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Wellen umgekommen. Seit jenem schrecklichen Januar-
tage des Jahres 1895, welcher den Untergang des norddeutschen
Lloyddampfers „Elbe“' und den Tod von nahezu 400 Menschen
sah, hat sich zur See keine ähnliche Katastrophe ereignet. Und
diese letzte ist die größte, die seit dem Entstehen der modernen
Schiffahrt überhaupt sich ereignet hat. Ein Schiff, das 71/2
Millionen Francs gekostet hat, ist verloren, unermeßlich und un-
ersetzlich ist der Verlust, den zahlreiche Familien Frankreichs und
wohl auch viele amerikanische und englische erleiden. Ganz
Paris ist in Anfregung und in New-York vermochte die Trauer
um die Verlorenen sogar den Siegesjubel der letzten Tage zu
übertäuben.
Am Donnerstag gab es in der Deputirtenkammer Frank-
reichs eine neue Dreyfus-Debatte. Der Kriegsminister Cavaignac
erklärte sich von der Schuld des Hauptmannes Dreyfus über-
zeugt und verlas zum Beweise derselben drei anonyme Schrift-
stücke, von denen seiner Zeit gegen alles Recht und Herkommen
im Processe dem Angeklagten und seinem Rechtsbeistaud keinerlei
Mittheilung gemacht worden war. Diese Thatsache besteht nun
ein Mal, und sie kann und wird immer betont werden, so oft
gegen das Verfahren gegen den Verbannten öffentlich angegangen
wird. Der Dreyfus-Sache sucht der neue Kriegsminister aller-
dings das Scandalöse etwas zu nehmen, indem er endlich den
Muth findet, den Heros der Dreyfus-Feinde, den längst als Lump
erkannten Major Esterhazy dem Disciplinargericht zu überliefern,
damit dieses wegen der Schmähbriefe desselben auf das französische
Heer an die Frau v. Boulancy, die man früher von der Zeugen-
bank fern gehalten, erkenne, was Rechtens ist.“
Einen neuen Erfolg hat die russische Politik zu ver-
zeichnen. Seit Jahren ist es Rußlands Bestreben, einen Hafen
am Rothen Meer zu erwerben, und die wiederholten Auf-
merksamkeiten, die der Zar dem Negus Menelik erwiesen hat,
waren zum Theil von dem Wunsche eingegeben, sich die Mit-
hilfe des äthiopischen Herrschers zur Erreichung dieses Zieles zu
sichern. Es wird heute berichtet, daß Herr Wlassow, der
russische Gesandte in Abessynien, einen Vertrag mit Menelik ab-
geschlossen hat, nach welchem Rußland die gewünschte Kohlen-
ſtation erhält, die in Kriegszeiten von unschätzbarem Werthe
sein würde.
Das Geschwader Cervera's, das in dem Hafen von San
Jago auf Cuba eingekapselt war, ist bei einem Versuche, zu ent-
kommen, von dem amerikanischen Geschwader vollständig ver-
nichtet worden. Cervera und viele Offiziere und etwa 1000 Mann
sind Gefangene der Amerikaner geworden. Inzwischen kämpfen
die Span er wacker zu Lande. Nach einem über London kommenden
Telegramm beherrschen Shafters Truppen auf allen Seiten
die Stadt San Jago' völlig. Garcia, der Rebellenführer
hat einen der letzten Rückzugspunkte der Spanier, das Fort Dos-
caninos, zwischen Mazancora und Tucar, genommen. Die
Shrapnels der Spanier wirkten bei dem am Montag stattge-
fundenen Kampfe verheerend. Aber auch das Feuer der Ameri-
kaner war heftig. Die Gräben füllten sich mit Todten. Die
Amerikaner stürmten trotz des mörderischen Feuers der Spanier
vor. Die Wirkung des Bombardements auf die Einwohner von
San Jago war schrecklich. Die Menge drängte, während die
Sturmglocken dröhnten, in die Kirchen, wo sich erschütternde
Szenen abspielten. Tausende flohen, auf dem Wege nach El
Caney bildeten die Flüchtlinge einen langen Zug, Frauen, die
mit Juwelen beladen sind, liegen sterbend am Wege. Wenn auch
über den Ausgang des Kampfes bis zur Stunde sichere Nach-
richten noch nicht vorliegen, so ist kein Zweifel daran, das San-
Jago von den Amerikanern genommen wird. Der Fall von
San Jago dürfte auf die weitere Entwickelung des Krieges ent-
scheidend einwirken.
Germanicum erzogen, am 19. März 1842 dort zum Priester
geweiht und am 27. Januar 1858 von König Max II. zum
Bischof von Regensburg ernannt. Viele Ordens-Auszeichnungen
schmücken die Brust des um Kirche und Staat hochverdienten
Kirchenfürsten. Papst Leo XIII. verlieh ihm im Jahre 1892.
sogar das Pallium, womit sonst nur Erzbischöfe bekleidet werden.
Der Hochw. Herr erfreut sich eines guten körperlichen Wohlseins
und geistiger Frische. Möge ihn der Himmel seinen Diözesanen,
die mit inniger Liebe und Verehrung an ihm hängen, noch recht
viele Jahre erhalten, ihnen zur Freude und der Kirche zum Wohle.
