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„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 1
1. Jänner 1898
flissenen! Denn die Folge davon müſste ganz
zweifellos die sein, daſs der Stand der tschechischen
Beamten im deutschen Sprachgebiete von Jahr zu
Jahr in einem noch rapideren Verhältnisse zunehmen
müsste, als dies leider Gottes ohnehin schon der
Fall ist, und daſs also die Deutschen auf diesem
Felde aus der eigenen Heimat vollständig und ge-
waltsam hinausgedrängt würden.
Bezüglich der Erreichung der Errichtung dieser
zweiten Postdirection für Böhmen wäre ein doppelter
Weg einzuschlagen. Zuerst würde dabei die natio-
nale Abgrenzung in's Auge gefasst werden müssen
und dann die praktische Nothwendigkeit durch die
Handels- und Gewerbekammern in Eger und
Reichenberg zu betonen und zu beweisen sein. Denn
auch dann, wenn die nationale Zweitheilung sich
ungebürlich verzögern, oder auch, wenn sie ganz
scheitern sollte, müsste unabhängig von dem ge-
dachten Erfolge oder Misserfolge die Sache der
Schaffung dieser zweiten Postdirection geführt
werden. Die politische Seite und die nationale
Sicherstellung zu vertreten, ist Sache der Landtags-
und Reichsraths-Abgeordneten. Das hievon unab-
hängige Bedürfnis der Bevölkerung zur Geltung
zu bringen, bleibt Aufgabe der die commerciellen
und gewerblichen Interessen vertretenden Cor-
porationen.
Der gewesene Handelsminister Baron von
Glanz hat sich übrigens einer bei ihm vorge-
sprochenen Deputation gegenüber mit Bezug auf
diesen vortrefflich begründeten Antrag überaus sym-
pathisch geäußert und es bedingungslos zugestanden,
daſs diese Zweitheilung seine ganze Zustimmung
besitze und auf seine Unterstützung rechnen dürfe.
Wie der neue Chef des Handelsamtes darüber
denkt, ist bisher noch nicht bekannt geworden.
Swoboda führt nun weiter aus, daſs außer-
ordentliche budgetäre Mittel nicht erforderlich sind
und es daher auch gar nicht nothwendig sei, erst
die Reichsvertretung zu befragen und deren Ge-
nehmigung einzuholen, sondern die Errichtung der
neuen Postdirection für Deutschböhmen könnte ohne
Verzögerung und ohne Einspruch von dem Mini-
sterium selbständig im administrativen Wege ver-
fügt werden.
Auf die übrigen Ausführungen glauben wir
nicht näher eingehen zu müssen, da schon die hier
angeführten Zahlen und Beweisgründe für die
Nothwendigkeit der Errichtung einer Postdirection
für Deutschhöhmen sprechen und damit auch wiederum
ein neuer Beweis für die Nothwendigkeit der voll
ständigen Zweitheilung Böhmens erbracht ist. Von
dieser Forderung dürfen wir nimmermehr abstehen.
Local-Nachrichten.
(Zum 1. Jänner 1898!) Wieder stehen
wir am Beginne eines neuen Jahres! Eine zwei-
malige Wiederkehr noch und das neue Jahrhundert
bricht an, das Zwanzigste, von dem die Welt sich
die größte Wandlung aller Dinge verspricht!
Alles schon dagewesen — spricht der weise
Ben Akiba in Gutzkows „Uriel Acosta.“ —
Jawohl, es ist ein ewiger Kreislauf der Dinge.
Und wie man jetzt fieberisch dem neuen Jahrhundert
sich zusehnt, so ist es vor dem Anbruch des jetzigen
den Leuten schon zu alten Säkulums auch gewesen.
Und genau dasselbe Treiben mit dem Ablauf des
alten und dem Beginu des neuen Jahrhunderts,
wiederholt sich im Kleinen beim Abschied vom Alten
und Begrüßen des neuen Jahrs. Nur daſs der
Mensch dann mehr Hoffnung haben darf, zu er-
leben, ob seine Wünsche sich erfüllen werden Und
doch, so kurz die Spanne eines Jahres auch ist,
wie viel geschieht in derselben, das tausende von
Familien in Trübsal und Trauer in Noth und
Elend versetzt und wie verschwindend wenig, das
Glück und Freude bereitet und verbreitet? Wenn
wir heute beim Beginn des Jahres 1898 einen
Blick rückwärts werfen auf das dahingegangene
Jahr, so dürfen wir speciell vom Karlsbader, vom
curörtlichen Standpunkte demselben nicht gram sein,
denn eine illustre Saison hat uns das abgelaufene
Jahr gebracht und wir können nur leohaft wünschen,
daſs das anbrechende junge Jahr eine zumindest
gleich gute Kursaison für uns in seinem Füllhorn
birgt! Wir wollen dies umsomehr hoffen, als
die politische Constellation uns nur Friedensbot-
schaften zu weissagen vermag und ein allgemeiner
Friede am besten im Stande ist, uns für die
künftige Saison das günstigste Horoscop zu stellen.
