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1. Jänner 1898
„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 1
Seite 3
in Wien wurde Herrn Adolf Kanhäuser aus
Karlsbad, welcher den Meisterkurs für Bautischler
dort absolvirte, die hohe Ehre zutheil, vom Director
der Anstalt Herrn Hofrath Exner Ihren Hoheiten
vorgestellt zu werden, welche längere Zeit mit Ob-
genanntem sprachen und sich über dessen Fleiß sehr
anerkennend ausdrückten.
(Kirchenmusik.) Im Hochamte am
heutigen Neujahrstage nach der um 1/210 Uhr
beginnenden Predigt werden die Pastoralmesse in
G von W. E. Horak, das Graduale „Laetentur
coeli“ von Karl Czerny, zum Offertorium die
Neujahrstags-Hymne „Du, dessen Treu' auf allen
Wegen“ für Mezzosopran-Solo (Frl. Marianne
Stark) von Rink und das Te Deum („Großer
Gott“) zur Aufführung gelangen. — Im Hochamte
am darauffolgenden Sonntag den 2. Jänner, nach
der um 1/210 Uhr beginnenden Predigt, werden
die Pastoralmesse in C von Robert Führer op. 150
das Graduale „Christus natus“ von Ludwig Rotter
op. 46 und zum Offertorium der Chor „Empor
zu Gott“ (Tenor-Solo: Herr Hans Stolz) von
Fritz Knoll (Manuscript) zur Aufführung gebracht
werden.
(Die „Karlsbader Zeitung“ und die
Wahrheit.) Wir haben uns gestern veran-
lasst gefühlt, eine der uns von der Redaction der
„Karlsbader Zeitung“ zugesandten Berichtigungen
aufzunehmen, einzig allein deshalb nur, um wieder
einmal die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Schreib-
weise eines Blattes hinzulenken, das, nachdem es
das Deutschthum Karlsbads in empörendster Weise
verhöhnt und vor der Oeffentlichkeit bloßgestellt
hat, jetzt zum Jahresschluss sich gedrängt fühlt, alle
seine gedruckten Flegeleien und Gemeinheiten wieder
durch den Berichtigungsparagraphen ableugnen zu
wollen. Die Zeiten sind jedoch glücklicherweise
vorüber, wo sich die Bevölkerung Karlsbads durch
die Hetze dieses Blattes in zwei Lager spalten ließ
und sich gegenseitig bekämpfte; und die Zeiten sind
auch vorüber, wo der Beschwichtigungsköder dieses
Blattes eine Wirkung ausübte. Karlsbads Be-
wohnerschaft ist endlich einmal die Erkenntnis ge-
kommen, wer eigentlich der Urheber des communalen
Unfriedens und Zwistes ist, und heute wird es
die „Karlsbader Zeitung“ vergeblich versuchen,
durch ihre Anbiederungen, durch Hervorheben ihres
„warmen Herzens für ihre Vaterstadt“ und
durch Aufwerfen zum Anwalte verschiedener von ihr
früher bekämpfter Bevölkerungsclassen zu reussieren.
Trotzdem aber halten wir es für angezeigt, dem
Leserkreis jenes Blattes immer und immer wieder
vor Augen zu führen, welche Sorte von Blatt er
unterstützte und welche Lectüre er sich erwählte.
Dies vermögen wir aber nicht besser zu thun, als
wenn wir neuerdings die Parodie „Die nationalen
Esel“ zum Abdrucke bringen, mit welcher die Karls-
bader Zeitung“ die hiesige deutsche Bewohnerschaft
beflegelte. Wir strafen hiedurch auch die gestrige
Berichtigung der „Karlsbader Zeitung“ öffentlich
Lügen, denn Jeder, welcher in der heutigen Zeit,
wo das Deutschthum in schwerem Drangsal sich
befindet, wo überall in deutschen Gauen, weit über
die schwarzgelben Grenzpfähle hinaus, energisch
gegen die Bedrückung der Deutschen in Böhmen
Stellung genommen wird, Jeder, der in solcher
Zeit die Schimpf- und Schmachgedichte
von Heine gegen das Deutschthum zu seinen
Zwecken ausnützt, hat das Recht verwirkt, sich als
Deutscher zu nennen. Die in Nr. 44 der „Karls-
bader Zeitung“ enthaltenen Verse haben folgenden
Wortlaut:
Das Comitee der Esel ward
Von Alt-Langohren regieret!
Sie hatten die Köpfe mit einer Cocard',
Die schwarz-roth-gold, verzieret.
Es gab eine kleine Pferdepartei,
Doch wagte sie nicht zu stimmen;
Sie hatte Angst vor dem Geschrei
Der Alt-Langohren, der grimmen.