(Die bayerischen Schulen) sind gut. Unter den 25,229
Rekruten der Jahresklasse 1897, welche in Bayern schulpflichtig
waren und gemäß § 12 Z. 3 der Heerordnung geprüft wurden,
waren 7 mit mangelhafter Schulbildung. Bei 3 davon war das
Wanderleben bezw. sonstiges Verschulden der Eltern Ursache hier-
von, bei den übrigen lag geistige Beschränktheit bezw. Krankheit vor.
* (Die Sozialdemokratie) hat in den katholischen Gegenden
Bayerns um 10,000 Stimmen abgenommen, in den protestanti-
schen dagegen um 21,000 Stimmen zugenommen. Gewisse Wächter
des Protestantismus halten die Sozialdemokraten für weniger
gefährlich als die kathol. Kirche und sprechen es in ihren Ver-
sammlungen offen aus.
* (Grenzenlose Rohheit.) Wie weit die Bauernbündler die
Bauern bereits verhetzt haben, erhellt aus folgendem Vorfalle:
Vor einigen Tagen kam ein neugeweihter Priester der Regens-
burger Diözese auf der Linie Plattling- Regensburg in ein Eisen-
bahnkoupee, in dem auch mehrere Bündler saßen. Kaum wurden
sie seiner ansichtig, als sie ihn bereits mit „Saupfaff“, „studir-
ter Gauner“ ꝛc. titulirten und ihm die größten Grobheiten ins
Gesicht sagten. Ein Frankfurter Reisender, der in dem gleichen
Koupee saß, mag sich eine schöne Meinung von den katholischen
Bauern Altbayerns gebildet haben. — War dieser Primiziant
auch politisirender Geistlicher?
(Verhaftet.) Der Posthalter und Realitätenbesitzer Putz
von Waldkirchen im bayerischen Wald, welcher nach Kontrahirung
betrügerischer Schulden unter Mitnahme von circa 20,000 Mt.
nach Amerika durchgebrannt ist, wurde, wie die „Donauztg.“ meldet,
in Osckos bei Chicago verhaftet. Ein dorthin ausgewanderter
Bauer hatte ihn zufällig erkannt und davon nach Waldkirchen be-
richtet. Putz hatte unter falschem Namen bereits ein Haus und
Ländereien angekauft. Das Auslieferungsverfahren ist im Gange.
* (Eine Geizige.) Am 30. Juni starb in Ottenhofen
die ledige Näherin Maria Ott von Grünbach im Alter von 76
Jahren. Dieselbe stand im Rufe höchster Armuth und gönnte
sich nur die kümmerlichste Nahrung. Nun fanden sich, in einem
sehr defekten Unterrocke eingenäht, Obligationen, Coupons und
Baargeld vor. Jetzt werden wahrscheinlich Verwändte, die bisher
vergebens gesucht wurden, auftauchen.
* (Kleine Chronik.) In Landshut wurde der Maurer
Frischknecht von dem Bindergehilfen Steiger mit einer Anzahl
Messerstiche in den Kopf, in die Seite und in die eine Hand
traktirt. — In Schwindkirchen bei Mühldorf stürzte der
Spänglergehilfe Vinzenz Kaiser von Augsburg vom Kirchthurme
und blieb todt liegen. — In Hebertsfelden (Ndb.) ertrank
der Bauer Feichtner in der Rott. Feichtner war 50 Jahre alt
und Familienvater. — Auf der Bahnstrecke Bruck bei Erlangen
ließ sich ein Fabrikarbeiter vom Zuge überfahren und tödten. —
In Maudach (Pfalz) wurden dem Rangirer Gottfried Senninger
beide Beine abgefahren. — In Prien fiel das 4jährige Mäd-
chen des Metzgermeisters Straßer in den Fluß und wurde von
dem Oekonomen Johann Mooshuber von Otterkring mit eigener
Lebensgefahr gerettet. — In Rugsburg fiel ein Knabe von
fünf Jahren in die Wertach und konnte von dem Schreiner
Schuhmeier gerettet werden. Der Lebensretter besitzt nur noch
einen Arm. In Landshut gerieth der achtjährige Sohn des
Steindruckers Urzinger unter die Räder eines Lastfuhrwerkes,
wobei ihm der rechte Fuß totol zerquetscht wurde.
Nachrichten aus Bayern.
(Se. bischöfl. Gnaden, der Hochwürdigste Herr Dr.
Ignatius v. Senestrey) vollendete am 13. Juli sein 80. Lebens-
jahr. Seit 40 Jahren nimmt der Hochwürdigste Herr den Re-
gensburger Bischofsstuhl ein. Geboren am 15. Juli 1818 in
Bärnau in der Oberpfalz, wurde er in Rom im Collegium
Nachrichten aus Deutschland.
(Die 45 General-Versammlung der Katholiken Deutsch-
lands) findet vom 21. bis 25. August ds. Is. in Krefeld statt.
Dateiname:
katholischer-volksfreund-1898-07-17-n29_2250.jp2