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2. Beilage zu Nr. 72 der „Ascher Zeitung“. Rede des Landtagsabgeordneten Iro gehaltenin den Frankenthalsälen zu Eger am 31. August 1896. Der zahlreiche Besuch der heutigen Wählerversamm- lung rechtfertigt wohl meine Vermuthung, daß das Interesse am politischen Leben, die Begeisterung für unsere große unverfälscht deutschnationale Sache, wie sie sich am 22. November v. J. anläßlich der Wahl ihres Landtagsabgeordneten zeigten, keine vorübergehen- den Eintagserscheinungen waren, sondern daß die na- tionale Gesinnung meiner verehrten Wähler tief in den Herzen eines jeden Einzelnen wurzelt und daß die Er- kenntniß von der Nothwendigkeit einer rücksichtslosen und entschiedenen Vertretung der nationalen und wirth- schaftlichen Interessen des arbeitenden deutschen Mittel- standes, in weiten Kreisen der Bevölkerung zum Durch- bruch gekommen ist. Und wenn ich heute diese hochansehnliche Versamm- lung überblicke und dieser stattlichen Schaar treudeutsch gesinnter Wähler, den Schreiber der judenliberalen „Egerer Zeitung“ gegenüberstelle, der sich im Vorjahre, am Tage nach der Wahl, erfrechte zu sagen: „der deutschnationale Abgeordnete der Stadt Eger wurde nur von dem „Pöbel“ gewählt“, so muß ich wohl sagen können, daß ich stolz bin, diesen „Pöbel“ im Landtage der deutschen Provinz Böhmen vertreten zu können und daß es mich als deutschen Mann wahrhaftig nicht dar- nach gelüstet, der Vertreter jener plattfüßigen, krumm- nasigen „Intelligenz“ und ihrer Helfershelfer zu sein, als deren Anwalt aufzutreten sich die „Egerer Zeitung“ bis heute nicht geschämt hat. (Stürmischer Beifall.) Weil die judenliberale Partei die Verbindung mit dem Volke verloren hat, oder besser gesagt, weil die judenliberale Partei es stets als unter ihrer Würde stehend befunden hat, mit den breiten Schichten des deutschen Volkes in Berührung zu kommen, da es ihr stets genügte, von dem Geldprotzenthum der oberen Zehntausend auf den Schild gehoben zu werden, wird dieses Volk, dessen Kraft einzig und allein in seiner Hände Arbeit und seiner deutschen Ehrlichkeit liegt, von den Scheppträgern des Judenthums und den Beschützern der großen liberalen Geldsäcke als „Pöbel“ beschimpft und zu meinem Erstaunen habe ich gehört, daß es noch immer sehr anständige Familien in Eger giebt, aus deren Hause die so unanständige „Egerer Zeitung“ und da- mit auch der Judenliberalismus noch nicht hinausge- wiesen wurden. (Rufe: Leider!) Und noch eines Umstandes möchte ich Erwähnung thun: Wenn man jenen Geschäftsleuten, von denen man in Erfahrung bringen konnte, daß sie bei der vor- jährigen Landtagswahl dem deutschnationalen Kandi- daten ihre Stimme gegeben haben, jüdischer- und libe- ralerseits mit der Entziehung der Kundschaft drohte und auch thatsächlich in dieser Richtung einzelne Wäh- ler boykottirte, so wäre da wohl gewiß in Erwägung zu ziehen, ob' es nicht hoch an der Zeit wäre, den Spieß umzukehren und es so einzurichten, daß das ein- heimische arbeitende Volk, (die Angehörigen des Handwerker-, Bauern-, Beamten-, Lehrer- und Arbeiterstandes) und in erster Linie unsere deutschen Hausfrauen die zur Lebensführung nothwendigen Einkäufe nicht mehr bei den „jüdischen Fremdlingen und jenen Liberalen“ die das Volk beschimpfen, besorgen, sondern daß die deutsch- nationale Bevölkerung ihren Bedarf an unterschiedlichen Gegenständen nur ausschließlich in nichtjüdischen und gut deutschen Geschäften deckt. Es wäre dies nur eine natürliche Folge des Druckes, der seitens der juden- liberalen Machthaber auf die Deutschnationalen geübt wird. Und wenn die judenliberalen Advokaten schon die Anwälte des Judenthums sein wollen, dann müssen sie es schließlich auch zufrieden sein, wenn sich die deutschnationale Bevölkerung bei rechtlichen Streitfragen auch nur von deutschnationalen Advokaten vertreten läßt. Bevor ich zur eigentlichen Berichterstattung über meine Thätigkeit im Landtage schreite, möchte ich noch einige