Als Einer jedoch die Candidatur
Des Rosses empfahl, mit Zeter
Ein Alt-Langohr in die Rede ihm fuhr,
Und schrie: „Du bist ein Verräther!“
„Du bist ein Verräther, es fließt in Dir
Kein Tropfen vom Eselsblute;
Du bist kein Esel ich glaube schier,
Dich warf eine welsche Stute.
„Du stammst vom Zebra vielleicht, die Haut
Sie ist gestreift zebräisch;
Auch Deiner Stimme näselnder Laut
Klingt ziemlich ägyptisch-hebräisch.
„Und wärst Du kein Fremdling, so bist Du doch nur
Verstandesesel, ein kalter;
Du kennst nicht die Tiefen der Eselsnatur,
Dir klingt nicht ihr mystischer Psalter.
„Ich aber versenkte die Seele ganz
In jenes süße Gedösel!
Ich bin ein Esel, in meinem Schwanz
Ist jedes Haar ein Esel.
„Ich bin kein Römling, ich bin kein Slav';
Ein deutscher Esel bin ich,
Gleich meinen Vätern. Sie waren so brav,
So pflanzenwüchsig, so sinnig.
„Sie spielten nicht mit Galanterei
Frivole Lasterspiele,
Sie trabten täglich frisch-fromm-fröhlich-frei
Mit ihren Säcken zur Mühle.
„Die Väter sind nicht todt. Im Grab
Nur ihre Häute liegen.
Die sterblichen Hüllen. Vom Himmel herab
Schaun sie auf uns mit Vergnügen.
„Verklärte Esel im Gloria-Licht!
Wir wollen Euch immer gleichen
Und niemals von dem Pfad der Pflicht
Um einen Fingerbreit weichen.
„O welche Wonne, ein Esel zu sein!
Ein Enkel von solchen Langohren!
Ich möcht es von allen Dächern schrein,
Ich bin als ein Esel geboren!
„Der große Esel, der mich erzeugt,
Er war von deutschem Stamme;
Mit deutscher Eselsmilch gesäugt
Hat mich die Mutter, die Mamme.
„Ich bin ein Esel, und will getreu
Wie meine Väter, die Alten,
An der alten, lieben Eselei,
Am Eselthume halten.
„Und weil ich ein Esel, so rath' ich Euch
Den Esel zum König zu wählen:
Wir stiften das große Eselreich,
Wo nur die Esel befehlen.
„Wir sind alle Esel! J—A! J—A!
Wir sind keine Pferdeknechte.
Fort mit den Rossen! Es lebe, hurrah!
Der König vom Eselsgeschlechte!“
So sprach der Patriot. Im Saal
Die Esel Beifall rufen.
Sie waren alle national,
Und stampften mit den Hufen.
Sie haben des Redners Haupt geschmückt
Mit einem Eichenkranze.
Er dankte stumm, und hochbeglückt
Wedelt' er mit dem Schwanze.
Welch ein Hohn liegt darin, wenn angesichts solcher
Thatsachen die „Karlsbader Zeitung“ schreibt, „es
ist unwahr, daſs sie die Deutschen beflegelt!“ Ja
gibt es denn eine schärfere Verhöhnung der hehren
deutschen Sache, als dieses Spottgedicht? Und
diese Schmach für die deutsche Bevölkerung Karls-
bads wird aber umso empfindlicher, umso empörender,
weil eben das Gedicht durch die „Karlsbader
Zeitung“ noch localisiert wurde! Der Titel des
Gedichtes lautet im Heine'schen Originale „Die
Wahlesel“; die „Karlsbader Zeitung“ glaubte ein
übriges thun zu müssen und schrieb als Titel „Die
nationalen Esel“. Außerdem aber, daſs die
„Karlsbader Zeitung“ die zwei ersten Strophen
vom Originalgedichte wegließ und ferner dadurch,
daſs sie alle Sätze, die sich auf das Deutsch-
thum beziehen, mit gesperrten Lettern drocken
miral der Marine, der Onkel des Zaren, ist hier an-
gekommen.
31. traf Prinz von Wales zum kurzen Besuch hier
ein.
5. September wurde im Juweliergeschäft Dobrowsky
auf der alten Wiese ein Einbruchsdiebstahl verübt. Der
Wert der gestohlenen Juwelen beziffert sich auf 37.325 fl.
An Bargeld entwendete der Dieb 45 fl. Der Einbruch
wurde durch die Decke des Ladens von einem Zimmer
des I. Stockwerkes aus unternommen. Der Fall erregte“
überall größte Sensation.
