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Emilie empfing ihn etwas erröthend, doch ohne die sichere Haltung zu verlieren, die sie so schön kleidete. Sie reichte ihm mit würdevoller Anmuth die Hand, em- pfing und gab einen Kuß, ohne weder scheue Zurückhal- tung, noch leidenschaftliche Hingebung zu verrathen. Dann wurde die Sache des weiteren besprochen und die Zeit ihrer Verbindung festgesetzt, wobei Emilie in besonnener Rede nur die gehörige Frist ausbedung, um ihre Aussteuer einestheils zu rüsten, anderntheils eine Hausjungfer in ihres Vaters Haushaltung so einzuführen, daß sie dieselbe mit Ruhe verlassen konnte. Man kam auf eine sechsmonatliche Frist überein; während der Zeit aber durfte Helmberg als erklärter Verlobter seine Abende regelmäßig im Hause der Braut zubringen, auch außerdem bei heiterem Himmel nach Tisch zu einem Spaziergange abholen. Die Brautvisiten kamen nun wieder an die Reihe, und ein Paar voll tadellosen Anstandes war's dießmal, daß sich den Bekannten vor- stellte. Emiliens sicherer Takt fand auch hier die richtige Mitte zwischen der allzu rückhaltlosen Heiterkeit und der kindischen Befangenheit, der sich Bertha einst wechselsweise hingegeben hatte. Auch die Abende brachten sich so an- genehm bei ihr zu, sie war bewandert in allen Wissens- fächern, deren Kenntniß man einer gebildeten Dame zu- muthen konnte; es war für sie nichts Neues da, das ihre Sicherheit verwirrt, oder sie in ihrer leidenschafts- losen Ruhe irgend gestört hätte. Sie gab über ein Buch mit derselben besonnenen Aufmerksamkeit ein Urtheil ab, mit der sie in der Küche dem Dienstmädchen die Eier zu den Pfannenkuchen vorzählte. Sie gab auch dem Bräutigam täglich dem Bewillkommnungs- und Abschieds- kuß mit derselben Würde, mit der sie dem Generalsuperin- fendenten ihre Verbeugung machte, als er zur Kirchen- Visitation im Dekauathause erschien. Anfangs hatte Helmberg zu dieser unzerstörlichen, innern Harmonie seiner Verlobten sich Glück gewünscht, da sie auch dem Himmel seines ehelichen Lebens eine wolkenlose Klarheit verhieß. Nach kurzer Zeit aber dünkte ihm diese leidenschafts- lose Stimmung seiner Erkornen doch gar zu kühl, und wenn auch nie rücksichtslos, doch gleichgiltig. Es stiegen in ihm bedenkliche Zweifel auf, ob denn Emilie ihn auch liebe? Er war sich seiner persönlichen Vorzüge genug bewußt, um Liebe zu verlangen; ein kahles Pflichtgefühl konnte ihm nicht genügen; eine Ehe ohne Liebe wollte er gar nicht schließen; Gott bewahre! welch' ein frostiges, unerquickliches Beisammensein mußte eine solche gewähren! Nun war seine Unruhe wieder geweckt; er wünschte sehnlichst, zur Gewißheit zu gelangen; eine nur schlecht verhehlte, reizbare Stimmung bemächtigte sich seiner. (Fortsetzung folgt.) (Vorsicht.) Zur Verhütung späterer Unannehmlichkeiten dürfte jetzt schon die Notiz vom Interesse sein, daß nach Reichsgesetze über den Spielkartenstempel vom 1. Januar kft. Is. an alle im Gebrauche befindlichen Spielkarten, auch die altern, schon früher erworbenen, den Reichsstempel tragen müs- sen, so daß der frühere Landesstempel keinen Schutz mehr ge- währt. Bemerkt sei noch, daß die Umstempelung der bereits mit dem Landesstempel versehenen Karten unentgeltlich erfolgt. Von der bayerisch-böhmischen Grenze. Am 9. ds. wurde in Ctyn, Bezirk Wollin, der berüchtigte und gefährliche Räuber Jochaïm, vulgo Konitz, seit langer Zeit derSchrne böhmischen Grenzgegend