-
schaft über die mj. Barbara Peter aus, alles dies nur
aus dem Grunde, weil die Vormundschaft eine entgelt-
liche war und das Gesetz leider eine schärfere Straf-
norm in diesem Falle nicht vorgesehen hat.
Fischern-Neustadt im „Hotel Weber“ einen Ball. Groß-
artige Ueberraschungen hat das Commando vorbereitet,
ohne daſs an die Cassa der Besuchenden Anforderungen
gestellt werden. Im großen Saale wird die Schwager'sche
Kapelle (24 Mann stark) concertieren, während im Ge-
müthlichen das Trio „Waha“ und im Gambrinuskeller
die „Egerländer Dudelsäcke“ für Amusement sorgt. Das
Entree ist im Vorverkauf auf 60 kr., an der Cassa auf
80 kr. bemessen. Den Besuchern ist, nach den Vorbe-
reitungen zu schließen, ein amusanter Abend gewiſs.
Petschau, 21. Feber. [E.-B.] Am 17. d. M. nachts
hat sich der in Petschau domicilierende Branntweintrinker
Franz Piekl aus Schönfeld wegen Nahrungssorgen in
seiner Wohnung erhängt. — Am 19. d. M. wurde der
von der Gendarmerie wegen eines Havelok- und Geld-
diebstahls im Betrage von 58 K verhaftete ledige Kutscher
Josef Opl dem k. k. Kreisgerichte in Eger eingeliefert —
Im Monate Jänner und Feber l. J. wurden mehrere
Parteien in Töppeles von einem gewissen Karl Putz aus
Karlsbad, welcher sich für einen Agenten für eine Möbel-
versicherung ausgab, um Geldbeträge in verschiedener
Höhe, welche sie als Anzahlung leisteten, geschädigt. Nach-
dem Putz auch in anderen Orten ühnliche Betrügereien
verübt haben dürfte, so werden die geschädigten Parteien
in ihrem Interesse ersucht, dies an competenter Stelle
anzuzeigen.
Vermischtes.
(Erdbeben in Böhmen.) Dem „Prager Abend-
blatt“ wird über ein Erdbeben in Südböhmen geschrieben:
Am 12. d. M. um 12 Uhr 35 Minuten nachts wurde in
Stein (Bez Krummau) und Umgebung eine Erder-
schütterung, begleitet von unterirdischem Brausen und
einem Knalle wahrgenommen. In den Wohnungen ge-
riethen verschiedene Einrichtungsgegenstände in Bewegung.
Zahlreiche Personen wurden aus dem Schlafe gerüttelt.
Die Erschütterung, die einige Secunden dauerte und von
Westen nach Osten verlief, wurde in östlicher Richtung
von Ogfolderhaid bis Hörwitzl und in südlicher Richtung
von Tussetschlag bis Tichtihöfen verspürt. Ein Schaden
wurde nirgends angerichtet. Die Bewohner der Gegend
wollen vor drei Jahren eine ähnliche, jedoch weit schwä-
chere Erderschütterung erlebt haben.
(Ueber das Schicksal Andröes und seiner
Gefährten) bringt der Telegraph eine neue über-
raschende Kunde, die zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit,
auf den ersten Blick wenigstens, für sich hat, aber jeden-
falls bis zum Eintreffen genauerer Nachrichten mit der
Vorsicht aufgenommen werden muss, welche die zahl-
reichen früheren schwindelhaften Sensationsmeldungen
über die kühnen Nordpolfahrer gebieten. Aus Stockholm
wird hierüber gemeldet: Ein neues Andröegerücht ist über
London von Ottawa (Kanada) gekommen. Jetzten Oc-
tober kamen nach Churchillfart einige Eskimos, welche
erzählten, daſs zwei weiße Männer, die „vom Himmel
gekommen waren“, letzten Frühling von räuberischen
Eskimos getödtet worden seien. Sie sagten, daſs sie
Reste des Ballons gesehen und wüſsten, wo diese ver-
borgen worden sind.
(Ein unglaublicher Vorfall) hat sich am
jüngsten Sonntag in der Colonie Erzsebetfalu nächst
Ofen-Pest zugetragen. Der dortige Einwohner Georg
Megyessi sollte Sonntag Nachmittag begraben werden.
Da er Mitglied eines Veteranenvereins war, hatte dieser
Verein die Kosten des Leichenbegängnissos zu tragen.
Die Angehörigen betrauten nun den Leichenbestattungs-
unternehmer Jarossi mit dem Begräbnisse. Der Präsi-
dent des Veteranenvereines, der Ortsrichter Stefan
Gömbössi, verweigerte die Auszahlung der Bestattungs-
prämie mit dem Bemerken, daſs einzig und allein der
Bestattungsunternehmer August Schröder berechtigt sei,
eine Bestattung für den Verein zu besorgen. Er verbot
auch die obligate Ausrückung der Musik mit der Fahne.
Jarossi wollte gegen dieses statutenwidrige Vorgehen des
Richters protestieren, wurde jedoch von diesem aus dem
Gemeindehause hinausgeworfen. Sonntag Nachmittag
sollte das Leichenbegängnis nun stattfinden. Die Leiche
war aufgebahrt und sollte gerade zur Einsegnung in den
Hof getragen werden, da erschienen Bedienstete des
Leichenbestatters Schröder, rissen den Aufbahrungsschmuck
vom Sarge und warfen diese sammt der Leiche und dem
Betpulte in den Hof. Die Angehörigen Meavessis ließen
sich dies nicht gefallen und es kam zu einem Scandal.
Die Leute Schröders rissen nun die Leiche aus dem
Sarge, den Jarossi beigestellt hatte, und legten sie in
einen von ihnen mitgebrachten Sarg. Den Sarg Ja-
rossis warfen sie in den Hof. Um einen weiteren größeren
A Fischern, 23. Feber. (Ei-B.) Wie alljährlich ver-
anstaltet am Faschingmontag die freiwillige Feuerwehr
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