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Ur. 15 Samstag, 20. Jänner 1900 40. Jahrgang Abennements-Preise: Karlsbader Für Karlsbad: Monatlich ...1 K Vierteljährlich3 K Halbjährlich6K Gatzjährlich12 K Zustellung ins Haus: pro Quartal 40 h Mit Postversendung: Inland: Vierteljährlich .......5 K alja ......10 K Ganzjr ......20 K Ausland: Vierteljährlich ...... 6 M. Halbjährlich12 M. Ganzjährlic24 M. Einzelne Nummern 10 h eblatt Erscheint ganzjährlich täglich (vormals Wochenblatt.) Redaction und Administralion: im Hause „Bellevue,“ Stefans- promenade. Telephon-Nr. 59 b. Inserate werden nur gegen Voraus- zahlung angenommen. Preis der amal gespaltenen Petitzeile 12 h Inserate, für den nächsten Tag be- stimmt, werden nur bis 3 Uhr nach- mittags in der Administration und in der Franieck'schen Leihbibliothek Markt, „3 Lämmer“ entgegengenommen. Manuscripte werden nicht zurückgegeben. mit Ausnahme nach Sonn- und Feiertagen. Einzelne Nummern 10 h Herausgeber: Ernest Franieck. Inserate übernehmen die Annoncen-Bureaus Baasenstein & Vogler in Wien, Rudolf Mosse in Berlin und Wien und sämmtliche anderen Filialen dieser beiden Firmen. Versicherung der Arbeiter- Hinterbliebenen. Man schreibt uns aus Berlin: Der Reichstag hat letzten Freitag einen Be- schluss von sehr großer Tragweite gefaſst, dessen Genehmigung durch den Bundesrath einen ganz außerordentlichen Fortschritt auf dem Wege der Sozialreform bedeuten würde. Der Reichstag hat nämlich mit großer Mehrheit die von dem Abg. Stumm (Reichsp.) beantragte Resolution auf Ein- führung einer Witwen- und Waisenversicherung für die unter das Invalidenversicherungsgesetz fallenden Personen angenommen. Nichts ist bezeichnender für den Wert und die praktische Bedeutung dieser Resolution, als daſs die intimsten Gegner des „Königs Stumm“ für sie stimmten. Die große Mehrheit würde noch sehr viel größer gewesen sein, wenn nicht das Centrum nicht sowohl aus princi- pieller Gegnerschaft, als vielmehr aus Zweckmäßig- keitsgründen diese Versicherung nur auf die In- dustriearbeiter-Hinterbliebenen hätte beschränken, d. h. die landwirtschaftlichen Arbeiter hätte ausschließen wollen und darum gegen die Resolution Stumm gestimmt hätte. Für letztere wäre jedenfalls auch der conservative Theil der Minderheit eingetreten, so daſs man sagen kann, der Grundgedanke sei unahez einstimmig gebilligt worden. Denn auch die Nationalliberalen und eine Anzahl von Frei- sinnigen marschierten mit Stumm und den „Ge- Der Ausschluss der landwirtschaftlichen Arbeiter von den Wohlthaten der beantragten Reformen wurde mit großer Entschiedenheit von dem Staats- secretär Grafen v. Posadowsky und mehreren Ab- geordneten gerade im Interesse der Landwirtschaft bekämpft. Es wurde mit Recht geltend gemacht, daſs dieseer Ausschluſs den Zuzug in den Städten und die Leutenoth auf dem Lande vermehren würde: Dem Arbeiter, dem mehr an der Versicherung seiner Familie, als an seiner eigenen Versicherung liege, würde nur ein Ziel vor Augen schweben, Industrie- arbeiter zu werden, damit im Falle seines Ab- lebens seine Familie vor der äußersten Noth ge- schützt sei. Der Vertreter der Regierung vertrat die Resolution keineswegs, wenn auch seine Ausführun- gen nicht zu der Hoffnung berechtigen, daſs die verbündeten Regierungen sich beeilen werden, zu dem Beschlusse des Reichstages Ja und Amen zu sagen. Im Prinzip kann die Regierung auch nicht gegen einen Plan sein, der die durch die berühmte Bot- schaft Kaiser Wilhelms d. Gr. vorgezeichnete Spezial- reform so bedeutsam erweitert und der für die Arbeiter des Nährstandes, die im besten Falle ein hinreichend großes Vermögen für ihre Hinter- bliebenen ersparen können, sei es in der Form von Lebensversicherung oder durch eigenes Ansammeln, nur das thun will, was der Staat in weiser Für- sorge schon längst für die besser dotierten und des- halb wie auch aus anderen Gründen eher zum Sparen fähigen Arbeiter des Lehrstandes, die Beamten der verschiedensten Kategorien, gethan hat. Graf v. Posadowsky wies auf die natürlich beträchtlichen Kosten der vorgeschlagenen Versicherung hin. Er schätzt sie bei sehr niedrigen Renten selbst auf 100 Millionen. Darum meinte er, sei es unter den obwaltenden Verhältnissen richtiger, zunächst einmal abzuwarten, bis die drei großen sozialen Gesetze reformiert sein werden und die finanziellen Folgen dieser Reformen übersehen werden können. „Ich meine also, wenn man auch mit seinem Herzen vollkommen mit disem Antrage sympathisiert — und ich glaube, es wird kein Mitglied dieses hohen Hauses sein, das dieses Ge- fühl nicht theilt — so würde es doch politisch richtig sein, sozusagen erst einmal Cassa zu machen, erst einmal abzuwarten: was kostet die Reform der gesammten drei Versicherungsgesetze, und wie wird dann unsere gesammte wirtschaftliche Lage sein?