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Im Namen Seiner Majestät des Kaisers! Das k. k. Kreisgericht in Eger, Abth. IV., hat über Antrag der t. k. Staatsanwältschaft erkannt: 1. Der Inhalt der Nummer 59 der periodischen in visch erscheinenden Druckschrift „Ascher Zeitung“ vom 23. Juli 1898 begründet“ in dem Leitaufsatze „Wahre Worte“ Seite , und Seite 2, Spalte 1 und 2, den Thatbestand des Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung im Sinne des § 300 St.-G. 2. Die verfügte Beschlagnahme dieser Nummer wird nach § 489 St.-P. O. bestätigt: 3. deren Weiterverbreitung gemaß § 493 St.-P.-O. verboten. 4. Die Vernichtung der mit Beschlag belegten Exem- plare nach § 37 P.-G. angeordnet und 5. Der Redaction gemäß § 20 P.-G. die kostenfreie Einschaltung des Erkenntnisses in der zunächst er- scheinenden Nummer auf der ersten Blattseite an erster Stelle aufgetragen — denn: in dem incriminirten Aufsatze wird durch Schmähungen und Verspottungen die Anordnung einer Behörde herab- zuwürdigen und auf solche Weise zur Verachtung gegen Staatsbehörden aufzureizen gesucht und begründet deshalb eine solche Schreibweise den Thatbestand des Vergehens im Sinne des § 300 St.-G., weshalb über Antrag der k. . Staatsanwaltschaft das obige Erkenntniß nach § 489 St.-P.-O. gerechtfertigt erscheint. Die übrigen Aussprüche sind in den bezogenen Gesetzesstellen begründet. K. k. Kreisgericht Eger, Abth. IV. am 27. Juli 1898. Kohl. Bismarck's Tod. Fürst Bismarck ist Sonnabend, den 530. Juli um 10 Uhr 40 Min. nachts gestorben. Ueber die letzten Tage und Stunden des Altreichs- kanzlers wird geschrieben: Am Freitag Nachmittag war der Fürst außergewöhnlich munter. Um 7 Uhr nahm er an dem Diner theil, rauchte, trank einige Gläser Champagner und gab einem Beamten den Auftrag, zwei Meerschaumpfeifen für ihn anzurauchen. Samstag früh trat eine Verschlimmerung ein. Die Familie saß von Vormittag unausgesetzt am Bett. Die Schmerzen des Fürsten wurden so heftig, daß sein Stöhnen auf der Landstraße zu hören war. Der Fürst griff mehrere Male an das Herz, da heftige Athemnoth ihn bedrängte und sprach nur wenige Worte zum Grafen Herbert. Um 3 Uhr nach- mittag wurde er ganz apathisch. Ein Ohnmachts- anfall folgte auf den andern. Gegen 8 Uhr traten Gräfin Sibylla, die Gemahlin des Grafen Wilhelm, zu der Familie, die sich im Neben- zimmer aufhielt, und verkündete freudestrahlend, daß der Fürst schlafe. Es war aber nur eine Erschöpfung eingetreten. Schweninger hatte nach seiner am Donnerstag erfolgten Abfahrt von Friedrichsruh sich erst nach Sachsen und dann nach Berlin begeben. Die Familie des Fürsten sandte ihm ein Telegramm nach, das ihn ver- fehlte. Von der Reise erschöpft, verschlief Schweninger den Zug und verließ erst 7 Uhr 50 Min. Berlin. Auch ein zweites Telegramm mit der Weisung, er solle einen Extrazug nehmen, erreichte ihn nicht. Man depeschirte daher nach Wittenberg, wo der Bahnhofsvorsteher Schweninger das Telegramm im Zuge überreichte. Er depeschirte sofort zurück: „Macht heiße Hand- bäder, legt Schwamm an Hals.“ Einige Minuten nach 101/2 Uhr Nachts lief der D-Zug in Friedrichsruh ein. Die Söhne des Grafen Rantzau und Baron Merck erwarteten Schweninger, der beim Verlassen des Zuges heftig weinte, und begaben sich mit ihm per Wagen in's Schloß. — Es verlautet, daß Fürst Bismarck bereits vor zwei Jahren bestimmte, daß auf der Anhöhe gegenüber dem Friedrichsruher Schlosse ein Mausoleum für ihn und seine Frau errichtet werde. Auch die Grabschrift hat der Fürst selbst bestimmt, sogar auch die Schriftart. Die In- schrift lautet: „Hier ruht Fürst Bis- marck, geboren 1815, gestorben .... ein treuer deutscher Diener Kaiser Wilhelm's I.