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Ur. 15
Samstag, 20. Jänner 1900
40. Jahrgang
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Einzelne Nummern 10 h
eblatt
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(vormals Wochenblatt.)
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Einzelne Nummern 10 h
Herausgeber: Ernest Franieck.
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Versicherung der Arbeiter-
Hinterbliebenen.
Man schreibt uns aus Berlin:
Der Reichstag hat letzten Freitag einen Be-
schluss von sehr großer Tragweite gefaſst, dessen
Genehmigung durch den Bundesrath einen ganz
außerordentlichen Fortschritt auf dem Wege der
Sozialreform bedeuten würde. Der Reichstag hat
nämlich mit großer Mehrheit die von dem Abg.
Stumm (Reichsp.) beantragte Resolution auf Ein-
führung einer Witwen- und Waisenversicherung für
die unter das Invalidenversicherungsgesetz fallenden
Personen angenommen. Nichts ist bezeichnender
für den Wert und die praktische Bedeutung dieser
Resolution, als daſs die intimsten Gegner des
„Königs Stumm“ für sie stimmten. Die große
Mehrheit würde noch sehr viel größer gewesen sein,
wenn nicht das Centrum nicht sowohl aus princi-
pieller Gegnerschaft, als vielmehr aus Zweckmäßig-
keitsgründen diese Versicherung nur auf die In-
dustriearbeiter-Hinterbliebenen hätte beschränken, d. h.
die landwirtschaftlichen Arbeiter hätte ausschließen
wollen und darum gegen die Resolution Stumm
gestimmt hätte. Für letztere wäre jedenfalls auch
der conservative Theil der Minderheit eingetreten,
so daſs man sagen kann, der Grundgedanke sei
unahez einstimmig gebilligt worden. Denn auch
die Nationalliberalen und eine Anzahl von Frei-
sinnigen marschierten mit Stumm und den „Ge-
Der Ausschluss der landwirtschaftlichen Arbeiter
von den Wohlthaten der beantragten Reformen
wurde mit großer Entschiedenheit von dem Staats-
secretär Grafen v. Posadowsky und mehreren Ab-
geordneten gerade im Interesse der Landwirtschaft
bekämpft. Es wurde mit Recht geltend gemacht,
daſs dieseer Ausschluſs den Zuzug in den Städten
und die Leutenoth auf dem Lande vermehren würde:
Dem Arbeiter, dem mehr an der Versicherung seiner
Familie, als an seiner eigenen Versicherung liege,
würde nur ein Ziel vor Augen schweben, Industrie-
arbeiter zu werden, damit im Falle seines Ab-
lebens seine Familie vor der äußersten Noth ge-
schützt sei.
Der Vertreter der Regierung vertrat die
Resolution keineswegs, wenn auch seine Ausführun-
gen nicht zu der Hoffnung berechtigen, daſs die
verbündeten Regierungen sich beeilen werden, zu dem
Beschlusse des Reichstages Ja und Amen zu sagen.
Im Prinzip kann die Regierung auch nicht gegen
einen Plan sein, der die durch die berühmte Bot-
schaft Kaiser Wilhelms d. Gr. vorgezeichnete Spezial-
reform so bedeutsam erweitert und der für die
Arbeiter des Nährstandes, die im besten Falle
ein hinreichend großes Vermögen für ihre Hinter-
bliebenen ersparen können, sei es in der Form von
Lebensversicherung oder durch eigenes Ansammeln,
nur das thun will, was der Staat in weiser Für-
sorge schon längst für die besser dotierten und des-
halb wie auch aus anderen Gründen eher zum
Sparen fähigen Arbeiter des Lehrstandes, die
Beamten der verschiedensten Kategorien, gethan hat.
Graf v. Posadowsky wies auf die natürlich
beträchtlichen Kosten der vorgeschlagenen Versicherung
hin. Er schätzt sie bei sehr niedrigen Renten selbst
auf 100 Millionen. Darum meinte er, sei es unter
den obwaltenden Verhältnissen richtiger, zunächst
einmal abzuwarten, bis die drei großen sozialen
Gesetze reformiert sein werden und die finanziellen
Folgen dieser Reformen übersehen werden können.
„Ich meine also, wenn man auch mit seinem
Herzen vollkommen mit disem Antrage
sympathisiert — und ich glaube, es wird kein
Mitglied dieses hohen Hauses sein, das dieses Ge-
fühl nicht theilt — so würde es doch politisch richtig
sein, sozusagen erst einmal Cassa zu machen, erst
einmal abzuwarten: was kostet die Reform der
gesammten drei Versicherungsgesetze, und wie wird
dann unsere gesammte wirtschaftliche Lage sein?“
Der Staatssecretär schloß mit der Erklärung, daſs
wenn nach Abschluss der großen socialpolitischen
Reformen die finanziellen Verhältnisse, die Steuer-
kraft, die wirtschaftliche Entwickelung des Landes
es erlauben, dieser in so hohem Grade nützlichen
und wünschenswerten Schritt zu thun, wir gewiss
nicht zögern werden, Ihnen eine entsprechende Gesetzes-
vorlage zu unterbreiten.“
Nun hoffen wir das Beste. Im Interesse des
Landes im allgemeinen und der Arbeiter im beson-
deren. Wenn diese gegen Krankheit, Unfall und die
Invalidität, sowie gegen die Arbeitslosigkeit des
Alters versichert sein werden, dann wird nur noch
die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit als Ziel aufs
Innigste zu wünschen übrig bleiben, dann wird die
nossen.“
Elektrische Vollbahnen in Deutschland.