klärende Worte über einen Vorfall sprechen, der sich knapp nach meiner Wahl im Vorjahre — vielleicht von vielen Wählern unbemerkt — in kleinem Kreise abgespielt hat. Wie Ihnen, meine verehrten Wähler und Wähle- rinnen, gewiß bekannt ist, bin ich von allem Anfange an als entschieden deutschnationaler Kandidat aufgetreten, habe offen und ehrlich erklärt, daß ich mit keiner anderen Partei irgend welche faule Kompro- misse abschließe, sondern unabhängig nach allen Seiten mich als Vertreter des radikalen Nationalis- mu's um das Landtagsmandat meiner Vaterstadt be- werbe, und daß ich einzig und allein nur Schönerer, den Bahnbrecher der nationalen Bewegung in der Ost- mark, als Führer anerkenne. Wenn Sie die vor meiner Wahl erschienenen Wahlflugschriften noch einmal genau durchlesen und wenn Sie sich an meine im November v. J. hier in diesem Saale gesprochenen Worte er- innern, so müssen Sie, wenn Sie der Wahrheit die Ehre geben wollen, zugestehen, daß aus all diesen Kund- gebungen und Ausführungen wohl keine der anderen Parteien, sei es nun die liberale, christlichsozial-kleri- kale oder sozialdemokratische Partei den Schluß ziehen konnte, daß ich etwas anderes vertreten werde, als jene deutschnationale Sache, als deren Wahrer in der Ost- mark jederzeit Schönerer angesehen werden muß. Meine Haltung, vor, während und nach der Wahl habe ich dann sozusagen „zum ewigen Gedächtniß“ in den „U. D.Worten“ in einem Aufsatz zusammengefaßt, in welchem ich unsere Stellung gegenüber der christlichsozial-kleri- kalen Bewegung und ihren hauptsächlichen Vertretern mit den Worten kennzeichnete, daß wir es gewiß freu- dig begrüßen, wenn deutsche Priester in Ausübung ihrer bürgerlichen Rechte bei Wahlen ihre Stimmen auf die deutschnationalen Kandidaten vereinigen, daß wir es aber unvereinbar mit dem Beruf des Geistlichen, mit seiner Stellung als Seelenhirt, der über das Seelenleben der Angehörigen seines Kirchspieles zu wachen hat — finden, wenn der Priester in den Streit der politischen Parteien sich hineinmischt, in den Kampf, bei dem es sich um das wirthschaftliche und nationale Wohl des deutschen Volkes handelt und in dem nur unabhängige, durch keinerlei höhere kirchliche Vorgesetzte gegen den Volkswillen beeinflußte, weltliche Männer die Führer sein können. — — Ich sagte, was ich oft zuvor schon gesagt habe und was ich stets vertreten werde, daß der Priester in die Kirche und nicht in die politische Wirthshausversammlung gehört und daß die Kanzel, die als Predigtstuhl für das Christenthum bestimmt' ist, nicht zur politischen Redner- tribüne werden darf. (Rufe: Sehr richtig!) Wenn nun diese Kennzeichnung meiner Stellung von gewisser Seite als Feindseligkeit gegen die Religion ausgelegt wurde, so ist das einfach eine böswillige Verdreh- ung und Unterstellung der Thatsachen seitens jener geistli- chen Herren, denen es bei ihrem öffentlichen Auftreten weniger um den Schutz der Religion, als um die Aufrichtung der klerikalen Parteiherrschaft zu thun ist. Zwischen Religion und Klerikalismus ist ein himmel- weiter Unterschied, ebenso zwischen Christenthum und Romherrschaft. Religion ist etwas göttliches, das mit den Vor- gängen im politischen Leben gar nichts zu thun hat, Religion ist eine Gemüths- und Herzenssache, die fern- ab von dem Kampfboden, auf dem um die wirthschaftliche, politische und nationale Freiheit unseres Volkes ge- stritten wird, in dem Herzen eines jeden einzel- nen Volksgenossen ihr hehres und hohes Heiligthum hat, das unabhängig von jedem engher zigen Dogma, sich aus der guten sittlichen Ver- anlagung eines jeden Einzelnen herausbildet und in jedem wahrhaft constitutionellen Staate auf dem Boden der Gewissensfreiheit fußen muß. Klerikalismus dagegen heißt Priesterherrschaft, d. h. im Staate soll nicht die Gesammtheit, des Volkes maßgebenden Einfluß auf die Gesetz- gebung haben, nicht der Wille des Gesammt- volkes soll bei der Gesetzgebung zur Geltung kommen, sondern in erster Linie die