Wenngleich niemand in der Lage ist, die Schleier
der Zukunft zu lüften, so dürfte man doch auf Grund
der gegenwärtigen Situation keine kriegerischen
Wirren zu erwarten haben. Es gibt heute keinen
Herrscher mehr, der so kriegslustig wäre, daſs er
sein Gewissen zu bethören vermöchte und die Ver-
antwortung zu tragen bereit ist, sein Volk und viel-
leicht die Völker Europas zu blutigem Moroen in
die Schlacht zu führen — um Hekubas willen!
Es müssten schon Völkerinteressen mit Lebens-
bedingungen ganzer Bevölkerungsclassen oder die
Ehre des Reichs und seines Verwesers auf dem
Spiele stehen, ehe ein Landesvater seine Landes-
kinder zu den Waffen ruft, obgleich der Spruch
si vis pacem para bellum auch gegenwärtig
noch Geltung hat. Nimmt man noch hinzu, dass
das wirtschaftliche Moment in manchen Ländern,
speciell aber in Amerika sich eines erfreulichen Auf-
schwungs erfreut, so wollen wir uns denn getrost
der frohen Hoffnung hingeben und im Vertrauen
auf ein gütiges Geschick von dem neuen Jahre
Glück, Frieden, Freude und Wohlstand, mit einem
Worte innere und äußere Zufriedenheit erwarten!
Prosit Neujahr!
(Promenade Concert in der Sprudel-
colonnade.) Wir machen hiemit nochmals auf
das heute um 1/212 Uhr bis 1/41 Uhr in der
Sprudelcolonnade stattfindende Promenaden-Concert
der Schützencorpskapelle aufmerksam, dessen Er-
trägnis dem Deutschen Schulverein zugeführt wird.
Das Programm ist folgendes: 1. Der kleine Cor-
poral von Lecocq. 2. Lustspiel-Ouverture von
Zaytz. 3. Ich bin ein Kind vom Rhein von Zeller.
4. Heimweh. Romanze v. Jungmann, 5. Blätter
und Blüten, Potpourri v. Pleier. 6. Leichtes Blut,
Polka schnell von Gleißuer.
(Operetten-Abend.) Wie wir bereits
schon meldeten, findet heute um 1/28 Uhr abends
im Kurhause ein Concert der Kurkapelle zu Gunsten
des Pensions-, Witwen- und Waisenfondes der
Kurkapelle statt, welches den Titel Operetten-Abend
führt. Das Programm ist folgendes: 1. Karls-
schüler, Marsch a. d. Optte. „Karlsschülerin“ von
Weinberger. 2. Ouverture zu Offenbach's „Oe-
pheus“ von Binder. 3 Trau, schau, wem, Walzer
a. d. Optte. „Waldmeister“ von Johann Strauß.
4. Scenen a. d. Optte. „Der arme Jonathan“ von
Millöcker. 5, Präludium, Chor und Tanz a. d.
Optte. „Das Pensionat“ von Suppé. 6. Sei nicht
bös, Lied a. d. Optte. „Obersteiger“ von Zeller.
7. Frauenlist, Gavotte a. d. Optte. „Schöne
Galathé“ von Suppé. 9. Amorslaunen, Walzer
a. d Optte. „Wunderknabe“ von Taund. 10 Pot-
pourri a. d. Optte. „Zigeunerbaron“ von Johann
Strauß.
(Nachmittags-Concert der Kurkapelle.)
Morgen Nach nittag 4 Uhr findet im Kurhause zum
Besten des Armerandes ein Corcert mit nachste-
hendem Programme statt: 1. Wo unsere Fahne
weht! Marsch aus der Operette „Göttin der Ver-
nunft“ von Joh. Strauß 2. Wiener Jubel-Ou-
verture von Sappé 3. Die Radlfahrer. Walzer
von Franz Wagner. 4. Zigeuner-Chor und Cauzone
aus der Oper „Trovatote“ von Verdi. 5. Varia-
tionen über zwei Themata für Violincello von
Franchomme. 6. Marsca und Mariska, Csärdas
von Serly Lajos. 7. Zweiter Satz a. d. Sonate
pathétique v Beethoven. 8. a) Sommeil d'Enfant
v. Gillet, b) Schlummerlied v. Brenner, für Streich-
instrnmente. 9. Ein Stündch n hei Paula Menott,
Chansonnetten Po pourri von Roehl.
(Anerkennung.) Anlässlich der Besuche
Ihrer k. k. Hobeiten der Erzh rzoge Otto und Franz
Ferdinand im k. k. technologischen Gewerbe-Museum
Aus der Karlsbader Chronik 1897.
Wir glauben unseren Lesern entgegen zu
kommen, wenn wir im Nachstehenden die wissens-
wertesten, interessanten Momente aus dem verflossenen
Jahre wiedergeben:
1. Jänner beging die Firma Mattoni ihr 40-jäh-
riges Bestandsjubiläum.
