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der leitend in hoher Politik macht, der Wind weht von oben. Dort wurde die einer Entweihung gleich kommende Anwendung des Satzes „Du sollst den Nächsten lieben, wie Dich selbst“ im steiermärkischen Wahlkampfe ausgeheckt und gegen diese Klerikalen, die bar alles nationalen Gefühles nur von dem Ziele der Verstärkung der welt- lichen Macht geleitet werden, richten sich diese Worte, ohne aber das wirklich religiöse Gefühl verletzen zu wollen. O. St. entsetzliche Regen nachgelassen, gestern und heute hatten wir herrliches Wetter. Wenn es nur endlich von längerer Dauer wäre!“ Schlesinger, Ernst Schneider, Walter Ritter von Troll, Josef Schnabl, Ferdinand Loquai, Josef Gregorig, Dr. Augustin Kupka, Jakob Thoma, Anton Baumann, Adalbert Heyden, Josef Sengstbradl, Johann Mayer, Josef Baumann, Johann Schreiber, Ernst Vergani. Welcher Geist auf diesem Parteitage herrschen wird, ist nach der Haltung Lueger's gegen die deutschnatio- nalen Bewerber Herzog und Sauer nicht mehr zweifelhaft. Die Wasserkatastrophe in Tirol. Einem Privatbrief aus Brixlegg in Tirol ent- nehmen wir folgende Mittheilungen über die ver- heerenden Unwetter der letzten Zeit. Datiert vom 15. August lautet es dort: „Die wilde, reißende Allbacher Ache hat hier in der letzten Woche viel Schaden angerichtet, von dem wir glücklicher Weise nicht betroffen wurden, da unsere Wohnung viel zu entfernt von der Unglücksstelle liegt. Aber böse Tage waren es immerhin und wir haben tiefes Mitleid gehabt mit den oft recht hart Betroffenen. Nachdem es nämlich in der letzten Woche viel geregnet hatte, ging in der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch ein furcht- barer Wolkenbruch über den 2 Stunden von hier entfernten, ganz hoch im Gebirge gelegenen Ost-Allbach nieder und schon 1 Stunde später war der etwa 5 Minuten von Brixlegg entfernte kleine Badeort Mehren vollständig überschwemmt. Da letzterer sich unmittelbar an Brixlegg an- schließt, macht man hier gar keinen Unterschied zwischen den beiden Orten, thatsächlich stark be- droht war aber wirklich nur die Ortschaft Mehren, wo viele Häuser ganz im Wasser standen, voll- ständig delogirt werden mußten und 2 bis 3 davon durch das Wasser total ruinirt worden sind. In zweien derselben wohnten Sommergäste mit Kindern, die mitten in der Nacht flüchten mußten. Ihre Koffer wurden am Morgen, ge- rade als wir aus der Ferne das entsetzliche Unglück ansahen, aus den Fenstern durch das Wasser gerettet. Brixlegg sowie Mehren haben erst vor 3 Jahren infolge der furchtbaren Ver- heerungen, die schon damals der sonst recht un- scheinbare Wildbach angerichtet hat, mit grenzen- losen Kosten und Entbehrungen Dämme und Teiche errichten lassen und schon damals war viel raisonniert worden, wie sorglos und nachlässig die Ingenieure dabei vorgegangen, wie fehlerhaft die ganze Anlage ausgefallen war. Jetzt hat sich das Murren gerechtfertigt; alle Opfer der ohnehin armen Bevölkerung waren umsonst, in einer Nacht hat der Fluß alles wieder zerstört. Die Deiche sind verwüstet, der Wildbach hat sich ein neues Bett gerissen, die ganze Gegend in Mehren glich einem tosenden See, der Fluß führte riesige Bäume und Steine mit sich, ein ganzes Häuschen wurde eingerissen, ein Tisch, noch mit dem Brod und Messer in der Lade, wurde vorübergetrieben. Es war ein schrecklicher Anblick, noch schlimmer aber war das beständige Sturmleuten der Mehrener Kirche, das Tag und Nacht fast ununterbrochen tönte, das Blasen der Feuerwehr, das alle Männer der umliegenden Ortschaften zur Hilfeleistung rief. Von Schwaz trafen 100 Landesschützen ein und arbeiteten Tag und Nacht unter unsäglichen Beschwerden, meist bis an die Brust in dem tosenden Wasser stehend. Sechs von ihnen riß das Wasser einmal mit, 5 davon wurden gerettet, einer ist bis heute vermißt, einer noch schwer krank. Gestern sollten Pioniere von Innsbruck zur Hilfe kommen, doch scheint die Gewalt des Wassers gebrochen, es sinkt allmählich, die schlimmste Gefahr ist beseitigt. Aber viele Menschen sind auf Jahre hinaus ruinirt, Felder, Wiesen und Gärten total ver- sandet und versumpft, die Häuser voller Risse und Sprünge, die Gegend als Sommerfrische — im Sommer ja eine Haupterwerbsquelle der