“ Wie die „Berliner Neuesten Nachrichten“ er- fahren, fand die kirchliche Einsegnung der Leiche Bismarcks am Dienstag im engsten Familienkreise, im Trauerhause selbst statt. Dann bleibt der Sarg dort geschlossen stehen, bis das Mausoleum auf der sogenannten Schneckenburg gegenüber dem Friedrichsruher Herrenhause erbaut ist, was bis spätestens Anfang Oktober geschehen sein dürfte. Der „National-Zeitung“ zu Folge beauftragte Kaiser Wilhelm Professor Begas die Zeichnung eines Sarkophags zu entwerfen, der den großen Todten in voller Kürassierunisorm darstellen soll. Friedrichsruh, 31. Juli. Nur wenigen. Personen ist es bisher vergönnt gewesen, den Meister der Staatskunst auf seinem Sterbelager zu schauen. Schlicht und doch gewaltig! Das ist der Eindruck, den der Trauernde empfängt, wenn er in das kleine Gemach eintritt, in wel- chem der Fürst seinen letzten Athemzug gethan. Das Antlitz Bismarcks ist ein wenig kleiner ge- worden, aber scharf treten die Züge hervor. Nach dem schweren Todeskampfe haben sich die Züge geglättet. Eine sanfte, feierliche Ruhe hat das Angesicht verklärt. Der Kopf mit den mäch- tigen Brauen ist ein wenig vornübergeneigt, der gewaltige Leib lehnt sich an ein Kissen, wie wir es auf dem Bilde des todten Kaisers sehen. Der Kammerdiener Pinnow, der in den letzten Monaten in des Wortes eigenster Bedeutung nicht von dem Krankenlager seines schwerleidenden Herrn wich, hält auch an seinem Todtenbette die stille Wacht. Friedrichsruh zeigte heute Nacht, nachdem die Trauerbotschaft bekannt ge- worden war, kaum ein verändertes Gepräge. Nur die Infassen des Schlosses, die sich in der letzten Zeit gleichsam auf Verabredung kaum auf der Straße hatten sehen lassen, um nicht theil- nahmsvollen Freunden über das Befinden des Fürsten Rede stehen zu müssen, kamen, um ein wenig frische Luft zu schöpfen und ihr Herz zu erleichtern, vor das Schloßthor. Tiefbewegt, wußten sie nicht genug zu erzählen von dem schweren Leidenskampf ihres verehrten Herrn. Sonst keine Bewegung im stillen Walddorfe, auf das die Nacht ihre Fittige gesenkt hatte. Kein äußeres Anzeichen für das weltgeschichtliche Er- eigniß, keine Bewegung der Massen, kein Zu- sammendrängen der Menge, aber die wenigen Bewohner von Friedrichsruh, welche sich in der späten Nachtstunde zusammenfanden, drückten einander stumm die Hand. Bald nachdem wenige begünstigte Personen dem todten Bismarck ge- huldigt hatten, erklärte Graf Herbert, der nun- mehrige Fürst Bismarck, daß der Eintritt bis auf Weiteres für Niemanden, sei es auch wer es sei, gestattet wäre. Vor dem Hauptportal des Schlosses zogen zwei Gendarmen auf Posten. Gleichzeitig wurde noch in der Nacht an das zu- ständige Landrathsamt die Bitte um angemessene Verstärkung gerichtet, da für den heutigen Tag ein enormer Andrang des Publikums zu erwarten ist. Wie unvorbereitet das Hinscheiden des Fürsten gekommen ist, geht daraus hervor, daß Schweninger am Donnerstag Abend guten Muths abreiste und aller Welt versicherte, eine Kata- strophe stehe nicht in Aussicht. Am gestrigen Tage jagten sich die Depeschen, welche Schweninger nach Friedrichsruh riesen, es sollte für ihn ein Extrazug gestellt werden, aber ehe der Befehl zur Ausführung kam, war der mit so heißer Sehnsucht Erwartete schon auf dem Wege nach Friedrichsruh. Wie er aus dem Wagen sprang, sich in die harrende Equipage warf und in Carriere dem Schlosse zujagte, das wird den Wenigen auf dem Bahnhofe Anwesenden unvergeßlich bleiben. In diesem Augenblicke wußte Jedermann, daß das Lebens- werk des Fürsten vollendet sei, nur wenige Minuten noch hielt der treue Arzt die erkaltende Hand in der seinen. Bismarck er- kannte ihn nicht mehr. Seit einer Stunde schon war das Bewußtsein gewichen, er röchelte in schwerer Agonie. Als der Zeiger der elften Stunde nahte, legte Schweniger die Hand des Kämpfers sanft auf die Kissen zurück, der Tod war eingetreten. Die Familie kniete zu einem stillen Gebete nieder. Kurze Zeit hiernach betrat Schweninger das Telegraphenamt, um die De- pesche persönlich zu überbringen, mit welcher Herbert Bismarck den Tod seines großen Vaters dem im hohen Norden weilenden Kaiser anzeigte. Schweninger war tief ergriffen, er bejahte die Frage eines Journalisten, ob der Tod eingetreten sei. Thränen rollten ihm die Wangen herab. Die Familie des Fürsten hat sich erst in der dritten Morgenstunde zur Ruhe begeben. Herbert Bismarck schloß die von seinem Vater bewohnten Gemächer persönlich ab. Der Zutritt in das Schloß wird von Gendarmerie verwehrt. Das kaiserliche Postamt hat als erstes Gebäude in Friedrichsruh die Flagge Halbmast gehißt. Namhafte Verstär- kungen des Postpersonals