11. fand die Einweihung der neuen Volksschule an
der Helenenstraße statt.
19. October verstarb der hiesige Notar Dr. Ritter
von Pelikan im 41. Lebensjahre.
21. wurde vom Kaiser die Marktgemeinde Fischern
auf Grund deren Ansuchen zur Stadt erhoben.
29. fand 2 Minuten vor 3/48 Uhr abends ein circa
2Secunden dauernder Erdstoß statt, welcher jedoch keinen
Schaden anrichtete.
7. November fand ein heftiger Erdstoß früh zwei
oder drei Minuten vor 5 Uhr statt.
18. Um 6 Uhr 25 Minuten und 7 Uhr 48 Min.
wurden hier Erdstöße verspürt.
29. Anlässlich der Demission des Ministeriums
Badeni fand in Karlsbad ein großer Fakelzug der deutschen
Bevölkerung statt, an welchem sich circa 6000 Personen
betheiligten. Weiters veranstalteten aus gleichem Anlasse
die Socialdemocraten einen Zug durch die Stadt, an
welchem circa 3000 Personen theilnahmen.
Wyllards Verhängnis.
Roman in drei Bänden von M. E. Braddon.
Deutsch von Cl. Steinitz.
Einzige autorisirte Uebertragung. Alle Rechte vorbehalten.
(45. Fortsetzung.)
Er konnte sich Lady Valeria nicht mit verquolle-
nen Augenlidern und geschwollenen Lippen denken.
Er stellte sie sich graziös trauernd in den weichsten
weißen Stoffen vor, in einem halbdunklen Zimmer und
einer von Tuberosen und Stephanotis durchdufteten
Atmosphäre. Er sah den Ausdruck ihres ruhigen
schönen Sphinxkopfes vor sich, aus dem die Welt
nach Bedürfnis tiefsten Kummer oder eine versteinerte
Gleichgiltigkeit herauslesen durfte.
Er konnte weder essen, noch schlafen. Er lag
in dem ungemüthlichen Hotelzimmer lange wach,
starrte auf die glatten weißen Rouleaux, die von
den Straßenlampen unten matt durchschienen waren,
er lag und dachte über sein eheliches Leben nach,
das sich ihm in einer Reihe von Bildern entrollte,
und erkannte die bittere Wahrheit, die seinem
Bündnis mit Lord Carlocks Tochter zu Grunde lag.
Und nun war der Zauber gebrochen, der
Traum ausgeträumt. Weder süße Worte noch
Küsse konnten ihn blenden. Er hatte dem Weibe,
das er so sehr geliebt, ins Herz geschaut und es
falsch befunden bis ins innerste Mark.
Der nächste Tag war wild und stürmisch, der
Regen strömte vom bleigrauen Himmel, durch die
schweren Wolken sandte die Sonne während des
ganzen frostigen Tages nicht einen einzigen Blick
hernieder.
General Harborough stand auf dem traurigen
Friedhof und ließ vierzig Minuten lang Wind und
Regen unerschrocken auf sich eindringen. Er zahlte
seinem alten Kameraden
jeden möglichen Tribut
der Achtung, dann ging
er nach dem Bahnhof,
um mit dem Fünfuhrzug
abzureisen, der um elf
Uhr Plymonth erreichen sollte. Er hatte den Ge-
danken aufgegeben das Kodizill nach London zu
bringen. Das konnte nöthigenfalls von Fox Hall
aus geschehen. Er fühlte sich müde und krank und
ihn fröstelte. Er glaubte sich auf dem Friedhof
erkältet zu haben und hielt es für das Beste, nach
Hause zu kommen.
Er hatte eine schlechte Nacht, ein kurzer harter
Husten peinigte ihn, der sich am nächsten Morgen
noch verschlimmerte. Lady Valeria schickte nach
dem Arzt, der die Krankheit für eine akute Ent-
zündung der Luftröhrenäste erklärte. Der Patient
lag stark im Fieber und bedurfte der sorgfältigsten
Pflege. Zum Glück verstand sich der Diener auf
die Krankenpflege und Lady Valeria schien sich ihr
gleichfalls hinzugeben. Sie saß am Bett ihres
Mannes, las ihm vor und wartete ihm mit der
zärtlichsten Sorgfalt auf.
„Sie können unmöglich besser aufgehoben sein.“
sagte der Arzt, „in einem oder zwei Tagen sind
Sie wieder hergestellt.“ Dabei wusste er recht
gut, daſs dem Kranken mindestens eine vierzehn-
tägige Stubenhast bei strenger Diät bevorstände.
Der General ließ geduldig die Umschläge und
Dateiname:
karlsbader-badeblatt-1898-01-01-n1_0055.jp2