Be- wohner — wohl für immer verrufen. — Die Erbitterung gegen die nachlässigen Ingenieure und die ganze Bauleitung ist darob groß, daß man allgemein den Wunsch hörte, erstere nur hier zu haben, um sie selbst in die tosenden Fluthen zu werfen. Ein Laie selbst sah, welch' grenzenlose Fehler bei der Anlage der Dämme begangen worden sind. Dazu versagte durch all die Tage die elektrische Beleuchtung in Brixlegg, da das Elektricitätswerk nicht arbeiten konnte. — Der Inn war auch riesig angeschwollen; in Rattenberg mußte zum zweiten Male in einer Woche die Kommunikation nur durch Kähne aufrecht erhalten werden, die ganze Stadt war wieder unter Wasser. Seit vorgestern hat nun wenigstens der Politische Rundschau. Jnland. Dem Abgeordneten Dr. Fournier ist ob des Judenbriefes, der an seiner Liebe und Treue zum auserwählten Volke zweifelt, eine gewaltige Angst in die Glieder gefahren. Er veröffentlichte in der „N. Fr. Pr.“ einen Brief, in dem es heißt: „Kein Wort meiner Rede läßt die Deutung zu, daß ich „die vielen wohlgesinnten und ehrenhaften An- gehörigen des Judenthumes für das Entstehen und Weiterverbreiten des Antisemitismus verantwortlich mache“, und ich muß diese unrichtige Annahme ablehnen. Dagegen habe ich allerdings die Meinung ge- äußert, sie könnten in einer bestimmten Rich- tung bei der Bekämpfung des Antise- miti'smus mit thätig sein. Und dieser Ge- danke ist weder neu, noch unerhört. Der Prager Universitätsprofessor Dr. Zucker, dem der geehrte Aus- schuß gewiß nicht „Unkenntniß der Verhältnisse“ zum Vorwurfe machen wird, hat ihn im Reichsrathe aus- führlich erörtert und scharf pointirt, in deutschböhmischen Zeitungen ist er vor Kurzem wieder zur Sprache ge- kommen, und ein angesehenes Blatt fortschritt- licher Richtung, dessen Redacteur ein Jude ist, hat in demselben Sinne wie ich dargelegt. Nach- dem ich meine Rede beendigt hatte, haben mir voraus jüdische Wähler, Männer in hervorragender Stellung und öffentlicher Wirksamkeit, insbesondere für die vom geehrten Ausschuß angefochtene Stelle gedankt, und ein angesehener Rechtsanwalt jüdischen' Be- kenntnisses war es, der in Bodenbach eine zu- stimmende und mich ehrende Resolution beantragte. Nach alldem muß es mir doch scheinen, als wäre die von mir ausgesprochene Idee nicht so völlig un- discutirbar, wie sie der geehrte Ausschuß hinstellt, und ich sehe mich genöthigt, demselben das Recht zu be- streiten, mir „grundlose Insinuationen“ vorzuwerfen. Mit vorzüglicher Hochachtung Dr. August Fournier, Reichsraths- und Landtags-Abgeordneter. Grundlsee, den 15. August 1896.“ In gut unterrichteten Kreisen werden die häufigen Ministerreisen nach Steiermark, die jedes- mal auch mit besonderer Vorliebe auf lovenisches Gebiet ausgedehnt werden, mit dem Bestreben der Regierung in Zusammenhang gebracht, die acht widerhaarigen slovenischen Landtagsabgeordneten zu „versöhnen“ und zum Wiedereintritte in den Landtag zu bewegen. Demselben Zwecke soll auch der bevorstehende Wechsel in der Person des steierischen Landeshauptmannes dienen. An die Stelle des Grafen Edmund Attems wird vor- aussichtlich binnen Kurzem wieder Graf Gundaker Wurmbrand treten. Graf Wurmbrand war be- kanntlich Mitglied des Ministeriums, das den Antrag auf Errichtung des slovonischen Gymna- siums in Cilli vorgelegt hat. Auch hat er auf das Zustandekommen jener zwar „einstimmigen“, dafür aber farb- und marklosen Kundgebung des steierischen Landtages entscheidenden Einfluß ge- nommen, die es den Klerikalen ermöglichte, ob- wohl auch sie im Landtage zugestimmt hatten, dann im Reichsrathe für die Tillier Post zu stimmen und zu sprechen. Ohne die Vermittlung des Grafen Wurmbrand, der sich vor einigen Monaten den besten Deutschen genannt hat, wäre damals eine Kundgebung beschlossen worden, die zwar nicht einstimmig gefaßt worden wäre, aber die Klerikalen gezwungen hätte, Farbe zu bekennen. Das Cillier Gymnasium wäre allerdings durch eine schneidigere Kundgebung nicht verhindert worden; aber die Mehrheit des steierischen Land- tages hätte sich wenigstens die Beschämung er- spart, dem Monsignore Karlon gründlich aufge- sessen zu sein. Auch die Wiedereinsetzung des Grafen Wurmbrand in seinen früheren Stand müßte also als Zugeständnis an die Slovenen aufgefaßt werden. Für