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Hilfe an, so daß endlich der ärgste Nothstand beseitigt war. (Fortsetzung folgt.) Beichtstuhle sitzen geblieben. Allein bald riß ihn das Jammergeschrei der Unglücklichen aus seiner Betäubung: er eilte hinaus, rief die übrigen Jesuiten, die unversehrt geblieben waren, zusammen und bahnte sich durch die Trümmer einen Weg in das halbzerstörte Collegium, wo er zusammenraffte, was er an Kleidung und Lebensmitteln finden konnte, um für die Ver- unglückten Sorge zu tragen. Zuerst ließ er große Schuppen errichten, unter welchen er die obdachlosen Einwohner vor dem strömenden Regen schützte. Dann eilte er mit Alphons in die verschütteten Straßen. Die Unglücks- stätte bot einen entsetzlichen Anblick dar. Ue- berall, so weit das Auge reichte, rauchende, brandgeschwärzte Schutthaufen und gräßlich verstümmelte Leichen. Dazu von allen Seiten das Wimmern der Verwundeten, das Röcheln der Sterbenden, das Hülfegeschrei derer, welche in den oberen Stockwerken schon halb einge- stürzter Häuser um Rettung vor dem drohen- den Verderben baten. Wo Malagrida erschien, streckten ihm Hunderte flehend die Hände ent- gegen; jeder wollte zuerst gerettet sein. Mit unglaublicher Kühnheit kletterte der sechsund- sechzigjährige Greis in den zerfallenen Gebäuden umher, um die noch Lebenden in Sicherheit zu bringen und den Sterbenden die letzten Trö- stungen der heiligen Religion zu spenden. Sein Herz blutete beim Anblicke so unsäglichen Jam- mers, und oft sah man ihn die thränengefüllten Augen schmerzlich zum Himmel richten, als ob er fragen wollte: „Gerechter Gott! wann wird deine Hand aufhören, uns zu züchtigen?“ Tag und Nacht setzte er seine Anstrengungen rastlos fort, bis er endlich, unterstützt von den übrigen Vätern und dem selbst zur Hilfe her- beigeeilten Könige, die nothwendigsten Vor- kehrungen getroffen hatte. Mehrere hundert Verwundete waren gerettet und so gut als möglich unter sicheres Obdach gebracht, wo sie von den so schwer verläumdeten Jesuiten mit der aufopferndsten Liebe gepflegt wurden. Thränen der Rührung traten dem Monarchen bei diesem Anblicke in die Augen, und von solchem Beispiele zu neuem Eifer entflammt, leitete er persönlich die Arbeiter, welche den Schutt wegräumten und die Menge der Todten begruben, deren Verwes- ungsgeruch die Luft verpestete. Zugleich langten von allen Seiten Lebensmittel, Geld und andere Die in's Kleid eines Sünders eingenähte Medaille. Ein französischer Offizier, der im Lager alt geworden war, hatte eine äußerst fromme Schwester, die ihm über sein unreligiöses Leben fruchtlose Vorstellungen machte. Trost- los darüber, daß sie ihren Bruder, den sie innig liebte, also ohne Religion dahin leben sehen mußte, wendete sie sich in inbrünstigsten Gebeten zu Gott; aber ihre Wünsche schienen nicht erhört zu werden. Endlich rief sie die Fürsprache der unbefleckt empfangenen Jung- frau an; sie ersuchte mehrere Personen, ihre Gebete mit ihr zu vereinigen, und nähte in die Kleider ihres Bruders eine Medaille der unbefleckten Empfängniß ein. Dies geschah in der Charwoche. Am Ostertage wollte der Offizier einige Zeichen von Religion an den Tag legen und wohnte dem Gottesdienste bei. Er hörte eine Predigt über die Auferstehung. Jesu Christi. Der Prediger brachte einen Vergleich vor, der auf seinen Zustand paßte. Dieser war folgender: „Wenn ein General seinen Soldaten verkündigen würde, er werde ihnen die Unsterblichkeit geben, wenn sie tapfer kämpften, und wenn er, um sein Versprechen zu bekräftigen, sogar aus dem Grabe heraus- gestiegen wäre, wo wäre dann wohl der Soldat, der nicht unüberwindlich würde? Aber gerade dieses Versprechen hat uns Jesus Christus unser Oberhaupt gegeben. Er verspricht uns eine glorreiche Unsterblichkeit und er hat dies Ver- sprechen durch seine Auferstehung verbürgt; aber wenn wir dieser Unsterblichkeit theilhaft werden wollen, müssen wir unsere Feinde, näm- lich unsere Leidenschaften, bekämpfen; seien wir also getreue Soldaten und er wird uns in unsern Kämpfen beistehen und uns siegreich machen.“ Der Offizier wurde von diesen Gedanken leb- haft betroffen. Von diesem Tage an änderte er seinen Lebenswandel und erfüllte seine reli- giösen Pflichten mit Gewissenhaftigkeit. Seine überglückliche Schwester zweifelte nicht im Min- desten, daß sie die Bekehrung ihres vielgeliebten Bruders dem göttlichen Herzen Mariä verdanke. Diesen Vorfall erzählt Devie, Bischof von Belly. Druck und Verlag von Fr. Pustet in Regensburg. Als Beilage zu Nr. 3 und 4 des kathol. Volksfreundes. VII. Jahrgang. 1874.
Dateiname: 
katholischer-volksfreund-unterhaltungs-blatt-1874-01-15-n2_4270.jp2