bis tief nach Bayern hinein festge- nommen. Er steht im Verdachte, außer verwegenen Räubereien auch einige Morde auf dem Gewissen zu haben. In Bayern soll er einen Gendarm ermordet haben und die bayerische Regierung hat einen Preis von 200 Mark auf seine Ergreifung ausgesetzt. Er wurde von einem gewissen Waska festgenommen, obwohl der Räuber mit einem sechsläufigen Revolver einer Pistole und mit einem langen Messer bewaffnet war. Waska umfaßte ihn beim Kartenspiel plötzlich von rückwärts und warf ihn zu Boden. Auf sein Geschrei liefen Leute herbei, welche den Räuber banden. Als Beweis, wie Alles nach Beschäftigung jagt, möge Fol- gendes dienen. Ein Kaufmann in Nürnberg suchte dieser Tage einen Kommis und erhielt auf seine in einer mittelfränkischen Zeitung erlassene Annonce innerhalb zweier Tage 153 Briefe von Stellesuchenden. Da mache sich jeder selbst den Vers dazu. In Hildesheim hat sich ein erst vor Kurzem nach dorten versetzter Offizier unsichtbar gemacht, um, wie es heißt, einer ihm drohenden Anklage wegen Vornahme unzüchtiger Handlun- gen mit einem unerwachsenen Mädchen zu entgehen. In Mannheim saß jüngst in einem Hotel eine amerikanische Familie mit einem 2jährigen Knaben an einem Tisch, auf dem eine brennende Petroleumlampe stand. Das Kind ſtieß durch Zufall die Lampe um, gerieth sofort in Brand und war nach wenigen Stunden eine Leiche. In dem Orte Oege bei Hagen spielte ein kleines Mädchen von 5 Jahren mit einer Bohne, nahm dieselbe schließlich in den Mund, verschluckte sie und war in Folge Erstickens trotz aller angewändten Mittel in 10 Minuten eine Leiche. In Wangen erhängte sich ein neunjähriger Knabe auf dem Speicher des väterlichen Hauses. Tags zuvor hatte der Knabe ein Feuer in der Nähe eines Gartenzaunes angezundet. Ursache der That: Ein hinzukommender Mann verwies es ihm und drohte mit dem Polizeidiener. In Zürich ist kürzlich Nachts die große Parqueteriefabrik von Koch und Hirzel gänzlich niedergebrannt. Der Schaden be- läuft sich auf ca. 200,000 Fr. Fahrlässigkeit soll die Ursache des Brandes sein. Ein kürzlich in Petersburg verstorbener, ehem. Schneider- meister hat laut des vom Notar aufgestellten Inventars ein aktives Vermögen von 5,803,350 Rubel hinterlassen. Die Passiva beliefen sich nur auf 82 Rubel 10 Kopeken. In seinem Testa- mente sagt der Erblasser, er habe im Jahre 182 sein Geschäft mit 8 Rubel begonnen. Er kaufte dafür den Stoff zu einem Rock, den er für 13 Rubel 50 Kopeken verkaufte. Straubinger Schranne vom 19. Oktober 1878. Vermischte Nachrichten. Welche Dimensionen der Bahnverkehr auf der Station Deggendorf angenommen hat, ist daraus ersichtlich, daß die Station Deggendorf mehr Einnahme ausweist, als die Stationen Regen und Zwiesel zusammen, und daß Deggendorf auf Grund der in den letzten Monaten erflossenen Einnahmen zu den ren- tabelsten Stakionen in ganz Bayern zählt. Wie man vernimmt, soll die Exrbauung einer Zweigbahn von hier nach Metten durch ein Konsortium projektirt sein. Gerste Haber Weizen Korn Durchschnittspreis des Doppéthektoliters. Höchster. IMittlerer Niedrgst Vk. Pfg.lMk. Pfg.J Mk. Pf. 29 43 28241268 2244 21 95 17 72 19 97 Amberger Schranne vom 19. Oktbr. 1878. (Per Centner). S E 924 603 21 573) 85 62 23 163 188 162 25 231 243 232 11 = Weizen Gerste Habet Korn = 560 — 198 — Redaktion, Druck und Verlag von Ph. Brönner, Buchdrucker in Cham.
Dateiname: 
amtsblatt-cham-roding-1878-10-23-n85_3380.jp2