“ Der Staatssecretär schloß mit der Erklärung, daſs wenn nach Abschluss der großen socialpolitischen Reformen die finanziellen Verhältnisse, die Steuer- kraft, die wirtschaftliche Entwickelung des Landes es erlauben, dieser in so hohem Grade nützlichen und wünschenswerten Schritt zu thun, wir gewiss nicht zögern werden, Ihnen eine entsprechende Gesetzes- vorlage zu unterbreiten.“ Nun hoffen wir das Beste. Im Interesse des Landes im allgemeinen und der Arbeiter im beson- deren. Wenn diese gegen Krankheit, Unfall und die Invalidität, sowie gegen die Arbeitslosigkeit des Alters versichert sein werden, dann wird nur noch die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit als Ziel aufs Innigste zu wünschen übrig bleiben, dann wird die nossen.“ Elektrische Vollbahnen in Deutschland. Daſs den gegenwärtigen Eisenbahnbetriebs- kräften einmal ihr Stündlein schlagen wird, kann kaum noch Jemand bezweifeln, der die enorme Ent- wickelung der mit dem Dampf concurrierenden Kräfte — insbesondere der Elektricität — näher kennt. Die verschiedenartigsten Hindernisse, an deren Beseitigung die technische Wissenschaft mit Energie und auch mit Erfolg arbeitet, schnitten bisher jedem größeren ins Auge gefassten Project den Lebens- faden durch. So weit die Elektricität in Frage kommt, scheiterte die Schöpfung hart am Ende immer an der Schwäche eines für lange Strecken wirkenden Stromquantums. Wenn nun auch das Ausland, insbesondere Amerika, mit prahlerischer Geberde auf seine Errungenschaften auf dem Ge- biete der Eisenbahnsysteme hinwies, so kann es dem kritischen Auge doch nicht verborgen bleiben, daſs auch dort noch so erhebliche Mängel zu Tage treten, die es nicht empfehlenswert erscheinen lassen, mit der vollendetsten Sphäre des Dampfes endgiltig zu brechen. So weit man den heutigen Stand der elektri- schen Kraftschöpfung übersehen kann, darf unstreitig das Heilmann'sche System als dasjenige ange- sehen werden, das die Möglichkeit der Einführung des elektrischen Kraftbetriebes am aussichtsvollsten er- scheinen lässt. Dieser Elektriker construirte eine Locomotive, die sich von allen anderen elektrischen Fahrzeugen dadurch unterscheidet, daſs ihr der be- nöthigte Strom weder von einer Centrale durch Außenleitung zugeführt wird, noch auch durch Accu- mulatoren, deren Umfang bei weiten Strecken die Unmöglichkeit ihrer definitiven Einführung sofort klar erscheinen lässt, mitgeführt wird, sondern daſs dieser Strom von einer auf der Locomotive aufge- stellten Dampfmaschine erzeugt wird, und zwar kann dies während der Fahrt und je nach dem Dampfdruck des Kessels in Atmosphären in beliebi- gem Umfange geschehen. Die so construirte Loco- motive ist auf diese Weise ein fahrendes Elektricitäts- werk, das den von ihm erzeugten Strom den Elektro- motoren zuführt, welche ihrerseits nun wieder auf die Radachsen einwirken. Man muss gestehen, hat dies System auch keineswegs den Typus der Voll- kommenheit aufzuweisen, so zeigt es der Entwickelung doch in acceptabler Form den Weg, auf dem diese an der Beseitigung der Nachtheile arbeiten könnte. Seit nun die Gornergratbahn, die von Viége via Zermatt auf den Gornergrat an den Fuß des riesigen Matterhorns führt, im Spätsommer des Jahres 1898 ihre Vollendung erfahren und gezeigt hat, daſs selbst für unüberwindlich gehaltene Hinder- nisse ad absurdum geführt werden können, tritt man den Projecten elektrischer Vollbahnen wieder in energischer Weise näher. So hat die Firma Siemens & Halske bei Groß-Lichterfelde ein Ver- suchsterrain für kräftigere elektrische Vorspannfahr- zeuge geschaffen und man darf annehmen, daſs sie damit eine entscheidende Stätte für den Gedanken der elektrischen Eisenbahn ins Leben gerufen hat. Auch in Bayern ist der Bau einer elektrischen Voll- bahn zwischen der bayerischen Station Gundelfingen und der württembergischen Station Sontheim in Angriff genommen. Diese letztere Bahn soll den bekannten Ausflugsort Obermedlingen und von dort aus den Ort Brenz berühren. Ferner wird eine elektrische Vollbahn von der Eisenbahnstation Tros- fingen nach dem Orte Trossingen in Württemberg ihrer Vollendung nahe sein. Dieselbe hat eine Länge von ca. 5 Kilometern, die Spurweite beträgt 1435 Millimeter, die größte Steigung 3 Procent. Die Kraftcentrale bekommt zwei Gaskraftmaschinen von je 100 Pferdekräften. Zum Bahnbetrieb dienen 2 Dynamomaschienen von je 75 Pferdekräften und eine aus 300 Elementen bestehende Accumulatoren- batterie. Die zwei Locomotiven werden mit je 2 Elektromotoren von 40 Pferdekräften ausgerüstet. So treten noch eine ganze Reihe Versuchs- projecte zutage. Wenn ihnen Erfolg beschieden und Entwickelungsaussichten eröffnet werden sollten, so muſs der Dampf seine absolute Herrschaft über den Weltverkehr aufgeben und nachdem er die Lebens- spanne eines reichlichen Menschenalters erreicht hat, seine Mission als erfüllt betrachten und den Platz (Mitgetheilt vom Patent- der Elektricität räumen. und technischen Bureau von Richard Lüders in Görlitz.)
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