Meinungen und Anschau- ungen der priesterlichen Vertreter irgend einer einzelnen einflußreichen religiösen Konfession. Darüber meine Herren sind wir aber heute denn doch hinaus; es kann unser heutiger Kampf um die Befreiung aus den Klauen des allmächtigen Judenthums, unser Kampf um die nationale und wirthschaftliche Selbstständigkeit des deutschen Volkes denn doch nicht bedeuten, daß an Stelle einer judenliberalen Herrschaft, der wir gerade den Garaus gemacht haben, wieder eine klerikale, also wieder eine einseitige Parteiherrschaft trete. Wir wollen endlich die nationale Herr- schaft, das heißt die Herrschaft des gesammten arbeitenden deutschen Volkes. Wenn anderseits immer gesagt wird, das Christen- thum ist in Gefahr und das Christenthum müsse ge- fördert und geschützt werden, so klingt das erstens wenig aufrichtig aus dem Munde jener politischen Herren Kapläne, die in ganz unchristlicher Weise bei jeder Gelegen- heit gegen die Protestanten, die ja auch einer christ- lichen Konfession angehören, losziehen, und diese Christen als die leibhaftigen Ketzer und Gottes- leugner hinstellen, als ob die 30 Millionen protestan- tischer deutscher Volksgenossen im Deutschen Reiche nicht gerade so gute und ehrliche deutsche und brave Menschen sein könnten, als ihre katholischen Mitbürger! Den Herren, die mir trotz ihres Priesterrockes in ihrer klerikalen „Reichspost“ in ganz unchristlicher Weise stets die niedrigsten Beschimpfungen an den Kopf werfen lassen und die sich in der unchristlichsten Weise bemühen, meine Wähler gegen mich aufzuhetzen, weil ich mich nicht dazu hergebe, ihrer reinen Rompolitik das Wort zu reden und den Advokatenpolitiker Dr. Lueger als Parteipapst anzubeten, diesen politischen Herren Kaplänen ist es, wie ich schon einmal bemerkte, weniger um Religion und Christenthum, als um die politische Parteiherrschaft zu thun! Meine verehrten Wähler! Wir haben an der judenliberalen Wirthschaft zur Genüge zu kosten bekommen, wie schwer das Volk an einer einseitigen Parteiherrschaft zu tragen hat und werden uns daher wohlweislich hüten, nach der jüden- liberalen wieder einer terroristischen klerikalen Partei- herrschaft auf die Füße zu helfen. Wenn man immer sagt, das Christenthum ist in Gefahr und die Priester haben daher die Aufgabe sich in die politischen Versammlungen zu begeben und dort den Schutz des Christenthums zu besorgen — so sage ich erstens, daß heute das Christenthum weniger in Gefahr ist, als die wirthschaftlichen Existenzen des Bauern- und Bürgerthums und die schmalen Geldbörsen der Lohnarbeiter und zweitens, wenn das Christenthum schon in Gefahr wäre, so ist gewiß nicht das Wirths- haus oder der politische Versammlungssaal der Ort für den Schutz des Christenthums — sondern die Kirche. Wenn es unsern Priestern heiliger Ernst ist mit ihrer Angst um das bedrängte Christenthum, so sollten sie sich meiner Meinung nach gerade gänzlich vom politischen Parteigetriebe zurückziehen, damit sie sich ganz ihrem heiligen Berufe widmen können — nachdem ja dieser Stand nicht besteht, um römische Parteipolitik zu betreiben, sondern daß deshalb im ganzen Lande hunderte und aber hunderte von Priestern im Amte stehen, damit sie das Wort Gottes predigen. Wenn ein Pfarrer sieht, daß in seiner Pfarr- gemeinde, die er ja so leicht übersehen kann, irgendwo das Christenthum seiner Pfarrkinder in Gefahr ist, so kann er dem ganz leicht durch Belehrung in Kirche und Schule nachhelfen, dazu benöthigt er bei unseren heutigen Gesetzen keineswegs der Politik; ja ich sage, es wäre wahrhaftig ein schlechtes Christenthum, das mit Hilfe des Staates den Staatsbürgern aufgezwungen würde und es wären auch schlechte Priester, die nicht im Stande wären die religiöse Ordnung in ihren Pfarrsprengeln aufrecht zu erhalten. (Lebhafte Zustim- mung.) Gerade derjenige Priester wird die größte Hoch- Hochgeehrte Versammlung! Verehrte Wähler und Wählerinnen!
Dateiname: 
soap-ch_knihovna_ascher-zeitung-1896-09-05-n72_3185.jp2