morgen hat der Landeszentralwahl- ausschuß für Niederösterreich, der eigentlich nur christlichsozial ist, einen Antisemitischen Parteitag einberufen. Als Einberufer sind unterzeichnet: Der Vorstand des Landeszentralwahlausschusses für Niederösterreich Dr. Karl Lueger, Reichs- raths- und Landtagsabgeordneter, Obmann; Rudolf Polzhofer, Reichsrathsabgeordneter, Ob- mannstellvertreter; Dr. Albert Geßmann, Reichs- rathsabgeordneter, Schriftführer; Leopold Steiner, Reichsraths- und Landtagsabgeordneter, Schrift- führer. Die Reichsraths- und Landtagsabge- ordneten: Heinrich Fürnkranz, Karl Garn- haft, Gottfried Jax, Prinz Alois von und zu Liechtenstein, Johann Oberndorfer, Dr. Robert Pattai, Professor Franz Richter, Franz Rieg- ler, Dr. Josef Scheicher, Professor Josef England. Seit acht Tagen befindet sich das Executiv- comitee des internationalen Dockarbeiterverbandes, in welchem die Hafenarbeiter Londons, Liver- pools, Glasgows, Amsterdams, Rotterdams ꝛc. vertreten sind, in parmanenter Sitzung. Jeden Tag treffen Delegirte ein, um sich mit dem Exe- cutivcomitee bezüglich der Organisation eines internationalen Dockarbeiterstreiks, an welchem sich eine Million Arbeiter betheiligen werden, zu verständigen. Die Unter- handlungen mit den Rhedereien dauern fort. — Der neue Zankapfel zwischen Eng- land und Transvaal ist, Londoner Blättern zufolge — ein Auslieferungsvertrag, den Trans- vaal mit den Niederlanden abgeschlossen haben soll. In Transvaal sieht man die Sache sehr ruhig an und wird sich nichts von seinen Rechten nehmen lassen. Spanien. In der Deputirtenkammer forderte ein carlistischer Deputirter die Regierung auf, Maß- regeln zu ergreifen, um die der spanischen Flagge in Keywest zugefügte Beleidigung zu rächen. Der Minister des Innern lehnte es ab, hierauf zu antworten. — Die Militärbehörden in Bilbao überwachen die Agitationen der Freibeuter bei den Soldaten und werden diese Agitationen energisch unter- drücken. — Einem Telegramm von Keywest zufolge, ist der spanische Generalstabschef auf Cuba, General Orlando, deßhalb nach Spanien zurückgereist, weil sein Neffe, ein junger Lieutenannt, sich entleibt hat. Der junge Mann war von seinen Vorgesetzten beschuldigt worden, mit den Aufständischen in Briefwechsel zu stehen. Er betheuerte seine Unschuld und nahm sich darauf das Leben. Amtlich wurde die Nach- richt verbreitet, er sei dem gelben Fieber erlegen. General Orlando war so entrüstet über die seinem Neffen angethane Schmach, daß er be- schloß, von Cuba abzureisen. Asten. In Yokohama ist, wie man der „Nowoje Wremja“ unter dem 11. August über Wladiwostok meldet, die telegraphisch eingelaufene Nachricht veröffentlicht worden, hinsichtlich der Korea-An- gelegenheit sei zwischen Rußland und Japan ein für Japan günstiges Abkommen getroffen worden. Die Einzelnheiten des Vertrages sind jedoch noch nicht bekannt. Die Japaner triumphiren und äußern ihre Freude, daß der drohende Konflikt zwischen den beiden Reichen für dieses Mal vermieden ist. Vermischtes. Ein Selbstmord in seltsamer Ausführung. Ein Locomotivführer, der in Zollbrück stationirt ist, heizte, wie den „Berl. Neuesten Nachr.“ aus Stolp gemeldet wird, eine einzelne und unbewachte Locomotive an und fuhr in der Richtung nach Hammermühle ab. Als die Maschine in lang- samer Bewegung war, sprang er ab, legte seinen Kopf auf die Schienen und ließ sich überfahren. Wahrscheinlich hat der Locomotivführer die That in einem plötzlich ausgebrochenen Anfall von Irrsinn vollbracht. Die stärkste Kette, die wohl bis jetzt angefertigt wurde, dürfte jene sein, die neulich in England von den Tipton Green Chain Works, Parkes u. Co. an die englische Staas-Schiffswerft abgeliefert wurde. Die Riesenkette besitzt ovale Glieder, aus 31/2 zölligem Rundeisen geschmiedet, von denen jedes etwa 50 Centimeter lang und 32 Centimeter breit und durch einen Steg ver- steift ist. Zur Prüfung der Kette erwies sich keine der in England vorhandenen Probirmaschinen als kräftig genug, so daß man die Probe durch direkte Anhängung einer Last von 400 Tonnen anstellte. Die Kette, gegen 80 Meter lang, soll zur Hebung von Stahl-Ingots und Panzer- platten beim Marine-Arsenal benützt werden.
Dateiname: 
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