Státní okresní archiv Jablonec nad Nisou

Die älteste Archivalie stammt zwar bereits aus dem Jahre 1323, dennoch hat sie zum Umkreis von Gablonz keine sichtbare Beziehung, weil es sich um eine Urkunde eines kirchlichen Herausgebers aus dem Gebiet des heutigen Österreichs handelt; es stehen auch keine relevanten Informationen über die Umstände, unter denen dieses Dokument in die Umgebung von Gablonz gelangen konnte, zur Verfügung. Am  wahrscheinlichsten scheint die Theorie  zu sein, der nach die Urkunde zusammen mit mehreren anderen mitteleuropäischen mittelalterlichen Originalen Anfang des 20. Jahrhunderts für die Sammlungen des damals gegründeten städtischen Heimatkundemuseums erworben wurde. Das Ziel des Erwerbs von Archivalien, die provenienzmäßig ganz anderswohin gehören, könnte die Erhöhung der Altertümlichkeit, des Prestiges und Ansehens von Gablonz und auch seines neuen Museums gewesen sein,  die Dokumente konnten aber vielleicht  auch in die Institution  als Bestandteil der Nachlässe von bedeutenden Bewohnern einer damals sehr reichen Stadt, die mit  anderen (nicht nur mitteleuropäischen) Regionen durch tausende von Banden verbunden war, gelangen.

Der Archivreichtum des Staatlichen Kreisarchivs (SOkA), der mit den oben erwähnten Ausnahmen aus dem Territorium der sprachlich überwiegend deutschen Umkreise von Gablonz und Tannwald stammt, wurde nach der Verwaltungsreform im Jahre 1960 mit Dokumenten aus dem Raum von Eisenbrod, einer national verschiedenen (tschechischen), jedoch wirtschaftlich und kulturell sehr verwandten Region (Produktion und Export von Glas und Bijouterie, Textilindustrie) bereichert. Die Besiedlung des Umkreises von Gablonz ist relativ jung und die Zusammensetzung der verwalteten Archivmaterialien ist dementsprechend. Das älteste „lokale“ Originaldokument stammt erst aus dem Jahre 1582. Es handelt sich um einen Bruchteil des Bergbauregisters von Eisenbrod. 

Das wertvolle Archivmaterial dokumentiert die Realität des Umkreises von Gablonz für den Zeitraum des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts. Stellvertretend für alle sind mindestens die deutsch geschriebene Familienchronik von Kittl aus Gablonz an der Neiße – Kokonín oder die landesherrlichen und obrigkeitlichen Privilegien der Stadt Eisenbrod, beziehungsweise die lokalen Zunftprivilegien zu nennen. Das meiste im staatlichen Kreisarchiv deponierte Archivgut entstand jedoch erst im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert. Erwähnenswert ist vor allem das umfangreiche Archiv der Stadt Gablonz an der Neiße, das zwar Schriftgut aus den Jahren 1716 – 1945 enthält, aber ein erheblicher Teil des Materials stammt erst aus der Zeit nach dem Jahr 1850. Nur durch das Studium dieses Bestandes kann man den schwindelnden und offenbar mit keiner anderen Lokalität  vergleichbaren, von der Produktion und dem Export der berühmten ”Ware von Gablonz”  ausgehenden  Aufstieg der Neureichen der Stadt Gablonz,  die einst in Reminiszenz an das amerikanische Goldgräberfieber in der Mitte des 19. Jahrhunderts „Österreichisches Kalifornien” genannt wurde, begreifen. Das Interesse der Forscher wird jedoch vor allem durch die Nachlässe der lokalen heimatkundlichen Forscher geweckt. In erster Linie sind an die Dokumente des Kenners der Geschichte von Gablonz, Karl Richard Fischer, weiter des Genealogen und Historikers der Glasindustrie, Josef Meissner von Smerschow/Smržov, des Völkerkundlers František Sochor von Eisenbrod sowie des Archäologen und Topografen, Vilém Vaníček von Navarov, zu erinnern.

Eher zu den im Archiv deponierten Kuriositäten kann ein Original des Manuskripts von einem der (in der Region sehr verbreiteten) Passionsspiele, das Eisenbroder Spiel über das Leiden und Sterben des Herrn aus dem Jahre 1791, gezählt werden. Eine Kuriosität stellt dann der persönliche Nachlass einer geheimnisvollen Persönlichkeit aus dem 18. Jahrhundert, Jan Josef Antonín Eleazar Kittls, eines wundertätigen erfolgreichen Arztes aus dem Dorf Schumburg/Krásná im Umkreis von Gablonz, mit dem Spitznamen ”Faust des Isergebirges”, dar. In seinem Bestand ist zum Beispiel auch das medial bekannte, so genannte Zauberbuch deponiert.