Das Stadtverordneten-Collegium beschließt die
Einführung der einheitlichen Cur- und Musiktaxe, und der
Stadtrath wird beauftragt, behufs Erlangung der Bewilli-
gung des Inkrafttretens dieser Unificierung der Cur- und
Musiktaxe bis zu Beginn der kommenden Saison, sich
persönlich zum Statthalter zu begeben.
3. Die Stadtgemeinde Karlsbad hat durch ihren Ver-
reter in Berlin Herrn Rechtanwalt Katz das Wortzeichen
mit doppeltem Linienrand „Karlsbader Sprudelsalz“ in
das Warenzeichenregister des Deutschen Reiches eintragen
lassen.
9. Heinrich Edler von Mattoni widmete aus Anlaſs
seiner Ernennung zum Ehrenbürger von Karlsbad dem
Armenfonde den Betrag von 500 fl.
10. Das Stadtverordneten-Collegium bewilligte die
Erbauung einer Leichenhalle am katholischen Friedhofe
und wurden hiefür 42000 fl. in das Präliminare eingesetzt.
7. Februar. Wurde P. Josef Bergmann, der lange
Jahre in Karlsbad als Kaplan fungierte, als Administrator
der Pfarrei Pöltenberg bei Znaim bestellt. Die christliche
Bürgerschaft veranstaltet anläfslich dessen Abreise dem-
selben eine große Ovatlon.
26. An Stelle des von hier geschiedenen Kaplans P.
Bergmann wurde der seit einer Reihe von Jahren im
Kulmer Probsteisprengel stationierte Kreuzherrenordens-
priester P. Nepomuk Kotel hieher versetzt.
20. März. Dr. Victor Ruß wurde zum Reichs-
rathsabgeordneten von Karlsbad gewählt.
4. April. Das neue Gaswerk der Stadtgemeinde
Karlsbad wird nach neunmonatlicher Bauzeit provisorisch
Betrieb gesetzt.
21. Ihre kgl. Hoheit Prinzessin Albrecht v. Preußen,
Gemalin des Regenten von Braunschweig, ist unter dem
Incognito Gräfin Moers zur Kur hier eingetroffen.
25. Ihre Majestät die Königin von Sachsen traf,
sammt Gefolge zum Kurgebrauche hier ein.
27. Prinz Friedrich August von Sachsen sammt
Gemalin traf zum kurzen Besuche Ihrer Majestät der
Königin von Sachsen hier ein.
7. Mai traf der regierende Herzog von Sachsen-
Altenburg zum Kurgebrauche hier ein. Gleichzeitig traf
auch Prinz Albrecht von Preußen, Regent von Braun-
schweig mit Söhnen hier ein.
— Se. Eminenz Cardinal Fürst-Erzbischof Graf
Schönborn besuchte, von Eger kommend, Karlsbad.
— Nachmittags nach 3 Uhr kam in der „Königsvilla“
ein Brand zum Ausbruch, der jedoch bald gelöscht wurde.
20. Ihre kaiserl. Hoheit Prinzessin Eugenie von
Oldenburg aus Petersburg traf hier ein.
29. beging der hiesige Badearzt großherzogl. mecklenb.
Medicinalrath Dr. Eduard Stark sein 40-jähr. Doctor-
jubiläum.
2. Juni. Fürstin-Mutter von Schaumburg-Lippe
ist mit Gefolge zum Kurgebrauche hier eingetroffen.
3. Prinz Albrecht von Preußen, Regent v. Braun-
schweig verlieh Bürgermeister Ludwig Schäffler das Ritter-
kreuz des Ordens Heinrich des Löwen.
9. Die Einweihung der russischen Kirche fand vor-
mittags halb 10 Uhr statt.
19. Se. k. u. k. Hoheit Erzherzog Ludwig Victor
traf, von Prag kommend, zur Inspicierung des Kur-
hauses vom „Weißen Kreuze“ hier ein.
26. fand ein Blumen-Wagen-Corso unter dem
Protectorate Sr. Durchlaucht Max Egon zu Fürstenberg
statt, der einen glänzenden Verlauf nahm.
20. Juli. Ihre königl. Hoheit Princefs Quise von
Sachsen-Coburg-Gotha ist mit ihrer Tochter Prinzess
Dorothea hier angekommen.
25. Fürstin Milena von Montenegro traf zum Kur-
gebrauche hier ein.
28. kam der Thronfolger von Montenegro Erbprinz
Danilo hier an.
11. August. traf König Alexander von Serbien
zum Kurgebrauche hier ein.
18. König Albert von Sachsen verlieh dem Bürger-
meister von Karlsbad Ludwig Schäffler, das Ritterkreuz
des Albrechtsordens I. Classe.
21. Ernst Günther von Schleswig-Holstein traf zu
kurzem Besuche hier ein.
22. Erzherzogin Maria Immaculata traf in Beglei-
tung der Obersthofmeisterin Gräfin Attems und des
Kammervorstehers Conto Scapinelli zum Kurgebrauche
hier ein.
29. König Milan traf zum Kurgebrauche hier ein.
30. Großfürst Alexei Alexandrowitsch, General-Ad-
Dateiname:
karlsbader-badeblatt-1898-01-01-n1_0050.jp2