sind in der Nacht herangeholt worden. Still liegt noch der Ort, aber schon trifft die Bahnverwaltung umfassende Vorbereitungen. Tausende werden für Nach- Pr. 143/98 Das Entlassungsgesuch des Fürsten Bismarck. Moritz Busch, einer der Vertrauten des Fürsten Bismarck und den weitesten Kreisen be- kannt geworden durch sein nach Tagebuchblättern verfaßtes Buch „Graf Bismarck und seine Leute während des Krieges 1870“ bringt eines der bedeutendsten Documente zur Geschichte des neuen deutschen Reiches zum ersten Male an die Oeffent- lichkeit. Es ist das eingehend begrün- dete Gesuch des ersten Reichskanzlers an den Kaiser um Enthebung von den Aemtern. Ein überaus wichtiger Moment der reichsdeutschen Geschichte wird durch dieses Acten- stück zum ersten Male vollständig aufgeklärt. Dem Commentar, durch der Busch das jetzt im „Berl. Localanzeiger“ veröffentlichte Entlas- sungsgesuch einleitet, entnehmen wir zunächst Fol- gendes: Kaiser Wilhelm starb, und sein Nachfolger hätte auch bei einem längeren Leben, als ihm beschieden war, vermuthlich trotz der Meinungs- verschiedenheit, die ihn als Kronprinz geraume Zeit vom Kanzler trennte, den Rath seines Groß- herzoglichen Freundes aus Karlsruhe befolgt, der ihm kurz nach seinem Regierungsantritte die Ueberzeugung aussprach: „Ohne Bismarck kannst Du nicht regieren.“ Das wurde anders. Das kräftig ausgebildete Selbstgefühl Wilhelms I. das sich äußerte, bedurfte keines Seelenarztes und ertrug auf die Dauer keinen Mentor und Censor, der vielmehr bald als unbequem, als Last, als Hemm- niß für genialen Flügelschlag empfunden wurde. Es duldete neben sich nur die Subordination des Militärs, welche Befehle unbesehen und an- standslos vollzieht und vertritt. Der Kanzler war zu dieser Rolle nicht zu haben. Er ver- mochte sie auch nicht zu verheucheln. Er durfte doch am Ende auch einiges Selbstgefühl haben, und er glaubte sich vor der Geschichte verant- wortlich. Aus der Meinungsverschiedenheit in der einen und der anderen Frage wurde allmäh- lich eine Entfremdung, die sich rasch zur Ver- bitterung steigerte und, wie nunmehr zu erwarten, mit einem Bruche endigte .. . Der Kronrath vom 24. Januar 1890, in welchem die Entwürfe zu den Erlassen in der Arbeiter- frage vorgelesen wurden, zeigte dem Kanzler, daß sich die Meinungsverschiedenheit, die sich zwischen ihm und dem Monarchen gebildet hatte, nicht mehr ausgleichbar war, und um nicht ver- antwortlich zu werden für Schritte, die zu schwe- rem Schaden führen konnten, versagte er seine Zustimmung und Unterschrift. Busch kommt dann auf die Unterredung zwischen Bismarck und Windthorst zu sprechen, die von letzterem erbeten, von Bankier Bleichröder vermittelt und vom Reichskanzler, wi bisher jedem Abgeordneten, bereitwillig gewährt worden war. Bismarck wünschte während der- selben zu erfahren, welche Stellung die Fraktion des Centrumführers im neuen Reichstag einnehmen werde und erfuhr, daß man Rückkehr zu dem kirchlichen Zustande vor 1871 zu erlangen gedenke. Von einem Versuche zu einem Zusammenwirken der klerikalen Partei mit dem Kanzler war nicht die Rede. Dagegen wurde im weiteren Verlaufe des Gespräches die Möglichkeit eines Cabinets- wechsels berührt, und der Ultramontane Politiker bat dringend den Fürsten im Amte zu verbleiben, und empfahl ihn für den Fall, daß er dennoch gehen müßte, in Anbetracht der schwierigen Lage die Wahl eines Militärs zum Nachfolger, wobei er den General v. Caprivi als besonders ge- eignet bezeichnete. Der Besuch des Führers der Klerikalen und der Umstand, daß Bleichröder ihn vermittelt hatte, veranlaßte den Kaiser, dem Fürsten Bismarck sein Befremden darüber auszu- sprechen und ihm die Fortsetzung derartigen Ver- kehrs mit Abgeordneten ohne sein Vorwissen und seine Erlaubniß zu untersagen. Dies erschien diesem als „Allerhöchste Controle“ seines persön- sönlichen Verkehrs außer Dienst, der er sich nicht unterwerfen könne, und damit war eine weitere Steigerung der Krisis eingetreten, zu der sich in dieser Zeit auf dem Gebiete der auswärtigen Politik ein Vorfall gesellte, welcher dem Kanzler den Beweis lieferte, daß er die Ansichten
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