Daſs den gegenwärtigen Eisenbahnbetriebs-
kräften einmal ihr Stündlein schlagen wird, kann
kaum noch Jemand bezweifeln, der die enorme Ent-
wickelung der mit dem Dampf concurrierenden
Kräfte — insbesondere der Elektricität — näher
kennt. Die verschiedenartigsten Hindernisse, an deren
Beseitigung die technische Wissenschaft mit Energie
und auch mit Erfolg arbeitet, schnitten bisher jedem
größeren ins Auge gefassten Project den Lebens-
faden durch. So weit die Elektricität in Frage
kommt, scheiterte die Schöpfung hart am Ende
immer an der Schwäche eines für lange Strecken
wirkenden Stromquantums. Wenn nun auch das
Ausland, insbesondere Amerika, mit prahlerischer
Geberde auf seine Errungenschaften auf dem Ge-
biete der Eisenbahnsysteme hinwies, so kann es dem
kritischen Auge doch nicht verborgen bleiben, daſs
auch dort noch so erhebliche Mängel zu Tage treten,
die es nicht empfehlenswert erscheinen lassen, mit
der vollendetsten Sphäre des Dampfes endgiltig zu
brechen.
So weit man den heutigen Stand der elektri-
schen Kraftschöpfung übersehen kann, darf unstreitig
das Heilmann'sche System als dasjenige ange-
sehen werden, das die Möglichkeit der Einführung des
elektrischen Kraftbetriebes am aussichtsvollsten er-
scheinen lässt. Dieser Elektriker construirte eine
Locomotive, die sich von allen anderen elektrischen
Fahrzeugen dadurch unterscheidet, daſs ihr der be-
nöthigte Strom weder von einer Centrale durch
Außenleitung zugeführt wird, noch auch durch Accu-
mulatoren, deren Umfang bei weiten Strecken die
Unmöglichkeit ihrer definitiven Einführung sofort
klar erscheinen lässt, mitgeführt wird, sondern daſs
dieser Strom von einer auf der Locomotive aufge-
stellten Dampfmaschine erzeugt wird, und zwar
kann dies während der Fahrt und je nach dem
Dampfdruck des Kessels in Atmosphären in beliebi-
gem Umfange geschehen. Die so construirte Loco-
motive ist auf diese Weise ein fahrendes Elektricitäts-
werk, das den von ihm erzeugten Strom den Elektro-
motoren zuführt, welche ihrerseits nun wieder auf
die Radachsen einwirken. Man muss gestehen, hat
dies System auch keineswegs den Typus der Voll-
kommenheit aufzuweisen, so zeigt es der Entwickelung
doch in acceptabler Form den Weg, auf dem diese
an der Beseitigung der Nachtheile arbeiten könnte.
Seit nun die Gornergratbahn, die von Viége
via Zermatt auf den Gornergrat an den Fuß des
riesigen Matterhorns führt, im Spätsommer des
Jahres 1898 ihre Vollendung erfahren und gezeigt
hat, daſs selbst für unüberwindlich gehaltene Hinder-
nisse ad absurdum geführt werden können, tritt
man den Projecten elektrischer Vollbahnen wieder
in energischer Weise näher. So hat die Firma
Siemens & Halske bei Groß-Lichterfelde ein Ver-
suchsterrain für kräftigere elektrische Vorspannfahr-
zeuge geschaffen und man darf annehmen, daſs sie
damit eine entscheidende Stätte für den Gedanken
der elektrischen Eisenbahn ins Leben gerufen hat.
Auch in Bayern ist der Bau einer elektrischen Voll-
bahn zwischen der bayerischen Station Gundelfingen
und der württembergischen Station Sontheim in
Angriff genommen. Diese letztere Bahn soll den
bekannten Ausflugsort Obermedlingen und von dort
aus den Ort Brenz berühren. Ferner wird eine
elektrische Vollbahn von der Eisenbahnstation Tros-
fingen nach dem Orte Trossingen in Württemberg
ihrer Vollendung nahe sein. Dieselbe hat eine
Länge von ca. 5 Kilometern, die Spurweite beträgt
1435 Millimeter, die größte Steigung 3 Procent.
Die Kraftcentrale bekommt zwei Gaskraftmaschinen
von je 100 Pferdekräften. Zum Bahnbetrieb dienen
2 Dynamomaschienen von je 75 Pferdekräften und
eine aus 300 Elementen bestehende Accumulatoren-
batterie. Die zwei Locomotiven werden mit je 2
Elektromotoren von 40 Pferdekräften ausgerüstet.
So treten noch eine ganze Reihe Versuchs-
projecte zutage. Wenn ihnen Erfolg beschieden und
Entwickelungsaussichten eröffnet werden sollten, so
muſs der Dampf seine absolute Herrschaft über den
Weltverkehr aufgeben und nachdem er die Lebens-
spanne eines reichlichen Menschenalters erreicht hat,
seine Mission als erfüllt betrachten und den Platz
(Mitgetheilt vom Patent-
der Elektricität räumen.
und technischen Bureau von Richard Lüders in
Görlitz.)
Název souboru:
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