Text auf der Seite 3
Text:
griffe einzelner Grenzjäger geschützt. Im
größten Nothfalle, wenn die Verfolger ihnen
mit ihren Flinten zu nahe kamen, warfen
sie ihre Ladung weg, und suchten in den
geschicktesten und gefahrvollsten Windungen
zu entkommen.
Es ist die kleine Hütte eines solchen
Schmugglers, in welche ich meine freund-
lichen Leser führen will. Ihr sehet die
Familie desselben um den brennenden Kien-
spahn versammelt, denn es ist später Abend
und Winterszeit. Der Schmuggler ist noch
nicht daheim, Gertrud, sein Weib, hat
das Erbsengericht mit Räucherfleisch an
das Feuer gerückt, und sitzt nun Spitzen
klöpfelnd dabei, indem Peter, der Knabe,
Kochlöffel und Quirle schnitzt, und die drei-
jährige Marie mit einem jungen Kätzchen
spielt, die sie mit großer Anstrengung, und
nicht ohne thätliche Widersetzlichkeit der
Katze in die hölzerne Wiege gelegt hat,
um sie gleich einer Puppe in Schlaf zu
schaukeln und zu fingen. Marie schnürt
jetzt das Wiegenband über ihren kleinen
Spielgefährten, und das Kätzchen, auf dem
Rücken liegend, fängt mit dem Pfötchen
das herabhängende Ende, wirft sich dabei
auf die Seite, und die kleine Schaukelwiege
fällt um. Das gefangene Kätzchen befreit
sich mit einem Sprunge auf den Tisch,
Marie ruft ihren Bruder Peter herbei, um
die Widerspenstige einzufangen, und es be-
ginnt nun unter Lachen und Gepolter eine
lustige Jagd nach dem behenden Thiere,
das durch allerlei geschickte Sprünge sich
seinen Verfolgern entzieht. Indeß ist der
Schmuggler Wolf hereingekommen, und
seinem Weibe mit der Hand winkend, daß
sie still bleiben möge, betrachtet er mit
freundlichem Blick das lustige Treiben seiner
Kinder. Er hält den schweren Korb noch
auf den Schultern, Bart und Haare sind
voll Reif, er scheint müde und starr vor
Kälte, aber er achtet es nicht, — denn
seine Kinder spielen ja so fröhlich vor ihm,
ihre Gesichter strahlen vor Gesundheit und
Lust; — dort am Ofen dampft sein Abend-
brod, — Tage lang hat er ja keine warme
Speise genossen — und am Tisch arbeitet
sein treues, fleißiges Weib, um ihm die
Sorge für den Haushalt zu erleichtern.
Da erblickt die kleine Marie zuerst
den Vater, sie läßt ihre zappelnde Beute
frei, die sie eben unter lautem Jubel ein-
gefangen, und hängt sich an die Kniee des
Vaters; Peter springt nun auch mit einem
Satze herbei nimmt ihm den Stab aus der
Hand, und erwärmt diese zwischen den
seinigen, indem er sie reibt, und mit war-
mem Athem darauf haucht. Nun kommt
auch Mutter Gertrud, sie nimmt dem
Vater die Mütze ab, und lüftet ihm die
Riemen seines Korbes, indeß sie mit treu-
herziger Freundlichkeit frägt: „bist wohl
recht müde Vater? Hast einen schlimmen
Tag gehabt! Der Wind schüttelte recht
arg an dem Hüttenfenster, und Du armer
Wolf warst auf dem Gebirg. Komm aber
auch jetzt, mach' es Dir bequem und iß
Dein Abendbrod.“
(Fortsetzung folgt.)
Vermischte Nachrichten.
(Ein reiches Dienstmädchen.) In
Stargard in Pommern erhielt das Haus-
mädchen des Apothekers Zippel von dem
Amtsgericht in Dramburg eine Vorladung
zu einem Termin in einer Nachlaßsache
eines in Rußland verstorbenen Onkels.
Durch den Richter wurde mitgetheilt, daß
ihr und ihren Geschwistern der Nachlaß
ihres Onkels, den sie kaum dem Namen
nach gekannt, zugefallen sei, und daß ihr
auf ihren Antheil, vorläufig auf mehrere
Jahre, eine jährliche Rente im Be-
trage von 100,000 Mk. gezahlt werde.
Erst wenn die bedeutenden Güterkomplexe
sämmtlich verkauft, werde den glücklichen
Erben das gesammte Kapital ausbezahlt;
bis dahin erhalte jeder Erbe 100,000'�.
als Rente. Das bisher arme Mädchen
kehrte ruhig wieder zu ihrer Herrschaft
zurück, erzählte dieser in großer Seelenruhe
von dem ihr wiederfahrenen Glück und er-
klärte, bis zu ihrer Verheirathung mit einem
kleinen, aber fleißigen Landwirth in deren
Diensten bleiben zu wollen.
(Schrecklicher Selbstmord.) In der
Seestadt Havre in Frankreich hat sich am
8. Jan. ein Mann in der Michaelskirche
während des Abendgottesdienstes auf schauer-
liche Weise das Leben genommen. Er
hatte alle seine Kleidungsstücke mit Petro-
leum getränkt und Holzstücke durch Stricke
um seinen Leib gebunden. Dann hatte er
eine Schale mit Petroleum angezündet und
über sich ausgegossen. Der Priester ver-
suchte vergeblich die Flammen zu ersticken;
Dateiname:
katholischer-volksfreund-erzaehler-1891-02-15-n7_5180.jp2